Leise vor mich hin fluchend verließ ich die Bahn und hetzte mit der Tasche in der einen, dem Gitarrenkoffer in der anderen Hand und dem prall gefüllten Rucksack auf dem Rücken durch den Bahnhof. Ich hätte doch einen Teil meiner Klamotten bei Toby und Roger lassen und nicht alles auf einmal wieder mitnehmen sollen. Vor allem nicht, wenn ich noch verabredet war. Jetzt musste ich mich abhetzen, damit ich alles rechtzeitig nach Hause bringen und noch duschen konnte.
Die Leute schienen meine schlechte Laune zu spüren, denn sie mieden mich auf dem Weg von der Bahn nach Hause, machten mir bereitwillig Platz. So kam ich sogar recht zügig an, auch wenn ich völlig durchgeschwitzt war. Da ich jedoch noch alles in den vierten Stock hieven musste, war das auch egal. Ums Duschen kam ich eh nicht herum.
Als ich die Tür zu meiner Wohnung aufschloss, schlug mir stickige Luft entgegen. Ich riss alle Fenster auf und warf Rucksack und Tasche im Schlafzimmer auf das Bett, die Gitarre lehnte ich gegen die Couch im Wohnzimmer. Ich musste sie sowieso gleich wieder mitnehmen. Den Rest würde ich am Abend auspacken, wenn ich zurück war. Jetzt musste ich mich beeilen.
Schon auf dem Weg ins Bad zog ich mich aus und öffnete den Zopf. Ich musste dringend zum Friseur, meine Haare wurden wieder viel zu lang. Doch auch das musste warten.
Ich hatte gerade den ersten Fuß in die Dusche gesetzt, da klingelte es an der Tür. Welcher Nachbar auch immer ein Paket erwartete, hatte entweder Pech oder der Bote fand jemand anderen, der es annahm, ich hatte keine Zeit dafür.
Eilig schaltete ich die Dusche an und stellte mich unter den Strahl. Erneut klingelte es, doch weiterhin ignorierte ich es, genauso wie das dritte Klingeln ein paar Momente später. Ich erwartete keinen Besuch, also sollten sie sich einen anderen suchen, der öffnete.
Als ich mit Duschen fertig war, stellte ich fest, dass mein Plan einen kleinen Fehler hatte: Alle vernünftigen Klamotten waren in der Tasche oder dem Rucksack. Fluchend trocknete ich mich ab und stampfte ins Schlafzimmer. Wenn ich zu spät kam, hielt mir Lance das wieder wochenlang vor. Dabei war ich sonst derjenige, der zuerst bei der Probe oder am Set war.
Ich zog die erstbeste Hose und das nächstbeste T-Shirt an, betrachtete mich im Spiegel und wechselte doch noch einmal das Oberteil. Ich sah mit den viel zu langen Haaren, dem weit herausgewachsenen Ansatz und den ungleichmäßig sprießenden Bartstoppeln schon schlimm genug aus, das musste ich durch ein völlig ausgewaschenes Shirt nicht auch noch betonen. Die Zeit bei Toby und Roger war viel zu verführerisch gewesen, mich ein wenig gehen zu lassen. Zumindest Roger fand die Bartstoppeln sexy.
Ich schnappte mir den Gitarrenkoffer, der zum Glück auch alle Aufzeichnungen der letzten Wochen enthielt. Das sparte mir wenigstens etwas Zeit. Dann verließ ich die Wohnung.
Kaum hatte ich die Tür zugezogen, fiel mir auf, dass ich mein Handy vergessen hatte. Fluchend schloss ich sie erneut auf und fand es in der Hose, die noch immer im Flur lag. Ich holte es hervor und warf einen Blick darauf, um zu sehen, ob ich es doch noch pünktlich schaffen konnte. Dabei sah ich, dass ich eine SMS verpasst hatte.
Während ich zum zweiten Mal die Wohnung verließ, sah ich nach, wer versucht hatte mich zu erreichen und ließ das Handy und den Koffer fast fallen. Verdammt, das nicht auch noch! Ich schulterte die Gitarre und rannte die Treppe hinunter.
Vor der Haustür sah ich mich in alle Richtungen um. Fuck! Schnell wählte ich Lance’ Handynummer. Kaum hatte er abgenommen, sprach ich schon: »Hi. Sorry, ich komm später. Ich muss Dave suchen.«
»Was? Was ist passiert?« Lance klang sofort alarmiert. Außerdem schien er im Auto zu sitzen.
Während ich mich dem Park näherte, sah ich mich aufmerksam in alle Richtungen um. »Dad hat mir geschrieben, dass Dave nicht von der Schule heimgekommen ist.«
»Fuck! Soll ich dir suchen helfen? Hast du eine Ahnung, wo er sein könnte?«
»Ich vermute, dass er zu mir wollte. Ich war in Eile und hab nicht aufgemacht. Vielleicht find ich ihn im Park.«
»Alles klar, ich sag den anderen Bescheid und komm rum.« Lance legte auf.
Ich steckte das Handy weg und begann mich im Park nach meinem kleinen Bruder umzusehen. Der Park war nicht groß, aber dennoch groß genug, dass man allein nicht alles überblicken konnte. Wenn Dave denn überhaupt in den Park gegangen war. Ich musste daran glauben, denn das war noch die beste Möglichkeit. Außer natürlich, dass er sich doch auf den Weg nach Hause gemacht hatte, aber dann würde Dad mir Bescheid sagen, wenn er dort ankam.
Während ich durch den Park lief, fragte ich auch die Leute, die mir begegneten, doch nur einem war ein Junge in Daves Alter aufgefallen. Dieser sollte jedoch blonde Haare gehabt haben, außerdem hatte der Mann nicht darauf geachtet, wohin das Kind gegangen war. Also musste ich weitersuchen und hoffen, dass mir Dave irgendwann in die Arme lief.
Ich hatte fast das entgegengesetzte Ende des Parks erreicht, als mein Handy klingelte. Aufgeregt nahm ich den Anruf an. »Ja?«
»Komm zum Eingang, ich hab ihn«, verkündete Lance ruhig.
Mir fiel ein Stein vom Herzen und nach einem knappen »Danke« hastete ich im Eilschritt zum Eingang.
Als ich ankam, stand dort tatsächlich Lance und neben ihm mein kleiner Bruder, der betreten zu Boden sah. Ich zog ihn fest in meine Arme. »Mensch, was machst du denn? Du sollst doch nicht allein hierherkommen! Das ist viel zu gefährlich.«
Ein leises Schluchzen unterbrach mich. »Tut mir leid.«
»Schon gut.« Ich seufzte erleichtert. Ja, ich war wütend, aber viel wichtiger war, dass es ihm gut ging. »Du hättest doch nur anrufen müssen, dann hätte ich dich abgeholt.«
Ich setzte meine Tasche ab und suchte im Staufach nach einem Taschentuch, fand jedoch keines. Also wischte ich ihm einfach mit dem Saum meines T-Shirts die Tränen aus dem Gesicht. Er schien sich recht schnell wieder zu beruhigen, denn er schluchzte nur einmal leise. Es war wohl eher der Schreck gewesen.
»Und jetzt?«, fragte Lance. »Was machen wir mit ihm?«
»Haben wir noch Zeit, ihn nach Hause zu bringen?«
»Kann ich heute bei dir schlafen?«, fragte Dave leise, bevor Lance antworten konnte.
»Eigentlich hab ich keine Zeit. Wir müssten schon lange auf Arbeit sein.«
»Bitte«, flehte er erneut.
Seufzend gab ich nach. »Na gut, wir fragen Dad.«
Daves Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass es ihm nicht recht war, dass ich vorher unseren Vater fragen wollte. Dabei musste ich diesen so oder so anrufen, um ihm zu sagen, dass ich Dave gefunden hatte. Aller Differenzen zum Trotz: Ich wollte nicht, dass er vor Sorge um meinen kleinen Bruder umkam. Schnell wählte ich seine Nummer.
Fast sofort wurde abgenommen. »Isaac? Hast du meine Nachricht bekommen?«
»Ja. Und ich hab Dave gefunden«, beruhigte ich ihn sofort.
Erleichtert seufzte er. Das Gefühl, dass er sich um mich niemals so große Sorgen gemacht hätte, wenn ich nicht einmal zwei Stunden verschwunden war, stach in der Brust. Doch ich hatte mich mit dem Gedanken abgefunden, dass ich für ihn immer nur eine schlechte Erinnerung sein würde. Ohne Dave hätte ich vermutlich schon vor Jahren den Kontakt abgebrochen und endgültig damit abgeschlossen. »Er wollte wohl zu mir und fragt, ob er heute bleiben kann.«
»Wir haben es mitten in der Woche. David muss morgen wieder zur Schule.«
Genervt verdrehte ich die Augen. Das war mir auch klar. Ich hielt das Telefon etwas weg und fragte meinen Bruder: »Wo hast du deine Schulsachen? Hast du alles, was du morgen brauchst?«
Er nickte. »Bei Lance im Auto.«
»Das sollte kein Problem sein, ich bring ihn morgen früh hin«, sagte ich ins Telefon. Ich hatte zwar keine Lust, so früh aufzustehen, aber für Dave würde ich das schon mal tun. Vor allem wenn er mich mit so großen, flehenden Augen ansah.
»Isaac! Er ist einfach abgehauen, ohne jemandem Bescheid zu sagen, wo er ist, und du willst ihn dafür auch noch belohnen?«
»Nein. Aber ich denke, dass er einen Grund hatte. Eigentlich müsste ich schon seit einer halben Stunde auf Arbeit sein, ich hab jetzt keine Zeit, mich zu streiten. Ich nehm ihn jetzt mit und rede heute Abend mit ihm. Morgen kommt er ganz normal von der Schule nach Hause.« Bevor Dad widersprechen konnte, legte ich auf.
Klar, vielleicht hatte er recht und es war falsch, Dave seinen Willen zu lassen, aber ganz tief in mir hatte ich schon entschieden, dass er bleiben würde, als er fragte. Ich konnte nicht anders, als jede Gelegenheit zu nutzen, unseren Vater zu verärgern. Im Gegensatz zu meinem Bruder, der sonst der reinste Engel war. Daher war ich mir auch sicher, dass er einen guten Grund hatte, warum er nicht nach Hause wollte.
Freudig strahlte er mich an. »Ich darf wirklich bei dir bleiben?«
»Wenn du gleich bei der Probe ruhig bist und mir auf dem Weg erzählst, was los ist, dann ja.«
Er nickte und lief mit uns gemeinsam zum Auto. Auf dem Weg fragte ich Lance, wo er meinen Bruder gefunden hatte und er erzählte, dass er Dave eine Straße weiter aufgelesen hatte, während er nach einem Parkplatz gesucht hatte. Nachdem ich nicht aufgemacht hatte, wollte Dave zum Spielplatz am Rande des Parks, um später noch einmal zu klingeln. Dabei hatte er sich jedoch verlaufen und war eine Straße zu spät abgebogen. Ich war nur froh, dass Lance ihn rechtzeitig gefunden hatte, ich wollte mir gar nicht ausmalen, was ansonsten hätte passieren können, wenn er sich noch weiter im Viertel verirrt hätte.
»Also, was ist passiert?«, fragte ich an Dave gewandt, sobald wir im Auto saßen. Da erstmal keine Antwort kam, drehte ich mich zu ihm herum und sah ihn streng an. Meine Bedingungen hatten sich nicht geändert: Er durfte bleiben, wenn er mir erzählte, warum er abgehauen war. Ansonsten würde ich ihn direkt nach der Probe zu Hause absetzen.
Er verzog noch ein paar Mal unwohl das Gesicht, bevor er sich entschloss, doch mit mir zu reden: »Ich hab mich heute Morgen mit Mum gestritten.«
Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch. Mein kleiner Bruder hatte sich mit dem Drachen gestritten? Das war ja was ganz Neues. Sonst war er doch immer ihr kleiner Engel, der gar nichts falsch machen konnte. Zumindest in ihren Augen war er perfekt. »Worüber?«
Er zuckte die Schultern, wollte es mir entweder nicht verraten oder es war nicht wirklich wichtig gewesen. Doch damit gab ich mich nicht zufrieden. Erneut sah ich ihn mahnend an.
Er seufzte. »Weil ich am Wochenende zu Samanthas Geburtstagsfeier möchte. Aber ich schreibe Montag eine Mathearbeit und sie meint, ich muss lernen.«
»Hmm. Und das war alles?« Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das ein großes Problem darstellen sollte. Ihrem Engel erlaubte sie doch sonst immer alles. Zumal er nun wirklich nicht schlecht in Mathe war. Zumindest deutlich besser als ich, aber das lag wohl auch daran, dass ihn das interessierte.
Andererseits hatte ich noch nie von einer Freundin namens Samantha gehört. Allgemein noch nie von weiblichen Freundinnen. Wollte mein kleiner Bruder etwa erwachsen werden? Das ging doch nicht! Konnte er damit nicht wenigstens warten, bis er in der High School war?
Erneut brauchte es lange, bis eine Reaktion folgte, dann kramte er in seinem Rucksack. Er holte einen zerknitterten Zettel hervor, den er mir überreichte, ohne mich anzusehen.
Ich überflog ihn. Dabei zog ich meine Augenbrauen kraus und sah aus den Augenwinkeln, dass sich Dave immer kleiner machte. Ich seufzte und gab ihm den Zettel zurück. »Darüber reden wir später.«
Lance warf mir einen fragenden Blick zu, konzentrierte sich dann aber wieder auf den Verkehr. Er wusste schon, dass ich es ihm in den nächsten Tagen eh erzählen würde, aber nicht, wenn Dave dabei war. Ihm war es mehr als offensichtlich peinlich. Gut so, das sollte es auch. Da würde ich später wirklich mal den großen Bruder raushängen lassen müssen.
»Wie läuft es eigentlich in der Schule?«, fragte Lance vorsichtig und sah dabei in den Rückspiegel. Scheinbar wollte er die bedrückende Stille durchbrechen, war sich aber nicht sicher, ob das gerade eine gute Frage war oder ob er damit Salz in die Wunde streute.
Doch Dave ließ sich zum Glück nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Stolz berichtete er, dass sie jetzt in der Schule ein Fach hatten, in dem sie am Computer arbeiten durften. Es klang interessant und er schien verdammt viel Spaß daran zu haben.
»Hi Leute. Tut uns leid für die Verspätung, aber es gab einen dringenden Notfall«, erklärte Lance Alan und Troy, unserem Drummer, als wir den Raum betraten.
Alan sah eher weniger begeistert drein. »Dann lasst uns wenigstens schnell anfangen. Viel Zeit haben wir nicht mehr.«
»Klar«, bestätigte ich. Er hatte ja recht, wir hatten den Raum nur für zwei Stunden gemietet, solche Verspätungen konnten wir uns nicht leisten. »Wir haben heute übrigens einen Zuschauer, strengt euch also an.«
Während Lance das Keyboard bereitmachte, sahen Alan und Troy neugierig zu meinem kleinen Bruder, der etwas verlegen neben mir stand. Er wusste wohl noch nicht so ganz, was er von den beiden Männern hielt. Zumindest bei Troy konnte ich das verstehen. Das Muskelspiel seiner Arme und der Brust war wirklich beeindruckend. Durch das enge Muskelshirt und die Glatze betonte er das auch noch.
Dennoch war er ein echt lieber Kerl. Er lächelte und fragte dann: »Ist das dein Sohn?«
Einen Moment sah ich ihn verwirrt an, dann lachte Lance lautstark und ich konnte nicht anders, als einzustimmen. Die Idee war genial. Dabei sah mir Dave noch nicht einmal ähnlich. Lediglich die hellbraunen Haare hatten wir beide von unserem Vater geerbt. Und selbst die hatten einen leicht anderen Ton. Zumindest war das der Fall, als ich das letzte Mal mit fünfzehn meine natürliche Haarfarbe gesehen hatte. »Nein, das ist mein kleiner Bruder Dave.«
»Oh.« Auch Troy stimmte nun ins Lachen ein. »Dann: Hallo Dave. Ich bin Troy.«
»Hallo Troy«, grüßte mein kleiner Bruder höflich.
»Setz dich am besten auf einen der Stühle.« Ich deutete auf den Bereich vor der Bühne.
»Okay.« Eilig setzte er sich und sah uns neugierig bei den Vorbereitungen zu.
Ich teilte den Jungs noch ein paar Änderungen an dem Lied mit, an dem wir gerade arbeiteten, dann erzählte ich ihnen von meiner neuesten Idee. Es war nichts Weltbewegendes, ich wollte nur mal ausprobieren, ob wir nicht auch eine eigene Ballade zusammenbekamen. Noch wirkten sie etwas skeptisch, aber das würde sich hoffentlich ändern, wenn sie es gehört hatten.
Zu Anfang versuchten wir uns dennoch erst einmal an den Änderungen. Schön, es klang halbwegs so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ein paar weitere Anpassungen würden nötig werden und üben mussten wir das Ganze auch nochmal, aber alles in allem war es gut.
Zumindest Dave gefiel es. Er hatte nicht stillsitzen können und seine Augen hatten geleuchtet wie früher, wenn ich ihm etwas vorgesungen hatte. Begeistert klatschte er, als wir mit dem ersten Durchgang fertig waren.
Ich zwinkerte ihm zu und wandte mich dann an die anderen, um noch einmal mit ihnen zu reden, was wir verbessern mussten und mir gleichzeitig auch ihre Rückmeldung einzuholen. Danach machten wir noch zwei Durchgänge, bis auch die Änderungen halbwegs gut saßen. Das würden wir in den nächsten Wochen noch einmal verbessern müssen, aber vorerst war es gut. »Wollen wir uns dann mal an der Ballade versuchen? Wir können es ja immer noch verwerfen, wenn es nichts ist.«
Lance war natürlich sofort dabei, er war immer offen für Experimente. Alan dagegen ließ sich nur überzeugen, weil auch Troy klarmachte, dass es nicht schaden konnte, mal etwas Neues zu versuchen. Also setzte ich mich mit Alan und Lance zusammen und ging mit ihnen durch, was ich mir vorstellte. Troy hielt sich da raus, er meinte, dass er keine Ahnung davon hätte und beschränkte sich lediglich darauf, uns den Beat zu liefern.
Während wir also zu dritt diskutierten und über meinen Notizen brüteten, hier und dort mal ein paar Sachen probierten, spielte Troy leise auf dem Schlagzeug. Es war eine angenehme Untermalung und ich ließ mich normalerweise nicht davon stören. Doch als auf einmal auf die Becken eingedroschen wurde, schrak ich zusammen.
Verwirrt sah ich nach hinten. Dave saß auf Troys Schoß, hatte die Drumsticks in der Hand und hämmerte vergnügt auf das Schlagzeug ein. Es machte ihm Spaß und der Anblick war einfach urkomisch. Zumindest empfand ich das so und auch Lance konnte ich aus den Augenwinkeln schmunzeln sehen.
Doch Alan hatte etwas auszusetzen: »Troy, wir haben dafür keine Zeit!«
»Ach, lass ihn doch. Meine Güte, ist doch heute eh schon egal, darauf kommt es auch nicht mehr an«, verteidigte Lance unseren Drummer.
Ich konnte ihm nur zustimmen. Wirklich viel hatten wir nicht geschafft, warum sollten wir uns nun stressen? Wenn Dave ein wenig auf dem Schlagzeug rumtrommeln wollte, warum nicht? Zumal ich sicher war, dass Troy ihm das angeboten hatte. Dave war viel zu schüchtern, um selbst zu fragen.
Die Idee wäre auch gar nicht so schlecht gewesen, wenn mein Bruder auch nur das geringste Talent hätte. Bei ihm war Zombies Weisheit, dass jeder Schlagzeug spielen konnte, leider vollkommen falsch. Obwohl Troy ihn zügelte und ihm geduldig zeigte, wie er einen einfachen 4/4-Takt schlagen konnte, bekam Dave die Arm-Bein-Koordination nicht hin. Geschweige denn, dass sein Getrommel auch nur im Geringsten etwas mit einem Takt zu tun gehabt hätte. Dennoch entlockte es mir ein Schmunzeln und auch Lance bekam sich kaum noch ein.
»Kann ich dann gehen?«, fragte Alan noch immer mies gelaunt.
Ich verbat mir, die Augen zu verdrehen, und machte ihm mit einer Handbewegung klar, dass er verschwinden konnte. Warum regte man sich bitte direkt so auf? Na und, dann hatten wir heute eben kaum geprobt. Manchmal lief es eben nicht so wie geplant. Ich hatte immerhin auch nicht damit gerechnet, dass mein kleiner Bruder plötzlich zum Ausreißer wurde.