Wir flachsten eine Weile herum, bis sich zwei andere Männer in unserem Alter an den Tisch verirrten. Sie lächelten uns an und fragten, ob sie sich zu uns setzen könnten. Eher unmotiviert zuckte ich mit den Schultern. Es war nur zu offensichtlich, dass der Kerl, der sich neben Mijo setzte, an diesem interessiert war. Sein Freund war vermutlich nur mitgekommen, um mich abzulenken. Lance und ich hatten diese Taktik auch schon mehrfach angewendet, wenn einer von uns eine Frau anmachen wollte, die mit ihrer Freundin da war.
Der etwas Größere der beiden setzte sich mit einem Zwinkern neben mich. Mit hochgezogener Augenbraue zeigte er auf mein Getränk. »Was trinkst du da?«
»Orangensaft, sieht man doch«, gab ich wenig begeistert zurück. Ich hatte jetzt nicht unbedingt etwas dagegen, mit ihm zu reden, immerhin würde mir sonst schnell langweilig werden, während sein Kumpel Mijo angrub, aber auf so ein niedriges Niveau wollte ich mich dann doch nicht begeben.
Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht, dann griff er einfach nach meinem Glas und trank einen großen Schluck daraus. Mit Genugtuung stellte ich fest, wie er erst die Miene verzog und dann hustete. Tja, so dreist zu sein war eben doch nicht immer gut. Er stellte das Glas wieder vor mir ab. »Ganz schön stark für einen Orangensaft. Darf so ein kleines Kerlchen wie du sowas überhaupt trinken?«
»Ganz offensichtlich.« Missmutig hob ich den Arm mit dem Bändchen, das mich als volljährig auswies. Aggressiver Gesprächseinstieg schön und gut, damit lenkte er mich sicher auch für eine Weile ab, aber länger würde ich mir das nicht bieten lassen. »Was bist du? Ein Bulle?«
»Wenn ich nicht gerade privat mit süßen Kerlen flirte, bin ich das tatsächlich«, erklärte er lachend. Überrascht zog ich eine Augenbraue hoch. »Tut mir leid, ich kann das wohl nicht ganz ablegen. Ich hab schon zu viele Jungspunde gesehen, die nur ein wenig älter aussahen, als sie es wirklich sind. Ich wollte dich damit nicht beleidigen, ich war mir nur nicht sicher. Lässt du es mich wiedergutmachen, indem ich dir einen neuen Drink hole?«
Ich ließ mir Zeit, bevor ich nickte, sollte er ruhig kurz schmoren. Tatsächlich wirkte er erleichtert, als ich reagierte. Als würde ich mir einen Gratisdrink entgehen lassen. Dennoch, bei seiner Reaktion ließ sich sicher mehr herausschlagen. »Vielleicht, wenn du was Gescheites mitbringst.«
»Ist gut, lass dich überraschen.« Er zwinkerte mir zu, dann erkundigte er sich bei seinem Kumpel, ob er ihm und Mijo etwas mitbringen könnte.
Während mein Gesprächspartner sich auf den Weg zur Bar machte, wanderte mein Blick kurz hinüber zu Mijo. Na, da hatte der andere Kerl aber Glück. Auch wenn Mijo durchaus noch etwas schüchtern wirkte, ich war mir sicher, dass er insgeheim schon angebissen hatte. Er hing dem Typen, der gerade irgendwas erzählte, regelrecht an den Lippen.
Mit einem Schmunzeln wandte ich mich ab, spannen wollte ich sicher nicht. Außerdem musste ich den anderen im Blick behalten. Ich wollte keine bösen Überraschungen mit meinem Drink erleben. Er konnte ja viel erzählen, von wegen er sei Polizist, und damit Vertrauen schaffen. Darauf würde ich mich nicht einlassen. Und für Mijo war es sicher auch besser, wenn wenigstens einer von uns einen klaren Kopf behielt.
Zum Glück war die Bar recht nah, sodass ich gut sehen konnte, wie der Typ bestellte und kurze Zeit später die Getränke entgegennahm. Weder dabei noch auf dem Weg zu uns konnte ich irgendwelche ungewöhnlichen Bewegungen ausmachen. Wenn er also nicht etwas ganz Perfides abzog, sollte es sicher sein, das zu trinken.
Skeptisch nahm ich das rosa Getränk entgegen, welches er mir reichte, die anderen stellte er auf den Tisch ab, da unsere Tischnachbarn ihn ignorierten. Auch wenn der Drink wohl ein Scherz war, bedankte ich mich.
»Probier lieber erst, bevor du dich bedankst. Ich bin mir nicht sicher, ob ich deinen Geschmack getroffen hab oder ob es nicht doch zu süß ist«, erwiderte er mit einem Grinsen und hob dann sein Glas und prostete mir zu. Immerhin war sein Getränk mindestens genauso bunt wie meines, auch wenn Grün nicht ganz so abgedreht wirkte.
Ich prostete zurück und nahm dann einen vorsichtigen Schluck mit dem Strohhalm. Ganz so schlecht wie erwartet war es nicht. Dennoch konnte ich nicht herausschmecken, was drin war. Auf jeden Fall Wodka und etwas Erdbeeriges. Insofern war er gar nicht so weit ab von meinem Lieblingsgetränk. Dennoch war auch noch etwas anderes darin, was ich nicht zuordnen konnte. Irgendwie süß und gleichzeitig doch leicht herb.
»Also nochmal sorry, dass ich so forsch war. Ich kann das nicht so wirklich ablegen«, entschuldigte er sich mit einem schiefen Grinsen.
»Schon gut, vergessen wir das einfach. Passiert mir häufiger, dass sich die Leute nicht so ganz sicher sind mit meinem Alter. Dabei darf ich schon ein paar Jährchen trinken.«
»Wie alt bist du denn? Tut mir leid, aber ich hätte dich wirklich erst für zwanzig oder so gehalten.«
Ich grinste ihn an. »Nein, sorry, das sind vier Jahre daneben.«
»Oh, dann bist du ja doch nicht so viel jünger als ich. Du hast also das College schon hinter dir?« Ich nickte einmal. »An welchem warst du denn?«
Wir hielten eine ganze Weile Smalltalk, wobei er genau wie ich privaten Themen aus dem Weg zu gehen schien. Das störte mich jedoch nicht. Ich war immerhin nicht auf der Suche nach einem Partner. Und selbst dann hätte ich nicht erwartet, dass man sich gleich beim ersten Gespräch seine Lebensgeschichte erzählte.
»Hey ihr beiden«, begrüßte Toby Roger und mich, als wir in die Wohnung kamen. Genauso herzlich wie zuvor sein Freund drückte er mich an sich und küsste mich.
Ich hielt ihn einen Moment länger als nötig fest und schmiegte mich an ihn. Eigentlich hätte ich schon gestern Abend wieder zu ihnen gekonnt, das wäre jedoch Unsinn gewesen, da ich heute noch an der Schule hatte arbeiten müssen, da hätte sich das Hin und Her kaum gelohnt. Dennoch hatte ich mich wahnsinnig gefreut, als Roger überraschend an der Bahn auf mich gewartet hatte.
Leider ließ mich Toby dann doch irgendwann los und wandte sich an seinen Freund: »Ich glaub, ich hab so weit alles fertig. Magst du noch mal schauen, ob wirklich alles da ist?«
Roger nickte kurz. »Klar. Setzt euch schon mal hin.«
Gemeinsam setzten wir uns an den Küchentisch und warteten, bis Roger mit dem Essen rüberkam. Kaum saß er, konnte ich meine Neugierde nicht mehr zügeln: »Und wie war es auf Vineyard? Was habt ihr angestellt?«
Begeistert erzählten sie mir von ihren Radtouren über die Insel, die Bootsfahrt nach Cap Cod, bei der sie obendrein einen weißen Hai gesehen hatten, und die Stunden am wunderschön zerklüfteten Strand. Nach dem Essen holte Toby sogar den Laptop und gemeinsam zeigten sie mir die Bilder, die sie am Wochenende geschossen hatten. Es war mehr als deutlich zu sehen, wie viel Spaß sie hatten. Daher bereute ich auch nicht im Geringsten, nicht mitgefahren zu sein. Zumal ich, wenn ich mir die Fotos so ansah, wirklich nicht dorthin gepasst hätte. Die wenigen Bilder, auf denen sie beide zu sehen waren, zeigten ein glückliches Paar bei ihrem gemeinsamen Urlaub. Ich hätte dort lediglich als Klotz am Bein gedient.
Nachdem wir mit den Bildern durch waren, klappte Toby den Laptop zu und verstaute ihn unter dem Wohnzimmertisch, während Roger und ich den Tisch abdeckten und ein wenig Ordnung schafften. Nachdem ich mich am Donnerstag vor ihrer Abreise mit ihnen gestritten hatte, weil ich ihnen zu schlampig war, wollte ich mich bemühen, ihnen etwas mehr zu helfen. Ich hatte keine Lust, mir erneut von Toby an den Kopf werfen zu lassen, dass Peter das sicher nicht hätte durchgehen lassen. Natürlich hatte er sich danach bei mir entschuldigt, weil er sich eindeutig im Ton vergriffen hatte, dennoch hatte es wehgetan und sich bei mir eingebrannt. Denn Toby hatte damit recht: Peter hätte niemals zugelassen, dass ich so unordentlich gewesen wäre. Er liebte die Ordnung seiner Wohnung.
Als Roger und ich fertig waren, hatte Toby die Couch ausgeklappt und sich das Oberteil ausgezogen. Mit einem sanften Lächeln lag er dort.
In meinem Rücken merkte ich eine Bewegung, dann landete ein weiteres Shirt neben Tobys, und einen Moment später lagen zwei Hände auf meinen Hüften. Roger drückte sich von hinten an mich und schob die Finger langsam unter mein Shirt. Rau flüsterte er an mein Ohr: »Legst du dich mit zu uns?«
Statt mich mit Worten aufzuhalten, streckte ich die Arme in die Luft und ließ mir mein Shirt über den Kopf ziehen. Kaum war es neben den anderen gelandet, senkte Roger seine Lippen auf meine Halsbeuge und dirigierte mich zur Couch. Dort empfing mich Toby mit ausgestreckten Armen und zog mich zu einem langen Kuss an sich. Roger kam dazu und legte sich hinter Toby.
Eine ganze Weile lagen wir aneinandergekuschelt auf der Couch und streichelten und küssten uns. Dabei wanderten die Hände nie unter die Gürtellinie und die Küsse waren eher zärtlich als verlangend, mit langen Pausen, in denen wir einfach nur den Blick über die halbnackten Körper der anderen wandern ließen. Auch wenn es völlig unmöglich war: Hätten sie mir in dieser Zeit gesagt, dass sie mich genauso vermisst hatten wie ich sie, ich hätte es ihnen ohne zu zögern geglaubt.
Irgendwann ließen wir voneinander ab und mit einem leichten Lächeln legte Toby seinen Kopf auf meine Brust, während Roger seinen auf Tobys Schulter platzierte. Beide streichelten mir über den Bauch, wo sich eine Gänsehaut bildete.
»Was hast du eigentlich das Wochenende getrieben?«, fragte Toby nach einem Moment des einvernehmlichen Schweigens.
»Ich hab die Sachen aufgenommen, die ich vorher hier erarbeitet hab. Ist wirklich einiges zusammengekommen. Samstag war ich dann mit Mijo im Rainbow.«
»Wie, du gehst ohne uns ins Rainbow?«, empörte sich Roger scherzhaft.
»Na ja, wir wollten ins Angel’s, aber das hatte wegen Personalmangel geschlossen. Das Rainbow war der nächste Club, der mir eingefallen ist. Wir hatten keine Lust, durch die halbe Stadt zu fahren.«
»Ist doch schön, wenn du wieder allein dorthin kannst.« Toby lächelte mich an. »Ich hoffe, ihr hattet Spaß?«
»Ich wette, ihr habt den Männern dort so richtig den Kopf verdreht.« Verschwörerisch grinste Roger.
»Ja, ich hätte überhaupt nicht damit gerechnet, aber Mijo ist tatsächlich mit einem in den Darkroom. Zuerst hab ich das gar nicht wirklich glauben können, aber soweit ich gehört hab, hatte er wirklich Spaß.« Noch immer konnte ich es nicht ganz glauben, aber Mijo war echt mit dem Kerl, der ihn angequatscht hatte, im Gang zu den Toiletten verschwunden und erst nach gut einer halben Stunde wieder aufgetaucht. Selbst wenn sie nicht gegrinst hätten wie Honigkuchenpferde, es war ihnen deutlich anzusehen, was sie getan hatten. Sie waren völlig zerzaust gewesen.
»Und du?« Toby strich mir über die Wange und sah mich ernst an. »Hattest du auch einen schönen Abend? Oder ist dir jemand zu nahe gekommen?«
Sobald er die letzte Frage gestellt hatte, krampfte sich mein Magen zusammen. Ich hatte nicht darüber reden wollen. Doch je länger sie mich so ansahen, desto ernster wurden ihre Mienen. Ich musste ihnen etwas antworten. Aber wollte ich die Wahrheit sagen? Stotternd antwortete ich: »Nein ... Ja ... Ich ... Es war nichts, wirklich nicht.«
Tobys Hand auf meinem Bauch wurde schwerer, während er den Kopf anhob, um mich besser ansehen zu können. Seine Stimme klang deutlich härter als zuvor. »Hast du wieder getrunken?«
»Nein! Nein, ich schwöre, ich hab nicht viel getrunken. Ich war nur angetrunken!«
Roger rutschte etwas von Toby weg, der sich langsam aufrichtete. Für einen Moment blieb mein Herz stehen, nur um dann umso schneller weiter zu schlagen. »Isaac, was ist passiert? Hat dir jemand was getan?«
Eilig schüttelte ich den Kopf und versuchte, meinen Atem unter Kontrolle zu bringen, der versuchte meinem rasenden Herzen zu folgen. Toby, der sich drohend über mir aufgebaut hatte, wuchs vor meinen Augen immer weiter an.
Alles um mich herum schwankte, als Toby erneut mit ernster Stimme fragte: »Isaac, was ist passiert?«
Noch immer starrte ich Toby nur an. Wenn ich jetzt etwas sagte, würde er zupacken! Ich konnte nicht die Wahrheit sagen. Aber wenn ich log, würde er das herausfinden. Er musste ja nur Mijo fragen.
Eine gefühlte Ewigkeit saß Toby über mich gebeugt da, dann griff er nach mir.
Panisch schrie ich auf und schlug nach ihm. Ich würde mir nicht wehtun lassen! Nie wieder! Als ich nach ihm trat, sprang er auf. Sofort nutzte ich die Gelegenheit, um mich aufzurichten. Wenn ich saß, konnte er mich nicht so einfach überwältigen.
Erst da nahm ich auch Roger wieder wahr. Er musste irgendwann ebenfalls aufgestanden sein, denn er stand neben Toby und betrachtete mich mit großen Augen. Als er die Hand nach mir ausstreckte, schrak ich zurück und schlug sie weg. Dabei flog etwas weg, dass ich darin nicht bemerkt hatte.
Raschelnd fiel der Tablettenblister neben mir auf die Couch. In dem kurzen klaren Moment griff ich danach und drückte mir zwei Tabletten heraus, die ich sofort ohne Wasser herunterschluckte. Ich rutschte auf der Couch bis ganz nach hinten an die Wand und schlang meine zitternden Arme um die Knie, die Stirn legte ich darauf. Noch immer hatte ich das Gefühl, mein Herz und meine Lunge würden mir aus der Brust springen. Nur mühsam konnte ich mich darauf konzentrieren, beides wieder unter Kontrolle zu bringen.
Als die Medikamente endlich anschlugen, wurde ich träge. Mittlerweile hatte ich mich zum größten Teil wieder beruhigt, nur meine Hände zitterten leicht. Dafür fühlte sich mein Kopf an wie Matsch. Die Gedanken hatten aufgehört zu kreisen, sie waren da, konnten sich aber keinen Weg mehr durch den zähen Brei bahnen.
Dafür nahm ich nach und nach wieder meine Umgebung wahr. Irgendwo, nicht allzu weit entfernt, hörte ich Toby und Roger reden. Nur langsam hob ich den Kopf, schneller konnte ich mich nicht bewegen. Sie saßen am Rand der Couch und sofort wandten sich ihre Gesichter zu mir.
»Ist wieder besser?«, fragte Toby und streckte vorsichtig die Hand nach mir aus. Matt nickte ich und als ich nicht zurückschreckte, kam er langsam auf mich zu und setzte sich neben mich.
Erschöpft lehnte ich den Kopf gegen seine Schulter. »Tut mir leid.«
»Schon gut.« Er legte den Arm um mich und zog mich fester an sich.
Roger kam ebenfalls zu uns und strich mir zärtlich durch die Haare. »Was ist Samstag passiert?«
Einen Vorteil hatte der zähe Brei in meinem Kopf: Ich konnte mir nichts zusammenspinnen. Natürlich war Toby vorher nicht aggressiv gewesen. Natürlich hatte er mich weder bedroht noch versucht, mich festzuhalten. Er war lediglich besorgt gewesen und hatte die ersten Anzeichen der Panikattacke vor mir bemerkt und wollte mich nur zur Ruhe bringen. Die Idee seines Freundes, meine Notfalltabletten zu holen, war dagegen deutlich effektiver gewesen. Für mich selbst war der letzte schlimme Anfall viel zu lange her, ich hatte die ersten Anzeichen einfach nicht rechtzeitig realisiert. Zumindest das war mir klargeworden, während ich auf die Wirkung der Pillen gewartet hatte.
Darüber, was ich ihnen wegen Samstag erzählen sollte, hatte ich nicht nachgedacht. Es hätte die Gedankenspirale sofort wieder entfacht. Doch nun, da die Tabletten ihre volle Wirkung entfalteten, war es mir egal, wie sie darauf reagierten. Ich wollte nur noch meine Ruhe. »Ich hab mit einem Kerl rumgemacht. Wir haben geknutscht und rumgefummelt.«
Tobys nächste Frage kam nur zögerlich: »Und dann?«
»Haben wir aufgehört. Ich hab gesagt, ich will nicht weitergehen und wir haben aufgehört.«
»Das ist doch gut ...? Oder nicht?«, fragte Roger vorsichtig.
»Ja ... ja, ist es.« Ich schloss die Augen und ließ mich gegen Toby sinken.
Sanft strich seine Hand durch meine Haare. »Und wovor hattest du dann gerade Angst? Oder war das die Erinnerung an die Angst von Samstag?«
Träge schüttelte ich den Kopf. »Ich hatte Samstag keine Angst. Ich wollte mehr. Aber wir wollten doch warten. Wegen Roger. Das ist nicht fair. Ich muss auch warten. Ich hätte fast die Regeln gebrochen.«
Sie schwiegen kurz, dann fragte Toby: »Das beantwortet nicht die Frage, wovor du gerade Angst hattest.«
Langsam öffnete ich die Augen und sah ihn an. Das beantwortete die Frage doch ziemlich genau. »Weil ihr wütend seid. Ich wollte mich nicht an die Regeln halten.«
Toby seufzte tief. »Niemand ist wütend auf dich.«
»Wirklich nicht?«
»Nein, wirklich nicht«, antwortete Roger. »Wir sind sogar froh, wenn du dich anderen Männern wieder nähern kannst.«
»Auch wenn ich mit ihnen schlafen würde?«
»Auch wenn du mit ihnen schlafen würdest. Wir sind nur nicht begeistert, wenn du dich dafür besäufst. Aber auch das ist deine Entscheidung. Oder haben wir deswegen irgendwann mal böse reagiert?« Leicht schüttelte ich den Kopf. »Das wird sich auch nicht ändern, vertrau uns. Warum sollten wir von dir mehr verlangen als voneinander?«
Ich zuckte mit den Schultern. Vielleicht, weil ein kleiner Teil meines Kopfes sich einbildete, dass sie zumindest das Gleiche von mir erwarten sollten? Ein Wunsch, der nie in Erfüllung gehen würde oder sollte. Das war nicht möglich. Weder für sie noch für mich. Doch hätten sie dasselbe von mir erwartet, hätten sie nicht gewollt, dass ich mich anderen Männern an den Hals schmiss.
»Wenn du Lust hast, mit einem anderen rumzumachen, dann tu das. Wir werden dich weder davon abhalten, noch dir deswegen Vorwürfe machen.« Roger strich über meinen Arm und lächelte mich an.
Etwas enttäuscht nickte ich. Vielleicht hätte ich gern etwas anderes gehört?
Damit sie nichts merkten, schloss ich die Augen und vergrub mein Gesicht an Tobys Brust.
»Soll ich dich ins Bett bringen?«, fragte Toby und schlang schon die Arme um mich. Noch bevor ich genickt hatte, wurde ich von der Couch gehoben.
Im Schlafzimmer setzte er mich sanft auf dem Bett ab und zog mich aus. Im Moment war es mir vollkommen egal, dass es mir peinlich sein sollte. Mein Kopf war Matsch, vermutlich hätte ich eh nichts hinbekommen und mich einfach mit Klamotten ins Bett gelegt.
»Ich bin so einsam
Total allein in meiner Seele
Komm schalt dich ein
Aus weiter Ferne berühr ich dich
Kannst du es fühlen?
Komm sei so kalt wie ich!«
Welle:Erdball – Computersex