Die Nacht verlief traumlos und daher stand mein Entschluss, nachdem ich aufgewacht war, auch recht schnell fest: Ich wollte nicht aufstehen. Der warme Körper neben mir und die Hand auf meinem Bauch, die mich streichelte, bestätigten mich darin.
Genüsslich drückte ich mich der Hand entgegen. Nein, das war ein anderes Streicheln als am Abend. Dieses hier war etwas fester, fast schon fordernd. Doch Angst machte es mir nicht. Vielleicht war ich noch zu müde dazu, wer wusste das schon. Gerade genoss ich es einfach.
»Guten Morgen«, raunte Toby mir ins Ohr.
Ich war mir nicht sicher, ob die Stimme nur wegen der frühen Stunde so rau klang oder ob auch Erregung darin mitschwang. Doch im Moment war das egal. Ich wollte mir das nicht mit sinnlosen Gedanken kaputt machen. Ich lächelte ihn an und erwiderte den Gruß.
Für einen Moment fixierten mich seine Augen, dann griff er auch mit der zweiten Hand nach dem Saum des Shirts. Die Frage stand ganz deutlich in seinem Gesicht.
Bevor ich mir wieder sinnlos Gedanken machen konnte, nickte ich und richtete mich etwas auf. Was sollte es, er hatte mich doch schon häufig ohne Oberteil gesehen und mein Unterkörper war immerhin von der Decke bedeckt.
Fast schon andächtig zog er das Shirt nach oben und zog es dann über meinen Kopf. Da es nun doch etwas unheimlich wurde, wie er mich musterte, verzog ich mich schnell wieder unter die Decke, was ihn schmunzeln ließ. Doch er ließ sich nicht beirren, zog die Decke ein Stück nach unten, bis ich nur noch ab der Hüfte abwärts bedeckt war, und beugte sich dann über mich, um weiter meinen Oberkörper zu streicheln.
Kurz schluckte ich, dann schloss ich die Augen, um seine Blicke nicht mehr sehen zu können. Zum Glück half es und schon bald hatte ich vergessen, dass er mich beobachtete. Für mich waren nur noch die Berührungen wichtig. Und die waren einmalig gut. Als sein Finger leicht meinen Bauchnabel umkreiste und ganz leicht eintauchte, entrang sich mir ein Stöhnen. Gequält drängte ich mich seiner Hand entgegen.
Am liebsten wäre ich nach oben gerutscht, bis seine Hand auf meiner Erregung gelegen hätte. Er hätte schon gewusst, was sie dort sollte. Das konnte er doch nicht tun! Er konnte mich doch nicht so verrückt machen! Und dennoch ließ ich ihn gewähren und genoss.
Obwohl er sich einfach nur mit seiner Hand meinem Oberkörper widmete, machte es mich an. Vermutlich war es wirklich nur die morgendliche Trägheit. Oder es lag daran, dass er mir so nah war, dass ich die Hitze seines Körpers spüren konnte. Außerdem schwebten seine Lippen so dich über meiner Haut, dass sein leicht unregelmäßiger Atem sie streifte.
Dennoch wagte er nicht einmal den Versuch, sie darauf zu senken. Kein Wunder, bisher hatte ich jeden Versuch seinerseits, mich irgendwie zu küssen, abgewehrt. Egal um welche Körperstelle es sich gehandelt hatte. Doch gerade wünschte ich, er würde es einfach tun.
Als hätte er meine Gedanken lesen können, legten sich plötzlich tatsächlich seine leicht rauen Lippen auf mein Schlüsselbein.
Überrascht und erregt stöhnte ich auf. Scheiße, das war viel zu gut! Automatisch griff ich nach ihm, um ihn näher zu ziehen.
Doch kaum hatte ich ihn berührt, zerbrach der Traum. Als hätte ich mich verbrannt, zog ich die Hände zurück, öffnete die Augen und rutschte ein wenig hoch. Schwer atmend sah ich ihn an. Das war das erste Mal gewesen, dass ich ihn berührt hatte! Toby saß nackt bis auf die Unterhose vor mir und ich hatte nach ihm gegriffen und wollte ihn an mich ziehen. Das ging zu weit!
Er richtete sich etwas auf und sah mir besorgt in die Augen. »Hey Kleiner, ist alles klar?«
Unsicher nickte ich. »Ja, ich glaub schon ... Das war nur ...«
Mit einem Lächeln strich er mir eine Strähne aus dem Gesicht. »Schon gut, es war etwas viel, das ist in Ordnung. Ich hoffe nur, es hat dir trotzdem gefallen.«
Diesmal war mein Nicken deutlich sicherer. Daran bestand kein Zweifel.
Forschend streckte ich die Hand nach ihm aus und strich über seinen Arm. Okay, das war gut, oder? Ich konnte ihn anfassen. Und es fühlte sich schön an. Das war doch ein Fortschritt. Warum hatte es mich dann so erschrocken?
Keine Ahnung, ich würde darüber nachdenken müssen. Doch gerade rief die Natur. »Ich muss mal kurz.«
Toby schien zu horchen, dann lächelte er noch breiter. »Lass mich kurz vor, dann kannst du gleich duschen gehen, wenn du magst. Lass dir Zeit.«
»Okay ...« Verwundert sah ich Toby nach, wie er ins Bad verschwand.
Es dauerte gar nicht lange, da kam er zurück und verschwand nach einem kurzen Zwinkern durch die andere Tür. Doch ich hatte nicht die Zeit, mir großartig Gedanken darüber zu machen. Jetzt, wo mich nichts mehr ablenkte, drückte die Blase.
Unter der Dusche wanderten meine Gedanken wieder zu den Ereignissen einige Minuten zuvor. Warum hatte es mich erst gestört, Toby zu berühren, dann nicht? Weil es das erste Mal war? Nein, vermutlich nicht. Es war immerhin unbewusst geschehen. Es musste eine andere Erklärung geben. Und ich wollte sie wissen, es uns die ganze Stimmung versaut! Es war doch schön gewesen. Vermutlich wäre ich über kurz oder lang sogar davon gekommen. Die Atmosphäre war einfach so geladen gewesen, hätte ich meine Gedanken schweifen lassen, hätten mir die Berührungen den Rest geben können.
War das vielleicht der Grund? Hatte ich ihn nicht anfassen können, weil es mich nur noch mehr an den Abgrund gebracht hätte? Immerhin hatte es diesen kleinen, kaum merklichen Stromstoß gegeben, der durch meinen Körper gefahren war, als ich seine Haut unter meinen Fingerkuppen spürte. Es war so intensiv gewesen. Ja, vermutlich war es genau das. Solange er nur mich berührte und mich verführte, war alles gut, ich trug nichts dazu bei. Doch sobald ich auch ihn berührte, änderte es sich, ich beteiligte mich aktiv daran. Vielleicht war ich einfach noch nicht so weit. Ich würde es herausfinden müssen.
Auch wenn mich meine Gedanken beim Duschen nicht weitergebracht hatten, ich war dennoch froh, sie genommen zu haben. So hatte ich mich ein wenig vom Morgen ablenken können und ich war nicht mehr ganz so erregt.
Doch als ich in der Hoffnung auf Frühstück das Wohnzimmer betrat, musste ich feststellen, dass das offenbar nur auf mich zutraf. Zuerst irritierten mich die leisen Geräusche, die ich aus der Küche vernahm, sodass ich nachsehen wollte, was los war. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen, als ich Roger auf dem Küchentresen sitzen sah.
Verdammt! War ich wirklich so mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt gewesen, dass ich das nicht bemerkt hatte?
Ich wollte flüchten, wegrennen, doch gleichzeitig faszinierte mich dieser Anblick. Als Roger dann auch noch ein heiseres Stöhnen von sich gab, konnte ich mich nicht mehr davon losreißen.
Verdammt, wie konnten sie das tun, sie wussten doch, dass ich da war. Und trotzdem saß Roger dort mit heruntergelassener Hose auf dem Küchentresen, während Toby noch immer nur in der engen Boxershorts vor ihm hockte und ihm einen blies.
Während Roger noch einmal aufstöhnte, öffnete er kurz die Augen. Sein Blick traf mich und wirkte einen Moment überrascht, dann fasste er seinen Freund fest in den Nacken und zog ihn zu sich hoch. Mit sowohl anzüglichem, als auch amüsiertem Blick raunte er diesem ins Ohr: »Benimm dich, wir haben einen Zuschauer.«
Toby drehte seinen Kopf kurz in meine Richtung. Er schaffte es, dieselbe Gefühlsmischung in seiner Miene zu zeigen, wie zuvor sein Freund. Dann wurde er grob wieder nach unten gedrückt. Ihm war anzuhören, dass es ihn im ersten Moment überraschte, doch er fing sich schnell wieder.
Und so, wie er sich fing, kam auch wieder Leben in mich. Verdammt, ich konnte sie doch nicht einfach beobachten! Sie hatten dem weder zugestimmt, noch hatte ich vorher gefragt. Scheiße! Ich drehte mich um und lief zügig ins Schlafzimmer, wo ich die Tür hinter mir schloss und mich aufs Bett setzte. Mist, sie würden sicher sauer auf mich sein. Ich konnte es ihnen nicht verdenken. Schuldbewusst saß ich auf dem Bett und wartete darauf, dass einer von ihnen zu mir kommen würde.
Nach einer Weile kamen sie gemeinsam herein. Roger ging direkt weiter ins Bad, während Toby mitten im Lauf stoppte und dann zu mir kam. »Hey, Kleiner, alles klar?«
»Ja«, murmelte ich, konnte ihn dabei aber nicht ansehen.
»Sicher? Du siehst aus, als würde dich etwas bedrücken.« Scheinbar war Roger doch stehengeblieben, denn als ich mich umsah, stand er im Türrahmen zum Bad.
»Ja ... Es ist nur ... Tut mir leid, ich wollte nicht schon wieder spannen.«
»Ach Quatsch, ist doch nicht schlimm.« Toby legte mir die Hand auf das Knie und lächelte aufmunternd. »Ist ja nicht so, als wüssten wir nicht, dass du da bist.«
»Ihr ... Ihr habt das absichtlich gemacht?!« Das war doch nicht ihr Ernst! Warum taten sie das?
»Nein, dann hätte ich dir nicht gesagt, dass du dir Zeit lassen sollst.« Toby grinste mich verschmitzt an.
Oh, das hatte er also gemeint! Woher hätte ich das denn wissen sollen? Außerdem hatte er das ja trotzdem irgendwo geplant. Wenn auch nicht, dass ich zusah, dann zumindest es überhaupt zu tun. »Warum habt ihr es trotzdem gemacht?«
Roger lachte leise, während Toby eine leicht empörte Miene auflegte. »Na hör mal, ich bin auch nur ein Mann! Glaubst du denn, das vorhin hätte mich nicht angemacht? Und warum soll ich dann nicht Roger damit eine Freude machen? Davon, dass ich es mir selbst mache, hätte doch auch keiner was.«
Toby hatte das angemacht? Aber er hatte mich doch nur gestreichelt!
Offenbar stand mir die Verwirrung ins Gesicht geschrieben, denn Roger erklärte: »Erzähl mir nicht, dass du nicht geil werden würdest, wenn ein Kerl neben dir so hingebungsvoll stöhnt.«
Ohne es zu wollen, wurde ich rot. Verdammt, ja, vermutlich würde ich davon geil werden. Schon der Gedanke ließ die Lust von vorher leicht aufwallen, auch wenn ich das gar nicht wollte. Ich konnte doch so schon kaum damit umgehen, dass, je länger ich mit den beiden zu tun hatte, die Fantasien immer mehr wurden. Die zuerst sanften und mittlerweile sehr anturnenden Berührungen, mit denen Toby mich jedes Mal verwöhnte, weckten das Begehren nach mehr. Doch gleichzeitig wurde mir bewusster, dass ich das nicht einfach so konnte. Gerade das Erlebnis vor nicht ganz einer halben Stunde hatte es wieder deutlich gezeigt.
Rogers Hand legte sich in meinen Nacken und fuhr darüber. Erschrocken zuckte ich zusammen, sodass er sie wieder wegnahm. »Es ist überhaupt nichts Schlimmes daran, wenn es dir gefällt zuzuschauen. Solange du respektierst, wenn eine Tür geschlossen ist, gibt es kein Problem damit.«
»Ich ... ich weiß nicht ...« Natürlich, sie zu sehen, hatte durchaus etwas Lust geweckt, aber ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich zusehen wollte. Klar, früher hatte ich das gern getan, es war einfach schön, die beiden zu sehen, zumal sie mir immer das Gefühl gegeben hatten, dennoch ein Teil davon zu sein. Aber genau das störte mich daran. Ich fürchtete, ihnen nicht einfach nur neutral zusehen zu können.
»Überleg es dir.« Toby lächelte mich an und stand dann auf. »Kannst du schon mal den Tisch decken? Wir gehen eben duschen.«
»Ehm, ja klar.« Ich machte mich auf den Weg in die Küche.
Als mein Blick auf den Tresen fiel, überkam mich kurz das Bedürfnis, diesen nie wieder anzufassen. Doch dann schüttelte ich den Kopf. Das war Unsinn. Sie hatten vermutlich schon an jedem Ort im Haus Sex gehabt, dann dürfte ich gar nicht mehr hereinkommen. Außerdem gehörten sie nicht zu den Leuten, die danach nicht sauber machten. Zudem hatte ich innerhalb einer Woche zweimal in ihrem Bett geschlafen. Ich konnte wohl kaum behaupten, sie hätten es dort noch nie getan.
Dennoch konnte ich nicht widerstehen und wischte zumindest noch einmal über den Tresen, auch wenn ich mir eigentlich sicher war, dass sie das bereits getan hatten.
»I paint a picture of the days gone by
When love went blind and you would make me see
I’d stare a lifetime into your eyes
So that I knew that you were there for me
Time after time, you were there for me«
Skid Row – I Remember You