Geschrieben: 18:00 - 18:17 Uhr
Mila blickte ihren großen Bruder mit kugelrunden braunen Augen an. Ihre kleine Hand berührte seine Nase und dann sah sie zu ihrer Mutter, die auf der anderen Seite des Krankenbettes stand.
»Rudolph?«, fragte sie leise.
Ihre Mutter unterdrückte ein Lachen und schüttelte den Kopf.
»Nein, Mila. Alexis ist kein Rentier«, sagte sie.
Milas kleine Unterlippe schob sich vor und sie schmollte.
»Aber es ist bald Weihnachten ... der Weihnachtsmann braucht doch ein Rentier mit roter Nase ... was wenn es neblig wird?«, sagte sie und starrte das Rentiergeweih an, welches aus Alexis‹ wuscheligen braunen Locken herausragte.
Eine Krankenschwester betrat in diesem Moment den Raum und biss sich auf die Unterlippe, um ebenfalls nicht loszulachen. Statt sich jedoch einzumischen, nahm sie Alexis den Haarreif, der das Geweih hielt, vorsichtig ab und strich ihm durch die Locken.
»Mama? Die Tante hat Rudolph kaputt gemacht!!!«, rief Mila und rannte auf ihren kurzen Beinchen um das Bett herum, um an dem Hosenbein ihrer Mutter zu zerren.
Martha nahm ihre vierjährige Tochter auf den Arm und strich ihr durchs Haar. »Die Krankenschwester hat Rudolph nicht kaputt gemacht, Mila. Sie hilft deinem Bruder, damit er schnell wieder gesund wird.«, erklärte sie und trat dann vom Bett weg, als auch noch ein Arzt und eine weitere Schwester den Raum betraten.
Sie untersuchten Alexis, schienten die rotgeschwollene Nase des Teenagers. Sie gaben ihm etwas gegen die Schmerzen, die er sicherlich haben musste, nachdem er nach der Schulweihnachtsfeier über den Lenker seines Fahrrads abgestiegen war.
Mila babbelte immer noch über Rudolph, als Alexis schließlich aufwachte. Ein wenig desorientiert setzte er sich auf und schloss einen Moment seine Augen, um dem Schwindel zu entkommen. Er beantwortete brav die Fragen des Arztes, aber als Mila sich immer mehr aufregte und begann zu weinen, blickte er sich suchend um. Dann entdeckte er den Haarreifen und streckte sich danach aus.
Fast wäre er aus dem Bett gefallen, aber der Arzt fing ihn ab, bevor er sich etwas tun konnte, bevor die Schwester ihm den Haarreif gab.
Stumm gestickulierte er seiner Mutter ans Bett zu treten, was diese ohne Protest tat.
Mit zitternden Händen und hochkonzentriertem Blick setzte Alexis Mila sein Rentiergeweih auf und küsste das weinende Kleinkind auf die Wange.
»Mila? Kannst du dem Weihnachtsmann an meiner Stelle helfen, falls er noch ein Rentier braucht? Ich hab zu dolles Kopfweh«, sagte der 16 jährige mit rauer Stimme zu seiner kleinen Schwester.
Diese schniefte und rieb sich mit ihren Ärmeln die Tränen von den Wangen. Sie zeigte auf sich und ihre braunen wurden wieder kugelrund. »Ich soll Rudolph sein?«, fragte sie.
Alexis nickte langsam. »Ja ... ich kann es dieses Jahr nicht machen und Mama und Papa sind zu alt dafür«, erklärte er ihr.
Mila straffte sich und nickte. »Otay«, murmelte sie und umarmte ihren Bruder dann.
Die Anspannung war aus der Situation gewichen und wenige Minuten später schliefen Marthas Kinder aneinander gekuschelt auf dem Krankenbett, dass Alexis zumindest bis zum nächsten Morgen hüten musste.