»Magst du uns nun erzählen, was dich die Nacht so aufgewühlt hat?«, fragte Toby mich, als wir nach dem Essen alle auf der Couch saßen. Vermutlich hatte er schon die ganze Zeit auf eine Gelegenheit gewartet, diese Frage zu stellen.
»Keine Sorge, das war wirklich nichts Schlimmes.« Lust, ihm davon zu erzählen, hatte ich jedoch noch immer nicht. Er wollte widersprechen, doch ich schob schnell hinterher: »Zumindest nicht auf die Art wie die anderen Träume.«
»Aber es hat dir zugesetzt. Du sahst heute Morgen ziemlich scheiße aus.«
Unwillig nickte ich, denn leugnen hätte nichts gebracht. »Aber es war nichts ... Es war keiner meiner üblichen Träume. Ich ... Ich weiß nicht, ob ich euch das erzählen sollte.«
»Was spricht denn dagegen?«
»Dass es nicht um mich ging. Ich hab ... von Rachel geträumt.«
»Wer ist Rachel?« Sowohl Roger als auch Toby sahen mich verwirrt an.
Erst da wurde mir bewusst, dass sie gar nicht wissen konnten, wer sie war. Vermutlich hatte nicht einmal Toby je ihren Namen erfahren. Das war ein Grund mehr, ihnen nichts zu erzählen, oder? »Peters kleine Schwester.«
»Er hat wieder Kontakt zu seiner Familie?« Toby riss überrascht die Augen auf. Klar, dass es ihn überraschte, immerhin war Peter ja der felsenfesten Überzeugung, keinen Kontakt zu wollen.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, nicht wirklich. Sie hat ihn im Fernsehen erkannt und ihm bei einem Konzert in Chicago aufgelauert. Er hat ihr zumindest die Chance gegeben, kurz mit ihm zu reden, aber sie haben trotzdem keinen Kontakt. Zumindest so weit ich weiß.«
»Ah okay. Und was hat dich an dem Traum jetzt so fertiggemacht? Ich kann mir nicht vorstellen, dass seine Schwester genauso schrecklich ist wie er«, versuchte Roger, die Situation ein wenig aufzulockern.
»Nein ... Keine Ahnung, ich weiß es nicht ... Ich hab nicht wirklich mit ihr geredet. Ich war nur dabei, als sie miteinander geredet haben. Peter wollte, dass jemand dabei ist und Zombie war von der Tour schon recht fertig, daher hat er mich gebeten.«
Toby sah mich skeptisch an. »Nur weil Mat zu fertig war?«
Genervt seufzte ich. Nein, natürlich nicht nur deshalb. Dennoch gab ich es nicht gern zu.
Doch Toby sah mich weiter streng an. »Ihr wart da also schon nicht mehr zusammen?«
Ich kniff die Augen zusammen und sah ihn böse an. Dann senkte ich den Blick und flüsterte: »Doch.«
Roger legte mir seine Hand in den Nacken und massierte ihn leicht. »Hey, wir haben dir doch schon gesagt, dass wir dich nicht dafür verurteilen. Du hattest keine andere Wahl, als bei ihm zu bleiben. Uns musst du nicht anlügen.«
Ich wollte ihm wütend etwas entgegenschmettern, doch ich hielt mich gerade noch zurück. Mehr als ich musste, würde ich nicht preisgeben. Alles, was ich dazu noch zu sagen hätte, würde niemals meinen Mund verlassen! Schon bei dem Gedanken daran schüttelte es mich.
»Magst du uns erzählen, was so schlimm an dem Gespräch war?«, wechselte Toby wieder zum eigentlichen Thema.
Ich seufzte frustriert. Konnte er nicht ein Mal locker lassen? Andererseits hatte ich Angst, sie würden dann wieder dazu zurückkommen, warum ich so lange mit Peter zusammengewesen war, trotz allem, was wir uns angetan hatten. Wie formulierte ich es am besten so, dass ich nicht zu viel verriet? »Sie haben auch darüber geredet, was bei ihnen zu Hause passiert ist. Zumindest zum Teil. Und Peter hat es mir dann erzählt. Ich weiß nicht, warum ich gerade jetzt wieder daran denke, aber ich find die Vorstellung immer noch so schrecklich ...«
Toby nickte langsam. Er schien kurz nachzudenken. »Würdest du mit mir reden, wenn Roger ins Schlafzimmer geht?«
Verwirrt sah ich ihn an. »Hä?«
»Ich weiß, dass Peter nicht gern darüber geredet hat und ich find es gut, wenn du nichts verraten möchtest. Aber ich kenn die Geschichte, du brauchst dich also nicht zurückhalten.«
»Du weißt, was seine Mutter getan hat? Und sein Vater?«, brach es aus mir heraus. Ich war nie auf die Idee gekommen, dass Peter es ihm erzählt haben könnte. Andererseits machte es Sinn. Sie waren früher gute Freunde und Peter noch deutlich jünger gewesen. Sicher hatte er versucht, mit jemandem darüber zu reden. Zumal ich ja wusste, dass er ernsthaftes Interesse an Toby gehabt hatte.
»Ich bin dann mal drüben«, kündigte Roger an und stand auf.
»Danke.« Toby gab ihm einen Kuss mit auf den Weg.
»Und du verrätst Roger wirklich nichts?« Immerhin sprachen sie doch sonst immer über alles.
Doch Toby lächelte und schüttelte den Kopf. »Ich hab Roger die letzten sechzehn Jahre nichts erzählt, warum sollte ich jetzt damit anfangen? Er weiß nur die Sachen, die mit Mat zusammenhängen und die er ihm erzählt hat.«
»Und er hat nie gefragt?« Für mich war es unvorstellbar, dass die beiden ein Geheimnis voreinander haben sollten.
»Nein. Roger will mit solchen Sachen nichts zu tun haben. Aber egal, zurück zum Thema: Was macht dir genau zu schaffen?«
Ich seufzte und suchte nach Worten, um meine Gefühle auszudrücken. »Die Sache mit seiner Mutter ... Ich versteh es einfach nicht. Wie kann man so etwas tun? Selbst wenn sie ihn wirklich in dem Moment nicht erkannt hat ... Wie konnte sie weiter bei diesem Mann bleiben? Hat sie wirklich geglaubt, Peter hätte das freiwillig gemacht oder ihn sogar verführt? Und warum hat sie danach nichts dagegen unternommen?«
Auch Toby seufzte und schien einen Moment zu überlegen. »Ich weiß es nicht. Ich hab mich das früher auch immer gefragt. Jedes Mal, wenn ich die Narbe gesehen hab, hab ich mich gefragt, wie es für ihn sein musste, zu wissen, dass seine Mutter versucht hatte, ihn umzubringen. Wegen etwas, was er nicht einmal wollte. Aber ich kann es mir nicht vorstellen. Ich weiß nicht, wie es ist, von jemandem so abhängig zu sein, dass man nicht gegen ihn ankommt. Ich kann mir das nur so erklären, dass sie sich selbst schon komplett aufgegeben hatte und keinen Weg gewusst hätte, ohne ihren Mann weiterzumachen. Immerhin hätte sie allein und ohne Job fünf Kinder durchbringen müssen.«
»Stattdessen hat sie lieber zugelassen, dass er sich an einem der Kinder vergreift?«, merkte ich zweifelnd an.
Dieses Verhalten wollte mir nicht in den Kopf. Sie hatte es gesehen! Sie hatte gesehen, wie dieser Mann Peter vergewaltigte, und dann mit einem Messer auf ihren Sohn eingestochen! So betrunken konnte man doch nicht sein, ihn für eine Geliebte zu halten. Selbst wenn das stimmte, was ich noch immer nicht glauben konnte, warum hatte sie danach weggesehen und so getan, als wäre nichts passiert? Sie musste mitbekommen haben, dass er nicht damit aufhörte. Immerhin hatte Rachel es doch auch mitbekommen, warum dann seine Mutter nicht?
»Vielleicht hat sie gehofft, dass es eine einmalige Sache war, vielleicht konnte sie nichts dagegen tun, vielleicht hatte sie Angst, dass er sonst ihr etwas antut? Ich weiß es wirklich nicht, ich kann nur vermuten. Aber das ist auch nur ins Blaue geraten. Vielleicht war es ihr auch egal«, sinnierte Toby weiter.
»Es hört niemals auf ...«, murmelte ich vor mich hin. Schon bei Tobys erster Vermutung hatte ich geistig abgeschaltet. Ich war einfach daran hängengeblieben.
Toby lächelte mich traurig an und zog mich in sein Arme. »Du hast auch gehofft, dass es wieder aufhört, hab ich recht?«
Ich nickte und vergrub mein Gesicht in seinem T-Shirt. Er streichelte durch meine Haare und blieb eine ganze Weile still.
Dann irgendwann sagte er vorsichtig: »Nimm es mir nicht übel, aber eigentlich hatte ich gehofft, dass du das Ganze vielleicht sogar besser nachvollziehen und es mir irgendwann erklären kannst.«
»Was? Wie kommst du darauf?« Ich richtete mich etwas auf und sah ihn an.
Sein Gesicht verriet, dass er unsicher war, wie ich auf die Aussage reagieren würde. »Du bist auch mit Peter zusammengeblieben, obwohl er dich vergewaltigt hat. Er hat nicht mal jemand anderem wehgetan, sondern dir direkt.«
»Aber ich hab ihn provoziert!«, protestierte ich. Ich war sicher nicht mit Peters Mutter zu vergleichen!
Tobys Miene zuckte kurz, doch er hielt sich zurück. Er atmete einmal tief durch, bevor er antwortete: »Vielleicht dachte sie das auch? Vielleicht hat sie auch geglaubt, sie hätte etwas getan, was das Verhalten ihres Mannes rechtfertigt? Oder Peter.«
»Aber was sollte sie getan haben, das so etwas rechtfertigt?« Ich weigerte mich, mich mit dieser Frau vergleichen zu lassen.
»Ich weiß es nicht. Was hast du denn getan, dass du meinst, Peter hätte ein Recht dazu gehabt, dir so etwas anzutun?«
»Ich hab mich nicht an die Regeln gehalten.«
Mit einem leisen, genervten Schnauben fuhr sich Toby durch die Haare. »Ja, das sagst du jedes Mal. Aber was genau heißt das? Nur wegen einem läppischen Ausrutscher hat er noch lange nicht das Recht!«
»Aber ich hab mich anfassen lassen! Ich hab mich anfassen lassen, obwohl wir ausgemacht haben, dass ich das nicht durfte! Und ich hab geflirtet, obwohl ich ihm versprochen hab, das nicht mehr zu machen! Ich hab ...«
»Okay, Moment, Moment, ich komm nicht mehr nach«, bremste Toby mich. Mit jeder Aussage war sein Gesicht ungläubiger geworden. »Jetzt mal langsam. Du hast dich anfassen lassen? Von wem und wann? Und was war daran so schlimm?«
Ich versuchte, mich zu beruhigen, und fing dann in Ruhe an zu erklären. Ich erklärte ihm, dass ich mich von anderen Männern an Stellen hatte anfassen lassen, von denen wir ausgemacht hatten, dass nur er mich dort berühren durfte. Ich erklärte, dass ich mit Männern geflirtet hatte, auch noch nachdem wir uns geeinigt hatten, dass es so nicht mehr weiterging und ich nichts mehr mit anderen Männern haben würde. Erklärte, dass ich dennoch immer wieder mit dem Gedanken gespielt hatte, mich doch einem anderen zu nähern.
Als ich fertig war, sah Toby mich eine Weile nachdenklich an, wirkte, als würde er auf mehr warten. Doch mehr gab es nicht. Nach einem Moment der Stille, fragte er: »Und das war’s? Du hast dir bei Dreiern einfach nur ein paar mehr Freiheiten genommen und ein wenig geflirtet? Mehr war da nicht? Keine Seitensprünge, nichts?«
Schnell schüttelte ich den Kopf. »Ich hab ihn nicht betrogen!«
»Ganz ruhig, das wollte ich dir auch gar nicht unterstellen. Ich ...« Toby schüttelte ungläubig den Kopf, rang mit der Fassung. »Ich versteh es nur nicht. So wie du die ganze Zeit erzählt hast, bin ich davon ausgegangen, dass du ihn wirklich betrogen hast. Das wäre noch ... Ich will nicht sagen, dass ich dann dafür Verständnis hätte, aber das wäre noch etwas, was ich irgendwie nachvollziehen könnte. Aber wegen ... nichts?«
»Ich hab ihn damit provoziert! Ich wusste, dass er es nicht wollte und ich hab es dennoch getan! Absichtlich, sodass er es gesehen hat«, verteidigte ich mich. Warum glaubte Toby mir denn nicht? Warum versuchte er, mir immer wieder einzureden, dass ich nichts getan hatte? Dabei war ich genauso sehr daran Schuld wie Peter.
»Ich mach auch ständig Dinge, von denen ich weiß, dass sie Roger auf die Palme bringen und er genauso. Das ist doch aber kein Grund, seinem Partner wehzutun. Egal auf welche Weise.«
»Aber ich wusste, dass es passiert. Ich hätte auch einfach aufhören können, ihn zu provozieren, dann hätte er aufgehört!«
Toby sah mich streng an. »Hör auf. Du weißt genau, dass das nicht stimmt. Wenn du es nicht getan hättest, dann hätte er einen anderen Grund gefunden und das weißt du.«
Ich wollte erneut protestieren, schaffte es jedoch nicht. Dieser Protest hätte sich angefühlt wie eine Lüge. Also schluckte ich ihn hinunter. »Warum hat er es dann getan?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht aus dem gleichen Grund, weshalb Leute, die als Kinder geschlagen wurden, häufig gewalttätig werden? Anders kann ich es mir zumindest nicht erklären. So sehr er seinen Stiefvater auch hasst, er hat das eben von ihm gelernt.«
»Du meinst also, ich könnte das auch irgendwann tun?« Fremd war mir dieser Gedanke nicht und Toby hatte es ja auch schon einmal angedeutet. Er machte mir wirklich Angst.
Doch Toby schüttelte schnell den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Du gehst ganz anders damit um als er. Er hat das immer völlig verdrängt. Nein, ich weiß, du versuchst, das auch zu verdrängen, aber eben anders. Er hat einfach weitergemacht, hat sich an andere Männer rangeworfen und damit Geld gemacht. Du versuchst, es wenigstens irgendwie zu verarbeiten. Aber warum Peter so geworden ist wie sein Stiefvater, kann ich dir nicht sagen. Ich weiß es auch nicht und hatte eigentlich immer das Gefühl, er hätte es verarbeitet. Ich hab nie geglaubt, dass er so etwas tun würde.«
Ich nickte leicht und legte meinen Kopf wieder an Tobys Schulter. Hatte er recht? Würde ich es schaffen, nicht so wie Peter zu werden? Oder täuschte er sich in mir und ich würde irgendwann jemandem so wehtun? Warum hatte Peter werden müssen wie sein Vater? Warum hatte er angef... Nein, Moment!
»Ich glaub nicht, dass Peter ist wie sein Stiefvater«, sprach ich aus, was mir in den Sinn gekommen war.
»Warum nicht?« Toby schien von dem Gedanken überrascht, zumindest verzog er skeptisch das Gesicht.
Wollte ich es wirklich sagen? Wollte ich wirklich erklären, warum ich das glaubte? Die Antwort war nicht schwer zu finden: Ich wollte. Ich wollte, dass Toby ebenfalls den Unterschied sah, wollte, dass er hoffentlich dadurch verstand, warum Peter nicht allein an all dem schuld war.
»Weil es dem Kerl – Spaß? – gemacht hat. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll ... Von dem, was ich weiß, hat er das wirklich gern gemacht und«, ich schluckte die Übelkeit herunter, die mich bei dem Gedanken überkam, »es hat ihn angemacht. Peters Schwester hat erzählt, dass er sich einfach den nächstjüngsten Bruder vorgenommen hat, nachdem Peter abgehauen war.«
Auch Toby schien einen Moment zu brauchen, bis er die Information verarbeiten konnte. Ich sah deutlich, wie sein Adamsapfel auf und ab hüpfte. Es beruhigte mich auf merkwürdige Art und Weise. Denn es zeigte mir, dass er den Gedanken genauso abartig fand wie ich und auch nie so über Peter gedacht hatte. »Und du bist dir sicher, dass es bei Peter anders ist?«
Ich nickte bekräftigend. Doch Toby schien nicht überzeugt. So neu wie dieser Gedanke für ihn war, er schien ihn auch für Peter nicht abwegig zu finden. »Was macht dich so sicher?«
»Weil ich weiß, dass Peter aufhören wollte.« Toby wollte etwas erwidern, doch ich war schneller. »Nein, wirklich! Er hat es wirklich versucht. Es hat ihn selbst völlig fertig gemacht. Er hat immer wieder versucht, sich zu bessern und es nicht mehr zu tun. Er hat es auch eine Weile geschafft, aber ich hab ihn wieder provoziert.«
»Was macht dich so sicher, dass es nicht nur eine Masche war, um dich an sich zu binden?«
Einen Moment starrte ich ihn irritiert an, dann kochte die Wut in mir hoch. Warum wollte er nicht sehen, dass es meine Schuld war? Warum versuchte er immer, mir etwas anderes einzureden? Konnte er mir nicht endlich glauben?
Ich rutschte etwas von ihm weg und schrie ihn an: »Peter hat wieder angefangen, Heroin zu spritzen! Das ist meine Schuld! Ich hab ihn dazu getrieben! Ich hab ihm das angetan! Ich hab ihn fast umgebracht!«
Tobys Augen waren mit jedem Satz größer geworden. Ich wusste nicht, ob er mir nun endlich glaubte, ihm war nichts anzusehen, bis auf den Schreck.
Dafür wich meine Wut fast schlagartig und machte der Verzweiflung Platz. »Ich hätte ihn fast umgebracht«, wiederholte ich leise und senkte den Kopf.
Toby holte hörbar tief Luft, dann griff er nach mir und zog mich in seine Arme. Liebevoll küsste er mich auf die Haare und strich über meinen Rücken. Leise flüsterte er beruhigende Worte, die nicht wirklich bei mir ankamen. Ich hörte sie zwar und sie taten gut, doch ihre Bedeutung schaffte es nicht durch die Wand aus Verzweiflung.
Irgendwann hörte ich es leise an der Tür klopfen und sie sich vorsichtig öffnen, dann vernahm ich Tobys Flüstern: »Komm ruhig rein.«
»Ist alles in Ordnung?«
»Nein, aber das wird wieder. Oder?« Zärtlich strich er mir mit der Hand durch die Haare und küsste mich auf die Stirn.
Langsam nickte ich. Sicher. Es hatte sogar gutgetan, diesen Gedanken auszusprechen, auch wenn Toby nicht wirklich darauf reagiert hatte. Vermutlich gab es darauf keine Antwort. Es war nun einmal so passiert und im Grunde war es egal, was Toby darüber dachte. Es würde nichts daran ändern; weder am Geschehen, noch an meiner Meinung. Vielleicht war es in der Hinsicht auch ganz gut, dass er nichts dazu gesagt hatte.
Roger setzte sich neben uns und streichelte mir ebenfalls über den Rücken. Er fragte nicht einmal, was los war, sondern tat einfach sein Bestes, mich zur Ruhe kommen zu lassen. Dabei war er es doch eigentlich, dem es schlecht ging. Immerhin war alles, was mich bedrückte, schon so lange her, während er sich ernsthaft Sorgen um seine Zukunft machte.
Ich atmete tief ein und richtete mich auf. Nachdem ich Toby einen Kuss auf die Wange gegeben hatte, drehte ich mich zu Roger um, um ihm ebenfalls einen zu geben. »Tut mir leid. Und danke.«
Sie reagierten gar nicht darauf. Stattdessen zog Roger mich in seine Arme und lehnte sich nach hinten an die Couch. Toby schnappte sich die Fernbedienung und legte sich dann hin, sodass sein Kopf auf meinen Oberschenkeln lag.
Kurz war ich verwirrt, doch als ich mich zu Roger umdrehte, lächelte mich dieser an und nickte leicht. Gut, das hieß wohl, dass es in Ordnung war – wenn auch etwas gewöhnungsbedürftig. Ich ließ meine Hand über Tobys Nacken wandern, der es sichtlich genoss und für eine Weile die Augen schloss.
»As the snow flies
On a cold and gray Chicago mornin’
A poor little baby child is born
In the ghetto (in the ghetto)«
Elvis Presley – In the Ghetto