Geschrieben: 18:00 - 18:15 Uhr
Dylan seufzte leise und setzte sich langsam auf die Bettkante. Seine Bewegungen waren schwerfällig und er ließ sich bereitwillig von Scott helfen. Der Unfall, der ihn beinahe das Augenlicht und seine Beine gekostet hatte, hatte Spuren hinterlassen.
Der junge Mann hatte Wochen im Krankenhaus verbracht. Im Dunkeln und mit der Aussicht, dass er vielleicht nie wieder einen Schritt allein gehen würde. Zum Glück war die Schwellung an seiner Wirbelsäule abgeklungen und der gebrochene Wirbel verheilt. Dylan brauchte zwar nach wie vor einen Rollator oder Krücken, aber er konnte sich zumindest langsam von A nach B bewegen.
Manche Dinge, wie Hinsetzen und Aufstehen, fielen ihm noch immer schwer, aber mit ein wenig Unterstützung bekam er das hin. Und Unterstützung hatte er. Von seinem Vater Lynden, von seinem Bruder Scott und seiner Freundin Lydia. Aus diesem Grund hatten die Ärzte ihn auch endlich heimkehren lassen, nachdem klar war, dass sie außer der Physiotherapie vorerst nichts für ihn tun konnten.
Seine Augen waren noch immer sehr lichtempfindlich, nachdem man ihm erst am Morgen die Verbände endgültig abgenommen hatte, und so brauchte Dylan einen Moment, um zu begreifen, was ihn so sehr störte.
Vom Bett aus konnte er direkt hinaus auf die Felder, die seiner Familie gehörten, sehen. Als der Unfall geschehen war, waren diese gerade erst für die Saison neu bepflanzt worden. Jetzt aber war von dem Anblick saftiger Felder nichts mehr zu sehen. Die Ernte war eingefahren und zurückgeblieben waren nur Stoppelfelder.
Ein ungläubiger Laut perlte über Dylans Lippen.
»Alles okay?«, hakte Scott besorgt nach und musterte seinen Bruder.
»War ich wirklich so lange weg? Ich hab die Ernste verpasst?«, erwiderte der Jüngere mit rauer Stimme, weil ihn seine Gefühle zu überwältigen drohten. Hatte er seinen Vater und seinen Bruder wirklich mit all der Arbeit allein gelassen und dazu noch täglich ihre Aufmerksamkeit und Anwesenheit im Krankenhaus an seiner Seite gefordert? Er fühlte sich so schlecht deswegen und seine Gefühle drohten ihn in eine Abwärtsspirale zu reißen, als Scott ihn in eine feste und doch vorsichtige Umarmung zog.
»Ja, Dyl … du warst so lange weg und hast die Ernte verpasst … aber wir waren dieses Jahr nicht allein damit … alle hier im Dorf haben geholfen. Sie haben uns unter die Arme gegriffen, damit wir für dich da sein können. So wie wir es gemacht haben, als der alte Jenkins sich das Bein gebrochen hatte oder als Orla im Krankenhaus lag. Es ist alles gut … du musst dir keine Vorwürfe machen«, sagte Scott mit fester Stimme, weil er verstand, wohin die Gedanken seines Bruders gewandert waren.
»Aber …«
»Nein, Dyl … es war nicht deine Schuld. Der Unfall war wirklich das … ein Unfall … und Papa und ich … wir sind froh, dass du ihn so gut überstanden hast … und bald schon kannst du uns wieder unter die Arme greifen. Du weißt, wie unfähig Papa und ich sind, was die Bücher angeht«, unterbrach Scott ihn.
Dylan stöhnte. Er hasste es, sich um die Buchhaltung für den Hof zu kümmern, aber er konnte es am Besten von ihnen dreien und noch dazu war er körperlich im Moment nicht dazu in der Lage etwas anderes zu ihrem Lebensunterhalt beizutragen.
Scott lachte amüsiert. »Schön, dass du wieder daheim bist, Dylan«, sagte er dann leise, während er sein Gesicht in die dunkelbraunen Locken seiner Bruders drückte. »Aber jetzt ruh dich erst einmal aus«
Dylan nickte und ließ sich langsam auf die Seite sinken, während Scott seine Beine ins Bett hob. Sein Blick hing noch immer an den herbstlich goldenen Feldern fest, doch es dauerte nicht lange, da fielen seine Augen zu und er schlief ein.