Mit dem ersten Knistern der Flammen setzt auch das rituelle Wehgeschrei der Klagefrauen ein, um dem Toten das letzte Geleit zu geben. Doch zum größten Teil werden ihre Rufe und Gebete von den donnernden Stimmen der Soldaten übertönt:
„Caesar, Caesar, Caesar“ – aus den Kehlen der Legionäre erklingt sein Name, wie ein triumphaler Gesang, während das Feuer anfängt, an dem balsamgetränkten Holz empor zu züngeln und es schließlich auflodern zu lassen, bis die Bahre und die Gestalt darauf von einer Flammenwand umhüllt werden und dahinter verschwinden.
Caesar ist wieder an die Seite seiner Offiziere getreten und steht nur wenige Schritte von mir entfernt, den Blick auf das Feuer gerichtet, während die Menge ihn jubelnd verehrt. Beinahe ehrfürchtig betrachte ich sein edles Profil, während sich eine Welle des wilden ungezügelten Stolzes in mir Bahn bricht: Mein Liebhaber beherrscht nun die Welt und all seine Legionen stehen geschlossen hinter ihm. Sie verehren ihn wie einen Gott und werden jeden seiner Gegner vernichten. Er wird das unmöglich Erscheinende möglich machen. Julius Caesar ist nun ein Gott und ich bin die Göttin an seiner Seite.
Und dennoch ist da auch eine leise mahnende Stimme, die mir zuflüstert, vorsichtig zu sein, denn die Schicksalsgöttin ist launisch. Einst war sie auch Pompeius gnädig und doch hat er dieses schmähliche Ende gefunden. Getötet von Verrätern und auf Befehl meines unwissenden, törichten Bruders.
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Die Hochrufe auf Caesar erklingen noch eine ganze Weile, bis er dem Ganzen mit einer weiteren Rede Einhalt gebietet.
„Wie lange müssen wir hier jetzt eigentlich bleiben?“, fragt Arsinoe schließlich, nachdem wir lange Zeit zugehört und auf den brennenden Scheiterhaufen geblickt haben. Der vom Meer herüberwehende Nordwind hat währenddessen kontinuierlich an Intensität gewonnen, was das schaurige Spiel der Flammen noch verstärkt und sie wild auflodern lässt.
„Normalerweise bis das Feuer mit Wein gelöscht und die Asche in einer Urne gesammelt wird“, informiere ich meine Schwester über die römischen Bestattungsbräuche.
„Im Ernst? Und wie lange soll das dauern? Die ganze Nacht?“ Arsinoe sieht mich entgeistert an.
„Nein, das gilt nur für Familienangehörige“, beruhige ich sie und registriere sogleich einen Anflug von Erleichterung bei meinen Geschwistern. „Andererseits war Pompeius unser Patron und Caesars Schwiegersohn.“ Doch ein Blick auf Caesar bestätigt mir, dass auch er nicht vorhat, die ganze Nacht hier auszuharren. Die ersten Kohorten beginnen auf seinen Befehl sogar bereits damit, ihren Aufbruch vorzubereiten, indem sie den umhergehenden Klagefrauen ihre Hände entgegenstrecken und daraufhin von diesen mit einem Olivenzweig berührt werden, den sie zuvor in ein Gefäß mit Wasser getaucht haben.
„Was machen die da?“, fragt Maios interessiert.
„Die Römer glauben, dass die Teilnahme an einer Bestattung sie kultisch verunreinigt. Durch das Besprengen mit Wasser von einem Oliven- oder Lorbeerzweig wird die kultische Reinheit wieder hergestellt“, erkläre ich und verabschiede mich dann von meinen Geschwistern, bevor ich meinen Platz in der oberen Reihe zusammen mit Charmion verlasse. Es zieht mich an Caesars Seite, doch zuvor möchte ich noch ein paar Worte mit Psenamounis und Apollodorus wechseln. Letzterer ist bei meinem Aufbruch sofort aufmerksam geworden und kommt mir nun auf den wenigen uns trennenden Treppenstufen entgegen. Psenamounis folgt ihm mit gemessenen Schritten, um sich dann tief zu verneigen. Doch seine Miene wirkt alles andere als glücklich.
„Was ist los, Pascherienptah?“, frage ich ihn leise auf ägyptisch.
„Musste das wirklich sein, Sherienesi?“, erwidert er mit Blick auf den brennenden Scheiterhaufen.
„Ja, Caesar hat darauf bestanden“, antworte ich leise. „Warum stört dich das?“
„Du weißt, dass das eine römisch-griechische Unsitte ist. Die Seele wird aus dem Körper gerissen. Anstatt diese Verbindung zur diesseitigen Welt mittels der Mumifizierung solange wie möglich aufrecht zu halten, wird sie gewaltsam zerstört.“
„Aber wird die Seele nicht ohnehin in einem neuen Körper wiedergeboren? Dieser Glaube ist doch auch in Ägypten weitverbreitet.“, entgegne ich und wechsele dabei wieder ins Griechische.
„Manchmal“, räumt er ein, „Aber deshalb muss man die bisherige Hülle nicht so mutwillig zerstören.“
„Wenn es dich tröstet, Psenamounis: Es ist ohnehin nur noch der Kopf, der hier verbrannt wird“, mischt sich Apollodorus in unser Gespräch. „Die anderen Teile wurden bereits in Pelusium eigeäschert, von einem treuen Gefolgsmann des Pompeius, der ihn ehren wollte.“
Psenamounis, der diesem morbiden Humor anscheinend nichts abgewinnen kann, schnaubt nur verächtlich und murmelt etwas von „Barbaren.“
Mein Blick gleitet über die zahlreichen Schutzamulette: Horusaugen, Tit-Zeichen und Djed-Pfeiler, die Psenamounis zum Anlass der Bestattung heute Abend angelegt hat. Das Knistern der Flammen wird inzwischen vom Heulen des Windes übertönt – oder sind es tatsächlich die Ach- und Ba-Seelen der ägyptischen Götter, die sich darüber empören, dass ein Leichnam in diesem Land feierlich verbrannt wird? Verbrennen tat man in alter Zeit nur Verbrecher, aber das war lange bevor die Griechen hier ihre ersten Städte gründeten und meine Dynastie über Ägypten herrschte.
„Dort hinten steht Athenagoras, der Leiter der Balsamierungsstätten“, meint Psenamounis schließlich. „Ich muss noch etwas mit ihm besprechen. Entschuldigt Ihr mich, Majestät?“
„Erlaubnis erteilt“, meine ich nur und wechsele einen verstehenden Blick mit Charmion und Apollodorus. Psenamounis wirkt bei der Aussicht, viel Abstand zwischen sich und den Scheiterhaufen zu bringen, sichtlich erleichtert. Ich blicke der Silhouette des Priesters noch einen Augenblick nach, bevor ich mich an Apollodorus wende und er mich über die neusten Entwicklungen in der Stadt in Kenntnis setzt.
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