Prompt: Spiel mit dem Feuer
Zeit: 09.04.2020, 12:15 Uhr - 12:35 Uhr
"Herr Kommissar … das ist ein Spiel mit dem Feuer. Wenn sie da jetzt reingehen, kann es sein, dass sie da nie wieder rauskommen!"
Die Worte seines Vorgesetzten hallen wie ein Echo durch seinen Kopf, während Kommissar Matthieu St. Laurent am Boden liegt.
Sein Körper ist ein einziger Schmerz.
Nein, dass stimmt nicht so ganz.
Es sind unterschiedliche Schmerzen.
Da ist die Schusswunde in seinem Bauch. Schmerzhaft pochend, aber irgendwie dumpf.
Zumindest im Vergleich zu dem brennenden Schmerz, den die Schnittwunden verursachen. Wunden, die er hat, weil er rücklings durch das große Fenster im zweiten Stock der Fabrik gefallen ist, nachdem ihn die Kugel erwischt hat.
Er hat das Gefühl, dass sein Schädel zu platzen droht von dem Aufprall auf den Asphalt. Das ist mehr als nur eine schwere Gehirnerschütterung, da ist er sicher.
Und unterhalb der Schusswunde, da ist nichts.
Kein Gefühl.
Es ist, als wäre sein Körper abgeschnitten.
Matthieu stöhnt.
In seinem Kopf klingt es wahnsinnig laut, aber er ist sich nicht sicher, wie das für jemanden außerhalb seines Körpers klingt.
Auf einmal wird es hektisch um ihn herum.
Jemand spricht auch ihn an, aber er kann gerade so seine Augen für einen Herzschlag lang öffnen, bevor er sie schließt, weil das Licht einer Stiftlampe sich wie ein Laser in sein Hirn bohrt.
Worte perlen in einem Schwall über ihn hinweg, aber Matthieu lässt sich von den Schmerzen in die Tiefe ziehen. Eine dunkle Tiefe. In ihr ist es zwar ungemütlich, aber er fühlt seinen Körper nicht mehr.
Die Zeit vergeht so zäh wie Honig, der von einem Löffel tropft.
Manchmal erreichen ihn Worte in der Dunkelheit.
… viel Blut verloren … Kugel … knapp an der Aorta vorbei …
Sein Rücken … nur noch Narben …
Ob er je wieder aufwacht?
Schweres Schädel-Hirn-Trauma …
… nie wieder gehen können …
Und dann ist da mit einem Mal die Stimme, nach der er sich am meisten gesehnt hat.
"Papa … Papa, du kannst mich nicht einfach allein lassen. Onkel Hippolite hat gesagt, du hast mit dem Feuer gespielt und dir ganz doll wehgetan, aber ich will nicht, dass die Engel dich holen … ich brauch dich doch. Mama kann dich noch nicht haben!!!"
Chloes Stimme.
Lieblich.
Rein.
Sein kleines Mädchen ist doch gerade mal fünf und sie hat doch nur noch ihn.
Mit einem Mal ist sein Kampfgeist da.
Es fällt Matthieu unglaublich schwer, aber er kämpft.
Kämpft gegen die zähe Masse aus Kälte, Dunkelheit und Schmerz, um zu Chloe zu kommen.
Es geht nur langsam voran, aber die Worte, die er hin und wieder wahrnimmt, klingen besser. Fast ein wenig zuversichtlich.
Die Werte sind stabiler.
… Schwellung klingt langsam ab …
Wir sind vorsichtig optimistisch.
… Wundheilung setzt ein …
Als Chloe ihn wieder einmal besucht, schwimmt Matthieu ganz nah unter der Oberfläche.
"Papa … bitte … ich brauch dich …", hört er sie schniefen.
Sie hält seine Hand.
Matthieu schafft es mit unglaublicher Anstrengung seine Finger um ihre kleine Hand zu schließen und seine Augen einen Spalt breit zu öffnen.
Es ist viel zu hell im Raum.
Das Licht schmerzt, aber er ist wieder da.
"Papa?", fragt Chloe vorsichtig.
Als er noch einmal mit seinen Fingern sacht gegen ihre drückt, ruft sie lauter.
"PAPA!"
Dann fluten Ärzte und Schwestern den Raum und in diesem Moment beginnt Matthieus Kampf.
Der Kampf zurück ins Leben.