Geschrieben: 18:00 - 18:10 Uhr
Warnungen: Unfalltod (grafisch), Panikattacke eines Überlebenden
Desorientiert lief Jasper an der Unfallstelle herum. Blut lief von seiner Schläfe über seine Wange hinab und verschwand unter dem Kragen seiner Jacke. Seine Hände zitterten und er blickte sich suchend um. Die Windschutzscheibe des kleinen Sportwagens war zersplittert, die Motorhaube hatte sich mehr oder weniger um den einzigen Baum in der Umgebung gewickelt und eines der Räder rotierte noch an der Achse.
»Wo ist er nur? Wo ist er? Julien? JULIEN?«
Seine Stimme hallte durch die unheimliche Stille, welche sich über der nächtlichen Landstraße ausgebreitet hatte. Das Licht der Scheinwerfer flackerte, tauchte alles in ein gruseliges Licht, spiegelte sich in der regennassen Fahrbahn und erstarb schließlich wie eine Kerze in einer plötzlichen Windböe.
Die Dunkelheit machte es Jasper nicht gerade einfacher den Fahrer, seinen besten Freund Julien, zu suchen.
Da er sich nicht hinter dem Steuer befunden hatte, musste er aus dem Wagen geschleudert worden sein.
Jasper überlegte, ob er angeschnallt gewesen war, wusste aber keine Antwort.
Er taumelte durch die Dunkelheit, die kleine Böschung hinab vom Straßenrand zu dem Feld neben der Straße. Der Feld war durch einen Elektrozaun gesichert.
Endlich fand Jasper Julien. Er lag am Zaun.
Jasper kniete sich neben ihn, packte ihn behutsam an Schulter und Hüfte, drehte den Körper seines Freundes um und begann zu schreien.
Der Körper war vom Kopf getrennt. Dieser lag auf der anderen Seite des Zauns.
Jasper schrie sich die Seele aus dem Leib. Seine Hände hatten sich in den blutigen Stoff von Juliens Kleidung gekrallt. Bald mischten sich hysterische Schluchzer unter seine Schreie und er bekam kaum noch Luft.
Von seiner Umgebung bekam er nichts mit. Selbst das Geräusch herannahender Sirenen riss ihn nicht aus dieser Mischung von Panik, Angst, Unglauben und Trauer.
Feuerwehrleute und Rettungssanitäter rutschten die Böschung herab und versuchten ihn von Julien zu trennen, aber Jasper wehrte sich. Er wollte seinen Freund nicht loslassen.
Ihn loszulassen hieß ihn vollends zu verlieren.
Der eintreffende Notarzt war es, der Jasper aus der Situation erlöste.
Ohne viel Tamtam zog er eine Spritze mit einem Beruhigungsmittel auf, kniete sich neben Jasper und versprach ihm, dass ihm geholfen würde. Während er sprach, sank die Nadel bereits in Jaspers Vene und die Welt um ihn herum verschwand in wattiger Dunkelheit.
Jaspers kopfloses Gefühl verschwand. Für Julien würde es das niemals wieder tun.
Julien war tot.