06.10.48 v. Chr. nach dem vorjulianischen Kalender
(02.08.48 v. Chr. nach dem julianischen Kalender)
Ich erwache noch vor Sonnenaufgang warm und geborgen in Caesars Armen. Hätte mir jemand vor ein paar Tagen prophezeit, dass ich meine Nächte nackt und in inniger Umarmung mit dem berühmten römischen Feldherrn verbringen würde, mir wäre die Schamesröte ins Gesicht gestiegen. Jetzt fühlt es sich einfach nur gut und seltsam vertraut an. Julius Caesar ist gefährlich, einschüchternd, ehrfurchtgebietend – und er hat sich gestern mit all seiner Macht schützend vor mich gestellt. Ihn als Verbündeten und Beschützer zu haben, ist einfach nur berauschend. Und wenn er sich so leidenschaftlich gibt wie gestern Nacht, dann ist er…einfach nur göttlich.
Beim Gedanken an unser gemeinsames „Bad“ nach dem Bankett, steigt mir die Hitze in die Wangen. Als ich den Kopf hebe, trifft mich Caesars amüsierter Blick.
„Guten Morgen, meine schöne Göttin.“
Ich lächele ihn an. „Guten Morgen, Sohn der Aphrodite.“
„Hm, wenn du mich sogar im Halbschlaf so nennst, dann muss ich gestern wohl überzeugend gewesen sein.“ Der warme, dunkle Ton seiner Stimme lässt kleine angenehme Schauer über meine Wirbelsäule tanzen.
„Mehr als überzeugend“, flüstere ich. „Vielleicht bist du ja wirklich der Gott Amun und ich bin gerade die Heldin in einem neuen Mythos?“ Seine dunklen Augen blitzen mich belustigt an. Ich schmiege mich noch enger an ihn, wobei mein Bein leicht über seinen Oberschenkel reibt.
Der Druck seiner Hand auf meiner Taille verstärkt sich. „Vorsichtig! Sonst müssen wir dieses Thema gleich vertiefen! Du weißt schon, was die Götter in den Mythen mit schönen Königinnen zu tun pflegen?“, höre ich seine tiefe, angenehme Stimme mit diesem bedrohlich-verlockenden Unterton.
„So etwas wie gestern Nacht?“, frage ich, während mein Atem sich beschleunigt. Ganz langsam lasse ich mein Bein noch etwas höher gleiten, bis ich seine Erregung an meinem Oberschenkel spüren kann.
„Hat dir das gefallen, mein kleines Kätzchen?“
„Ja“, hauche ich. „und gegen eine Wiederholung habe ich absolut nichts einzuwenden.“ Mutig geworden, rolle ich mich halb auf ihn und küsse seinen Hals, kurz unter seinem Kinn. Ich atme seinen Duft tief in mich ein, streichele ihm durch die Haare und küsse mich an der weichen Haut seines Halses entlang, über das leicht raue Kinn, bis zu seinen festen Lippen. Dann richte ich mich leicht auf und schaue ihm lächelnd in die Augen.
„Na wenn das so ist…“ Caesar lacht leise, bevor er seine Hand in meinen Haaren vergräbt und meinen Kopf wieder zu sich herunterzieht. Seine Lippen beginnen mit meinen zu spielen und unser Kuss wird schnell leidenschaftlicher. Mit seiner anderen Hand auf meinem Rücken, zieht er mich noch näher, so dass ich sein wachsendes Verlangen an meinem Schoß spüre. Und dann kann ich gar nicht so schnell blinzeln, da hat er uns schon herumgerollt und mich auf den Rücken gedreht. Dunkel lächelnd schaut er auf mich herab.
„Du hast es so gewollt!“, raunt er mir zu, als er in mich eindringt. Und dann liebt er mich von neuem auf diese sinnliche und besitzergreifende Art, die mich Sterne sehen lässt und zum Schreien bringt.
Danach liege ich erschöpft, aber glücklich in seinen Armen. Das fühlt sich so gut und selbstverständlich an. Ich drehe mich zu ihm und studiere sein Gesicht im sanften Schein der Öllampen. Er hat die Augen entspannt geschlossen. Auch das ist ein Zeichen unserer Vertrautheit. Er würde sich niemals in meiner Gegenwart so entspannen, wenn er mir nicht vertrauen würde. Oder ist das einfach seine Selbstsicherheit?
Caesar hat diese Wirkung. Er bringt die Menschen dazu, sich ihm zu fügen. Die Macht, die er ausstrahlt, fordert das geradezu und nur wenige wagen es, sich ihm zu widersetzen. Theodotos gestern zum Beispiel. Den mächtigsten Mann Roms so offen herauszufordern, war mehr als dumm. Wahrscheinlich hat der ehemalige Rhetoriklehrer inzwischen ein Schiff gefunden und Alexandria verlassen. Dass Caesar ihn nur mit Verbannung bestraft hat, war gnädig. Aber vielleicht kann man sich Gnade leisten, wenn man so überlegen ist, wie Julius Caesar? Auch Arsinoe hat ihn herausgefordert und ist mit einer Ermahnung davongekommen. Und gestern beim Bankett war sie sogar recht umgänglich – für ihre Verhältnisse zumindest. Sie will Königsgemahlin werden, das hat sie mehr als deutlich gemacht. Aber als Ratgeberin unseres Bruders, würde sie den fragilen Frieden ganz schnell wieder zerstören, den Caesar durch die Schenkung von Zypern gestern wiederhergestellt hat. Zwei Ptolemäerinnen an der Macht, das ist noch nie gutgegangen, außer…und da kommt mir eine Idee. Zufrieden schmiege ich mich noch mehr in Caesars Arme und er murmelt etwas im Halbschlaf und zieht mich noch näher. Lächelnd schließe ich die Augen und bin sofort wieder eingeschlafen.
~*~
Als ich das nächste Mal erwache, hat die Morgensonne den Himmel bereits in ihr goldenes Licht getaucht. In dem Moment als ich mich zu ihm drehe, öffnet auch er die Augen und sieht mich an.
Caesar streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und fährt dann sachte mit dem Finger über meine Wange und meine Lippen. Ich schließe die Augen und lausche dem Klang seiner Stimme, die mich genauso liebkost, wie seine Hände, die sanft über meinen Körper gleiten.
„Als Prinzessin warst du beeindruckend, Kleopatra. Aber als Königin bist du atemberaubend.“
„Ich war mir vor unserem Treffen nicht sicher, ob du dich überhaupt noch an unsere Begegnung in Rom erinnern würdest“, bekenne ich leise.
„Ob du es mir jetzt glaubst oder nicht, aber als ich dich damals im Haus von Pompeius gesehen habe, so ernsthaft und wissbegierig, da habe ich mir vorgenommen, irgendwann nach Ägypten zu kommen, um zu schauen, was aus der kleinen Prinzessin geworden ist. Ich war übrigens nicht der Einzige, der von dir damals bezaubert war.“
„Wer denn noch?“, frage ich überrascht.
„Erinnerst du dich noch an Marcus Antonius?“
„Den gutaussehenden Reiteroffizier, der unter Gabinius gekämpft und meinem Vater den ägyptischen Thron zurückerobert hat?“ Ich lächele ihn frech an.
„Hmm, das ist dir also auch nicht entgangen?“ und bei diesen Worten kneift er mich kräftig in den Oberschenkel, sodass ich quietsche. Er lächelt befriedigt. „Ja, Antonius ist inzwischen meine rechte Hand in Rom und seine weinseligen Schwärmereien über die Lieblichkeit der Kronprinzessin hättest du dir einmal anhören sollen, als er aus Ägypten zurückkam. Nicht auszuhalten.“
„Ihr habt über mich geredet?“, frage ich neugierig.
„Was denkst du denn, worüber sich Männer abends im Feldlager unterhalten?“ Caesar schnaubt belustigt. „Aber wenn man es genau nimmt, hat er geredet und ich hab mir das angehört.“
Ich lächele ihn verschwörerisch an. „Ich war 14, als Antonius Pelusium für meinen Vater zurückerobert hat, aber ehrlich gesagt, habe ich kaum mehr als zwei höfliche Sätze mit dem Reiterführer gewechselt. Aber nachdem du uns damals besucht hast, war ich tagelang aufgeregt. Die Dienerinnen haben heimlich über dich getuschelt, du warst Stadtgespräch in Rom...“
„Und was hast du über mich gedacht?“
„Ich war fasziniert von dir, aber auch verlegen und ziemlich eingeschüchtert. Und das war ich sonst nie“, gebe ich zu.
„Das hat man dir nicht angemerkt. Du wirktest selbstbewusst, neugierig und eloquent, wie du da im Peristyl saßest und versucht hast, mir die Vorzüge meiner eigenen Rede zu erläutern.“ Er lächelt bei der Erinnerung.
„Du hättest mir ruhig sagen können, wer du bist!“
„Das habe ich doch. Gleich zu Anfang.“
„Aber du hast es wie einen Scherz klingen lassen. Und du hast mich abgelenkt. Und nervös gemacht.“
„Und du warst so süß und unbedarft. Und du hast mir in die Augen geschaut, genau wie jetzt. Hat man dir nicht beigebracht, dass kleine Mädchen Männer nicht mit so großen Augen anschauen sollten?“, zieht er mich auf.
„Was passiert denn sonst?“
„Oh, Männer können dadurch auf ganz dumme Gedanken kommen.“
„Ich bin aber kein kleines Mädchen mehr.“
„Umso gefährlicher. Denn so kommen sie definitiv auf dumme Gedanken.“
„Was für Gedanken sind das denn?“
„Das weißt du ganz genau, mein kleines Kätzchen. Oder muss ich deine Erinnerung schon wieder auffrischen?“
„Hm, ist das ein Angebot oder eine Drohung?“, ich räkele mich ein bisschen und schenke ihm einen gekonnten Augenaufschlag.
„Ich glaube, ich muss doch mal wieder ein bisschen strenger werden. Du wirst mir allmählich zu frech.“, droht er mir spielerisch.
„Magst du das denn nicht?“ Ich schmiege mich lächelnd an ihn und schaue ihn aufmerksam an.
„Doch,“ räumt er ein. „Aber, wenn du mir zu frech wirst, musst du auch mit den Konsequenzen umgehen können.“
„Ich würde es nie wagen, dich wirklich herauszufordern“, erwidere ich aufrichtig, denn die leise Warnung in seinem Ton ist mir nicht entgangen.
„Das ist weise, meine kleine Königin. Schade, dass die anderen Mitglieder deiner Familie weniger weise sind.“
„Du meinst Arsinoe?“
„Ja, zum Beispiel die neue Möchtegern-Gemahlin deines Bruders, die gestern mal wieder durch absolut unpassende Kommentare in der Öffentlichkeit geglänzt hat!“
„Arsinoe kann es einfach nicht lassen. Aber sie sagt wenigstens, was sie denkt. Das ist mutig.“
„Ich würde es eher als dreist und unverschämt bezeichnen. Deine kleine Schwester hat noch sehr viel zu lernen.“
„Ich, ähm…“, ich schaue ihn vorsichtig an, bevor ich meine nächsten Worte formuliere. „Ich habe überlegt, sie als Königin von Zypern einzusetzen. Sie könnte es zusammen mit Maios verwalten.“
„Zypern? Reden wir hier gerade von der Insel, die ich dir gestern erst geschenkt habe?“ Er sieht mich scharf an.
Ich schlucke, aber führe meine Gründe trotzdem weiter aus: „Hier in Alexandria würde Arsinoe nur Unfrieden stiften und meinem Bruder die absolut falschen Ratschläge geben, aber als Regentin von Zypern hätte sie ihren eigenen Bereich…Vielleicht würde sie dann Ruhe geben.“
Caesar runzelt die Stirn und überlegt dann einen Moment. „Das könnte sogar funktionieren“, meint er schließlich, „zumindest wäre sie damit schön weit weg und wir hätten hier ein Problem weniger.“
„Du siehst Arsinoe als Problem?“
„Deine Schwester ist zu stur, zu unnachgiebig und zu emotional. Ich kenne Frauen wie sie, Kleopatra. Sie sind anstrengend und machen nur Ärger.“
„Vielleicht würde sie über sich hinauswachsen, wenn sie zur Abwechslung Verantwortung tragen müsste, statt immer nur zu rebellieren. Arsinoe ist schwierig, aber ich kenne sie sehr gut. Vielleicht kann ich sie dazu bewegen, einzulenken.“
„Vielleicht. Eine sinnvolle Beschäftigung wirkt ja manchmal Wunder. Du kannst es versuchen. Wie wäre es, wenn du ihr heute morgen einen Besuch abstattest und sie zum Essen einlädst? Und ich werde Ptolemaios benachrichtigen. Dann nehme ich mir heute Zeit für die Familie.“
~*~
Im Vorraum zu den Gemächern der Prinzessin sitzen Arsinoes Dienerinnen und spielen irgendein Würfelspiel mit Astragaloi.[1] Sie springen erschrocken auf und verneigen sich tief, als ich mit meinem Gefolge erscheine.
„Ich wünsche meine Schwester zu sprechen. Führt mich zu eurer Herrin.“ Die Mädchen gehorchen und ich gebe Charmion, Khered-Anch und den anderen Hofdamen ein Zeichen, vor dem Zimmer zu warten und sich solange mit Arsinoes Dienerinnen zu unterhalten. Ich will mit meiner Schwester allein sprechen.
Als die Wachen die großen Flügeltüren öffnen, erscheint der sonnendurchflutete Raum zuerst leer. Ich lasse meine Augen über die zierlichen Möbel aus Ebenholz und die Mosaikböden mit den Jagdmotiven gleiten, bis ich Arsinoe hinter den Vorhängen auf der Sonnenterasse entdecke. Sie steht mit dem Rücken zu mir am Geländer. Bis auf die leichte Brise, die ihre Haare ergriffen hat, wirkt sie völlig bewegungslos und erinnert mich in ihrem schneeweißen Chiton und dem silbernen Gürtel um ihre schmale Taille an eine Statue der Göttin Artemis.
Als sie meine Schritte hört, wendet sie sich um und verneigt sich spöttisch.
„Königin Kleopatra, hat Caesar dir erlaubt, sein Bett zu verlassen oder wem verdanke ich die Ehre deines Besuches?“
„Spar dir deinen Spott, Arsinoe. Ich bin hier, um mit dir zu reden.“
Sie schnaubt: „Was gibt es da denn zu reden? Du bist wieder Königin. Herzlichen Glückwunsch!“
„Ich habe nur wieder den Rang, der mir ohnehin zusteht. Und du hast dir angemaßt, mich verdrängen zu wollen. Weißt du, was Vater in so einem Fall gemacht hätte?“
„Dann bring mich doch um, du warst ja schon immer bestrebt, ihm alles Recht zu machen! Kleopatra, die brave, respektvolle, gelehrige Lieblingstochter, immer lächelnd, immer diplomatisch. Und jetzt hast du offenbar den nächsten Mann gefunden, der auf dein Getue hereinfällt!“
„Ich bin heute gekommen, um dir die Hand zu reichen, Arsinoe. Aber ich kann auch wieder gehen!“
„Mir die Hand reichen? Das ist ja ganz was Neues!“
„Arsinoe, wir mögen grundverschieden sein, aber wir sind Schwestern. Du hast dich immer aufgelehnt und ich habe gelernt zu vermitteln. Ich bin die Regentin, du bist die Rebellin. Ich bewundere deinen Mut, das tue ich wirklich und manchmal habe ich mir wirklich gewünscht, so offen und frei heraus reden zu können, wie du. Aber das ist ein Luxus, den du dir herausnehmen kannst, weil von deinen Entscheidungen eben nicht das Schicksal unseres Landes abhängt.“
„Nun, das wird es ja wohl auch nie. Was willst du also von mir?“
„Ich möchte dir ein Angebot machen.“
Sie sieht mich misstrauisch an. „Was für ein Angebot?“
„Ich mache dich zur Königin von Zypern.“
„Meinst du das im Ernst?“
„Sonst würde ich es wohl kaum vorschlagen, oder?“
„Willst du mich loswerden?“
„Vielleicht auch das, denn kaum bin ich hier, gehst du mir schon wieder auf die Nerven.“ Und damit entlocke ich Arsinoe zum ersten Mal so etwas wie ein Grinsen, auch wenn sie sich Mühe gibt, es sofort zu überspielen.
„Weiß Caesar davon?“
„Ja.“
Sie schnaubt. „War ja klar, dass du dich nicht traust, irgendetwas zu machen, ohne ihn vorher um Erlaubnis zu fragen.“
„Ohne Caesar hätten wir die Insel überhaupt nicht. Er ist der Patron Ägyptens, natürlich muss ich jede außenpolitische Entscheidung mit ihm besprechen. Was ist daran so schwer zu verstehen?“
„Ich zähle jetzt also zur Außenpolitik, ja?“
„Als Königin von Zypern, ja. Was denn sonst?!“
Sie zuckt die Achseln. „Zypern soll schön sein, ich war noch nie da. Du dagegen bist weit rumgekommen. Vater hat dich ja überall hin mitgenommen, nach Athen und Ephesos, sogar nach Rom.“
Ich verdrehe die Augen: „Willst du dein ganzes Leben lang eifersüchtig sein, oder willst du endlich selbst etwas schaffen?“
„Zypern ist nur ein Außenposten, ich wäre dir tributpflichtig und falls du dich mit Caesar streitest und er dir die Insel wieder wegnimmt, würde ich meinen Kopf verlieren und nicht du.“
„Das ist Blödsinn, Arsinoe!“
„Ach ja, und was ist mit Onkel Ptolemaios von Zypern, der sich selbst vergiften musste, als Cato ihm sein Königreich nahm?“
„Genau das hast du nie verstanden, Arsinoe. Ja, das ist das Risiko, wenn man herrschen will! Ich hafte mit meinem Leben für meine Entscheidungen, das tut jeder König und jede Königin! Ich habe das letzte Jahr auf der Flucht und in Heerlagern verbracht, während du hier Feste gefeiert und Symposien veranstaltet hast!
„Du weißt nichts von mir, Kleopatra!“
„Dann überrasche mich! Nimm meinen Vorschlag an. Herrsche über Zypern, schaff dir dein eigenes Reich! Du wärst mir tributpflichtig, ja. Aber die Insel ist reich und wir würden beide davon profitieren. Du hättest den Kupferhandel unter dir und ich würde mich verpflichten, es dir zu einem Festpreis abzunehmen.“
„Und wie soll ich das alleine schaffen? Ich brauche einen Ehemann an meiner Seite.“
„Heirate Maios und herrsche in seinem Namen.“
„Maios ist noch ein Kind. Ich habe gesehen, wie gut das bei dir und Ptolemaios funktioniert hat! Nein danke, ich will einen Mann und kein Kind zum Gemahl.“
„Du wärst ja auch bereit, Ptolemaios zu heiraten, der ist auch noch ein Kind.“
„Ptolemaios ist immerhin 14 und nicht 10. Er ist bald erwachsen und der Pharao von Ägypten.“
„Ptolemaios ist keine Option. Dein Rang ist zu hoch für eine Nebenfrau. Überleg doch mal: wärst du Große Königliche Gemahlin und ich Regentin, was meinst du wie lange es dauern würde, bis wir den nächsten Bürgerkrieg hätten? Das würde mit uns Dreien nie funktionieren. Denk an unseren Urgroßvater und seine zwei Königinnen, das war eine Katastrophe! Deshalb sage ich dir noch einmal: Heirate Maios und geh mit ihm nach Zypern!“
„Und ich habe dir gesagt: ich will einen Mann und kein kleines Kind zum Gemahl!“
„Dann nimm dir halt einen Liebhaber, mir doch egal!“
„Danke für deinen wohlmeinenden Ratschlag, ich vergaß: du bist ja jetzt Expertin auf diesem Gebiet.“
Wütend fahre ich zu ihr herum: „Es reicht, Arsinoe, mach es oder lass es. Ich bin dir entgegengekommen. Jetzt ist es an dir!“ und damit will ich mich umwenden und gehen, als Arsinoes Stimme mich zurückhält: „Kleopatra, warte!“
„Was?!“
„Es tut mir leid, ich…weiß dein Angebot zu schätzen.“
Überrascht drehe ich mich zu ihr um. Eine Entschuldigung aus Arsinoes Mund ist mehr als selten. „In Ordnung“, sage ich langsam. „Überlege es dir. Ich würde Zypern lieber in der Hand meiner Schwester wissen, als es einem Strategen anzuvertrauen. Zudem wäre es auch für uns beide besser…ich respektiere dich, Arsinoe, aber wir kommen nicht miteinander aus. Vielleicht würde der Abstand das verbessern. Wir sind trotz allem Schwestern und sollten zusammenarbeiten und nicht gegeneinander.“
„So wie unser Urgroßvater Ptolemaios Euergetes (Ptolemaios VIII.) und seine Schwestergemahlin Kleopatra Soteira (Kleopatra II.)?“, fragt sie spöttisch. Ich verziehe den Mund zu einer Grimasse. Die Alexandriner hatten unserem Urgroßvater aufgrund seiner Leibesfülle den wenig schmeichelhaften Spitznamen Physkon (Fettwanst) verliehen. Er und seine Schwestergemahlin hatten viele Jahre ihrer gemeinsamen Regentschaft im Streit verbracht. Wobei Physkon einen Großteil dieser Zeit auf Zypern gelebt hatte, zum Teil, weil unsere Urahnin ihn aus Alexandria geworfen hatte. Und der Grund dafür war wiederum der Streit seiner beiden Königlichen Gemahlinnen Kleopatra Soteira und Kleopatra Euergetis (Kleopatra III.) gewesen.
„Nun, selbst die beiden haben sich am Ende wieder vertragen“, gebe ich zu bedenken.
„Ja, natürlich. Und das, nachdem der Pharao ihren gemeinsamen Sohn ermorden ließ und seine Leichenteile der Königin als Geburtstagsgeschenk in einer Kiste schickte...“
„…Und Kleopatra Soteira ließ die Leichenteile darauf öffentlich in Alexandria ausstellen, um die Greueltat des Königs für alle sichtbar zu machen.“ Ich schaudere bei dem Gedanken, aber mit diesen Gruselgeschichten über unsere Dynastie sind wir aufgewachsen.
„Ja, unsere Vorfahren hatten schon einen makabren Sinn für Dramatik“, meint Arsinoe zynisch.
Schweigend stehen wir auf der Terrasse und schauen auf den Großen Hafen. Soeben passieren einige schwere Vier- und Fünfruderer den Leuchtturm und steuern den Königlichen Hafen an.
„Ich muss gehen, Arsinoe, denk darüber nach. Caesars Angebot mit dem gemeinsamen Essen steht. Wir würden uns freuen, wenn du nachher gemeinsam mit Ptolemaios zu uns kommst“, verabschiede ich mich und meine Schwester neigt den Kopf und deutet eine leichte Verbeugung an, bevor ich das Zimmer verlasse und mich, gefolgt von Charmion, Khered-Anch, den anderen Hofdamen und der Leibwache, zurück zu der wartenden Sänfte begebe.
~*~
„Was sind das für Schiffe?“ Caesars Stimme klingt geschäftsmäßig und befehlsgewohnt, als ich seinen Besprechungsraum betrete.
Euphranor tritt vor, um zu antworten, aber ich bin schneller. „Sie gehören zur ägyptischen Flotte, die mein Bruder Pompeius als Verstärkung geschickt hatte, Caesar. 50 Schiffe, bestehend aus Quadriremen und Quinqueremen. Sie kehren nun nach Pompeius‘ Niederlage zurück.“
„Wer befehligt sie?“
„Da sie zur königlichen Flotte gehören, theoretisch mein Bruder.“
„Also praktisch Potheinos. Kannst du die Kapitäne dazu bringen, sich dem Oberbefehl meines Admirals zu beugen und sich meiner Flotte anzuschließen, Kleopatra?“
„Wenn du Ptolemaios dazu bekommst, sein königliches Siegel unter die Befehle zu setzten, dann ja.“
„Caesar, wir haben nicht genug Legionäre hier, um die zusätzlichen Schiffe im Ernstfall zu bemannen“, gibt Euphranor zu bedenken.
„Damit beschäftigen wir uns, wenn es soweit ist. Falls es dazu kommen sollte.“ Caesar wirft seinem Offizier einen mahnenden Blick zu und wendet sich dann an mich. „Gut, wir werden den König davon überzeugen müssen. Wird die Prinzessin uns nachher Gesellschaft leisten?“
„Ich gehe davon aus.“
~*~
Nachdem die militärische Besprechung beendet ist, lässt sich Caesar entspannt in einen Stuhl gleiten und greift sich einen Trinkpokal.
„Wie war übrigens dein Gespräch mit Arsinoe?“, fragt er beiläufig.
„Oh, sie war wie immer allerliebst. Ich habe ihr angeboten, über Zypern zu herrschen. Zusammen mit Maios“
„Und was hat sie gesagt?“
„Sie zieht es in Erwägung.“
„Sie zieht es in Erwägung. Wie großmütig von ihr!“
Ich lächele bei dem inzwischen so vertrauten Sarkasmus in seiner Stimme. „Ja, so ist sie.“
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[1] Astragaloi (singular: Astragalos) nannte man in der Antike kleine Spielsteine bzw. Würfel, die aus den Hinterbeinknochen von Ziegen, Rindern oder Schafen gefertigt wurden und bei vielen Geschicklichkeits- oder Würfelspielen Verwendung fanden.