Nachdem der unheimliche Klang verhallt ist, vertieft sich die Stille umso mehr. Alle Augen sind nun auf die geschmückte Bahre mit den sterblichen Überesten des Pompeius gerichtet, die von 8 Soldaten feierlich an den Reihen der Legionäre vorbei bis auf das Podest getragen und dann auf dem Holzstapel plaziert wird. Nur der Kopf des großen Generals ist sichtbar, während der Rest von einem purpurroten Tuch verdeckt wird, das mit einem goldenen römischen Adler verziert ist. Tatsächlich ist der Kopf das Einzige, was die Balsamierer von seinem Leichnam erhalten konnten, geht mir der schauerliche Gedanke durch den Sinn, denn bei den Umrissen unter dem Tuch handelt es sich nur um die Nachbildung eines Körpers, die allein für das Begräbnis angefertigt wurde, um den Schein der Vollständigkeit zu wahren.
Den Trägern mit der Bahre folgen andere, die Fackeln, Kleidungsstücke, beschriftete Schilde und persönliche Besitztümer des Toten mit sich führen, um diese ebenfalls auf oder neben dem Scheiterhaufen zu plazieren.
Schließlich tritt eine Schar weißgewandeter Priester an den Holzstapel heran, um ihn mit duftenden Ölen zu übergießen. Hinter ihnen folgen die Klagefrauen mit ihren aschebedeckten offenen Haaren, die einen großgewachsenen Mann flankieren, dessen Gewand über und über mit Zaubertexten und Abbildungen des schakalköpfigen Gottes Anubis dekoriert ist: Athenagoras, der Herr über das Haus des Todes und die Balsamierungsstätten. Bei seinem Anblick kann ich einen leichten Schauder nicht unterdrücken. Das letzte Mal, dass ich ihm in dieser Amtstracht begegnet bin, war beim Tod meines Vaters. Seine Kunst besteht normalerweise in der Konservierung und nicht in der Kremation von Leichen, doch auch dieser alte und fast vergessene Verbrennungsplatz der Ptolemäer gehört zu seinem Reich.
Caesar wartet, bis alle das Podest wieder verlassen haben, bevor er selbst neben die Bahre tritt. Vor unserem Aufbruch hat er als Pontifex Maximus die Riten für die römische Totengöttin Libitina geleitet, doch jetzt hat er die zeremonielle Toga wieder gegen die militärische Lorica musculata sowie den roten Umhang und die Schärpe des Imperators eingetauscht.
Julius Caesar ist zugleich Hohepriester, oberster Feldherr und Herrscher seines Volkes, geht mir der Gedanke durch den Sinn – die drei Bereiche, die auch die Rolle eines Pharaos in Ägypten ausmachen. Die Macht, die Pompeius innehatte, basierte dagegen allein auf seinen militärischen Erfolgen. Und auf dem Schlachtfeld hat Caesar ihn besiegt.
Julius Caesar hat damit eine Machtfülle in sich vereinigt, die in Rom seit der Zeit der Könige niemand mehr ausgeübt hat. Und er hat sich entschieden, seinen besiegten Gegner in aller Form zu bestatten. Damit tritt er aber zugleich dessen legitime Nachfolge an. Die Macht des Verstorbenen geht auf ihn über – so zumindest versteht man diesen Akt in Alexandria.
Die Grabrede überlässt Caesar allerdings Sextus. Vielleicht tut er das aus persönlichen Gründen, vielleicht aber auch, weil er Sextus zu seinem Nachfolger aufbauen will? Während sich die jugendliche, aber tragende Stimme des Tribuns über den Platz erhebt, wird mir die mögliche Bedeutung dieser Geste bewusst. Und so höre ich nur halb hin, als Sextus Julius Caesar damit beginnt, die militärischen Erfolge des Pompeius zu würdigen. Die römischen Soldaten verharren indessen in unheimlicher, fast gespenstischer Stille. Geschieht das aus Ehrfurcht vor dem aufgebarten General oder erkennen auch sie den Symbolgehalt dieser Geste?