„Beide [Julius Caesar und Alexander der Große] studierten die Wissenschaften und Künste ihres eigenen Landes, Griechenlands und anderer Nationen. Was die Inder betrifft, so befragte Alexander ihre Brahmanen, die als die Astronomen und Gelehrten dieses Landes galten, wie die Magier bei den Persern. Caesar befragte gleichfalls die Ägypter, als er dort war und die Regentschaft Kleopatras wiederherstellte, wodurch er für die Römer viele Verbesserungen im Bereich der friedlich genutzten Technologien bewirkte. Er änderte den Kalender, der wegen der bis dahin gebräuchlichen Schaltmonate in Unordnung war, denn die Römer bestimmten das Jahr nach dem Mond. Caesar stellte es auf den Sonnenlauf um, wie die Ägypter es berechneten.“
Appian, History of the Civil wars, 2.154[1]
„Haec nova sit ratio vincendi, ut misericordia et liberalitate nos muniamus.“
„Das muss die neue Siegestaktik und Strategie sein, dass wir Vergebung üben und eine freie und festliche Welt schaffen“
Aus Caesars Rede an Cicero (Cic. ad Att. 9,7 c)[2]
………………………………………………………………………………………………………………………
„Caesar, kannst du uns eine Geschichte von Deinen Kriegen in Gallien erzählen?“, fragt Maios mit leuchtenden Augen und sieht unseren Patron bittend an.
Der Feldherr wirft ihm einen nachsichtigen Blick zu und beginnt dann tatsächlich, über eine Episode aus seinem Krieg gegen die Belger zu berichten. Maios und Ptolemaios lauschen gebannt seinen Worten: „…Wir verfolgten also einige der belgischen Stämme, die sich gegen Rom verbündet hatten bis in den nördlichsten Teil Galliens. Nachdem sich die ersten drei Städte kampflos ergeben hatten, erreichten wir das Gebiet der Atuatucer, eines besonders kriegerischen Volkes, das von den Kimbern und Teutonen abstammt.“
„Kimbern und Teutonen?“, fragt Ptolemaios nach, wobei er sich Mühe gibt, die ungewohnten Namen korrekt auszusprechen.
„Ja, gefürchtete Germanenstämme, die vor etwa 50 Jahren Gallien unsicher machten. Sie gewannen zwei Schlachten gegen römische Legionen, bevor mein Onkel Marius sie schließlich besiegte“, erklärt Caesar und fährt dann fort: „Die Atuatucer hatten sich also in ihrer Stadt Atuatuca verschanzt, die sie für uneinnehmbar hielten. Von ihren Festungsmauern aus machten sie sich über uns lustig. Auch als meine Männer anfingen, in einiger Entfernung einen Belagerungsturm zu bauen, fanden sie das noch spaßig – bis sie merkten, wie effizient und beweglich dieser Turm war.“
„So wie die makedonischen Belagerungstürme und Kriegsmaschinen, die wir vorhin gesehen haben?“, fragt Maios aufgeregt.
„Ja, so ähnlich wie die Modelle“, bestätigt Caesar. „Aber für die Atuatucer wirkten unsere römischen Kriegsmaschinen wie ein Werk der Götter und als sie ihre Funktionsweise erkannten, wurden sie kleinlaut und baten um Gnade.“
„Hast du sie ihnen gewährt?“, frage ich neugierig.
Seine unergründlich dunklen Augen mustern mich kurz. „Zu denen, die sich mir freiwillig ergeben, bin ich gerne großzügig, Kleopatra.“
Ein ironisches Lächeln umspielt seine Mundwinkel, als er sich wieder meinen Brüdern zuwendet und mit der Geschichte fortfährt: „Allerdings gab ich Ihnen nur Bedenkzeit, bis der erste Rammbock die Festungsmauer berührt hätte. Es bedurfte dann noch ein wenig Überredungskunst, sie davon zu überzeugen, ihre Waffen niederzulegen. Sie argumentierten nämlich, dass sie mit all ihren Nachbarn zerstritten seien und sich verteidigen müssten. Als Statthalter Galliens bestand ich natürlich darauf. Ich bot ihnen aber an, sie unter den Schutz Roms zu stellen. Schließlich willigten sie ein und warfen ihre Waffen über die Mauern – der Waffenberg war fast so hoch, wie ihre Festungsmauern – und dabei waren das nur zwei Drittel aller Waffen, wie sich später herausstellte!“[3]
„Es hat also keine Schlacht gegeben?“ Maios klingt ein wenig enttäuscht.
„Doch“, antwortet Caesar zynisch, „denn sie hielten sich für besonders schlau. Nachdem sie uns ihre Tore geöffnet hatten, ließ ich wie versprochen Gnade walten. Ich befahl meine Legionäre abends sogar zurück ins Lager, um Übergriffe auf die Bevölkerung zu vermeiden. Die Atuatucer revanchierten sich allerdings damit, dass sie nachts versuchten, uns zu überfallen. Das hatten sie von Anfang an geplant – mit den Waffen, die sie nicht übergeben, sondern versteckt gehalten hatten.“
„Eine Kriegslist!“, folgert Ptolemaios.
„Ja, damit muss man im Krieg leider immer rechnen!“, bestätigt Caesar.
„Was ist dann passiert?“, fragt Maios gespannt.
„Um die dritte Nachtwache versuchten sie einen Ausbruch und konzentrierten sich dabei auf eine Schwachstelle in unserer Verteidigung. Zusätzlich zu den versteckten Waffen hatten sie sich in aller Eile Schilde aus Fellen, Rinde und Reisig gefertigt. Sie kämpften mit dem Mut der Verzweiflung, aber konnten unsere Verteidigung nicht durchbrechen. Nachdem die angrenzenden Posten durch die Signalfeuer alarmiert waren, zwangen wir sie zum Rückzug. 4000 ihrer Krieger fielen in dieser Nacht, der Rest zog sich wieder in die Festung zurück und verschloss die Tore.“
„Und wie hoch waren deine Verluste?“, fragt Ptolemaios stirnrunzelnd.
„Überschaubar. Wobei ich den Tod keines einzigen meiner Legionäre leicht nehme.“ Er macht eine kleine Pause und fügt dann hinzu: „Am nächsten Morgen ließ ich die Stadt stürmen. Die Überlebenden wurden in die Sklaverei verkauft.“
Maios sieht ihn fragend an: „Wieviel Überlebende gab es denn?“
„Etwa 53 000. Zumindest nach Auskunft der Händler.“ Caesar verzieht keine Miene, während Ptolemaios angefangen hat, unruhig mit seinem Weinkelch zu spielen.
„Kein Wunder, dass du am Ende kurzen Prozess gemacht hast, nachdem man euch so in den Rücken gefallen ist“, sage ich leise. Seine Vorgehensweise entspricht der eines römischen Feldherrn – aber meine Brüder sind merkwürdig still geworden, als hätten sie endlich begriffen, dass man sich mit Rom nicht anlegen sollte. Meine Augen huschen wieder zu Caesar und als sich unsere Blicke treffen, erscheint wieder dieses ironische Funkeln darin.
„Oh, kurzen Prozess habe ich bei anderen Gelegenheiten gemacht. Mit den Belgern war ich nur konsequent.“
Er wirkt völlig gelassen, als wäre diese Episode nur ein Scharmützel gewesen – und das ist sie ja für ihn auch. Ich bin selbst mit einer Armee durchs Land gezogen und habe Pelusium belagert, aber zu einer wirklichen Schlacht ist es nie gekommen, dank Caesars Vermittlung. Er dagegen weiß genau, wovon er spricht, das spürt man hinter jedem seiner Worte, auch wenn er es so beiläufig erzählt, als wäre es eine Kleinigkeit.
Aber es ist keine Kleinigkeit. Das weiß ich von der Rückeroberung Alexandrias durch die Legionen des Gabinius. Mein Vater hatte damals dafür gesorgt, dass ich im Tross reiste und von der Schlacht nichts mitbekam. Trotzdem kann ich mich an den Geruch des Todes erinnern, die weinenden Menschen und an die Szenen im Palast…
Als wollten die Musen meine Gedanken in beschaulichere Bahnen lenken, erfüllen in diesem Moment die hellen Klänge einer Harfe den Raum und vermischen sich mit den Tönen von Flöten und Lyren zu einer süßen Melodie. Ich blinzele kurz und die bösen Bilder der Erinnerung verblassen wie Nebel im Sonnenlicht, als die schöne Stimme eines jungen Sängers erklingt, der eine Hymne an Isis Urania vorträgt und sich selbst dabei auf einer Kithara begleitet. Seine Verse sind von solch eindringlicher Poesie, dass auch alle anderen Gespräche um uns herum verstummen. Für einen Moment lauscht der ganze Saal der virtuosen Darbietung. Und bis der letzte Ton verklungen ist, hört man nur die Klänge und Stimmen der Museions-Musiker, die gekommen sind, um uns mit ihrem Auftritt zu erfreuen.
................................................................................................................................
[1] Eine englische Übersetzung findet man hier: https://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Appian/Civil_Wars/2*.html, siehe auch die Übersetzung von John Carter, https://www.livius.org/sources/content/appian/appian-caesar-and-alexander/
„In the field of knowledge they were also enthusiastic lovers of wisdom, whether traditional, Greek or foreign(…)“
[2] Cicero, Epistulae ad Atticum, https://www.carotta.de/subseite/texte/esumma/eclement.html
[3] Iulius Caesar, De bello Gallico, II, 29-33.