In der Nacht musste ich mich herumgedreht haben, denn als ich am Morgen erwachte, lag ich mit dem Rücken an Tobys Brust gedrängt. Auch wenn es im ersten Moment etwas komisch war, blieb ich einfach liegen, schloss die Augen wieder und lauschte seinem ruhigen Atem.
Es dauerte nicht lange, bis ich mich beruhigt hatte und die Nähe genoss. Immerhin hatte ich doch nichts zu befürchten. Das Einzige, was mir Sorgen bereitete, war, dass Roger nicht da war. Hoffentlich war er nicht wirklich böse auf mich.
Nach einer Weile kam langsam Leben in Toby und er zog mich mit einem wohligen Laut fester an sich.
Mein erster Instinkt war, mich schlafend zu stellen, doch dann wurde mir bewusst, wie sinnlos das war. Mich würde niemand davon abhalten, mit ihm zu kuscheln, wenn ich das wollte! Egal, ob ich schlief oder wach war.
Mit einem ähnlichen Laut schmiegte ich mich fester in seine Arme.
Mit einem leichten Schmunzeln in der Stimme fragte Toby: »Hast du noch gut geschlafen?«
Ich nickte und konzentrierte mich auf die Hand, die langsam über meinen Bauch strich. »Ja, danke.«
»Kein Ding. Wenn du magst, kannst du auch öfter hier schlafen.«
Eher unentschlossen murrte ich. Immerhin war da noch immer das Gefühl, dass es Roger nicht recht gewesen war.
Toby ging nicht weiter darauf ein, sondern schob seine Hand vorsichtig unter den Saum des T-Shirts. »Ist das in Ordnung?«
In den letzten Wochen hatte ich immer vermutet, dass ich Angst bekam, sollte er mich so streicheln, doch in Wahrheit fühlte es sich fantastisch an. Noch bevor ich es wirklich realisierte, hatte sich ein leises Seufzen aus meinem Mund gestohlen.
Toby schien für einen Augenblick genauso überrascht davon wie ich, doch dann fasste er sich, lachte leise und streichelte mich weiter.
Wie zur Hölle hatte ich glauben können, dass es sich schlecht anfühlen würde? Es war vielmehr, als hätte ich in den letzten drei Jahren nur darauf gewartet, so angefasst zu werden. Und irgendwo stimmte das auch. Das hier war etwas völlig anderes als bei einer Frau. Nur Männer schafften es, mit dieser Berührung genau die richtige Mischung aus Beschützen, liebevollem Streicheln und Verlangen auszudrücken.
Natürlich hätte man mir vorwerfen können, dass ich selbst schuld sei, wenn ich mich nur auf devote Frauen einließ, doch das war es nicht. Ich hatte es sogar ein paar Mal versucht, mich bewusst mit dominanten Frauen einzulassen. Aber das gab mir nichts. Ich hatte einsehen müssen, dass ich scheinbar nur bei Männern auf beides stand.
Während ich die sanften Berührungen genoss, fragte ich mich, wie ich überhaupt jemals hatte leugnen können, auf Männer zu stehen. Selbst wenn ich es versucht hätte, mir wäre es niemals möglich gewesen, das leise Stöhnen, das sich immer wieder aus meinem Mund stahl, aufzuhalten. So musste ich hoffen, dass Toby sich nicht daran störte.
Doch offensichtlich tat er das nicht. Vielmehr hatte ich den Eindruck, dass es ihm gefiel. Während ich meinen Kopf genießerisch ein wenig weiter in den Nacken legte, wurde der Atem an meinem Hals stärker und Toby drückte sich mit einem wohligen Laut fester an mich.
Sofort kam ich wieder in der Gegenwart an und rutschte von ihm weg. In einer fließenden Bewegung setzte ich mich auf und sah schwer atmend zu ihm herunter.
Verwirrt blinzelnd und mit offenem Mund sah er zu mir auf. Dann räusperte er sich und richtete sich ebenfalls auf. Mit angerauter Stimme erklärte er: »Tut mir leid, ich wollte dich nicht bedrängen.«
Ich nickte leicht. Es war wirklich nichts Schlimmes. Vielmehr hatte mein Kopf mir einen Streich gespielt. Als Toby näher an mich herangerückt war, hatte sich sein steifer Penis unweigerlich an meinen Oberschenkel gedrückt. Und obwohl es mir hätte klar sein müssen, immerhin hatte es mich doch auch erregt, hatte es mich erschrocken. Mir war in diesem Moment klargeworden, dass Tobys Hände mich nicht nur wundervoll streicheln konnten, sondern er nur sein Bein über meine legen und sich auf mich rollen musste, damit ich keine Chance mehr hätte, ihm zu entkommen. Natürlich war mir bewusst, dass er das nie tun würde, dennoch hatte ich diese Ängste nicht im Griff. »Ich weiß. Tut mir leid, ich hab überreagiert.«
Er streckte die Hand nach mir aus und strich mir mit einem Lächeln über die Wange. »Nein, hast du nicht. Es ist in Ordnung, wenn dir das zu viel ist. Du weißt, dass du das jederzeit sagen kannst. Du brauchst dich dafür nicht zu schämen. Vielmehr sollte ich mich schämen, dass ich mich in meinem Alter immer noch nicht unter Kontrolle habe.«
Bei dieser Aussage konnte ich einfach nicht anders, als zu lachen. »Sei doch froh, dass es überhaupt noch funktioniert, alter Mann.«
»Hey, jetzt werd mal nicht frech!« Toby griff nach mir und zog mich zu sich heran, um mich zu kitzeln. »Als hättest du dich besser unter Kontrolle! Du stöhnst doch hier rum.«
Um mir die Verlegenheit nicht anmerken zu lassen, konterte ich: »Na und? Mach ich doch beim Massieren auch.«
Mit einem amüsierten Grinsen sah Toby an mir herunter. Als sich seine Hand von meinem Arm herunter- und auf meine Hüfte zubewegte, erschrak ich. Doch entgegen meiner Befürchtung ließ er sie dort liegen. Dafür deutete er mit dem Finger auf meine Mitte. »Also das hab ich dabei aber noch nicht gesehen.«
»Dann hast du nicht richtig hingeschaut«, sagte ich die Wahrheit und versuchte gleichzeitig, sie hinter meinem Lächeln als Witz zu tarnen.
»Na dann werd ich das nächste Mal genauer hinsehen müssen.«
Oh mein Gott, bloß nicht! Er sollte nicht merken, dass es mich bei jedem Mal mehr anmachte, wenn er mich berührte. Mittlerweile zog es schon in meinen Lenden, wenn ich nur daran dachte, dass er seine Hände gleich auf meine Haut legen würde.
Toby zwinkerte mir zu und schob mich dabei etwas von sich. »Magst du zuerst duschen gehen?«
»Magst du also nicht mitkommen?« Ja, vielleicht war ich gerade etwas übermütig, vielleicht versuchte ich aber auch einfach nur, meine Nervosität und Geilheit zu überspielen. Ich wusste es selbst nicht genau.
Toby beugte sich tiefer zu mir herunter, ließ seine Hand etwas fester über meine Hüfte wandern und raunte mir dann zu: »Glaub mir, das willst du nicht.«
Ich seufzte, nickte und erhob mich dann. Vermutlich hatte er recht. Doch wirklich sicher war ich mir nicht. Der Gedanke, dass es vielleicht gar nicht so schlimm wäre, wenn er sich einfach holte, was er wollte, war mir nicht fremd. Auch wenn ich objektiv wusste, dass es mich zurückwerfen würde, wünschte ich mir dennoch manchmal, er würde mich etwas mehr drängen. Es war die irrationale Hoffnung, dass es mir helfen würde, wirklich zu begreifen, dass nichts Schlimmes dabei war. Das Wissen darum, dass Toby nie etwas tun würde, was ich auf keinen Fall wollte, nährte diese Hoffnung sogar.
Dennoch würde ich ihm nie von diesen Gedanken erzählen. Ich glaubte, ihn gut genug einschätzen zu können, um sagen zu können, dass er es sowieso nicht tun würde. Und das war sicher auch gut so. Vielleicht gab es Leute, denen das wirklich half, wer wusste das schon. Doch mir würde es nur Angst machen. Im schlimmsten Fall verlor ich auch noch das Vertrauen in ihn. Das war ein Risiko, das ich nicht eingehen wollte. Sogar Mister Grant hatte mich davor gewarnt. Obwohl ich ihm nie hatte erzählen können, was passiert war, hatte er mir immer wieder eingebläut, dass eine Turboheilung zwar super klang, jedoch im Regelfall das Gegenteil bewirkte. Es fiel mir nicht schwer, ihm das zu glauben.
Als ich aus der Dusche kam, saß Toby allein am Küchentisch. Ich sah mich kurz um, doch tatsächlich war sein Freund nirgendwo zu sehen. »Wo ist denn Roger?«
»Arbeiten?« Auf Tobys Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. »Kann ja schließlich nicht jeder so faul sein wie wir und mitten in der Woche frei haben. Keine Sorge, Rührei bekomm ich auch noch hin, ohne uns zu vergiften.«
»Mhm ...« Ich nickte und setzte mich.
»Was ist los?« Sofort musterte er mich besorgt.
»Nichts.« Ein Seufzen entwich mir. »Ich hab nur, als du geschrieben hast, ich könnte den ganzen Tag hierbleiben, gedacht, dass ihr beide zu Hause seid.«
»Oh, dann war das wohl missverständlich ausgedrückt, tut mir leid. Ist das denn schlimm, wenn nur ich hier bin?«
»Nein, ich hab mich nur darauf eingestellt, mit euch beiden den Tag zu verbringen. Das ist alles.« Ich lächelte ihn an, was er mir wohl abkaufte. An sich war es auch nicht schlimm. Ich hätte nur vermutlich nicht zugesagt, wenn ich das gewusst hätte. Ich hatte immer mehr das Gefühl, dass Roger mir aus dem Weg ging und mir regelmäßig abschätzende Blicke zuwarf.
Andererseits konnte ich es ihm nicht übelnehmen, besonders nach solchen Aktionen wie in der letzten Nacht. Sie hatten eine extra Wohnung für ihre Affären und dennoch turnte ich die ganze Zeit vor seiner Nase herum und schlief sogar in ihrem Bett. Früher hätte mir das keine Sorgen bereitet, da war mir völlig klar gewesen, dass sie mich eben anders behandelten als ihre anderen Affären, weil nur ich ihre gemeinsame Affäre war. Doch nun? Ich wusste ja nicht einmal, ob ich das noch war. Zum einen hatte ich mit keinem von beidem Sex, zum anderen hatte bisher nur Toby Anstalten gemacht, mir wieder näherzukommen.
»Nun greif schon zu. Das Rührei und der Bacon sind wirklich essbar. So viel bekomme ich dann doch noch hin«, riss Toby mich aus dem meinen Überlegungen.
»War das wirklich in Ordnung, dass ich bei euch geschlafen hab?«, brachte ich meine Sorge zum Ausdruck, während ich mir zumindest Kaffee eingoss. Ich wollte nicht zwischen ihnen stehen.
»Sonst hätte Roger dir das nicht angeboten.«
»Na ja, er hat aber noch fast geschlafen.« Woher sollte ich denn da wissen, dass er das wirklich wollte? Toby hatte ihn immerhin aufgeweckt, um ihn zu fragen.
»Nicht wirklich, er ist vorher schon wachgeworden. Sonst hätte ich ihn nicht so einfach wachbekommen.« Toby lächelte zu mir herüber und nahm sich nun doch als Erster. »Aber glaub mir, ich war auch ein wenig überrascht, dass er es angeboten hat. Eigentlich wollte ich ihm ja nur Bescheid sagen, dass ich zu dir ins Wohnzimmer gehe wegen der Albträume.«
Und Toby kam nicht auf die Idee, dass Roger einfach nur nicht gewollt hatte, dass er und ich allein auf der Couch schliefen?
Obwohl ich mir sicher war, dass das der Grund war, nickte ich. Ich wollte Toby kein schlechtes Gewissen machen, es reichte, dass ich eines hatte.
Eher schweigend frühstückten wir. Erst als Toby mich aufforderte, dass er langsam loswollte, kam wieder Leben in uns. Auch wenn es albern war, hatten wir uns nämlich vorgenommen, schwimmen zu gehen. Albern deshalb, weil wir in Wirklichkeit nur eine Ausrede suchten, den jeweils anderen ungestört begaffen zu können. Im Endeffekt hätten wir uns auch einfach in der Wohnung bis auf die Unterhose ausziehen können.
Zumindest hatte ich das geglaubt, als Toby den Vorschlag gemacht hatte. Letztendlich erwischte ich ihn jedoch erstaunlich selten dabei, seinen Blick über meinen Körper gleiten zu ließ. Dafür begutachtete er, wenn dann, meistens meinen Hintern oder Schritt. Nein, ich hatte keinen Zweifel, dass er am Morgen sehr gern weitergegangen wäre. Doch meine Blicke, die immer wieder seinen ganzen Körper begutachteten, während er sich durch das Wasser bewegte, waren sicher nicht weniger auffällig.
»Scream, Greeneyes, scream
Your smile lost love
Became a grin
Your eyes
Once pure sin
Adorable, godlike, mean
Have now turned from green
To something I’ve never seen
A blue black within
A nightmare
Instead of a dream«
Silence – Scream, Greeneyes