Frustriert ließ ich mich auf mein Bett fallen. Das hatte ich davon, dass ich nicht mit Toby und Roger nach Aquinnah gefahren war: Ich wusste nichts mit mir anzufangen. Nachdem ich fast drei Wochen am Stück bei ihnen gewesen war, war es komisch, sie nun für ein paar Tage weder sehen noch erreichen zu können. Immerhin merkte ich schon nach zwei Stunden, die ich wieder zu Hause war, dass es ungewohnt war.
Andererseits wäre es noch merkwürdiger gewesen, mit ihnen an ihrem Jahrestag wegzufahren. Das war ihr Feiertag, da hatte ich nichts zu suchen. So gern ich sie hatte, das ging zu weit. Obwohl sie es selbst angeboten hatten und sogar für mich bezahlt hätten.
Also musste ich mich ablenken. Ich ging ins Arbeitszimmer und schaltete den PC an. Auch wenn ich in den letzten Wochen so produktiv gewesen war wie schon seit Jahren nicht mehr, hatte ich dennoch einiges an Arbeit schleifen lassen. Einen Teil davon würde ich dieses Wochenende hoffentlich nachholen.
Zuerst widmete ich mich den MySpace-Accounts. Zwar hatte ich Anfang der zweiten Woche eine kurze Meldung auf meinem Profil hinterlassen, dass ich in der nächsten Zeit eine kreative Pause einlegte, dennoch gab es sicher die ein oder andere Nachricht. Natürlich wurde ich nicht enttäuscht und was ich dort las, ließ mich den Kopf schütteln. Wie kamen die Leute darauf, dass ich aufhörte, nur weil ich mich ein paar Wochen zurückzog? Vor allem, wenn die Begründung hieß, dass ich mich auf meine Arbeit konzentrieren wollte? Nein, das musste ich nicht verstehen.
Ich ließ die Anfragen unbeantwortet und holte mein Notizheft hervor. Sicher würde ich darin etwas finden, was sich recht schnell in eine Kostprobe verwandeln ließ. Zumindest auf meinem privaten Künstleraccount befanden sich einige solcher kurzen Teaser, die nicht zwangsweise etwas mit Blutlaster zu tun hatten.
Ich blätterte durch die neuesten Notizen. Es war so einiges dazugekommen, das ein oder andere sogar gut ausgearbeitet. Obwohl ich kaum Zeit für mich allein gehabt hatte, waren die Abende vor dem Fernseher oder auf der Veranda ideal gewesen, meine Gedanken schweifen zu lassen.
Dennoch würde ich das am meisten ausgearbeitete Projekt nicht nutzen. Das war zu persönlich. Nicht einmal Lance, geschweige denn Toby und Roger, würden jemals auch nur einen kleinen Teil davon zu hören oder lesen bekommen. Kurz überlegte ich, die Seiten herauszureißen und im Klo herunterzuspülen, damit ich sicher war, dass keiner diese Zeilen zu Gesicht bekam, verwarf den Gedanken aber direkt wieder. Meine Freunde respektierten, dass mein Notizbuch tabu war. In der ganzen Zeit, die ich bei Toby und Roger verbracht hatte, hatten sie nicht ein einziges Mal versucht, einen Blick hineinzuwerfen, während ich mit ihnen auf der Couch saß und darin schrieb. Sie hatten lediglich ein paar Mal gefragt, ob ich nicht etwas für sie sang oder spielte. Dabei hatte ich jedoch nie dieses Stück gewählt. Sie durften niemals etwas über den Inhalt erfahren. Das würde alles kaputt machen. Sobald sie auch nur ansatzweise von meinen Gefühlen erfuhren, würden sie mich in die Schranken weisen und den Kontakt abbrechen. Dabei brauchte ich sie doch!
Frustriert fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare. Wie hatte ich es nur so weit kommen lassen können? Vermutlich hätte ich niemals so lange bei ihnen bleiben sollen. Natürlich, das Ganze hatte nicht erst in den letzten Wochen angefangen, dennoch hatte die Nähe zu ihnen und das Vertrauen, das sie mir gegenüber zeigten, mich so stark in ihr Privatleben einzubeziehen, die Situation nicht verbessert. Dabei war es nicht nur völlig irrational, sondern auch unmöglich. Was sollten sie mit mir? Sie hatten sich gegenseitig und das war gut so. Ich wollte mich da nicht reindrängen.
Ein lautes »Uh Oh« aus den Boxen ließ mich aus den Gedanken aufschrecken. Ich wandte den Blick zurück zum Bildschirm und schmunzelte, als ich die Nachricht las. Wie erwartet war es Sparrow. »Hi, du lebst ja doch noch. Wo warst du denn?«
Ich legte meine Sachen zur Seite und griff nach der Tastatur. Arbeiten konnte ich auch später. »Hi. Ich war eine Weile bei Freunden. Sie brauchen ein wenig seelischen Beistand.«
»Drei Wochen?« Noch bevor angezeigt wurde, dass mein Gegenüber tippte, war die nächste Nachricht schon da. »Muss ja richtig übel gewesen sein.«
»Ja, ist nicht ohne, aber ich hoffe, das wird wieder.«
»Das hoffe ich doch. Du bist also immer noch da?«
»Nein, ich bin das Wochenende zu Hause. Werd aber danach wohl wieder hinfahren.«
»Das geht so einfach? Musst du nicht arbeiten?«
Ich lächelte. Manchmal vergaß ich, dass sie mich nicht wirklich kannte. Ich hatte sie über das Selbsthilfeforum kennengelernt, wo ich natürlich nicht als Samsa unterwegs war. Darüber, ob ›Kafka‹ sonderlich kreativ war, konnte man sich streiten, aber es reichte, dass ich nicht erkannt wurde. Dementsprechend wusste sie nicht, als was ich arbeitete. »Ja, ich bin sozusagen mein eigener Chef.«
»Das heißt, wenn es mir mal schlecht geht, muss ich dir nur Bescheid sagen und du kommst vorbei? ;-)«
»Natürlich, für dich doch immer :-*« Grinsend schüttelte ich den Kopf.
Dafür mochte ich sie: Sie gab mir das Gefühl, dass wir uns ewig kannten. Dabei hatten wir einfach nur sehr ähnliche Dinge erlebt und waren darüber ins Gespräch gekommen. Ich wusste nicht einmal, wo sie wohnte oder was sie beruflich machte, das war für uns auch gar nicht wichtig. Es ging nur darum, mit jemandem reden zu können und sich gegenseitig zu bestärken.
»:-* Ich nehm dich beim Wort!« Zum Glück wusste ich, dass das völlig utopisch war. Eine Weile hatte es jedoch gedauert, bis ich so etwas hatte stehen lassen können, ohne das Gefühl zu haben, etwas zu versprechen.
Dennoch wollte ich das Thema wechseln. »Ist bei dir in den letzten Wochen irgendwas passiert?«
»Ich hab jemanden kennengelernt :-)«
»Das freut mich! Wie ist er denn so?« Da ich wusste, dass sie sich ebenfalls mit Männern schwertat, war das eine sehr gute Nachricht.
»So weit ich das mitbekommen hab wirklich nett. Und verdammt heiß!! Ich hab nur noch nicht viel mit ihm geredet.«
»Na dann auf! Du hast versprochen, dass du es versuchst.« Das war noch so ein Punkt, der die Gespräche mit ihr so angenehm machte: Obwohl wir uns nicht kannten, war es gut zu wissen, dass es immer jemanden gab, der einen unterstützte, neue Schritte zu wagen, und mit einem mitfieberte.
»Du klingst wie mein bester Freund :-P Der will mich auch unbedingt verkuppeln.«
»Na siehst du, dann muss doch etwas dran sein. Schmeiß dich an ihn ran! ;-)«
»Ich würde ja gern ... Ich weiß nur nicht wie ...«
»Wenn du schon mit ihm geredet hast: Hast du seine Nummer? Oder weißt, wie du ihn wiedertreffen kannst?«
»Ja, ich hab seine Handynummer. Aber ich glaub nicht, dass er mit mir schreiben möchte.«
»Warum nicht? Er hat sie dir doch gegeben.«
»Ich glaub, er wollte nur nett sein und mich nicht verprellen.«
»Hast du mal versucht, ob es seine Echte ist?«
»Ja.«
»Warum sollte er dann seine Echte rausgeben, wenn er dich loswerden wollte?«
»Weil er jedem seine Nummer geben würde. Er könnte jeden haben und ich bin mir sicher, er hat auch eine große Auswahl. Ich bin also nur eine Nummer von vielen.«
»Aber wenn du eine besondere Nummer werden willst, dann musst du auch was dafür tun ;-) Zeig ihm, was ihm entgeht.«
»*seufz* Ich weiß aber nicht wie. Er ist ziemlich berühmt. Ich weiß nicht, wie ich mit ihm umgehen soll.«
»So, wie mit jedem anderen auch?« Ich seufzte. Warum glaubten die Leute eigentlich immer, man würde anders behandelt werden wollen, nur weil man mal irgendwo auf einer Bühne stand oder im Fernsehen war? Man blieb doch trotzdem ein Mensch. »Und wenn ihm das so zu Kopf gestiegen ist, dass er meint, er sei etwas Besseres, dann vergiss ihn am besten gleich wieder.«
»Ja, ich weiß. Aber das sagt sich immer so einfach. Es ist dennoch etwas anderes als jemand, den man nicht auf der Straße erkennt.«
»Warum sollte das etwas anderes sein? Wenn er wirklich jemanden sucht, dann doch sicher nicht jemanden, der ihn nur mag, weil er berühmt ist, sondern jemand der ihn mag, weil er er selbst ist.«
»Hast du denn schon mal mit jemandem geredet, der berühmt war?«
»Ja, einer meiner besten Freunde ist Musiker. Glaub mir, er ist froh, wenn man da keinen Wind drum macht.« Diese kleine Lüge musste sein. Das Risiko, dass sie andernfalls doch von meinem Nick auf meine Identität schloss, war zu groß.
»Wow, das ist echt cool. Der muss doch sicher unglaublich reich sein, oder?«
»rofl Nein. Man verdient deutlich weniger als die meisten glauben. Zumindest, wenn man kein internationaler Superstar ist.«
»Schade, dabei ist das ein richtig cooler Job!«
Ich schrieb noch fast eine halbe Stunde mit ihr über alles Mögliche, dann schlug langsam der Hunger zu. Außerdem wollte ich an diesem Abend das ein oder andere schaffen. Daher verabschiedete ich mich. »Ich will langsam ins Bett. Dir noch einen schönen Abend.«
»Nimmst du mich mit? ;-)«
»Klar, wie immer :-)« Das war noch nicht einmal gelogen, sie war mir wirklich sympathisch und ich hätte nichts dagegen gehabt, mit ihr zu schlafen, auch wenn ich nicht wusste, wie sie aussah. Aber das machte die Fantasie nur interessanter. »Schlaf gut :-*«
»Du auch :-*«
Ich schaltete das Programm aus und ging dann in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen und etwas zu Essen zu suchen. Wirklich fündig wurde ich dabei zwar nicht, obwohl ich auf dem Heimweg einkaufen war, aber für ein Sandwich reichte es.
Nachdem mich Roger die letzten drei Wochen so gut versorgt hatte, schien mir das trotzdem recht wenig. Sehnsüchtig seufzte ich, als ich daran dachte, dass ich erst in drei Tagen wieder in den Genuss kommen würde, nicht nur sein Essen zu schmecken.
Am Samstag merkte ich schon am Nachmittag, dass mir die Decke auf den Kopf zu fallen drohte. Da mich die Arbeit nicht so gut ablenkte wie erhofft, schickte ich Lance und ein paar Bekannten eine SMS, ob jemand später Zeit hätte, sich mit mir zu treffen.
Leider musste ich feststellen, dass meine Freunde nicht mehr so flexibel waren wie früher. Lance war der Erste, der antwortete, doch war er wie so oft bereits mit Lydia verabredet. Nachdem auch Leron und Leonardo und John keine positiven Nachrichten für mich hatten, stellte ich mich gedanklich schon darauf ein, den Abend allein mit einem Porno zu verbringen.
Doch dann war es ausgerechnet Mijo, der mich rettete. Eigentlich hatte ich ihn nur angeschrieben, weil ich nicht wollte, dass er nur über Leron davon erfuhr. Ich hätte nie damit gerechnet, dass er sich auch mit mir treffen würde, wenn sein bester Freund keine Zeit hatte.
Kurz haderte ich, ob ich wirklich mit ihm zusammen weggehen wollte, immerhin war er mir gegenüber immer eher abweisend gewesen. Andererseits hatte ich ansonsten keine andere Wahl. Also sagte ich zu und verabredete mich mit ihm vor dem Angel’s.
»Sorry, ich hab über die Arbeit völlig die Zeit vergessen«, entschuldigte ich mich, sobald ich angekommen war. War ja klar gewesen, dass ich es verpeilete. Wenn ich erst einmal richtig drin war in der Arbeit, passierte mir das häufiger.
»Nicht schlimm, ich war auch zu spät.« Das Lächeln, mit dem er mich bedachte, wirkte leicht verlegen, daher lächelte ich aufmunternd zurück. »Nur leider scheint der Laden zuzuhaben.«
Verwundert sah ich hinüber zur Tür. Er hatte recht! Ich war noch so abgehetzt, dass ich gar nicht darauf geachtet hatte, aber es stand tatsächlich keine Schlange vor der Tür, wie es um diese Zeit üblich wäre. Nur ein paar vereinzelte schwarze Gestalten liefen herum. Ich näherte mich der Tür und sah dort einen Zettel hängen. Scheinbar war ein Teil der Belegschaft kurzfristig erkrankt. Da konnte man nichts machen.
Das schien auch Mijo so zu sehen. Er zuckte mit den Schultern, als ich wieder bei ihm stand. »Na ja, dann sehen wir uns wohl beim nächsten Mal?«
Ich war etwas unsicher, aber da er traurig klang, fragte ich: »Wir können auch einfach in einen anderen Club. Oder hast du was Besseres vor?«
»Nein«, beeilte er sich, zu antworten. »Gibt es denn noch einen in der Nähe? Leron meinte, die meisten seien ziemlich abseits.«
Kurz überlegte ich, da das auch auf die Clubs zutraf, in denen ich sonst häufig war. Dann fiel mir etwas ein. Grinsend griff ich nach seinem Arm und zog ihn mit. »Ja. Komm mit!«
Zuerst ließ er sich noch ziehen, doch schon nach ein paar Schritten hatte er aufgeholt. »Wohin gehen wir?«
»Lass dich überraschen.«
Etwa fünf Minuten später standen wir an meinem Ziel. Ich ging auf den Türsteher zu und ließ dann Mijo los, um mein Portemonnaie zu zücken. Da ich nicht sicher war, was er von meiner Idee halten würde, zahlte ich kurzerhand für uns beide.
Als ich wieder zu ihm sah, betrachtete er gerade misstrauisch die Leute, die durch die Tür nach drinnen verschwanden. Gut, von den Klamotten würden wir sicher nicht hierher passen, aber bisher war ich deshalb nie von der Seite angemacht worden. Ich griff wieder nach seinem Arm und zog ihn nach drinnen.
Wie ich beim ersten Mal blieb auch er stehen, sobald wir in den Gang traten. Ich sah zu ihm und grinste, weil er die Fahnen stirnrunzelnd betrachtete. »Kommst du jetzt?«
»Äh, klar.« Eilig folgte er mir.
Da es schon recht voll war, fand ich keinen angenehmen Platz mehr, daher lotste ich ihn zu einem der Stehtische, die am Rand standen. Kaum waren wir dort, meinte er: »Ich wusste gar nicht, dass du auch in solche Clubs gehst.«
»Mach ich auch eher selten. Eigentlich nur zusammen mit Toby und seinem Freund.«
Er zog die Augenbraue hoch. »Warum sind wir dann hier?«
»Warum nicht? So weit ich das beim letzten Mal mitbekomme habe, stehst du auch auf Männer und ich kenn keinen anderen Grufti-Club in der Nähe.« Ich zuckte mit den Schultern. Eine andere Erklärung hatte ich nicht, ich wusste ja selbst nicht wirklich, wie ich ausgerechnet aufs Rainbow gekommen war. Normalerweise hätte ich allein nie einen Fuß hineingesetzt. Andererseits war ich ja auch nicht allein. Und nach Hause wollte ich erst recht nicht, dort würde mir die Decke auf den Kopf fallen. »Also bleiben wir? Dann geh ich die erste Runde holen. Quasi als Entschuldigung, dass ich dich ungefragt hierher entführt hab.«
Er sah sich kurz um, nickte dann aber. Gut, dann wollten wir doch mal sehen, wie ich mich mehr oder weniger allein in einem Schwulenclub schlug. Das konnte ja heiter werden.
Tatsächlich wurde der Abend wirklich lustig. Je länger wir zusammenstanden, desto mehr taute Mijo auf, auch wenn er weiterhin etwas wortkarg blieb. Das machte er aber durch viel Witz wett. Letztendlich war er es, der mich dazu herausforderte, zu sehen, wer zu dieser – in meinen Ohren immer noch ziemlich schrecklichen – Musik am besten tanzen konnte.
Gemeinsam standen wir auf der Tanzfläche und alberten herum. Ich hätte es ihm ja nicht zugetraut, aber er bewegte sich wirklich gut. Das hatte ich beim letzten Mal gar nicht mitbekommen. Andererseits waren meine Augen da auch eher auf Toby gerichtet gewesen. Außerdem war es erstaunlich angenehm, so mit ihm zu tanzen. Wir berührten uns zwar immer mal wieder und tanzten auch mehr oder weniger miteinander, dennoch war es ein deutlich anderes Tanzen als mit Toby. Zum Glück versuchte Mijo nicht, das zu ändern.
»Scheiße, wo hast du so tanzen gelernt?«, fragte ich lachend, als er an den Tisch kam, den ich uns in der Zeit organisiert hatte, die er brauchte, um für uns neue Getränke zu holen.
Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, ich bin ein Naturtalent. Ich hab schon immer gern getanzt, wenn die Musik gut war.«
»Bitte? Du nennst die Musik hier gut?« Mit großen Augen starrte ich ihn an.
»Ja klar, warum nicht?« Grinsend sah er zu mir hinüber. »Man kann doch nicht den ganzen Tag nur die Deprimucke hören, die du fabrizierst.«
»Hey! Na, hör mal!«, empörte ich mich, konnte mir aber dennoch ein Lachen nicht verkneifen. »Was weißt du denn schon, was ich so alles für Musik mache? Ich schreib auch noch ganz andere Sachen!«
»Stimmt, ich kenn nur das, was du mit Lance auf die Bühne bringst. Aber du kannst mir ja mal bei Gelegenheit zeigen, was du sonst noch so machst.« Einen kurzen Moment war ich verwirrt. Hatte er mich gerade ernsthaft angezwinkert? So war das aber nicht geplant!
Ich schüttelte es jedoch schnell wieder ab. Bisher hatte er nicht versucht, mir irgendwie näherzukommen, warum sollte ich also Panik wegen einer solch kurzen Geste schieben? Ich war ja noch nicht einmal sicher, ob es nicht einfach nur ein Blinzeln war. Außerdem war er nicht der Typ, der mich so anmachen würde, wenn ich es nicht erwiderte. Das hätte nicht zu ihm gepasst. Er wurde ja schon sichtlich nervös, weil ich mir mit meiner Antwort Zeit ließ.
Daher beeilte ich mich nun, etwas zu erwidern: »Das muss ich mir echt noch überlegen ... Jemand, der die Musik hier toll findet, weiß das doch gar nicht zu schätzen.«
Er lachte lauthals und biss sich kurz auf die Unterlippe, was einen interessanten Kontrast zu seiner sonst eher ernsten Mimik bildete. Ich war mir sicher, dass er damit die meisten Männer um den Finger gewickelt hätte, vermutlich stand ihm häufig nur seine Schüchternheit im Weg. »Ich hab das Gefühl, es hat nicht viel Sinn, mit einem Musiker darüber zu streiten, ob seine Musik gut ist.«
Lachend stimmte ich ihm zu. Niemand, der mit Leidenschaft dabei war, würde sich einfach so von anderen sagen lassen, seine Musik sei schlecht. Aber in dem Fall wusste ich ja, dass es nicht ernst gemeint war.