Geschrieben: 18:00 - 18:15 Uhr
Hast du jemals das Gefühl gehabt, dass niemand da war?
Hast du dich jemals mitten im Nirgendwo vergessen gefühlt?
Hattest du jemals das Gefühl, du könntest verschwinden?
Als könntest du fallen und niemand würde es hören?
Isabelles Füller kratzte leise über das Papier, während sie diese Worte schrieb. Dann steckte sie die Kappe auf den Füller und legte ihn zwischen die Seiten, bevor sie das Notizbuch neben sich auf den Rasen legte. Sie zog ihre Knie näher an ihren Körper und schlang ihre Arme darum. Dabei zog sie ihre Strickjacke enger um sich.
Die untergehende Herbstsonne wärmte ihren Körper nur noch minimal, daher fröstelte sie ein wenig. Ihre Finger waren ein wenig klamm und sie kaute auf ihrer Unterlippe herum.
Hatte sie Antworten auf diese Fragen? Wollte sie Antworten haben? Die Fragen berührten etwas tief in ihr, dass sie lieber unangetastet lassen wollte. Etwas Dunkles, das ihr Angst machte.
Schritte knirschten über den Kiesweg auf sie zu. Einen Moment später ließ sich jemand neben ihr auf den Rasen fallen.
»Hey, Belle. Alles okay?«, hörte sie Noel fragen.
Langsam blickte sie auf und neigte den Kopf nachdenklich zur Seite.
»Ja«, erwiderte sie, änderte dann aber ihre Meinung. »Nein … ich weiß es gerade nicht … die Fragen, die sie uns als Psychologie-Hausaufgabe gegeben haben … sie verunsichern mich.«, sagte sie schließlich.
»Du weißt schon, dass das einfach nur der Beginn des Liedes ›You will be found‹ aus dem Musical ›Dear Evan Hansen‹ ist, das Professor Smith da übersetzt hat, oder? Das sind keine Ernst gemeinten Fragen, Belle.«, sagte Noel.
Isabelle seufzte. »Ich wusste, dass ich die Fragen irgendwoher kenne … aber das Lied berührt mich … und die Fragen … sie sind nicht besser, Noel. Ich habe keine Antworten … jedenfalls keine, die ich selbst hören will.«
Noel legte seinen Arm um ihre Schultern.
»Selbst wenn du diese Fragen mit ›Ja‹ beantwortest, dann solltest du wissen, dass du Freunde hast, die für dich da sind. Die versuchen, dich aufzufangen, und die dich unterstützen, so gut sie können. Du bist nicht allein, Isabelle«, sagte er und drückte einen warmen Kuss gegen ihre Schläfe. »Ich weiß, der Herbstanfang ist der Beginn der Zeit, in der deine Depressionen wieder schlimmer werden, aber ich bin bei dir. Hier, jetzt und solange du mich lässt, Liebes. In jeder Kapazität, die dir in den Kopf kommt. Als Kumpel, Freund, bester Freund, Partner oder auch mehr. Deine Entscheidung. Ich liebe dich, Darling, und ich möchte dich nicht verlieren.«
Isabelle ließ sich gegen seine Seite sinken und lauschte aufmerksam seinen Worten. Dann blickte sie zu ihm hoch und nach kurzem Zögern küsste sie schüchtern seine Wange.
»Danke, Noel«
Noel lächelte warm und gemeinsam sahen sie der Sonne beim Untergang zu.
»Kommst du mit heim?«, wollte er wissen.
Isabelle nickte.
»Ja … immerhin hast du mich gefunden … und wir können zusammen Abendessen und den Herbstanfang feiern. Vielleicht finden wir die Porzellankürbisse vom letzten Jahr noch. Ich hoffe, Billy hat sie nicht weggeworfen, die waren süß«, sagte sie und klang ein wenig aufgeregt.
Noel nickte einfach. Zumindest ihre Laune schien besser zu sein und mehr hatte er nicht gewollt. Er half ihr auf, nahm ihr Notizbuch in die Hand und legte ihr seinen Arm wieder um die Schultern. Seite an Seite wanderten sie aus dem Park hinaus in Richtung des Studentenwohnheims, wo sie sich ein kleines Apartment teilten.
A/N: Hier ein Link zu der Version vom One Voice Children's Choir. https://www.youtube.com/watch?v=P7VLUI1Kdnk&list=PLVL_WIZqzN3iD2BSOhi5vAHdyRLVixRPs&index=1