Verzweifelt stand ich vor meinem Kleiderschrank. Irgendwo musste ich doch ... Frustriert raufte ich mir die Haare. Das konnte doch nicht sein! Besaß ich tatsächlich kein einziges Hemd mehr?
»Lance, du musst mir helfen! Ich brauch dringend ein Hemd von dir«, flehte ich meinen besten Freund an, der völlig in das Spiel am PC versunken war.
»Die sind dir zu groß«, kommentierte er, ohne aufzublicken.
Da er eh nicht wirklich reagierte, ging ich einfach an seinen Schrank und holte ein paar Hemden hervor, um das zu suchen, was mir am besten passte. »Ist egal. Ich brauch eins. Ich muss in einer halben Stunde in Downtown sein.«
Jetzt pausierte er doch sein Spiel und sah sich zu mir um. »Das wird aber ziemlich knapp. Da, das Blaue, das ist ziemlich eng, das sollte bei dir nicht ganz so nach Sack aussehen.«
Ich holte das Dunkelblaue hervor, in dessen Richtung er gezeigt hatte, und zog es über. War zwar immer noch zu groß, aber dennoch deutlich besser als die anderen. »Danke.«
»Kein Ding. Wer ist denn die Glückliche?«
»Laura.«
Lance wackelte vielsagend mit den Augenbrauen, ich verdrehte genervt die Augen. Er hatte ja Recht, ich rannte ihr nach. Aber sie hatte es mir wirklich angetan. Mit keiner anderen Frau hatte ich mich bisher so oft getroffen, ohne auch nur einmal mit ihr im Bett zu landen. Ich hoffte, dass es heute Abend endlich so weit war.
»Also kommst du morgen Mittag wieder?«
Ich zeigte ihm den Mittelfinger. Bisher hatte jede Verabredung mit ihr zu einer Alkoholeskapade meinerseits geführt und damit dazu, dass ich bei irgendeinem Kerl gelandet war. Auch wenn ich ihm das nicht auf die Nase band und er glaubte, dass ich wenigstens beim zweiten Mal bei ihr gewesen war. Als sie mich das zweite Mal beim Arbeiten besucht hatte, hatte sie jedoch aufgrund der Rufbereitschaft gehen müssen, bevor ich überhaupt richtig mit ihr geredet hatte. Daher hatte ich sie beim letzten Mal einfach gleich nach der Begrüßung um ein Date gebeten. Tatsächlich hatte sie es mir sofort gewährt. Die Chancen für den Abend standen also gar nicht so schlecht.
»Bis morgen«, verabschiedete ich mich, nachdem ich mich fertig angezogen hatte. Lance hatte sich wieder dem Rechner gewidmet.
»Viel Erfolg!«, rief er mir grinsend nach.
Da ich natürlich doch noch die Bahn verpasst hatte, kam ich zehn Minuten zu spät am South Street Diner an. Vor der Tür war Laura nicht zu sehen, weshalb ich hineinging, sie dort jedoch auch nicht antraf. Ich sagte der Bedienung, dass ich noch auf jemanden wartete und setzte mich an den Tresen. Auch wenn es echt albern war, hoffte ich, dass sie doch noch kam und nicht wütend gegangen war.
»Puh, du bist noch da. Tut mir leid, bin erst zu spät aus der Arbeit rausgekommen und hab dann die Bahn verpasst«, hörte ich weitere zehn Minuten später ihre Stimme direkt neben mir. Ich hatte mich gerade mit dem Gedanken angefreundet, mir doch jemand anderen für die Nacht suchen zu müssen. Doch das hier war mir deutlich lieber.
»Schon gut, schön das du da bist.« Ich küsste sie sanft auf die Wange, bevor ich der Bedienung zunickte, die fragend zu uns herübersah. Prompt führte sie uns an einen freien Tisch und nahm dann Lauras Getränkebestellung auf.
In Ruhe suchten wir unser Essen aus, bis die Kellnerin wiederkam. Erst nachdem sie wieder verschwunden war, fragte ich: »Wie war dein Tag? Außer lang.«
Wie schon bei unseren früheren Treffen erzählte sie mir völlig begeistert von ihrer Arbeit. Ich hörte ihr gerne dabei zu. Sie ging regelrecht darin auf und ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass sie in diesem Job glücklich war.
»Und wie war deiner?«
»Ruhig. Ich hab lediglich meinem Zimmernachbarn geholfen, sich auf seinen nächsten Auftritt vorzubereiten.« Dass ich mir danach noch im Park ein wenig Geld verdient hatte, ließ ich lieber unerwähnt. »Ist nicht viel los in den Ferien.«
»Kenn ich. Ich hab während des Colleges in einem kleinen Club an der Bar gejobbt, da waren Ferien immer ein Segen.«
»Ja, das ist tatsächlich sehr angenehm, sich nicht vom DJ-Pult direkt an das Schreibpult schleppen zu müssen.«
Während des Essens redeten wir noch ein wenig über ihre Collegezeit, wobei ich wie üblich vermied, etwas von mir preiszugeben.
Nachdem wir aufgegessen hatten, begaben wir uns noch eine Weile an die Bar und hielten Smalltalk. Sie erzählte mir, welche Musik sie gerne hörte und in welche Clubs sie am liebsten ging. Bei einem davon, der Unicorn Opera, beschlossen wir, spontan vorbeizuschauen. Ausnahmsweise hatte Laura am nächsten Tag nämlich mal frei und musste nicht schon viel zu früh wieder verschwinden. Mit der Bahn fuhren wir zu ihr, damit sie sich noch umziehen konnte, ich würde einfach mit den momentanen Klamotten gehen.
Geduldig wartete ich im Wohnzimmer mit den zwei Katzen, bis sie sich umgezogen hatte. So sehr ich mich auch bemühte, die Biester von mir fernzuhalten, schafften sie es dennoch, meine Klamotten vollständig einzuhaaren. Leise fluchte ich. Nicht nur, dass es scheiße aussah, Lance würde mir auch den Kopf waschen, wenn ich mit einem völlig verhaarten Hemd zurückkam. Immerhin brauchte er die Dinger für die Arbeit.
Gerade als ich die beiden riesigen, zotteligen Viecher vertreiben wollte, kam Laura aus dem Schlafzimmer zurück. Wieder trug sie die knappe Weste, die mich die Vierbeiner augenblicklich vergessen ließ. Mein Blick haftete allein an ihrer Besitzerin, was das rote Monster direkt nutzte, um auf meinen Schoß zu springen.
Ich wollte es herunterstoßen, da hob sie es auch schon weg. »Tut mir leid, du hast dich leider genau auf Nace’ Platz gesetzt. Für ihn ist alles seins, was sich dort niederlässt, da kennt er kein Pardon. Ich hoffe, du hast keine Allergie?«
Nace? Also ich hätte ihn ja Garfield getauft. Zumindest ließen seine Ausmaße annehmen, dass er genauso viel fraß. Es hatte gerade mal sein Vorderkörper auf meinen Schoß gepasst. Zusammen mit der zweiten Bestie konnte er sicher eine Couch für sich einnehmen.
Doch, statt mich aufzuregen, stand ich auf und putzte mich notdürftig ab. Lächelnd schüttelte ich den Kopf. »Nein, er hat mich nur etwas eingehaart. Hast du was da, um die Haare wegzubekommen?«
»Oh nein, verdammt! Ich hab vor Stress ganz vergessen, eine neue Fusselrolle zu kaufen. Das ... Scheiße ... Soll ich dir die Sachen eben waschen und in den Trockner tun? Dann gehen die meisten Haare ganz gut raus.«
Unweigerlich musste ich lachen. »Erklärst du dann den Leuten in der Bahn, warum ich nackt bin?«
»Oh ... Ehm ...« Ein leichter Rotschimmer legte sich auf ihre Wangen.
Süß. Eigentlich hatte ich sie damit nicht in Verlegenheit bringen wollen, aber gut zu wissen, dass das so einfach ging.
Einen Moment schwieg sie, dann erhellte sich ihr Gesicht. »Wir können auch hierbleiben und etwas schauen, bis deine Sachen trocken sind. Ich hab ganz viele DVDs. Ich kann dir solange Jogginghose und Shirt von mir leihen. Ich hab noch welche, die mir etwas zu groß sind.«
Mit einem Lächeln nickte ich. Bisher war ich noch nicht ganz sicher gewesen, wohin der Abend führte, aber jetzt war klar, dass ich diese Wohnung erst morgen wieder verlassen würde. Ich musste nur austesten, wie weit ich gehen konnte, ohne sie zu verschrecken.
»Okay. Du kannst dir ja schon mal einen Film aus dem Schrank da drüben aussuchen und ich geh Sachen für dich suchen.«
Ich tat, wie mir geheißen. Die Auswahl war wirklich nicht schlecht. Es war von fast allem etwas zu finden. Leider schien sie jedoch ein Faible für Liebesschnulzen zu haben. Die kamen mir aber sicher nicht vor die Augen, schon gar nicht zu einem Date. Das würde nur falsche Signale senden. Da mir jedoch die meisten anderen Filme nichts sagten oder mir doch zu unangebracht schienen, entschied ich mich für Bärenbrüder. Ich hatte gehört, dass der Film gut sein sollte und ihn Dave letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt. Leider war ich noch nicht dazu gekommen, ihn mit ihm zusammen anzusehen. Dann wusste ich wenigstens endlich mal, worum es darin überhaupt ging.
»Ich hab was«, verkündete sie freudig, als ich gerade den Film aus dem Regal zog.
Ich legte die DVD auf die Sofalehne und begann mir das Hemd aufzuknöpfen.
Verlegen sah sie zur Seite. Wieder hatten ihre Wangen eine leichte Röte angenommen. »Ich geh mich auch eben umziehen.«
»Schade. Ich mag die Weste.«
Die Farbe in ihrem Gesicht nahm an Intensität zu, während sie ins Schlafzimmer ging.
Hätte ich eher gewusst, dass sie so schüchtern war, hätte ich das Ganze schon viel früher beschleunigen können. Doch eigentlich hatte sie immer sehr selbstsicher gewirkt, weshalb ich vermutet hatte, dass sie den ersten Schritt machen wollen würde. Tja, so konnte man sich irren.
Ich ließ mir Zeit mit dem Umziehen, sodass sie noch einen Blick auf mich erhaschen konnte, bevor ich die Hose vollständig hochgezogen und das Shirt angezogen hatte. Viel hatte mein Körper zwar nicht zu bieten, schon gar nicht, seitdem ich nicht mehr trainieren ging, aber Selbstbewusstsein konnte bei Frauen Wunder wirken.
Etwas unsicher nahm sie mir meine Sachen ab, um sie in den Waschkeller zu bringen, während ich mich um DVD und Fernseher kümmerte.
»Welches sind denn die Menschenplätze?«, fragte ich, als sie wieder da war und für Getränke und Snacks gesorgt hatte.
»Alle außer der eine«, antwortete sie lachend. Ich suchte mir also einen anderen Platz. Sie setzte sich direkt daneben. »Keine Sorge, Donna kommt nicht raus, solange Besuch da ist.«
Leider hielt sich das schwarze Zotteltier nicht daran, sondern meinte, sich mitten im Film quer über unserer beider Beine legen zu müssen, während es sich das rote hinter uns auf der Lehne gemütlich machte. Toll, da saß ich also, zwischen zwei Katzen und ihrem Frauchen eingeklemmt, und wusste nicht weiter. Da half auch der Rotwein nicht. Ich war eben vollkommen ungeübt in Sachen Dates.
Als der Film zu Ende war, scheuchte ich das Tier auf meinen Beinen weg, um aufzustehen, stellte jedoch fest, dass ich dennoch nicht hochkam. Zumindest nicht, ohne Laura zu wecken, die an mich gelehnt eingeschlafen war. Also legte ich den Arm um sie und zappte durch die Fernsehprogramme.
Nach etwa zehn Minuten wachte sie auf, weil mich plötzlich Werbung anschrie und ich die Lautstärketasten nicht rechtzeitig fand. Verschlafen sah sie zu mir hoch. »Oh. Bin ich eingeschlafen?«
Ich nickte. Da sie sich nicht an der Hand zu stören schien, die sie leicht über die Flanke streichelte, wurde ich etwas mutiger und hauchte ich ihr einen Kuss auf den Kopf. »Vielleicht solltest du ins Bett gehen.«
Sie murmelte etwas Zustimmendes, bewegte sich dann aber keinen Millimeter.
Nach ein paar Minuten stupste ich sie lachend an. »Hey, ich kann dich nicht ins Bett tragen.«
»So schön warm«, murmelte sie, rollte sich etwas mehr zusammen und rieb ihren Kopf an meiner Brust.
Lächelnd richtete ich sie etwas auf. »Ist es im Bett auch. Na komm.«
Tatsächlich erhob sie sich nun doch. Kaum, dass sie stand, riss sie die Augen erschrocken auf, schien plötzlich hellwach. »Ich muss noch deine Sachen aus dem Trockner holen!«
Ich stand ebenfalls auf und legte meinen Arm um ihre Taille, während ich sie sanft in Richtung Schlafzimmer schob. »Ich hol sie mir morgen früh selbst, wenn ich darf.«
Einen Moment schien sie zu stocken. Es dauerte, bis sie den Kern der Aussage verstand, dann nickte sie leicht verlegen.
Als ich die Schlafzimmertür schließen wollte, protestierte sie, dass diese wegen der Katzen offenbleiben müsste. Wenig erfreut tat ich ihr den Gefallen und ließ die Tür offen. Hoffentlich nervten diese Biester nicht auch nachts.
Während ich mich bewusst langsam bis auf die Unterhose auszog, entledigte sie sich hastig ihrer Klamotten und schlüpfte in einen Pyjama. Ich fand das ja unsinnig, da ich mir sicher war, sie spätestens am nächsten Morgen sowieso vollständig erkunden zu können, dennoch hielt ich sie nicht davon ab. Ich war so weit gekommen, da wollte ich es mir nicht mit einer vorschnellen Bemerkung kaputt machen und vielleicht doch noch rausfliegen.
»Pretty dress.
Perfect ass.
Bitch around
To the devil sound.
Intentions calculated.
Reputation devastated.
Loss of all esteem.«
Mechanical Moth – Black Queen Style