Prompt: Besuch aus der Vergangenheit
Zeitraum: 18:00 Uhr - 18:22 Uhr
Warnungen: Tod
Es fällt mir schwer meine Augen offen zu halten. Jeder Atemzug ist eine Qual. Es fühlt sich an, als wäre mein Brustkorb in einer Schraubzwinge gefangen und gewissermaßen ist er das wohl. Ein Hustenanfall schüttelt meinen Körper. Ich versuche das Wasser aus meiner Lunge loszuwerden. Wasser, das gar nicht vorhanden ist. Es fühlt sich nur so an.
"Ryan atmet so schwer … und da ist so ein komisches Geräusch in seiner Brust.", höre ich jemanden murmeln. Ich brauche einen Moment, bis ich die Stimme zuordnen kann. Sie gehört meiner Schwester Elena.
"Das nennt man …", die zweite Stimme wird leiser und ich habe das Gefühl, die beiden Personen sind von meinem Bett weggetreten.
Langsam wende ich meinen Kopf zur Seite und kann die beiden sehen. Es ist wirklich Elena. Die zweite Person ist mein Arzt. Sie sprechen leise miteinander. Ich frage mich, weshalb sie flüstern. Ich weiß doch, dass ich sterben werde. Das war mir klar, nachdem es im Labor zu dem Unfall gekommen ist und ich diese furchtbaren Dämpfe eingeatmet habe.
Ich seufze leise. Huste ein wenig mehr. Mein Hals ist furchtbar trocken.
Elena ist wieder an meiner Seite. "Möchtest du noch einen Eischip, Ry?", fragt sie mich und ich schaffe es zu nicken. Sekunden später spüre ich kühles Nass an meinen Lippen und fühle einen Herzschlag später die Erleichterung, welche die Feuchtigkeit bringt.
Elena lächelt mich an und streichelt mir liebevoll durchs Haar. Ich schmiege mich leicht in die Berührung und mein Atem wird langsamer.
Der Arzt beobachtet mich einen Moment und verlässt dann den Raum. Ich höre, wie die Tür ins Schloss einrastet. Ein wenig unstet bewegt sich mein Blick durch den Raum. Ich kann spüren, dass noch jemand hier ist. Aber ich weiß nicht wo und wer.
Beim Fenster werde ich schließlich fündig. Eine schemenhafte Gestalt steht dort. Ich kann sie nicht erkennen. Die Sonne scheint zu hell in ihrem Rücken. Ganz langsam kommt sie auf mich zu und nimmt meine freie Hand. Ein kühler Daumen streicht über meinen Handrücken. Die andere Hand streicht meinen Wangenknochen entlang.
Ich verziehe mein Gesicht. Es schmerzt. Meine Haut dort ist sehr empfindlich.
"Es ist Zeit, Ryan", höre ich eine vertraute Stimme sagen.
"Großvater? Bist du das?", hauche ich mit rauer Stimme. Das Sprechen fällt mir schwer und meine Worte sind kaum zu verstehen.
"Ryan, unser Großvater ist gestorben, da waren wir beide noch in der Grundschule", höre ich Elena sagen, aber ich ignoriere sie zugunsten meines Besuchs aus der Vergangenheit.
"Ja, Ryan. Es ist an der Zeit, dass du loslässt. Verabschiede dich von Elena und dann lass uns gehen", sagt die Gestalt und eine Wolke schiebt sich vor die Sonne. Es ist wirklich mein Großvater, der da bei mir ist.
"Okay", murmele ich und wende mich Elena zu, die mich verzweifelt ansieht, so als verstünde sie, was gerade passiert. Tränen laufen über ihre Wangen. Zu gerne nur würde ich sie mit meinen Fingern wegwischen so wie früher, aber dazu fehlt mir die Kraft.
Ein Lächeln legt sich auf meine Gesicht. Das Atmen fällt mir noch schwerer und ich fühle, dass ich immer weniger Atemzüge nehme. Mein Herzschlag fühlt sich komisch an. Ich kann ihn spüren und ich bin sicher, dass der Monitor, der meine Vitalzeichen überwacht, gerade Alarm schlägt, aber es ist still. Ich kann nur Elenas verzweifelte Schluchzer hören.
"Ryan, bitte … verlass mich nicht", fleht sie.
"Ich muss, Lena", flüstere ich. "Meine Zeit … ist gekommen. Großpapa Riley ist hier, um mich abzuholen."
"Nein. Bitte … ich flehe dich an, Ry."
Ihre Worte brechen mir das Herz, aber ich kann meinen Tod nicht mehr hinauszögern. "Vergiss mich nicht … ich werde immer … in deinem Herzen sein." Mit diesen Worten hauche ich meinen letzten Lebenshauch aus. Mein Bewusstsein schwindet und ich stehe mit einem Mal neben meinem Körper.
Mein Großvater legt seinen Arm um meine Schulter und wir beobachten die Szene vor uns. Der Monitor zeigt eine Nulllinie. Mein Herz schlägt nicht mehr. Elena umklammert meine Hand, ihr Kopf liegt auf meiner Brust und sie weint herzzerreißend.
Kurz sehe ich Großpapa Riley an, bevor ich mich vorbeuge und meiner Schwester einen Kuss auf die Schläfe hauche. "Es war besser so für mich", flüstere ich ihr ins Ohr, bevor ich mich aufrichte und nicke. "Lass uns gehen", sage ich zu meinem Begleiter.
Wir wenden uns beide von dem Krankenbett ab, die Wolke, die bis eben noch die Sonne verdeckt hat, wird vom Wind davongeschoben und wir treten in den Sonnenschein und mit ihm in das Leben nach dem Tod.