„Natürlich, Onkel!“, kommt Sextus sogleich zur Sache: „also nachdem ihr das Symposion verlassen hattet, unterhielt ich mich mit dem König. Er zeigte ziemliches Interesse an einer der Hetären. Weshalb ich ihn ermutigte, sie zu uns zu rufen, was er dann auch tat. Wir haben uns alle noch gut unterhalten, Wein getrunken und am Ende hat Ptolemaios das Fest zusammen mit der jungen Dame hier verlassen. Dummerweise lief er allerdings seinem Obereunuchen in die Hände, als er zu Hause ankam. Und der hat das Mädchen mit lautem Geschimpfe davongejagt. Was hat Potheinos noch gleich zu dir gesagt, Myrthion?“, wendet er sich wie beiläufig an die junge Hetäre.
„Der Dioiketes hat mich nach Hause geschickt, Tribun.“, antwortet Myrthion mit gesenktem Blick. „Er sagte, eine wie ich sei nicht würdig, die Nacht mit dem König zu verbringen.“
„Und wie hat der König darauf reagiert?“, hakt Caesar nach. „Warst du bei dem Gespräch dabei?“
„Ja, Imperator. Seine Majestät hat zuerst dagegen argumentiert. Er sagte, dies sei seine Sache und ginge den Dioiketes nichts an. Er war allerdings etwas… angeheitert. Und der Minister wurde daraufhin erst recht ungehalten. Er hat den König ermahnt und auf ihn eingeredet. So wie ein Vater seinen Sohn ermahnen würde. Als Seine Majestät angefangen hat, einzulenken, hat der Minister ihm versprochen, bald eine offizielle Nebenfrau für ihn zu finden – oder auch einen ganzen Harem für ihn einzurichten. Mich hat er beleidigt und sogar als Porne[1] bezeichnet! Und dann hat auch der König mich aufgefordert, zu gehen. Ich habe dann nach einer Sänfte gerufen und mich zurück zum Fest tragen lassen.“
„Und da ist sie Diotima und mir in die Arme gelaufen und hat uns die Geschichte erzählt“, ergänzt Sextus, „wir haben sie dann ein bisschen getröstet.“ Er sieht die junge Frau beruhigend an und sie schenkt ihm dafür ein dankbares Lächeln.
„In Ordnung. Ich danke dir, dass du uns die Geschichte erzählt hast, Myrthion. Du kannst jetzt gehen.“ Caesar nickt einem seiner Sekretäre zu, der dem Mädchen daraufhin einen kleinen Lederbeutel überreicht. Vermutlich mit Münzen, denn Myrthion wirkt sehr erfreut, als sie das Zimmer verlässt, nicht ohne sich noch einmal tief vor mir zu verneigen.
„Wie bei Isis bist du auf die Idee gekommen, meinem Bruder eine Hetäre zu schicken?“, frage ich Sextus leise, als das Mädchen gegangen ist.
Sextus grinst, aber wirkt nun tatsächlich ein wenig verlegen. „Naja, ich muss zugeben, dass die Stimmung gestern abend recht… ausgelassen war. Und Ptolemaios hat dem Treiben zugesehen wie ein notgei…ähm, wie ein Jüngling in dem Alter eben schaut, wenn er erregt ist, aber sich nicht traut, eine Frau adäquat anzusprechen.“ Er schaut kurz zu Caesar, der nur eine Braue gehoben hat und fährt dann fort: „Also, ich hab Ptolemaios dann ein bisschen Mut gemacht und da ist der Junge richtig aufgetaut.“
„Natürlich!“, meine ich unbehaglich und bin gleichzeitig froh über den Ausgang der Sache. Auch wenn sich dadurch gezeigt hat, wie sehr mein Bruder noch immer unter dem Einfluss von Potheinos steht. „Aber jetzt dürfte seine Laune dafür umso schlechter sein!“
„Das ist sie auch, Kleopatra!“, klingt eine helle Frauenstimme angriffslustig zu uns herüber, „allerdings ist sie blendend im Gegensatz zu meiner!“ Arsinoe ist mit verschränkten Armen in der Tür erschienen, zusammen mit ihrer Hofdame Nephoris und zwei etwas unschlüssig wirkenden römischen Wachen. Caesar winkt die Soldaten jedoch zurück, worauf Arsinoe auch schon auf uns zu gerauscht kommt.
„Guten Morgen, Arsinoe. Setz dich erstmal!“, weist Caesar sie an, widmet sich jedoch gleich darauf wieder seinen Dokumenten, die er unterschreibt und an Faberius weiterreicht.
„Und was hat dir so die Laune verdorben?“, erkundige ich mich liebenswürdig bei meiner Schwester.
„Wo soll ich anfangen?“, erwidert Arsinoe erbost, „vielleicht damit, dass die hochwohlgeborenen römischen Gäste mein Symposion für ihre Orgie missbraucht haben? Vor den Augen der Göttin haben sie kopuliert und sich danach vor der Statue erbrochen!“
„Ja, aber davor haben sie im Weinbrunnen gebadet und lustige Lieder gesungen“, ergänzt Sextus mit einem Grinsen. „Dein Bruder fand das lustig.“ Arsinoe erstarrt zur Salzsäule und für einen Moment fürchte ich, dass sie gleich aufspringen wird, um ihn zu schlagen.
Doch statt dessen, setzt sie nur ihr hochmütiges Gesicht auf. „Daran sieht man nur den schlechten Einfluss, den du auf ihn ausübst, Sextus! Ach da fällt mir ein – auf dem Weg hierher kam mir eine deiner Hetären entgegen. Feierst du jetzt schon früh morgens Orgien oder war die Dame noch von letzter Nacht übriggeblieben?“
„Weder noch, Prinzessin. Aber ich freue mich, dass du dich so sehr für mein Liebesleben interessierst“, antwortet Sextus und sein spöttisches Grinsen vertieft sich.
Arsinoe schnaubt. „Ach davon träumst du also. Tut mir leid, aber du leidest unter Wahnvorstellungen! Ich hoffe, du hast dir kein schlimmes Fieber eingefangen?!“
Sextus‘ Antwort wird jedoch von einem lauten Knall unterbrochen, als einer von Caesars Sklaven, der gerade etwas gebracht hat, plötzlich stolpert und dabei einen der Beistelltische mit einigen Bronzegefäßen umstößt, die nun laut scheppernd über den Mosaikboden rollen. „Du ungeschickter Trampel!“, kommt es von Arsinoes Hofdame Nephoris, die empört auf den nun nassen Saum ihres Chitons deutet.
Nun blickt auch Caesar auf. „Entschuldige dich!“, weist er den Sklaven auf Latein an, was der auch sofort in gebrochenem Griechisch tut, bevor er das angerichtete Chaos schnell beseitigt und sich auf Caesars Zeichen wieder entfernt.
„Ich hoffe, du lässt ihn dafür auspeitschen!“, kommt es von Arsinoe.
„Wegen ein bisschen Wasser? Wohl kaum!“, bemerkt Caesar trocken. „Aber da wir gerade bei Erfrischungen sind. Wir sollten noch etwas zu uns nehmen, bevor wir aufbrechen.“ Und an Sextus und Arsinoe gewandt, fügt er hinzu: „Ihr beiden könnt euren Streit gerne nach dem Frühstück weiterführen!“
~*~
Die Speisen sind bereits im angrenzenden Triclinium aufgetragen worden. Wie selbstverständlich hat Caesar die Hand um meine Hüfte gelegt und zieht mich neben sich, während Arsinoe und Sextus sich möglichst weit voneinander auf den Klinen rechts und links von uns plazieren.
Auch Charmion und Nephoris haben in einigem Abstand Platz genommen und unterhalten sich leise. Die Kommunikation zwischen Caesars Cousin und meiner Schwerster beschränkt sich dagegen auf den Austausch von provozierenden und hochmütigen Blicken. Sextus hat zu einer frischen Feige gegriffen, die er betont genüsslich verspeist. Meine Schwester betrachtet ihren Kelch aus Goldglas, als würde sie erwägen, dem Tribun das Wasser einfach ins Gesicht zu schütten.
„Wo bleiben eigentlich deine Brüder?“, erkundigt sich Caesar bei Arsinoe.
„Ptolemaios sagte, er würde später kommen.“ Meine Schwester zuckt nur gleichmütig mit den Schultern, als sei es für den König von Ägypten völlig normal, seinen römischen Patron einfach warten zu lassen.
„Wenn sie nicht rechtzeitig kommen, brechen wir eben ohne sie auf“, beschließt Caesar ungerührt und greift dabei zu einem Stück Anisgebäck, das er in der Mitte durchbricht und mir dann fürsorglich die Hälfte reicht.
Für einen Moment treffen sich unsere Blicke und sofort ist dieses warme Gefühl der Vertrautheit wieder da. Ich erwidere Caesars Lächeln, aber gleichzeitig kann ich sehen, dass ihn etwas beschäftigt.
„Was hast du denn für heute geplant?“, frage ich leise.
„Wie du weißt, findet heute Abend die Trauerfeier für Pompeius statt“, entgegnet Caesar ernst, „aber davor… wollte ich einem anderen großen Feldherrn meine Reverenz erweisen. Dem größten aller Zeiten.“ Caesar sieht mich bedeutungsvoll an. Und plötzlich verstehe ich, warum er heute in so ernster Stimmung ist. Ich kann nur erahnen, was es für ihn bedeuten muss, seinen größten Feind zu begraben und seinem göttlichen Vorbild gegenüberzutreten. Meinem Ahnherrn und dem Gründer unserer Stadt.
„Es wäre mir eine Ehre, dir Alexanders Grab zu zeigen“, antworte ich und für einen Moment sehe ich so etwas wie Ehrfurcht in Caesars Augen aufblitzen.
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[1] Im Gegensatz zu einfachen Prostituierten, die als porne bezeichnet wurden, wurden Hetären als gebildete Gefährtinnen geschätzt und verfügten über einen gewissen gesellschaftlichen Status. Sie waren ausgebildete Musikerinnen und Tänzerinnen und / oder verfügten über weitere künstlerische Fähigkeiten, sowie über philosophische und literarische Kenntnisse.