Geschrieben: 18:00 - 18:55 Uhr
Warnungen: Melancholisch, erwähnt den Wunsch zu Sterben und den Verlust von Kind und Frau.
Ein leises Seufzen perlte über Killians Lippen. Heute war der sechste Dezember, Nikolaustag und der Tag, an dem er Alexis und Niko verloren hatte.
Unter freiem Himmel kniete Killian nieder und strich mit seinen Fingerspitzen die Buchstaben und Zahlen auf dem schlichten Grabstein nach. Unter Nikos Namen prangte nur der 06.12.2002. Wenige Minuten hatte sein kleiner Engel nach der Geburt noch gelebt, bevor er seiner Mama in den Himmel gefolgt war. Heute wäre er 18 Jahre alt geworden.
Killian kam die Zeit ohne Alexis und Niko wie eine Ewigkeit vor. Es war ihm lange Zeit schwer gefallen sein Leben zu leben, weil er nichts mehr gewollt hatte, als bei Alexis und Niko zu sein. Er hatte mehr als einmal darüber nachgedacht, sich das Leben zu nehmen, aber irgendetwas hatte ihn immer davon abgehalten. Es hatte gedauert, bis er den Grund gefunden hatte.
Eine kleine Hand schob sich in seine und schokoladenbraune Augen sahen ihn neugierig an. »Papa? Wer schläft hier?«
Killian stand langsam auf und hob das kleine Mädchen auf seine Hüfte, während er auf das Grab hinab lächelte. »Nico ist dein älterer Halbbruder, Nicki«, sagte er und streichelte ihr durch ihr hellbraunes Haar.
Nicki schwieg einen Moment und nahm sich die Zeit den anderen Namen zu entziffern. »Und Alexis?«, fragte sie leise.
»Alexis ist Nicos Mama. Die beiden sind an dem Tag zu den Engeln gegangen, als Nico geboren wurde.«, erklärte er ihr leise.
Nicki biss sich auf die Unterlippe und nickte einen Moment später. »Können wir sie besuchen, wenn wir zu Mama gehen?«, wollte sie wissen.
Ein trauriges Lächeln zeigte sich auf Killians Gesicht. Marie, Nicoles Mutter, lag ein Grabfeld weiter. Auch sie war durch Komplikationen bei der Geburt ihres Kindes verstorben, aber ihr gemeinsames Kind hatte überlebt.
Killians Welt war ein weiteres Mal zusammengebrochen, aber gleichzeitig war sie vollkommen neu geordnet worden. Nicole, von ihrem Vater liebevoll Nicki genannt, hatte ihm einen Grund gegeben weiter zu machen. Er hatte lange Zeit gebraucht, bis er sich überwinden konnte zum Friedhof zu gehen und Blumen nieder zu legen.
Der Hauptgrund war tatsächlich Nicki gewesen, die ihn gefragt hatte, wo das Baby aus dem Bild im Schlafzimmer war. Mit sechs Jahren war sie noch zu jung, um zu verstehen, was genau passiert war, aber er hatte ihr in kindgerechter Art und Weise geantwortet. Liebevoll hatte er ihr erklärt, dass das Baby und seine Mama genau wie Nickis Mama bei den Engeln waren. Daraufhin hatte Nicki verlangt, dass sie die Engel besuchen gehen, um ihnen Blumen zu bringen.
Zum ersten Mal in seinem Leben war Killian an das Grab, dass sein Herz und seine Liebe beherbergte, getreten und er hatte es mit einem Lächeln getan. Es war kein fröhliches Lächeln, aber er hatte endlich seinen Frieden mit der Situation gemacht, denn Nicole brauchte ihn. Außerdem hatte er verstanden, dass Alexis, Nico und Marie würden niemals ganz aus seinem Leben verschwunden sein würden, weil Nicki ihn immer an sie erinnern würde.
»Papa? Können lexis und Nicos Bilder zu Mamas ins Wohnzimmer? Dann können sie mit uns Weihnachtsfilme gucken«, fragte Nicki ihn.
Killian blinzelte einen Moment lang verwirrt, dann aber nickte er. »Natürlich. Wenn du das möchtest, dann stellen wir ihre Bilder zu Mamas auf den Kaminsims«, erwiderte er.
Nicole nickte. »Bitte.«, sagte sie nur.
Killian nickte und sah zum Himmel hinauf, wo die graue Wolkendecke endlich aufgerissen war. Er hatte das Gefühl, dass der Rest ihrer kleinen Familie gerade aus dem Himmel auf sie herunter blickte. Hier unter freiem Himmel ließ er endlich die letzten Funken seiner Verzweifelten Sehnsucht nach dem Tod los, denn er hatte Nicole und sie machte sein Leben wieder lebenswert.