Prompt: Luftikus
Datum: 14.06.2020
Nachgeschrieben am: 30.07.2020 22:45 - 23:05 Uhr
Luftikus
So habt ihr mich immer genannt.
Oberflächlich, leichtsinnig, unzuverlässig.
Komisch, dass ich der Einzige war, der da war, als Martina die Zwillinge zur Welt gebracht hat.
Komisch, dass ich der Erste war, der zugesagt hat bei Antonias übereiltem Auszug zu helfen, nachdem Mattes sie geschlagen hat.
Komisch, dass ich es war, der Tristan bei sich hat unterkommen lassen, nachdem Isolde ihn betrogen hat.
Komisch, dass ich derjenige war, der Sebastian jeden Tag zum Arzt, Krankenhaus oder Therapeuten gefahren habe, nachdem er beim Paragliden den Unfall hatte.
Komisch, dass ich der Depp bin, der eure Kinder nach der Schule einsammelt und heimbringt.
Aber hey, ich bin ein Luftikus.
Am Arsch die Waldfee, Leute.
Euch kümmert es doch keinen Deut, wie es mir dabei geht.
Ich wollte niemals bei einer Geburt dabei sein und doch war ich trotz all meiner Bedenken dabei.
Ich wollte mich auch nie in Antonias Beziehung einmischen, aber nach der Aktion musste jemand helfen. Und ja, ich habe mir das 'Ich hab's dir ja gesagt' verkniffen. Jeder Blinde konnte doch sehen, was Mattes für einer ist, aber für Antonia war es die große Liebe. Und es war eine Erfahrung, die sie selbst machen musste.
Ich wollte nie mein Leben so mit jemandem teilen, wie ich es über Monate mit Tristan getan habe, weil der sich geweigert hat, sich was Neues zu suchen, nachdem klar war, dass es mit seiner Isolde aus ist. Aber mein Wille und meine Wünsche haben ja nie etwas bedeutet.
Ich habe mich nicht an dem Gutschein zum Paragliden beteiligt und doch war ich es, der mit den Konsequenzen leben musste, weil von euch keiner bereit war zurückzustecken und ihm zu helfen. Aber wie gesagt. Ich bin oberflächlich, leichtsinnig und unzuverlässig.
Das merkt man vor allem daran, dass eure Kinder MICH anrufen, wenn ihr es nicht auf die Kette kriegt, pünktlich zum Schulschluss da zu sein und die Krümel abzuholen.
Ich verstehe bis heute nicht, warum ihr Kinder bekommen habt, wenn sie euch nichts bedeuten.
Wahrscheinlich kommt ihr mir jetzt mit Erwartungen der Familie und der Gesellschaft, blah, blah, blah an.
Guess what.
Der Luftikus verabschiedet sich aus dieser toxischen Gemeinschaft.
Kümmert euch um euren eigenen Scheiß.
Seht zu, wie ihr zum Arzt, Krankenhaus, Therapeuten, eurem nächsten Fick oder zum Einkaufen kommt, holt eure Blagen selber ab, macht sie zu Schlüsselkindern oder gebt sie zur Adoption frei.
So sehr ich sie auch gern habe, ich bin nicht ihr Vater. Ich bin NICHT für sie verantwortlich.
Und ebenso bin ich nicht für euch verantwortlich.
Und nur damit es bei euch auch wirklich ankommt, wenn hier einer oberflächlich, leichtsinnig und unzuverlässig ist, dann seid ihr das. Nicht ich.
In diesem Sinne, fuck you all.
Ich bin raus aus dieser Nummer.
Martin schrieb sich seine Wut von der Seele und nachdem er den Kugelschreiber zur Seite gelegt hatte, atmete er aus. Die Spannung wich aus seinen Schultern. Er hatte alles gesagt, was er sagen wollte.
Da seine Wohnung zum Treffpunkt seiner Freunde geworden war und jeder Hinz und Kunz mittlerweile einen Schlüssel hatte, ließ er den Brief einfach offen auf dem Tisch liegen. Mit einem letzten Blick in die Wohnung schulterte er seinen Wanderrucksack und verließ die Wohnung.
Er war bereit für ein neues Leben. Sein Job war ebenso wie die Wohnung gekündigt. Er hatte ein Sabbatjahr genommen und würde den Jakobsweg entlangwandern und vielleicht in den USA den Pacific Coast Trail, wenn er gefallen daran fand.
Eines jedenfalls war sicher. Er würde sein jetziges Leben hinter sich lassen und ein neues beginnen. Eines, wo er in erster Linie für sich selbst lebte und nicht für andere.