Geschrieben: 18:00 - 18:40 Uhr
Langsam, ein wenig zittrig atmete Ryan ein und aus. Er umklammerte mit den Händen den jeweils gegenüberliegenden Ellbogen, hielt sich verkrampft daran fest. Sein Blick flatterte unstet durch den Raum. Erst am Fenster blieb er hängen und er starrte fasziniert nach draußen.
Blitze zuckten aus den dunkelgrauen Wolken, erhellten die tiefschwarze Nacht. Der Donner grollte kaum eine Sekunde später. Das Gewitter war direkt über ihm und Ryan war vor Angst wie angewurzelt.
Im Moment bereute er es eine Penthousewohnung zu besitzen.
Sein Atem ging unregelmäßig und deutlich zu schnell. Panik hatte ihn ergriffen und Ryan wusste, er musste etwas tun.
Mit fahrigen Bewegungen kramte er sein Handy aus der Tasche seines Cardigans und drückte auf Wahlwiederholung.
"Ry?", erklang wenig später die raue, verschlafene Stimme Brians etwas blechern aus dem kleinen Gerät. "Alles okay?"
Ryan versuchte etwas zu sehen, aber bekam durch die Panik nur einige erstickte Laute heraus.
"Shhhh … ganz ruhig, Ry."
Im Hintergrund hörte man es Rascheln. Zunächst Decken, dann Kleidung.
Etwas klimperte.
Schlüssel.
Dann war das Starten eines Automotors zu hören.
"Tief einatmen. Eins, zwei, drei, vier, fünf. Ausatmen. Eins, zwei, drei, vier, fünf. Zähl an deinen Fingern mit.", instruierte Brian über die Freisprechanlage, mit der er sein Handy verbunden hatte.
Ryan versuchte seinen Anweisungen zu folgen, war aber nur mäßig erfolgreich.
Seine Knie gaben nach und er sackte auf den Boden, wo er sich zusammen kauerte.
"Ry!"
Brians Stimme schnitt laut durch seine Panik.
Erschrocken atmete Ryan tief ein, sah sich um.
Um ihn herum tobte noch immer das Gewitter. Lauter denn je. Es war direkt über dem Haus.
Ryan hörte Brian reden, aber die Worte kamen nicht mehr wirklich bei ihm an.
Brian fluchte, als von Ryan keine hörbare Reaktion mehr kam.
Er erreichte das Haus, welches Ryans Wohnung beherbergte in Rekordzeit, stellte ihn direkt vor der Tür auf den Gehweg und scherte sich einen Dreck darum den Wagen richtig zu parken.
Stattdessen sprang er heraus, hastete durch den Regen zur Tür und Momente später pladdernass das Treppenhaus hinauf. Bei solch einem heftigen Gewitter würde er im Traum nicht den Aufzug benutzen.
Die ganze Zeit über sprach er atemlos zu Ryan. Was genau konnte er selbst nicht sagen. Er hielt einfach nur einen ständigen Strom an Worten aufrecht, damit Ryan wusste, dass er nicht allein war.
Dann war er oben und schloss die Tür mit seinem eigenen Schlüssel auf. Er legte sein Telefon auf die Anrichte im Flur, die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und er streifte seine Schuhe ab.
Ein Blick in Richtung Küche und Schlafzimmer sagten ihm, dass Ryan sich dort nicht aufhielt.
Einen Herzschlag später sah er ihn am Boden vor dem Panoramafenster im Wohnzimmer kauern.
Mit schnellen Schritten war er bei ihm, kniete sich zu ihm und zog ihn in seine gegen seine Brust. Er platzierte Ryans Kopf über sein Herz und streichelte ihm beruhigend über den Rücken. Wieder leitete er ihn durch Übungen, die gegen die Panikattacke helfen sollten.
Das es diesmal fruchtete, merkte Brian, als Ryans Hände sich an seinem nassen Pulli fest klammerten und er sich fester an ihn drückte.
Wie lange sie so am Boden saßen, konnte Brian am Ende nicht mehr sagen. Auf jeden Fall war das Gewitter weiter gezogen, auch wenn es draußen hin und wieder noch in der Ferne grollte und immer noch wie aus Kübeln goss.
Das stete Murmeln des Regens schien Ryan zu beruhigen und der feste Griff veränderte sich. Ryans Arme legten sich um Brian, sein Kopf landete an dessen Schulter und Brian änderte ihre Position nach einer Weile, so dass er sich gegen das Sofa hinter ihnen lehnen konnte.
Der Wortschwall von seinen Lippen war schon vor einer Weile verstummt und nur der leise Atem der beiden Männer, hin und wieder von leisen Hicksern Ryans durchbrochen, war im Penthouse zu hören.
Ryan machte es sich auf seinem Schoß bequem, rollte sich dort ein.
Brians Hand glitt seine Wirbelsäule entlang.
"Du bist so anschmiegsam", murmelte er.
Ryan sagte nichts. Was sollte er dazu auch sagen. Nach einer Panikattacke war er immer anschmiegsam. Wollte Nähe. Zumindest von Brian. Wäre jemand anders ihm zu Hilfe geeilt, hätte er wohl das Weite gesucht, sobald er sich halbwegs beruhigt hatte.
Brian hingegen kannte ihn schon so lange, wusste um all die Ursachen, Ängste und Folgen, die die Panikattacken verursachten, und er hatte nie ein böses Wort darüber verloren.
Zwischen ihnen herrschte ein so inniges Vertrauensverhältnis, dass Ryan sich nicht vorstellen konnte ohne ihn zu sein.
Ohne es zu beabsichtigen, äußerte Ryan diesen Gedanken mit leiser Stimme. Brian musste sich anstrengen ihn zu verstehen, aber als die Worte bei ihm ankamen, wurde ihm ganz warm ums Herz und es schlug schneller.
Er zog Ryan fester an sich und drückte ihm einen Kuss gegen die Schläfe. Er hatte keine Worte dafür, wie sehr er sich darüber freute, dass Ryan so empfand. Aber er konnte es ihm zeigen.
Vorsichtig drückte er ihn etwas von sich weg und zwei seiner Finger legten sich an Ryans Kinn, zwangen ihn sanft aufzusehen.
Ihre Blicke trafen sich und sie sahen einander einfach nur an. Erschöpftes Grün traf auf warmes Braun und Brian lächelte. Ganz langsam beugte er sich vor, um Ryan Zeit zum Ausweichen zu geben, wenn er es wollte, und dann trafen ihre Lippen in einem warmen Kuss aufeinander. Es war nur eine keusche Berührung geschlossener Lippen, aber sie sagte so unendlich viel.
Das Gewitter, welches draußen getobt hatte, hatte all die Unsicherheiten der Vergangenheit weg gewaschen und die Zeichen für einen Neuanfang gesetzt. Beide Männer waren bereit dafür, wie es schien.
Als sich ihre Lippen voneinander lösten, waren Ryans Wangen gerötet und er lächelte beinahe verlegen, berührte seine Lippen mit zittrigen Fingern und einem ungläubigen Blick, der zwischen Brians weichen Lippen und dem warmen Blick in seinen Augen hin und her flatterte.
Brians Lippen verzogen sich zu einem warmen Lächeln.
Ryan zögerte einen Herzschlag lang, nahm dann all seinen Mut zusammen und beugte sich nun seinerseits vor, um Brian zu küssen.
Noch immer unschuldig, aber voller Liebe berührten sich ihre Lippen und gaben den Dingen Ausdruck, die weder Ryan noch Brian im Moment auszusprechen wagten.
Eine Weile küssten sie einander, dann jedoch unterbrach ein Gähnen seitens Ryan den Kuss und Brian lachte amüsiert.
"Na komm … kuscheln wir uns ins Bett. Ich muss ohnehin so langsam aus den nassen Klamotten raus und ein bisschen Schlaf nach dem Schrecken wird dir gut tun", murmelte er in Ryans Ohr und einige Minuten später standen sie umgezogen und zum ersten Mal unsicher im Schlafzimmer vor dem Bett.
Diesmal war es Ryan, der sich einen Ruck gab. Er umfasste Brians Hand mit seiner, drückte sie und murmelte: "Na komm … ist ja nicht das erste Mal, dass wir ein Bett teilen"
"Aber das erste Mal, dass wir mehr als Freunde sind", gab Brian zu bedenken.
Den nächsten Schritt taten sie gemeinsam. Sie setzten sich jeder auf eine Seite der Matratze, schlüpften unter die Decke und einen Herzschlag später trafen sie sich in der Mitte an der Besucherritze.
Ryan kuschelte sich auf Brians Brust zurecht und dessen Arme deckten Ryan zu und legten sich warm um ihn.
Der Regen draußen prasselte noch immer und war ihr Gute-Nacht-Lied. Der Schrecken des Gewitters war vergessen und im Penthouse kehrte endlich die wohlverdiente Nachtruhe ein.