In diesem Moment hören wir wieder Schritte auf der Treppe und kurz darauf erscheinen Ptolemaios und Maios in der Türöffnung. Der König ist heute griechisch gekleidet und trägt nur das leichte makedonische Diadem aus Stoff in seinen dunklen Locken. Maios neben ihm wirkt äußerlich wie eine jüngere Kopie des Königs. Doch während Ptolemaios mal wieder seinen missmutigen Gesichtsausdruck zur Schau trägt, begrüßt der Prinz uns mit einem fröhlichen und aufgeweckten Lächeln. Die Königlichen Leibwachen bleiben außer Hörweite an der Tür zurück, direkt neben Caesars römischen Wachen, die ihnen prophylaktisch einige argwöhnische Blicke zuwerfen, dann aber grimmig ein paar Schritte zur Seite treten.
Arsinoe und ich erheben uns anmutig in einer einstudierten Geste und neigen höflich die Köpfe vor dem Pharao. Hinter mir hat auch Caesar sich erhoben. Ganz leicht spüre ich seine streichelnde Berührung an meiner Hüfte. Intuitiv will ich mich an ihn schmiegen, doch da ist er auch schon an mir vorbei und auf meine Brüder zugetreten.
Caesar lächelt den König an wie ein Vater seinen verloren geglaubten Sohn. „Ptolemaios, ich freue mich sehr, dass du gekommen bist. Willkommen Maios, wunderbar, dass du ebenfalls Zeit gefunden hast. Was gibt es Schöneres, als ein entspanntes Treffen mit der ganzen Familie! Selbst eure Schwestern vertragen sich heute.“ Und dann legt er dem König wie selbstverständlich einen Arm um die Schulter und geleitet ihn persönlich zu seiner Kline.
„Wir sind gekommen, wie du es wolltest, Caesar“, antwortet Ptolemaios. „Ich verstehe nur nicht, warum wir uns nicht unten in einem der Andrones** treffen können. Der Palast verfügt doch über mehrere Speiseräume und Festsäle, in denen auch mein Gefolge Platz hätte.“
„Doch nur von hier oben hat man diese wunderbare Aussicht auf die Stadt. Und das auch noch bei diesem herrlichen Wetter. Aber vor allem sind wir hier ungestört, Ptolemaios. Bitte hab Verständnis für die Vorsichtsmaßnahmen, aber das hier ist ein Essen mit der engsten Familie und was wir hier besprechen, sollte nicht von Dienern oder Höflingen weitererzählt werden.“
„Von mir aus“, brummt Ptolemaios nicht gerade begeistert, nickt mir und Arsinoe aber mit einem gemurmelten: „Schwestergemahlin, Schwester“, zu.
„Bitte setzt euch, denn wir haben viel zu besprechen. Sag, wie ist es Theodotos ergangen?“, führt Caesar die Unterhaltung weiter.
„Mein Lehrer hat heute morgen Alexandria verlassen, so wie du befohlen hast“, erklärt Ptolemaios mit gerunzelter Stirn, während er den Ehrenplatz auf der ersten Kline einnimmt und Maios bedeutet, sich links neben ihn zu setzen.
„Und konntest du dich von ihm verabschieden?“, fragt Caesar, der schwungvoll auf der nächsten Kline Platz nimmt und mir mit einer Neigung seines Kinns zu verstehen gibt, mich neben ihn zu setzen, was ich doch nur allzu gerne tue. Arsinoe hat sich indessen wieder auf ihrer eigenen Kline zurückgelehnt.
„Was kümmert dich das?“, bemerkt Ptolemaios mit leichtem Trotz in der Stimme, während er Caesar und mich mit gerunzelter Stirn mustert.
„Theodotos‘ Schicksal tangiert mich nicht sonderlich, das räume ich ein“, erwidert Caesar weiterhin freundlich. „Aber dein Wohlbefinden kümmert mich dafür umso mehr und ich möchte nicht, dass dieser Vorfall zwischen uns steht. Also, konntest du dich von ihm verabschieden, Ptolemaios?“
„Ja“, antwortet mein Buder einsilbig.
„Und ich nehme an, der gute Potheinos hat dir geraten, dich von mir und deiner Schwestergemahlin möglichst fernzuhalten?“ Caesar lächelt gewinnend und seine Hand streichelt dabei – unsichtbar für die anderen – hauchzart über meinen Rücken. Ich schmiege mich unwillkürlich in seine Berührung.
„Wenn du das schon weißt, warum fragst du dann?“, entgegnet Ptolemaios immer noch mürrisch.
„Potheinos fürchtet, dass ihn dasselbe Schicksal ereilen könnte, wie Theodotos. Das ist nur verständlich. Aber du solltest dich nicht von seiner Angst anstecken lassen.“
„Hast du denn nicht vor ihn abzusetzen, Caesar?“, fragt Ptolemaios misstrauisch.
„Nicht, wenn er von nun an kooperiert. Denn in der Vergangenheit, dass muss ich leider sagen, hat dein Regentschaftsrat viele Entscheidungen getroffen, die nicht zum Wohle Ägyptens waren. Um die negativen Folgen dieser Fehlentscheidungen rückgängig zu machen, ist es wichtig, dass wir beide und Kleopatra von nun an zusammenarbeiten.“
„Und wie soll diese Zusammenarbeit aussehen?“
„Wie ich gestern bereits sagte: Zunächst einmal ist es wichtig, dass wir alles miteinander besprechen und lernen, uns gegenseitig zu vertrauen. Bitte betrachte die Schenkung Zyperns als einen solchen Vertrauensbeweis, Ptolemaios.“
Mein Bruder nickt nachdenklich und unser Gespräch verstummt für einen Moment, als Charmion zusammen mit der Schar meiner Hofdamen erscheint. Sie beaufsichtigt die Mädchen, welche Platten mit mundgerecht zubereiteten Speisen auf den kleinen Löwenkopftischen neben unseren Klinen abstellen.
„Wie geht es Mithras?“, frage ich Charmion beiläufig.
„Wunderbar, Majestät. Nephoris ist mit ihm ins Peristyl gegangen, da hat er sich unter einen Olivenbaum gelegt und schläft wie ein Kätzchen.“
„Sehr gut. Danke, Charmion.“
Khered-Anch tritt schüchtern lächelnd dazu und schenkt zuerst mir und dann Arsinoe aus einer gläsernen Karaffe von dem bereits mit Wasser vermischten Wein nach. Meine Schwester und ich teilen die Vorliebe für diesen erfrischenden Weißwein, der im Süden Alexandrias an den Ufern des Mareotis-Sees gekeltert wird. Ptolemaios und Maios trinken dagegen lieber den süßen kretischen Wein und Caesar bleibt noch immer beim Wasser.
„Eine neue Hofdame?“, fragt Ptolemaios mit einem Blick auf Khered-Anch, deren goldene Ohrringe in der Sonne blitzen, als sie sich mit den anderen verneigt und zum Gehen wendet.
„Ja, die älteste Tochter des Hohepriesters des Ptah“, informiere ich ihn. Seit wann erkundigt sich Ptolemaios nach meinen Hofdamen?
„Ihr habt ja noch königliches Geschirr aus Goldglas!“, bemerkt Maios erstaunt, während er nach einem gebratenen Täubchen greift.
Ich blinzele zu den gläsernen Tellern und Bechern, in die filigrane Mäanderbänder, geflügelte Sphingen und andere mythologische Motive aus Goldfolie eingeschmolzen sind. Die kostbaren Gefäße sind eine alexandrinische Spezialität und zeugen von der Virtuosität unserer Kunsthandwerker. „Ja, warum denn nicht? Das ist hier ein königlicher Palast“, frage ich irritiert. Stellen meine Brüder heute nur merkwürdige Fragen?
„Weil Potheinos in meinem Palast heute morgen alles von Wert hat einsammeln lassen. Es gibt jetzt nur noch Geschirr aus Holz und Fayence. Er sagt, wir müssen sparen, wegen der Rückzahlungen an Caesar!“, erklärt Maios stirnrunzelnd.
„Das sieht Potheinos ähnlich. So ein Blödsinn, das ist nichts als Theater!“, erwidere ich ärgerlich. Als ob wir die Schulden an Caesar durch den Verkauf des königlichen Tafelgeschirrs tilgen könnten! „Keine Angst, Maios. Ich kümmere mich darum“, zwinkere ich meinem kleinen Bruder zu und er nickt.
„Ja, unser lieber Potheinus liebt solche dramatischen Aktionen“, flötet Arsinoe und wählt eine mit Nüssen und Honig gefüllte Dattel aus ihrer mit Früchten gefüllten Schale.
Ich greife nach dem noch warmen Brot und breche eins der kleinen mit Mohn und Anis bestreuten Gebäckstücke in der Mitte durch. Als ich die Hälfte an Caesar weiterreiche, berühren sich unsere Finger länger als notwendig und mich durchfährt ein wohliger Schauer. Die Speisen sind köstlich, doch ich esse nur wenig, im Gegensatz zu meinen Brüdern, die mit sichtlichem Appetit zugreifen. Ich hätte eher Lust auf etwas anderes, würde mich zumindest gerne bei meinem Liebhaber anlehnen, der mir körperlich so nahe ist. Doch damit würde ich Ptolemaios wahrscheinlich nur unnötig provozieren. Also nehme ich mir mal wieder an Caesar ein Beispiel und übe mich in disziplinierter Selbstbeherrschung. Seine Aufmerksamkeit ist ohnehin ganz auf das Gespräch gerichtet, dass er natürlich lenkt und gerade wieder auf das Thema Zypern bringt.
„…Wusstet ihr eigentlich, dass der ehemalige Statthalter von Zypern zu meinen erbittertsten Feinden gehört?“, erzählt Caesar gerade.
„Du meinst Cato?“, fragt Ptolemaios nach.
„Ja, Marcus Porcius Cato, eben der.“
„Ich habe ihn damals getroffen, als ich mit Vater auf Zypern war“, werfe ich ein. „Cato ist einfach sitzen geblieben, als er den Pharao von Ägypten empfing.“
„Das ist eine unglaubliche Beleidigung!“, pflichtet Ptolemaios mir bei.
„Ganz genau. Zuerst musste unser Onkel wegen ihm Selbstmord begehen und dann hat er auch noch unseren Vater gedemütigt!“
„Ja, der gute Cato ist ein extrem unangenehmer Zeitgenosse, da gebe ich euch vollkommen Recht“, bemerkt Caesar mit einem zynischen Lächeln und fährt dann fort: „Mich wollte er übrigens zu gerne wegen Beteiligung an der Catilina-Verschwörung anklagen. Er forderte natürlich die Todesstrafe für alle, die seiner Meinung nach daran mitgewirkt hatten.“
„Die Catilina-Verschwörung?“, fragt Maios interessiert nach.
„Lucius Sergius Catilina. Ein römischer Politiker, der vor ein paar Jahren bei einem Putschversuch scheiterte“, erklärt Caesar geduldig.
„Und warst du daran beteiligt?“, fragt Arsinoe gleichmütig. Ihr Unterton lässt keinem Zweifel daran, dass sie ihm einerseits alles zutraut, es ihr aber andererseits völlig egal ist.
„Natürlich nicht! Aber ich sprach mich dagegen aus, die Angeklagten ohne Prozess hinzurichten. Das reichte in Catos Augen, um mich zu verdächtigen.“
„War das nicht der Hintergrund dieser berühmten Geschichte mit dem Brief?“, frage ich interessiert.
Caesar lächelt belustigt. „Das war ja klar, dass du die kennst. Aber ja: Ich saß also gerade im Senat, als ein Bote eintraf, um mir einen Brief zu übergeben. Cato, der gerade eine unerträglich selbstgerechte Rede hielt, bekam das mit und vermutete hinter dem Schreiben eine Botschaft der Verschwörer. Er verlangte also, dass ich es ihm aushändigen möge.“
„Und?“, fragt Ptolemaios.
„Nun, ich tat ihm den Gefallen und er fing an, den Brief siegesgewiss vorzulesen. Allerdings kam er dann ziemlich schnell ins Stocken.“
„Warum?“, will Maios neugierig wissen.
Caesar lächelt ironisch. „Es war ein Liebesbrief an mich. Geschrieben von Catos eigener Schwester Servilia. Als er das merkte, verstummte er mitten im Satz. Aber nun war natürlich der ganze Senat begierig, die Details zu hören. Also wurde Cato dazu genötigt, den kompletten Brief bis zum Ende vorzulesen.“
Wir alle lachen, selbst Arsinoe, die offenbar an der Demütigung Catos Gefallen findet.
„Kennt ihr eigentlich die Geschichte der Scheidung von seiner Frau Marcia?“, fährt Caesar im Plauderton fort.
„Nein“, antworten meine Brüder zeitgleich und auch ich schüttele den Kopf.
„Ach, das ist ebenfalls eine unterhaltsame Geschichte, die sich vor ein paar Jahren in Rom ereignete, als ich in Gallien war: Eines Tages unterhielt sich Cato im Senat mit seinem alten Freund Quintus Hortensius Hortalus. Dieser Senator war früher ein bekannter Redner, aber zu diesem Zeitpunkt schon weit über 60 Jahre alt. Trotzdem bat er um die Hand von Catos Tochter Porcia, die damals gerade das heiratsfähige Alter erreicht hatte. Cato lehnte das ab, allerdings mit sichtlichem Bedauern und nur, weil er das Mädchen bereits mit jemand anderem verlobt hatte. Weil aber Hortensius unbedingt eine familiäre Bindung mit Cato eingehen wollte, bat er stattdessen um die Hand von Catos eigener Frau Marcia. Was glaubt ihr, was Cato daraufhin getan hat?“
„Wie alt war denn Catos Frau?“, fragt Arsinoe.
„So Mitte 20 und Cato war damals um die 40“, gibt Caesar bereitwillig Auskunft.
„War die Ehe unglücklich?“
„Im Gegenteil, sie galt sogar als sehr glücklich.“
„Nun, unter diesen Umständen hat er ihn vermutlich einfach vom Forum werfen lassen“, mutmaßt Arsinoe mit einem Schulterzucken.
„Nein, hat er nicht. Hast du eine Idee, Kleopatra?“ Caesar sieht mich schmunzelnd an, doch ich schüttele den Kopf. Irgendetwas an dieser Geschichte kommt mir bekannt vor, doch ich kann mich nicht mehr an die Pointe erinnern.
„Was denkst du, Ptolemaios?“, Caesar sieht meinen Bruder wohlwollend an.
„Ich denke, er wird ihn zumindest verprügelt haben“, vermutet Ptolemaios, doch wieder schüttelt Caesar den Kopf.
„Hat er ihn vielleicht zu Tode gefoltert und anschließend den Löwen im Circus vorgeworfen?“, rät Maios
Caesar lacht. „Nein, ganz im Gegenteil. So merkwürdig das auch klingt: Cato fand die Idee sogar hervorragend! Doch der Form halber wollte er vorher noch seinen Schwiegervater um Erlaubnis fragen. Cato und Hortensius machten sich also auf den Weg zu Marcias Vater und nachdem eine größere Summe Geldes den Besitzer gewechselt hatte, erklärte der sich tatsächlich einverstanden. Cato ließ sich daraufhin unverzüglich von Marcia scheiden und übergab sie sogleich persönlich an Hortensius.
„Das ist abscheulich. Er hat seine eigene Ehefrau verkauft wie eine Sklavin!“, entgegne ich fassungslos und auch Arsinoe schüttelt angewidert den Kopf. Ausnahmsweise sind wir uns einig.
„Oh, aber die Geschichte geht noch weiter.“ Caesar lächelt zynisch. „Die gute Marcia wurde also an Hortensius verheiratet und erbte drei Jahre später sein komplettes Vermögen. Kaum war sie Witwe, heiratete Cato sie erneut, samt des ererbten Vermögens, versteht sich.“
„Ich dachte gerade Cato würde sich immer seiner Unbestechlichkeit rühmen?“, frage ich irritiert.
„Oh, er ist absolut unbestechlich. Ich wette über die Einkünfte Zyperns hat er haargenau Buch geführt und keinen einzigen Sesterz unterschlagen. Aber seine eigene Ehefrau wie ein Zuhälter zu vermieten und mit Gewinn zurückzunehmen, das ist für ihn einwandfrei in Ordnung. Solange die Formalien erfüllt sind. Ja, der gute Cato ist ein prinzipientreuer Fanatiker. Er hält die alten Tugenden der römischen Republik hoch – oder vielmehr das, was er sich darunter vorstellt, was ziemlich gruselig ist.“
„Was denn zum Beispiel?“, fragt Maios neugierig.
„Zum Beispiel besucht er nie die öffentlichen Thermen, sondern wäscht sich lieber im Tiber – auch im Winter, da ist er abgehärtet. Er trägt auch keine Tunika unter seiner Toga und geht barfuss, weil er meint, als echter Römer dürfe man Schuhwerk nur im Kampf tragen. Alles andere sei weibischer Luxus.“
Ptolemaios lacht. „Oh, dann sollte er mal mittags ohne Schuhe durch die östliche Wüste laufen. Das würde ich gern sehen.“
Caesar schmunzelt. „Ich auch, aber glaub mir, Ptolemaios: Cato würde sich eher die Füße amputieren lassen, als irgendetwas zu tun, was in seinen Augen fremdländisch – also unrömisch ist. Und da wären wir auch schon beim Thema: Unrömisch ist in seinen Augen alles, was das Leben angenehm und lebenswert macht. Dafür liebt er asketische Frömmigkeit und drakonische Strafen. Und ich vermute, genau deshalb hat er sich auch von seiner Frau Marcia scheiden lassen und sie mit einem Greis verheiratet. Nicht etwa, weil er ihrer überdrüssig war, sondern im Gegenteil, weil er es als Schwäche ansah, Gefühle für seine Gattin zu haben und sich selbst beweisen wollte, dass er über solche Gefühle erhaben ist.“
Alle lauschen Caesars Worten aufmerksam. Das Bild das er von Catos Charakter zeichnet ist verstörend und ich kann nur den Kopf schütteln über so viel fanatische Borniertheit.
„Halten die Leute Cato nicht für verrückt?“, fragt Ptolemaios verblüfft.
„Viele schon, aber leider gibt es in Rom tatsächlich eine Minderheit, die ihn als Helden und Tugendwächter der römischen Tradition verehrt. Deshalb werde ich wohl nicht darum herumkommen, ihn auf dem Schlachtfeld zu besiegen.“
„Wo ist er momentan?“, frage ich besorgt.
„Soweit ich weiß, hat er sein Lager in Dyrrhachium aufgegeben, nachdem er die Nachricht meines Sieges vernommen hat. Jetzt ist er auf der Flucht, vermutlich nach Nordafrika. Aber er wird sich nicht so einfach geschlagen geben, nicht so ein besessener Gegner wie Cato.“
„Aber jetzt wo die Nachricht deines Sieges sich überall verbreitet, wird er doch sicherlich keine Unterstützer mehr finden?“
„Begehe nicht den Fehler, ihn zu unterschätzen, Kleopatra. Er kann sehr überzeugend sein. Und so absurd seine Theorien und Spinnereien über die Größe der Republik unserer Vorfahren auch sein mögen, sein militärischer Verstand arbeitet im Gegensatz dazu sehr klar. Leider.“
„Er hat Zypern ausgebeutet. Und es ist mir egal, ob er das zur Ehre Roms getan hat, oder um in die eigene Tasche zu wirtschaften. Er hat es getan und er hat das Haus Ptolemaios gedemütigt. Wenn du ihn besiegt hast, bestell ihm bitte schöne Grüße von den Kindern des Ptolemaios, bevor du ihn hinrichtest!“ Ich habe absolut keinen Zweifel, dass Caesar ihn vernichten wird.
„Aber warum denn gleich so blutrünstig?!“, neckt er mich, bevor er wieder ernst wird: „Nein, wenn ich ihn besiege, werde ich ihn natürlich begnadigen. Ich will ihn ja nicht auch noch zu einem Märtyrer machen. Glaub mir, eine größere Strafe und Erniedrigung kann es für jemanden wie ihn nicht geben.“
„Du hast auch nicht gezögert, Theodotos zu verbannen“, bemerkt Ptolemaios, doch sein Ton klingt eher nachdenklich als vorwurfsvoll.
„Oh und dasselbe werde ich auch mit Cato tun, oder glaubst du, ich möchte so jemanden in Rom haben?“
„Du kannst ihn ja nach Ephesos verbannen“, wirft Arsinoe ein. „Die Eunuchen dort suchen bestimmt noch Verstärkung.“
„Keine schlechte Idee“, räumt Caesar ein und wir alle lachen.
~*~
Die Sonne neigt sich allmählich gen Westen und der angenehme Wind vom Meer bringt die ersehnte Kühlung. Ab und zu kommen meine Hofdamen vorbei, um neue Speisen aufzutragen und die beiden Palastkatzen schleichen um unsere Klinen, um Essensreste zu stibitzen. Ansonsten sind wir ungestört. Die Zeit ist wie im Flug vergangen und die Stimmung so gelöst, wie ich es in dieser Konstellation mit meinen Geschwistern nicht für möglich gehalten hätte. Es fühlt sich fast an wie…eine Familie. Aber bisher haben wir vor allem über Belangloses geredet und Caesars unterhaltsamen Anekdoten gelauscht. Als hätte der Feldherr meine Gedanken gehört, trifft mich plötzlich sein intensiver Blick und wie immer, wenn er das tut, klopft mein Herz schneller. Ein Lächeln spielt um seine Lippen, während seine Hand sanft über meinen Rücken streichelt. Plötzlich kann ich es gar nicht abwarten, wieder mit ihm allein zu sein.
Caesar löst sich von mir und richtet sich etwas auf, um meinen Bruder ernst und bedeutungsvoll anzusehen. „Es gibt da übrigens noch etwas, das ich heute mit dir besprechen muss, Ptolemaios: Ich fürchte, durch die Entwicklungen von gestern haben sich einige Änderungen ergeben.“
„Inwiefern?“
„Dadurch, dass dein lieber Lehrer Theodotos mich zum Handeln genötigt hat und ich Zypern an das Haus Ptolemaios zurückgegeben habe, muss die Insel ja nun auch von irgend jemandem regiert werden.“
„Ja und wo ist das Problem? Ein zuverlässiger Stratege wird sich sicher finden“, antwortet Ptolemaios stirnrunzelnd.
„Durchaus, aber es wäre besser, an die alte Tradition anzuknüpfen und den jüngeren Bruder des Königs von Ägypten mit dieser Aufgabe zu betrauen. Es sei denn, du traust deinem jüngeren Bruder diese Aufgabe nicht zu?“ Caesar sieht bedeutungsvoll von Ptolemaios zu Maios, der ob dieser unerwarteten Aufmerksamkeit sichtlich verlegen wird.
„Doch natürlich. Es wäre sehr schön, wenn Maios sein eigenes Königreich erhielte“, räumt Ptolemaios ein und wendet sich dann an den Prinzen: „Was hältst du davon, Maios? Soll ich dich zum König von Zypern machen?“ Ptolemaios sieht unseren jüngeren Bruder gönnerhaft an und dieser nickt schüchtern. Doch Maios‘ glänzende Augen verraten seine Begeisterung.
„Wunderbar, dann ist es beschlossen“, erklärt Ptolemaios großzügig.
„Da wäre allerdings noch eine Schwierigkeit“, bemerkt Caesar. „Maios ist noch zu jung zum Regieren und ich möchte nicht, dass ein Regentschaftsrat die Entscheidungen für ihn trifft. Was dabei herauskommt, haben wir ja nun leider alle zur Genüge gesehen und ich wünsche keine Wiederholung.“
„Und wer soll dann regieren, solange Maios minderjährig ist?“
„Die beste Lösung wäre, Arsinoe zu seiner Mitregentin zu machen und sie als Königin von Zypern einzusetzen. Auf diese Weise würde die Insel von einem ptolemäischen Königspaar regiert werden. Ich denke, das wäre ganz im Sinne der ägyptischen Tradition.“
„Das wäre sicher sinnvoll, aber ich hatte Arsinoe bereits versprochen, sie zu meiner Gemahlin zu machen.“ Ptolemaios überlegt und schaut dann zu unserer Schwester. „Was meinst du dazu, Arsinoe?“
Arsinoe verdreht die Augen. „Ptolemaios: Caesar und Kleopatra haben das längst beschlossen und er fragt dich gerade nur aus Höflichkeit.“
„Ist das so?“, Ptolemaios sieht Caesar erbost an, doch der lächelt nur charmant und geduldig.
„Gestern hast du dich beschwert, dass ich die Verbannung von Theodotos nicht vorher mit dir besprochen habe. Diesmal tue ich es. Denn es stimmt, ich bin dein Patron und Vormund und deshalb ist es an mir, solche Entscheidungen zu treffen. Doch ich möchte das gerne mit dir abstimmen, Ptolemaios.“
Ich kann nur staunen, wie freundlich, offen und geduldig Caesar gerade mit Ptolemaios umgeht. Und es zeigt Wirkung. Würde ich Caesars zynische und strategische Seite nicht so gut kennen, würde ich ihm diese Rolle als verantwortungsvoller, wohlmeinender Onkel glatt abnehmen. Aber natürlich spielt er mit den Emotionen meines Bruders und lenkt sie so geschickt, dass Ptolemaios gar nicht anders kann, als der Idee zuzustimmen. Oder spielt er das gar nicht und das ist einfach eine Seite von ihm, die er nicht so oft zeigt? Von ihm kann ich wirklich noch eine Menge lernen.
Der König nickt langsam. Er wirkt nachdenklich und nicht gerade glücklich, aber zumindest steht er nicht wieder kurz vor einem Wutanfall. Immerhin ist Arsinoe bereits die zweite Gemahlin, die er durch Caesars Einmischung verliert.
Caesar lächelt zufrieden. „Ich wusste, dass ich auf deine Vernunft bauen kann, Ptolemaios.“
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* Andrones (Singular: Andron) nannte man die Fest- und Speiseräume in hellenistischen Häusern. Die Klinen waren entlang der Wände aufgestellt und im Uhrzeigersinn angeordnet. Bürgerhäuser verfügten über 3-9 Klinen. Aus Palästen sind mehrere Andrones mit bis zu 30 Klinen bekannt.