Ich erwachte von einem widerlichen Geruch. Angeekelt verzog ich das Gesicht und versuchte ihm zu entkommen, indem ich den Kopf ins Kissen drehte. Doch nun spürte ich etwas nasses Raues an der Wange.
Mit einem genervten »Du olle Sau!« drückte ich Nace weg. Es konnte nur der Kater sein. Denn seine Freundin begann, nachdem ich ein Lebenszeichen von mir gegeben hatte, meinen Bauch mit ihren Krallen zu massieren und nach Aufmerksamkeit zu betteln. Diese nervigen Viecher!
Ich war ja schon froh, dass sie am Vorabend nicht wieder beim Sex gestört hatten. Warum durften sie überhaupt ins Bett? Sie hatten da nichts verloren und machten sich nur breit. Leider hatte ich in der Angelegenheit aber kein Mitspracherecht. Es waren Lauras Tiere und ihr Bett.
»Guten Morgen, Brummbär. Hast du gut geschlafen?«, fragte Laura, bevor sie sich ein wenig aufrichtete und mir einen sanften Kuss auf die Lippen gab.
Na toll, das war es dann mit Schlafen. Sobald sie wach war, würden die Monster keine Ruhe geben, bis sie etwas zu Fressen bekommen hatten. Und danach würde ihr Frauchen nicht wieder ins Bett kommen.
Kurz vergrub ich das Gesicht noch einmal unter der Decke, bevor ich mich grummelnd darunter hervor schälte. »Guten Morgen. Und alles Gute.«
Sofort strahlte sie. Sie hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ich so früh schon daran dachte, denn sie kannte mich nur als Morgenmuffel. Und das, obwohl ich noch immer ein Frühaufsteher war. Nur sie war mir einfach zu früh. Außerdem genoss ich es, mal ein paar Nächte ohne Albträume auszukommen. Da fiel das Aufstehen gleich viel schwerer.
Ich zog sie an mich und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich hab wie immer wunderbar geschlafen. Und du?«
»Auch gut. Bis auf dein Schnarchen«, antwortete sie mit neckendem Tonfall und zwinkerte mir dabei zu.
Betreten sah ich sie an. »Sorry. Muss noch der letzte Restalkohol gewesen sein.«
»Wie viel hast du denn getrunken?«, fragte sie erschrocken und riss die Augen auf. Abwehrend zuckte ich mit den Schultern. Darüber wollte ich lieber nicht nachdenken und schon gar nicht reden. »Vielleicht solltest du mal ein wenig kürzer treten?«
Genervt verdrehte ich die Augen. »Du solltest dich mit Lance zusammentun.«
»Na ja, vielleicht haben wir ja auch etwas recht? Ich meine, wenn du dich mitten in der Woche betrinkst und den nächsten Tag komplett verschläfst?«
Noch einmal verdrehte ich die Augen. Warum glaubten alle, ich hätte das nicht unter Kontrolle? Es war ja nicht so, dass ich ständig trank. Nur ein paar Mal die Woche. Trotzdem wollte ich mich nicht mit ihr streiten. Nicht so früh am Morgen und nicht an ihrem Geburtstag.
Ich lächelte sie an, schnappte mir ihren Pferdeschwanz und kitzelte sie damit am Ohr. »Ich muss immerhin ein Image aufrecht erhalten, Puschelchen.«
Sie zog die Nase kraus, rieb ihr Ohr an ihrer Schulter, um das kitzelnde Gefühl loszuwerden, und befreite ihre Haare aus meiner Hand. Jetzt war sie es, die die Augen verdrehte. »Schon klar, du großer Rockstar. Und dein Abschluss?«
»Den schaff ich schon, keine Sorge. Außerdem sind erst in zwei Monaten Prüfungen.« Ich zog sie zu mir heran und küsste sie auf die Stirn. »Du musst dir wirklich keine Gedanken um mich machen. Ich schaff das.«
Sie seufzte ergeben. »Na gut.«
»Hey, schau mich an«, forderte ich sanft, griff ihr dabei leicht unters Kinn. »Ich bin gut! Du musst dir keine Sorgen machen. Ich hab die ersten Semester geschafft, obwohl ich kaum da war und ich werd es jetzt auch nicht mehr verbocken. Vertrau mir einfach, okay?«
»Ist gut. Du musst es wissen.« Sie lehnte kurz den Kopf an meine Schulter und blieb einen Moment liegen, dann richtete sie sich komplett auf. »Ich geh mal die Fellnasen füttern und dann mach ich Frühstück für uns. Was magst du essen?«
Einen Moment sah ich sie völlig perplex an. Sie wusste doch, dass ich nie ... Oh Fuck! Ich hatte versprochen, heute mit ihr in den Zoo zu gehen. Den ganzen Tag! Natürlich gingen wir von hier aus los. Alles andere wäre doch Blödsinn. Verdammt ... Sie hatte es geschafft, mich in eine Situation zu bringen, in der ich nicht anders konnte, als zu bleiben. Aus der Nummer kam ich jetzt nicht mehr heraus.
Panik erfasste mich. »Ist ... Ist mir egal. Ich ess alles ... Ich geh mal duschen!« Scheiße, Scheiße, Scheiße! Warum hatte ich da nicht vorher drüber nachgedacht?
Mit einem Lächeln drückte ich ihr einen kurzen Kuss auf die Wange. Nur nicht anmerken lassen, dass ich überrumpelt war. Dann eilte ich ins Bad.
Unter der Dusche schalt ich mich weiter einen Idioten. Warum war mir nicht eher aufgefallen, dass zu diesem Plan ein gemeinsames Frühstück gehörte? Alles andere wäre doch viel zu umständlich. Und wie ich sie kannte, war ihr nicht einmal aufgefallen, dass sie mich damit in gewisser Weise hereingelegt hatte, mich in die Ecke drängte. Wieso auch, ich hatte ja direkt zugestimmt, als sie mich gefragt hatte. Irgendwie hatte ich mich immerhin auch darauf gefreut.
Da mir kein Geburtstagsgeschenk für sie eingefallen war, hatte ich sie einfach gefragt, was sie sich wünschte. Ein Tag im Zoo war nicht schwer zu erfüllen. Es würde sie glücklich machen. Und ich mochte es, wenn sie glücklich war. Denn wenn sie glücklich war, dann strahlte sie, ließ mich vergessen, dass ich es nicht war – nicht mehr sein konnte. Für einen kurzen Augenblick konnte ich mich dann der Illusion hingeben, vielleicht doch so etwas wie Glück zu fühlen.
Also durfte ich das nicht vermasseln. Ich musste gleich da raus, mit ihr frühstücken und ihr dann klarmachen, dass es eine einmalige Sache war. Genau wie die Begebenheit am Vorabend.
»Wohin wollen wir zuerst?« Wir hatten Glück, für Anfang März war das Wetter einfach fantastisch. Noch etwas frisch, aber dafür strahlte die Sonne mit Laura um die Wette. Außerdem hatte ich schon am Eingang gesehen, dass es bereits den einen oder anderen Nachwuchs zu bewundern gab. Zwar würde das im Laufe des Tages viele Familien anlocken, aber so kurz nach der Öffnung war es noch vergleichsweise ruhig.
»Lass uns erst mal links rum zu den Häusern gehen. Da ist es jetzt noch nicht so voll.« Sie hakte sich bei mir unter und marschierte los.
Grinsend folgte ich ihr. Sie schien sich hier ja bestens auszukennen, da ließ ich mich gern von ihr herumführen.
Es war schön, zu sehen, wie sie von einem Gehege zum nächsten stürmte und sich manchmal einfach nicht entscheiden konnte, zu welchem sie zuerst wollte. Fast erinnerte es mich an die Zoobesuche mit Dave, als er noch jünger gewesen war. Mittlerweile war das einfach nicht mehr seine Welt. Aber das war okay.
Dabei fiel mir ein, dass ich mich bei ihm melden sollte. Ich hatte ihn seit seinem Geburtstag vor zwei Monaten nicht mehr gesehen, da wurde es mal wieder Zeit. Ich liebte meinen kleinen Bruder noch immer über alles und hätte ihn gern häufiger besucht. Doch ihn zu besuchen, hieß auch, auf den Drachen zu treffen. Und darauf hatte ich wahrlich keine Lust. Seine Mutter war vermutlich froh, dass er seinen missratenen Bruder nicht so häufig sah. Wäre nicht unser Vater, hätte ich ihn sicher gar nicht mehr sehen dürfen. Eins der wenigen Dinge, bei denen er es schaffte, sich gegen seine Frau und auf meine Seite zu stellen.
Nachdem wir die kleine Runde entlang der Tierhäuser gelaufen waren, machten wir eine Mittagspause im Restaurant. Die hatten wir beide dringend nötig. Nicht, weil wir schon wieder Hunger hatten – das Frühstück, welches Laura aufgetischt hatte, war mehr als reichlich gewesen –, sondern weil es doch auf Dauer etwas frisch wurde. Wir hatten unterschätzt, wie waldig und damit kühl es im Zoo doch war. Dennoch wollte sie unbedingt noch den Rest sehen, immerhin hatte sie sich besonders auf die Wölfe gefreut. Deren Gehege lag jedoch am weitestentfernten Punkt.
Während Laura sich eine ganze Weile die Wölfe ansah und sich mitten ins Getümmel warf, da gerade Fütterungszeit war, blieb ich etwas auf Abstand und setzte mich auf eine Bank in der Nähe. Ich fand die Tiere nicht so spannend und große Menschenansammlungen waren einfach nicht mehr meins. Zu groß war die Angst, unbedacht von jemandem berührt zu werden.
Aber so konnte ich Laura in aller Ruhe beobachten. Sie schien wirklich glücklich. Ab und zu warf sie einen kurzen Blick zu mir, wie um sich zu versichern, dass ich noch da war. Dabei wurde ihr Lächeln jedes Mal breiter.
»Alter, hast du die Gruftischickse gesehen? Die geht ja voll ab.«
Automatisch wanderte mein Blick in die Richtung, aus der die Aussage kam. Dort standen vier Halbwüchsige, die scheinbar zu einer Pfadfindergruppe gehörten. Zumindest nach den Jacken zu urteilen, die sie alle trugen. Sie schienen mich nicht bemerkt zu haben, denn sie richteten weiter ihre Blicke auf die Menge.
»Heiß, oder?«, stimmte ein weiterer dem ersten Sprecher zu. »Die in ’ner Schulmädchenuniform ...«
»Ist die nicht ein wenig zu alt?«, bemerkte ein Schmächtiger mit Brille.
»Ach Quatsch. Außerdem will Michael ihr doch eh nur ans Möschen, da ist es doch egal wie alt«, mischt sich der Vierte mit einem dreckigen Grinsen ein.
Wütend über so viel Dreistigkeit knirschte ich mit den Zähnen. Das war widerlich!
Der Typ, der offenbar Michael hieß, nickte. »Und mit den Zöpfen ... Ich bin sicher, in ’ner Uniform sieht die gleich noch viel jünger aus.«
»Na dann mach schon, geh hin«, forderte wieder der Erste. Er hatte einen gewaltigen Pickel auf der Nase.
»Spinnst du? Niemals! Was soll ich der denn sagen?« Nun schien Michael doch zu kneifen und ich entspannte mich wieder etwas. Was sie sagten, gefiel mir zwar immer noch nicht, aber wenigstens würden sie Laura in Ruhe lassen.
»Feige Sau«, höhnte wieder Nummer Vier. Dann warf er erneut einen längeren Blick auf Laura, der mein Blut zum Kochen brachte. Ein Wunder, dass der Typ nicht sabberte! »Ich würde ja wetten, dass ihr heißes Fötzchen noch komplett unbenutzt ist.«
Leise grollte ich. Ich wollte diese Scheiße nicht länger hören! Laura war kein Stück Fleisch!
Nun sprach wieder die Pickelfresse: »Alter, so wie die da rumturnt könnte man ihr sicher auch untern Rock packen, ohne dass sie es merkt.«
»Georg!«, brachte die Brillenschlange entsetzt hervor.
»Was denn?«, fragte der Angesprochene gelassen. »Nur, weil ihr zu feige seid. Wenn man ihr erstmal gezeigt hat, wie geil sich das anfühlt, wird die sicher zahm wie ein Kätzchen und beginnt zu schnurren.«
Hasserfüllt starrte ich die vier an. Wie konnte man nur so über eine Frau reden? Und dann auch noch über Laura! Ich schnappte mir unsere Sachen und stand auf.
Genau rechtzeitig, denn Pickelfresse löste sich gerade aus der Gruppe. Mit einem hämischen Grinsen erklärte er: »Ich zeig euch jetzt mal, wie man das macht. Sie wird gar nicht merken, wie ihr geschieht.«
Festen Schrittes ging ich auf Laura zu, legte ihr die Hände um die Hüften und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
So behandelte man eine Frau wie sie! Nicht wie ein Stück Fleisch, das man einfach angrabschen konnte!
Zärtlich flüsterte ich an ihr Ohr: »Lass uns langsam zurück, Puschel. Es wird kalt und wir müssen noch zurückfahren. Sobald die Sonne weg ist, wird es sonst zu eisig aufm Motorrad.«
»Oh. Na gut, du hast ja recht.« Sie drehte sich in meinen Armen herum und gab mir einen kurzen Kuss, dann nahm sie mir ihren Rucksack ab. Sanft legte ich meinen Arm um ihre Hüfte.
Als wir an dem Vierergrüppchen vorbeigingen, sah ich ihnen mit Genugtuung in die entgeisterten Gesichter. Solche Proleten hatten eine Frau wie sie gar nicht verdient! Niemals hätte sie einen von denen auch nur mit der Kneifzange an sich herangelassen.