Der Besuch in der Bibliothek endet schließlich wie er begonnen hat mit einer großen Verabschiedung und einer feierlichen Prozession zurück ins Palastviertel.
„Warum hast Du die Pläne kopieren lassen, Kleopatra?“, erkundigt sich Caesar, während er lässig unseren Streitwagen inmitten der Formation lenkt. Aber inzwischen habe ich mir eine plausible Antwort überlegt. „Ich bin gerne auf alles vorbereitet. Der Palast ist an die Kanalisation angeschlossen und ich wollte wissen, wo die Zugangsschächte sind.“ Das ist immerhin ein Teil der Wahrheit.
„Im Falle eines Angriffs?“
„Oder Attentats, ja. Als ich klein war, hatten einmal Attentäter versucht, über die Kanalisation in den Palast einzudringen. Auf Anordnung meines Vaters mussten meine Geschwister und ich daraufhin ständig die Räume wechseln. Wir hatten alle unsere eigenen Paläste und schliefen im Wechsel in unterschiedlichen Zimmern, um die Planung von Anschlägen oder Entführungen zu erschweren.“
„Nächtliche Überfälle sind immer unangenehm“, räumt er ein. „Aber mach Dir keine Sorgen, meine Veteranen sind wachsam und geschult.“
„Das weiß ich. Und ich fühle mich bei dir sicher und beschützt!“, versichere ich ihm.
Er schenkt mir ein warmes Lächeln. „Also ist es für ptolemäische Verhältnisse eher unüblich, dass wir uns seit einer Woche dasselbe Schlafzimmer teilen?“, fragt er leise.
„Ja“, flüstere ich, „aber dafür umso schöner.“
Ein Schmunzeln liegt um seinen Mund, aber seine Konzentration ist wieder auf die Umgebung gerichtet, während er unser Gespann mit sicherer Hand lenkt. Und zu meiner Erleichterung verfolgt er das Thema nicht weiter. Vielleicht sollte ich ihm heute von dem Gang erzählen…sobald wir alleine sind. Unentschlossen blicke ich auf die im leichten Wind wehenden Straußenfedern über den Köpfen meiner Stuten, während wir uns der Einfahrt zu unserem Wohnpalast nähern.
Die Abenddämmerung setzt bereits ein und Diener öffnen uns die gut bewachten Eingangstore der Umfassungsmauer, während meine Brüder mit ihrem Gefolge weiterfahren, um vor dem Symposion noch einmal ihre eigenen Paläste aufzusuchen.
Rufio, Sextus, Charmion und Khered-Anch begleiten Caesar und mich bis in den Besprechungsraum, wo Aulus Hirtius und einige andere Offiziere und Sekretäre bereits warten, um ihrem Feldherrn Bericht zu erstatten.
Während der Besprechung warte ich in einigem Abstand und lausche den Berichten aus den Lagern und Caesars Anweisungen. Es handelt sich mehr oder weniger um alltägliche Dinge und zu meiner Erleichterung sind zumindest die heutigen Getreidelieferungen in zufriedenstellender Menge und Qualität ausgeliefert worden. Nachdem alle ihre Befehle erhalten haben, bleibt von Caesars Offizieren nur Aulus Hirtius zurück, der offensichtlich noch einige topographische Details recherchieren will – denn er ist an den Kartentisch getreten und sucht zwischen den dort ausgebreiteten Papyri und Pergamenten nach irgendeinem Plan. Mit fragendem Blick tritt auch Caesar zu ihm an den Tisch. Wie selbstverständlich bin ich ihm gefolgt.
„Wer geht eigentlich so fahrlässig mit den Karten um?“, murrt Hirtius, als er sich bemüht, die verknitterten Ränder des Stadtplanes von Alexandria glattzustreichen.
Mein Liebhaber verzieht keine Miene, als er die Karten ebenfalls begutachtet. „Ja, das ist in der Tat fahrlässig. Du solltest die Männer ermahnen, in Zukunft besser mit den Plänen umzugehen“, bemerkt er völlig ungerührt.
Doch in mir blitzen unwillkürlich die Bilder der letzten Nacht auf. Wie Caesar mich genau auf diesem Kartentisch genommen hat. Schnell wende ich mein Gesicht meinem Patron zu, er weiß schließlich, warum ich grinse. Hirtius sollte es hingegen lieber nicht wissen, doch er hat sich bereits wieder grummelnd über die Karte gebeugt. Caesar zwinkert mir zu und betrachtet amüsiert mein Gesicht. Er findet die Situation offensichtlich höchst unterhaltsam. Als er sich wieder Hirtius zuwendet, klingt seine Stimme hingegen völlig sachlich. Und im nächsten Moment unterhalten die beiden sich bereits wieder über die Karten.
„Wo wir gerade dabei sind, heute ist eine neue Karte des Palastes aus der Bibliothek geliefert worden“, bemerkt Caesar und fügt dann mit einem Blick auf meine Hofdame hinzu, „du kannst den Plan auf dem Kartentisch lassen, Charmion. Hirtius wird sich darum kümmern.“ Ich sehe, wie Charmions Hände sich unwillkürlich um das Behältnis krampfen, nicke ihr aber zu, seinen Worten Folge zu leisten.
Beklommen beobachte ich, wie Caesar selbst die Karte aus dem Behältnis nimmt und sie auf dem Tisch entfaltet. Gehetzt huschen meine Augen über die Zeichnung, suchen nach Charmions Raum und finden – nichts. Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten habe und versuche ruhig und langsam zu atmen, während die Männer bereits damit begonnen haben, über die Lage der Wasserkanäle und mögliche Schwachstellen in der Palastarchitektur zu debattieren, falls es zu einem Angriff kommen sollte. Ich bin indessen viel zu erleichtert, um mich groß daran zu beteiligen. Wenn der Geheimgang nicht auf dem Plan verzeichnet ist, kann auch Potheinos nichts davon wissen. Eine Sorge weniger!
Möglichst beiläufig begebe ich mich zu einem der Beistelltische, wo eine Karaffe mit verdünntem Wein bereitsteht. Charmion schenkt mir geistesgegenwärtig ein und ich leere den Kelch in einem Zug. Caesar hat nur eine Braue gehoben und wirft mir einen amüsierten Seitenblick zu, während Charmion mir sogleich von dem verdünnten Wein nachschenkt.
Auf einmal kann ich es gar nicht abwarten, Arsinoes Symposion zu besuchen, denn ich habe Lust, mich zu betrinken, aber so richtig!