Aufgeregt sah ich mich in der Bar um. Ich freute mich so sehr, die beiden endlich wiederzusehen! Jetzt musste ich sie nur noch finden.
Roger hatte mir vor drei Tagen geschrieben, dass er und Toby mich gerne treffen würden. Sie hätten miteinander geredet und wären bereit, noch einmal mit mir darüber zu sprechen, wie es weitergehen konnte, sodass wir alle uns wohlfühlten, wenn ich das denn wollte. Natürlich hatte ich zugestimmt und direkt einen Treffpunkt mit ihnen ausgemacht.
Wir waren uns sofort einig gewesen, dass es ein halbwegs neutraler Ort sein sollte und uns auf die schwule Sportsbar geeinigt. Hier würde uns niemand anstarren, nur weil wir vielleicht zu dritt ein paar Zärtlichkeiten austauschten, wenn es nötig war oder wir uns wieder zusammengerauft hatten. Außerdem war es hier nicht ganz so laut wie in den Clubs und es gab etwas zu essen.
Sie hatten einen Platz in einer etwas versteckteren Ecke gefunden und Roger winkte mir von dort aus zu, als er mich sah. Ich lächelte und beschleunigte meinen Schritt. Ich wollte möglichst schnell zu ihnen.
Sie standen auf, als ich nur noch ein kleines Stück von ihnen entfernt war, und zogen mich sofort in eine gemeinsame Umarmung. Ich befürchtete schon fast, dass sie mich küssen wollten, doch vorher lösten sie sich von mir. Wir hatten viel zu diskutieren, bevor wir dort weitermachen konnten, wo wir aufgehört hatten. Beziehungsweise eben gerade das nicht. Zumindest ich wollte einiges ändern, damit nicht wieder jemand verletzt wurde.
»Wir waren so frei und haben schon einmal Getränke besorgt«, erklärte Toby, während sie sich mir gegenübersetzten.
Ich war froh darüber. Das machte deutlich, wer auf welcher Seite stand: sie beide als Paar auf der einen, ich als ihr Liebhaber auf der anderen. Eine klare Grenze.
Durstig griff ich nach der Cola und trank einen Schluck. »Danke. Das war eine gute Idee, ich musste ein wenig rennen, die Bahn hatte Verspätung.«
»Du hättest dich nicht extra abhetzen müssen«, erklärte Roger. »Wir haben doch auch gesehen, dass es im Moment ein paar Verzögerungen gibt.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich wollte euch aber schnell wiedersehen.«
Toby strich über meinen Unterarm. »Wir dich auch. Danke, dass du dich nochmal mit uns triffst.«
»Das sollte ich doch eher sagen, oder nicht?« Forschend sah ich ihnen in die Augen. Ich hoffte, darin zu erkennen, was sie sich von dem Treffen erwarteten, fand jedoch nichts. »Immerhin hab ich euch verletzt. Das tut mir leid.«
»Ist schon in Ordnung. Ich denke, wir, beziehungsweise ich, haben jetzt verstanden, warum du so gehandelt hast.« Roger versuchte sich an einem Lächeln.
Verwundert richtete ich meinen Blick komplett auf ihn. »Wie kommt’s?«
»Dein kleiner Freund hat mir letztens ziemlich den Kopf gewaschen und ich hab mir das durchaus zu Herzen genommen. Er hatte recht, ich kann nicht nachempfinden, wie du dich fühlst. Darum habe ich mit Mat geredet. Ich hab gehofft, dass er mir das etwas besser erklären könnte, und ich denke, ich hab es verstanden.«
Nachdenklich nickte ich. Es gefiel mir nicht, dass er ausgerechnet mit Mat darüber sprach, aber andererseits hätte ich wohl damit rechnen müssen. Wen sollte er denn sonst fragen? Entweder Mat oder mich und mit mir hatte er nicht reden können.
»Kannst du es uns trotzdem bei Gelegenheit noch einmal aus deiner Sicht erklären?«, fragte Toby vorsichtig. »Also nicht jetzt oder in den nächsten Tagen, aber irgendwann, wenn du dich dazu bereit fühlst?«
»Ich werd es versuchen.« Mehr konnte ich ihnen nicht versprechen. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich es wirklich erklären konnte. Außerdem wollte ich nicht mehr als nötig über meine Gefühle zu ihnen reden.
»Das reicht fürs erste«, beschloss Roger.
»Ihr seid mir also nicht mehr böse?«
Toby zuckte mit den Schultern. »Wie ich dir schon bei unserem Telefonat gesagt hab: Wir sind nicht böse, sondern enttäuscht. Nicht von dir, sondern von der Situation. Wir hätten es uns beide gewünscht. Dass du uns nicht genug vertrauen kannst, tut halt schon sehr weh.«
Ich schüttelte den Kopf. »Es liegt nicht daran, ob ich euch vertraue oder nicht. Ich bin einfach nicht bereit, eine Beziehung zu führen. Ich würde euch nur immer wieder verletzen, indem ich die Regeln breche.«
»Wir können doch gemeinsam nach Regeln suchen, mit denen wir alle leben können und bei denen ...«
»Nein«, unterbrach ich Roger und schüttelte vehement den Kopf. »Ich bin nicht hier, um darüber zu diskutieren, ob wir doch eine Beziehung führen. An meiner Entscheidung wird sich nichts ändern.«
Enttäuschung legte sich auf Rogers Miene und Toby zog ihn in seine Arme, um ihn ein zu streicheln und zu küssen. Dabei erklärte er ihm ruhig, dass sie darüber geredet hätten und Roger mir Zeit lassen solle.
Ich nahm das zum Anlass, etwas klarzustellen: »Ich hab euch beide wirklich gern, aber ich denke nicht, dass das funktioniert. Sobald ihr mir zu nahe kommt, werde ich euch zurückstoßen, dagegen kann ich nichts tun. Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir dorthin zurückkehren könnten, wo wir anfangen haben, als Freunde und als Liebhaber, aber mehr möchte ich nicht. Aber auch nur, wenn es für euch auch wirklich in Ordnung ist.«
Roger richtete sich wieder auf und sah mich forschend an. »Du möchtest also wieder ganz an den Anfang?«
»Jain«, gab ich zu. Ich atmete tief durch, sortierte meine Gedanken. Ich hatte die letzten Tage dazu genutzt, mir klarzumachen, was ich von ihnen erwartete und wie viel ich bereit war zu geben. Wenn ihnen meine Bedingungen nicht zusagten, konnten wir darüber reden, aber ich würde nicht weit davon abrücken. »Aber ich möchte eine klare Grenze. Ich bin gerne als Freund für euch da, mag mit euch weggehen oder einfach nur ein Spiel im Fernsehen anschauen. Aber das alles wirklich nur auf freundschaftlicher Basis.«
Toby schien ein wenig überrascht. »Du möchtest also nur noch mit uns befreundet sein?«
Schnell schüttelte ich den Kopf. »Nein, ich möchte nur, dass klar ist, dass das nichts mit meinen Gefühlen für euch zu tun hat. Ich will eine Freundschaft, wenn es für euch beide in Ordnung ist, dann auch zu euch beiden. Aber ich will, dass das klar von meiner Rolle als euer Liebhaber abgegrenzt ist.«
»Wie willst du das erreichen?«, fragte Roger mit hochgezogener Augenbraue.
»Ich will keine Sonderbehandlung mehr! Ich bin euer Liebhaber, genau wie jeder andere. Ich werde nicht mehr bei euch im Bett schlafen, ich will keinen Sex in eurer Wohnung und ich will auch nicht bei Pärchenabenden dabei sein.«
Es war beiden deutlich anzusehen, dass sie diese klare Ansage erst einmal verdauen mussten. Das war vollkommen in Ordnung. Ich hatte Zeit gehabt, mir darüber Gedanken zu machen und auszuloten, was mir möglich war. Für sie war das eine vollkommen neue Situation.
Toby musterte ich lange. »Haben wir da auch noch etwas mitzureden?«
Ich nickte. »Ja. Ich möchte nur, dass klar ist, in welche Richtung das geht.«
»Wer bist du und was hast du mit unserem Kleinen gemacht?«, fragte Roger argwöhnisch.
»Ich hab nur in den letzten Wochen festgestellt, dass ich damit deutlich besser klarkomme.« Weiter würde ich das nicht ausführen. Ich wusste, dass ihm das nicht gefallen würde.
Nachdem Steve am nächsten Morgen gegangen war, hatte ich noch einmal über die Nacht nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass Samsa das alles deutlich besser in den Griff bekommen würde; auch die Situation mit Toby und Roger. Aber dafür brauchte ich die klare Trennung. Die andere Möglichkeit wäre, nur mit ihnen befreundet zu sein oder nur ihr Lover. Das war aber nur der Notfallplan, wenn sie das andere nicht wollten.
»Was ist passiert?«, fragte Toby nach.
»Liegt es an diesem Giftzwerg, mit dem du im Rainbow warst?«, mutmaßte Roger.
Ich nickte und konnte nicht verhindern, mir doch etwas verlegen auf die Lippe zu beißen. »Ich hab mit ihm geschlafen.«
Beide machten große Augen, musterten mich einen Moment, doch die Anspannung löste sich schnell, als Toby über den Tisch griff und mir durch die Haare wuschelte. »Du meinst so richtig? Ohne Alkohol?«
»Ein wenig hatten wir schon getrunken, aber wir waren bei Weitem nicht betrunken.« Ein Lächeln schlich sich in mein Gesicht. Verdammt, ja, ich war stolz auf mich! Es war vielleicht nicht das, was sie beide sich für mich erhofft hatten, aber es war das, was ich wollte.
Sie lächelten beide. Roger ein wenig verhaltener als Toby. »Wow, Glückwunsch. Das ist toll.«
»Und er war nicht der einzige«, erklärte ich weiter. Ich hatte mein Versprechen wahr gemacht und hatte mir ein paar Tage später wirklich meine Befriedigung bei einem anderen geholt.
»Das ... ging schnell«, murmelte Roger. Ich hatte das Gefühl, dass es ihm nur mäßig gefiel.
Ich nickte, ließ mich dadurch nicht irritieren. Es war mein Leben. Ich wollte wieder der alte werden und wenn mir das nur ohne sie und mit Samsas Hilfe gelang, dann war das eben so. Das versuchte ich ihnen auch klarzumachen. »Ich glaube, dass ich mich einfach zu sehr auf euch verlassen habe. Ich mag euch nicht weniger, als noch vor ein paar Wochen, aber ich möchte selbstständiger sein und nicht von euch abhängig. Ihr habt viel für mich getan, aber ich denke, ich hab mich auch eingeengt gefühlt.«
Toby strich mir über den Arm. »Das ist vollkommen in Ordnung, wenn du das ab jetzt allein hinbekommen willst. Aber ich verstehe nicht, warum wir deshalb etwas an dem ändern müssen, was wir bisher hatten.«
»Weil ich sonst wieder in das Muster zurückfalle. Ich hätte immer Angst, etwas zu tun, was euch nicht gefällt und würde gleichzeitig dagegen ankämpfen, zu abhängig zu werden. Das tut mir nicht gut. Aber ich möchte auch weder die Freundschaft zu euch aufgeben, noch den Sex mit euch. Ich mag beides, aber wenn das nicht geht, dann müssen wir uns für eines entscheiden.«
Erneut taten sie nichts weiter, als mich anzusehen. Es musste für sie wirklich merkwürdig sein, dass ich auf einmal die Ansagen machte. Mir kam es ja selbst etwas komisch vor. Aber wenn ich jetzt nicht Klartext sprach, wann dann?
»Wenn ihr ein paar Minuten braucht, um darüber nachzudenken, dann sagt es ruhig, dann geh ich mir was zu trinken besorgen und komm gleich wieder«, bot ich an.
Roger starrte mehr oder weniger ins Leere und nickte langsam. Besonders ihn schien das zu treffen.
Ich verstand das schon. Obwohl er selten zeigte, was hinter seiner Fassade lag, hatte ihn meine Abfuhr stärker getroffen als Toby, und nun verdrängte ich ihn auch noch von seinem Platz als derjenige, der von uns dreien das Sagen hatte. Ich suchte seinen Blick, lächelte leicht und legte den Kopf etwas schief, während ich über seinen Arm strich. Hoffentlich verstand er, dass er später gern wieder seinen angestammten Platz einnehmen durfte.
Danach stand ich auf und ging zur Theke. Von dort aus beobachtete ich sie. Sie schienen eine Weile zu diskutieren, zumindest wandten sie sich einander zu und gestikulierten. Nicht aufgeregt, aber dennoch war ihnen anzusehen, dass sie dabei sehr emotional waren. Immer wieder hielten sie inne, sammelten sich und ihre Gedanken, bevor sie weitersprachen.
Irgendwann machten sie eine längere Pause, bevor sie sich gegenseitig über die Wange streichelten und dann in den Arm nahmen und küssten. Gut, sie waren scheinbar zu einer gemeinsamen Entscheidung gekommen. Ich hatte das gehofft, war mir aber nicht sicher gewesen. Wenn sie nicht zusammen einen Entschluss gefasst hätten, wäre ich rausgewesen. Ich wollte sie nur als Paar, in jeder Hinsicht. Ansonsten wäre ich nur ein Störfaktor.
Als Toby aufsah, kurz lächelte und mich dann heranwinkte, ging ich wieder zu ihnen zurück. Nachdem ich mich gesetzt hatte, strich ich beiden über den Arm. »Ist alles gut?«
Sie nickten synchron. »Ja. Danke, dass du so direkt warst.«
»Ich will nur nicht, dass wir uns wieder in irgendwas verrennen.« Ich versuchte mich an einem selbstsicheren Lächeln, doch eigentlich war ich viel zu neugierig. »Wie habt ihr euch entschieden?«
Roger lachte und strich mir dann zärtlich über die Wange. »Da ist er wieder, unser Kleiner.«
Ich schüttelte grinsend den Kopf. Vielleicht etwas. Immerhin verhandelte ich für Samsa und Isaac. Sowohl als Freund als auch als Lover.
»Wir wollen es zumindest versuchen. Aber nur, wenn wir regelmäßig darüber reden, ob das noch für uns alle so in Ordnung ist oder ob wir etwas ändern wollen«, sagte Toby ernst. »Wenn es dir hilft, gerne auch getrennt. Also als Freund und als Liebhaber.«
Ich nickte. Ich glaubte zwar nicht, dass das unbedingt nötig wäre, aber das zeigte zumindest, dass sie die Trennung akzeptierten.
»Aber ein paar Wünsche hätten wir«, begann Roger und wartete darauf, dass ich ihm ein Zeichen gab, dass er fortfahren sollte. »Zum einen ist es uns überlassen, ob wir dich zu einem Pärchenabend einladen. Du willst unser gemeinsamer Freund beziehungsweise Lover sein? Dann bist du auch dabei richtig. Immerhin können wir den verbringen, wie wir möchten. Also auch mit Freunden oder einer Affäre, die wir uns teilen.«
Ich zögerte, nickte dann aber. Gut, meinetwegen. Immerhin hatten sie recht: Früher hatten wir das auch schon gemacht. »Gut, aber ich will vorher wissen, als was ich kommen soll.«
Unisono nickten sie, dann ergriff Toby das Wort. »Und wir wollen wenigstens eine Sonderregel: Wir dürfen dich beide küssen.«
Ich schmunzelte und nickte. Das hatte ich schon erwartet, empfand das aber auch nicht als Sonderregel. Es war einfach eine Erleichterung, wenn wir zu dritt waren. »Aber ansonsten will ich genauso sein, wie jede andere Affäre. Das macht es sicher für euch auch einfacher, nicht zu sehr mit Gefühlen ranzugehen.«
»Und du bist dir im Klaren darüber, was das heißt, wenn wir dich genauso behandeln wie die anderen?« Roger sah mir ernst in die Augen. »Immerhin hattest du immer einen Sonderstatus.«
Leicht verunsichert nickte ich. »Sex nur außerhalb eurer Wohnung und ihr behaltet die Kontrolle.«
»Das heißt auch, dass Tobys Arsch mir gehört, solange vorher nichts anderes abgemacht wurde«, merkte Roger mit ernster Miene an.
Ich schluckte und nickte. Das wäre wohl auch für mich mit der schwierigste Teil, immerhin hatten wir uns immer abgewechselt, auch wenn ich meistens eher die devotere Rolle eingenommen hatte.
»Keine Sorge, das ist deshalb nicht ganz vom Tisch. Das hilft nur, die Grenzen zu wahren«, beruhigte mich Toby und strich mir über den Arm. Dann schmunzelte er seinen Freund an. »Roger ist da sehr gönnerhaft, solange klar ist, dass noch immer ich die dominante Position habe.«
»Ist in Ordnung, damit kann ich leben«, erklärte ich. Es war eben genau das, was ich erwartet hatte. Immerhin brauchte ich auch einen Ort, an dem ich den devoten Teil von mir ausleben konnte.
Denn das wollte ich keinem anderen zeigen. Vielleicht war es falsch, ihnen dieses Recht zu reservieren, vielleicht verrannte ich mich dadurch und sabotierte mich selbst, aber ich hatte das Gefühl, das nur mit ihnen teilen zu wollen. Wenn ich mich bei jemandem fallen lassen wollte, dann bei ihnen. Sie kannten mich und ich vertraute ihnen. Daher wollte ich auch an einer anderen Stelle sichergehen: »Aber ich darf mit euch kuscheln, oder? Also nach dem Sex?«
Kurz sahen sie einander an, dann begannen sie zu lachen. Toby grinste, strubbelte mir durch die Haare und zog mich dann zu einem Kuss etwas über den Tisch hinweg zu sich. »Natürlich. Du weißt doch, ich kuschel gern.«
Ich lächelte verlegen und sah dann zu Roger. Toby hatte nur von sich geredet.
Sein Freund schien noch mit sich zu ringen, blickte ein paar Mal hin und her, dann zu Toby. Dieser nickte ganz leicht. Erst dann sah Roger wieder mich an und nickte. »Ja, ich denke, das ist in Ordnung.«
Misstrauisch beobachtete ich die beiden. Dieser Austausch zwischen ihnen gefiel mir nicht. »Keine Sonderregeln!«
»Dann wirst du dich entscheiden müssen«, stellte Toby entschieden fest. »Entweder du willst mit Roger kuscheln oder keine Sonderregeln.«
»Du darfst nicht kuscheln?!« Das klang für mich ziemlich unfair.
Doch er schüttelte den Kopf. »Ich will nicht. Ich möchte nur mit Leuten kuscheln, die ich wirklich mag.«
»Warum wäre es dann eine Sonderregel? Also ich meine, das klingt nicht so, als wäre es eine Regel, dass du nicht kuscheln darfst.«
»Nicht ganz«, erklärte Toby und zog seinen Freund an sich. »Wenn Roger mit niemandem kuschelt, ist das etwas, was mir vorbehalten ist. Dasselbe gilt dafür, mich von niemand anderem dominieren zu lassen.«
Verblüfft nickte ich. Wow, das war ehrlich! So ehrlich hatten wir vermutlich noch nie miteinander gesprochen. Bisher hatte ich aber auch nie ihre Motive hinterfragt, sondern ihre Regeln einfach hingenommen. Es wurde wirklich Zeit, dass ich selbst in der ganzen Sache aktiver wurde.
»Das gilt natürlich nicht für Aftercare. Aber ich denke, das ist dir klar, oder?«, schob Roger noch hinterher. Nicht so ganz und das schien er in meinem Blick zu lesen. »Streicheln, beruhigen, mal in den Arm nehmen, küssen, das ist alles in Ordnung, vor allem zum Runterkommen nach dem Sex. Aber eben kein langes Kuscheln oder zusammen einschlafen.«
»Ist in Ordnung, damit kann ich leben.« Das war beruhigend zu wissen. Immerhin hatte ich durchaus vor, gerade mit Roger noch ein wenig meine Grenzen auszuloten. Zu wissen, dass er mich danach in den Arm nehmen durfte, wenn ich das brauchte, war wichtig.
Doch gleichzeitig führte es zu einem weiteren essentiellen Punkt. Einer, der vielleicht noch entscheidender war, als die Sache mit den Regeln als ihre Affäre. Denn das war ich immer gewesen. Ihr Freund war ich nur auf dieser Basis geworden. Daher war ich nicht sicher, ob unsere Vorstellungen, was Freundschaft für uns hieß, nicht zu sehr auseinandergingen. »Wie steht ihr zum Kuscheln als Freunde?«
»Ist in Ordnung«, antwortete Roger sofort, ohne auch nur einen Moment darüber nachzudenken. Leider konnte ich aus seiner Miene nicht herauslesen, ob das nur für mich galt oder eine generelle Aussage war.
Toby dagegen ließ sich Zeit. »Ich habe nichts dagegen, weiter mit dir zu kuscheln und das von Sex zu trennen, aber ich weiß nicht, ob das nicht auf die Dauer wieder an denselben Punkt führt, an dem wir jetzt sind.«
Es war zwar schade, aber ich verstand ihn. Auch ich hatte Angst, dass die Gefühle sich dadurch vielleicht wieder intensivierten. Dennoch wollte ich nicht ganz aufgeben. Ein paar Körperlichkeiten wollte ich mir mit ihnen erhalten, wenn es ging. Immerhin hatten wir uns bisher alle damit wohlgefühlt. »Was wäre denn noch in Ordnung?«
Toby überlegte, dann scheuchte er Roger hoch und winkte mich zu sich. »Komm mal her.«
Ich tauschte meinen Platz mit Roger und ging zu seinem Freund. Dieser zog mich auf seinen Schoß, sodass ich seitlich saß. Etwas unwohl rutschte ich hin und her. Das war nah, sehr nah und fühlte sich kaum noch freundschaftlich an. Da er mich nicht festhielt, stand ich wieder auf.
»Setz dich.« Toby deutete auf den Platz, an dem Roger vorher gesessen hatte, und ich kam der Aufforderung nach. »Das war nicht schön, oder? Du würdest auch nicht wollen, dass ich dir unters T-Shirt fasse, oder?«
Ich nickte auf beide Fragen. Worauf wollte er hinaus?
»Ich denke, dann lassen sich die Grenzen sehr einfach abstecken: kein sexuelles Kuscheln. Keine Berührungen unterhalb der Kleidung, wir sind vollständig angezogen und Küsse sind dabei tabu. Und du kannst nicht erwarten, dass wir unsere Gefühle direkt ablegen, das geht nicht. Wenn es zu weit geht, wird gestoppt.«
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass auch Roger mit einem Nicken einwilligte. Das klang nach vollkommen akzeptablen Bedingungen. Doch Roger setzte noch einen drauf: »Wenn es jemanden erregt?«
Beide sahen mich an und warteten auf eine Entscheidung. Es störte mich ein wenig, aber ich konnte es verstehen. Ich wollte die Trennung, nicht sie. Sie akzeptierten sie nur aus diesem einen Grund. »Ist okay, solange man die Erregung bei sich behält, bis ich gegangen bin?«
Einvernehmlich nickten sie. Gut, denn ich konnte selbst nicht garantieren, nicht erregt zu werden. Es gab nun einmal eine sexuelle Anziehung zwischen uns und die würde nicht einfach verschwinden. Die andere Alternative wäre quasi kein Körperkontakt gewesen und das fand ich blöd. Mit meinen Freunden wollte ich ausgelassen rumalbern können und mir über so etwas keine Gedanken machen müssen.
Toby sah erst mich, dann seinen Freund, dann wieder mich an, bevor er ernst fragte: »Ist das für alle in Ordnung?«
»Ja.« Roger nickte und sah mich dann genauso an.
Ich sah jedem von beiden in die Augen. »Ja, wenn das für euch beide in Ordnung geht.«
»Gut, dann versuchen wir es«, beschloss Toby und reichte mir die Hand. Ich schlug erst bei ihm, dann bei Roger ein. Mir fiel damit ein großer Stein vom Herzen. Das waren klare Regeln, bei denen alle wussten, was von ihnen erwartet wurde.
»Und jetzt, wo wir das geklärt haben: Wo hattest du den Giftzwerg her?«, wollte Roger im Plauderton wissen.
Ausgelassen lachte ich. Das war so typisch. Auch wenn er sicher noch eine Weile brauchen würde, bis er darüber hinweg war, machte er einfach auf seine unvergleichliche Art weiter. Wenn wir es alle so hielten, verloren wir zwar vielleicht nicht die Gefühle für einander, aber wir würden sie in eine Richtung lenken können, mit der wir alle leben konnten.
»Ganz unten angekommen
Bist du in dich gegangen
Hast dich abgefangen
Um neu anzufangen
Schöpfst nun neue Kraft
Und hast dich aufgerafft
Die Zweifel abgeschafft
Und nun hast du es geschafft«
X-Fusion – Exspes