»Kommst du jetzt noch mit zu uns? Ich kann Toby auch sagen, dass er dich nicht wieder auf gestern Nacht ansprechen soll«, fragte Roger und sah mich vorsichtig an, als wir in die Umkleide traten.
»Ja klar komm ich mit. Hab ich doch gestern schon versprochen.« Ich lächelte Rogers Vorsicht einfach weg. Ich hatte sicher gleich ganz andere Probleme als Tobys Androhung, dass er am Abend gerne darüber reden würde, dass ich in der Nacht wieder unruhig geschlafen hatte. Der Albtraum war nur halb so wild gewesen.
Roger lächelte begeistert. »Das ...«
»Ach sieh an, wen haben wir denn da? Lässt du dir heute mal zum Abschluss nicht den Hintern durchkneten?«
Roger wollte etwas erwidern, doch ich hielt ihn auf. Ich hatte damit gerechnet, dass es Kommentare geben würde. Immerhin hatte ich über ein Jahr lang die Umkleide gemieden und mich bei Toby umgezogen und dort geduscht. Allein hatte ich mich eben doch nicht zu den anderen Männern getraut. Mit Roger zusammen würde es hoffentlich gehen.
»Was wolltest du sagen?«, fragte ich an Roger gewandt. Ich wollte das durchziehen und mich nicht um die anderen scheren.
»Ich wollte sagen, dass ich mich darüber freue, dass du mitkommst.«
»Ach, so ist das. Du lässt dich gleich von beiden flachlegen«, stänkerte ein zweiter Mann.
Ich versuchte, auch ihn zu ignorieren, während er mit seinem Kumpel gemeinsam über ihre ach so witzigen Aussagen lachte, und zog mich zügig aus. Da ich nicht länger als nötig nackt rumstehen wollte, schnappte ich mir mein Duschzeug und verzog mich in die Dusche. Roger folgte auf den Fuß.
Sobald wir die Dusche betraten, wurde ich doch nervös. Ganz automatisch stoppte ich.
Roger legte mir eine Hand auf die Schulter. »Komm mit.«
Er dirigierte mich zu einer Dusche am Ende des Raumes und stellte sich selbst unter die daneben. Dankbar nickte ich ihm zu. So hatte ich auf zwei Seiten eine Wand und ihn auf der dritten. Nur eine Richtung war also frei und die behielt ich ihm Blick.
Dennoch wich meine Nervosität nicht. Auf die gegenüberliegende Seite hatten sich die beiden Herren aus der Umkleide gestellt. Ich konnte zwar nicht hören, was sie sich zuflüsterten, doch ich konnte sehen, dass sie immer wieder anzüglich grinsten und mich und Roger anstarrten.
»Dreh dich um«, flüsterte Roger mir zu und riss mich damit aus meiner Starre. Verwundert sah ich ihn an. »Sie machen dich nervös. Dreh dich um. Keine Sorge, ich pass auf dich auf.«
Gequält seufzte ich. Roger hatte recht. Seitdem diese Arschlöcher in die Dusche gekommen waren, war ich kein Stück weitergekommen. Also drehte ich mich mit dem Gesicht zur Wand und versuchte die anzüglichen Blicke zu ignorieren, die sich in meinen Rücken – oder eher in meinen Arsch – bohrten.
Trotz allem schaffte ich es dann doch noch, fertig zu werden. Ich trocknete mich ab und schlüpfte noch halbnass in meine Klamotten. Erst als ich angezogen war, konnte ich wieder entspannt aufatmen.
Roger lächelte mir zu, zog sein Shirt über und packte dann seine Sachen in die Tasche. »Wollen wir nächste Woche wieder zusammen trainieren?«
»Ja, gern.« Dankbar lächelte ich zurück und wuchtete meine Tasche über die Schulter.
»Hey, da seid ihr ja. Ist alles glattgegangen?«, fragte Toby, als wir bei ihm und June im Vorraum ankamen.
Ich lächelte ihn an und nickte. Roger war anzumerken, dass er gern etwas gesagt hätte, doch zum Glück schwieg er. Ich hatte keine Lust, mir demnächst noch mehr Kommentare anzuhören. Es war allgemein bekannt, dass ich mit dem Chef und seinem Partner befreundet war, das gab schon häufig genug schiefe Blicke, vor allem da sie mittlerweile offen damit umgingen, dass sie eine offene Beziehung führten. Nun hatte zwar Roger weniger damit zu kämpfen, dass viele auf ihn eifersüchtig waren, dafür wurde jeder schief angesehen, der zu gut mit ihnen auskam.
Wir verabschiedeten uns von June, dann machten wir uns auf den Weg. Draußen neckte mich Toby: »Schön. Dann hab ich die Trainerdusche jetzt endlich wieder für mich allein?«
»Mal sehen. Nur, wenn du mir auch weiterhin Roger als Duschpartner ausleihst.«
»Och sicher, dann bekommt er auch mal seinen faulen Arsch hoch.« Toby grinste seinen Freund an.
»Hey! Ich bin nicht faul!«
»Oh doch. Eigentlich hätte ich euch beide noch viel härter rannehmen müssen bei der Fressorgie, die ihr gestern veranstaltet habt.«
Ich zog unbewusst den Kopf ein bisschen ein. Toby hatte offensichtlich mitbekommen, dass Roger und ich es uns am Vortag sehr gut hatten gehen lassen und uns daher beim Training gleich noch mehr gescheucht.
»Der Kleine kann’s ja vertragen, aber du solltest eigentlich wissen ...«
»Hör auf zu meckern«, fiel Roger ihm leicht angesäuert ins Wort. »Wir werden ja wohl mal ein wenig Spaß haben dürfen. Dich zwingt keiner, das mitzuessen.«
»Ich will doch nur nicht, dass du ...«
»Jaja, ich weiß, dass du neidisch bist, weil du es dir selbst nicht erlauben willst. Komm mal wieder runter. Wir haben uns immerhin nicht hingesetzt und uns das vor dir reingeschaufelt.« Roger wirkte wirklich genervt.
Ich versuchte, das Ganze nicht zu nah an mich heranzulassen. Eigentlich wusste ich ja, dass das kein wirkliches Streiten war und durchaus ein alltägliches Thema. Dennoch fühlte ich mich immer ein wenig dafür verantwortlich, wenn sie wegen etwas stritten, in das ich involviert war.
Mit einem ebenfalls genervten Seufzen gab Toby auf. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, weiter zu diskutieren, er und Roger konnten sich in der Hinsicht einfach nicht einigen. Das ging sogar so weit, dass Roger auch schon mal aus Trotz zwei verschiedene Sorten Pancakes gebacken hatte – normale für ihn und mich, irgendwelche extra-gesunden mit Hafer für Toby. Ich konnte es nachvollziehen, die mit Hafer waren zum Kotzen. Dass Roger sie jedoch absichtlich ein wenig zu lange in der Pfanne gelassen hatte, fand ich dann doch übertrieben.
»Was gibt’s denn heute?«, versuchte ich ein wenig unbeholfen, die Wogen zu glätten. Ich wusste, dass Tobys Wahn Roger zwar ab und zu nervte, aber er eigentlich immer versuchte, einen Kompromiss zu finden. Und nach der Aktion gestern, würde es heute sicher etwas geben, dass nach Tobys Geschmack war.
»Ich dachte an eine Reispfanne«, wandte Roger sich halb fragend an Toby.
Dieser lächelte nun auch wieder. »Klingt gut.«