Während wir zusammen Musik hörten, streichelte Toby immer wieder über die Decke. Und als hätte er geahnt, dass ich mir vorstellte, wie schön es wäre, seine Hand wirklich auf meiner Haut zu spüren, schob er sie nach einer Weile vorsichtig darunter. Mit demselben versichernden Blick, den er immer draufhatte, wenn er sichergehen wollte, dass das, was er tat, für mich in Ordnung war, musterte er mich. Doch im Moment war es das, auch wenn mich das selbst überraschte.
»Willst du dich eigentlich immer noch an die Anwesenheit von schwulen Männern gewöhnen?«, fragte er, als seine Finger hauchzart über meine Bauchdecke wanderten.
Ich hatte das Gefühl, er wollte mich ablenken. Ob nun mit dem Gespräch von den Fingern an meiner Haut oder mit den Fingern von dem Gespräch, war ich nicht sicher. Immerhin konnte beides unangenehm werden. Doch gerade war alles gut.
Ich nickte und zuckte mit den Schultern. »Aber ich weiß nicht wie. Vermutlich hast du recht und so eine Party ist keine gute Idee.«
»Warum kommst du dann nicht einfach wieder zum Training? Es hat dir doch früher Spaß gemacht und könnte dir guttun. Und wenn dir das allein zu unsicher ist, kannst du dich mit Roger absprechen oder dann kommen, wenn ich Dienst hab.«
Überrascht stellt ich fest, dass die Idee gar nicht so schlecht war, immerhin gab es wirklich viele Schwule dort, weil sie in Tobys Studio keine Angst haben mussten, dass sie jemand anging. Die Sache hatte nur einen Haken: »Ich hab leider kein Geld dafür.«
»Aber du würdest gern wieder trainieren?« Tobys Fingerspitzen fuhren in trägen, kreisenden Bewegungen über meinen Bauch und die Flanken.
Genüsslich schloss ich die Augen und nickte. »Schon. Aber das geht wirklich nicht.«
»Und wenn du nichts bezahlen müsstest?«, fragte er in halb neckendem, halb ernstem Tonfall.
Eigentlich wollte ich auffahren, aber dann hätte er die Hand weggenommen. Also öffnete ich nur die Augen wieder und erwiderte in einem schärferen Ton: »Toby, das geht nicht!«
»Warum nicht? Ich glaub wirklich, dass es dir guttun würde.«
»Ich kann das aber nicht annehmen!«, beharrte ich. Es war ja nett gemeint von ihm, aber das ging zu weit. Das war nun mal kein Pappenstiel. Außerdem: Wie würde das denn aussehen, wenn jemand das mitbekam?
»Wieso? Wo ist das Problem? Hast du Angst, ich will dich damit kaufen?« Tobys Hand verkrampfte etwas, als er das ausstieß.
Schnell schüttelte ich den Kopf. »Nein. Ich will nur nicht, dass es Gerede gibt.«
»Keine Sorge, das erfährt schon keiner. Bis auf June, weil sie den Zahlungseingang mit im Blick hat. Aber sie wird nichts davon erzählen«, versuchte er, mich zu beruhigen.
Doch so ganz überzeugt war ich noch nicht. Hilfesuchend sah ich zu Roger. Dieser hatte den Blick sorgenvoll auf seinen Freund gerichtet und schien unserem Gespräch zu folgen, während er den Tisch deckte. Als er jedoch bemerkte, dass ich ihn ansah, erwiderte er meinen Blick, lächelte und zwinkerte mir zu, dann wandte er sich ab.
Was war das denn gewesen?
Doch ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn Toby hakte noch immer nach: »Ich will dir einfach nur etwas Gutes tun. Ich erwarte dafür auch keine Gegenleistung. Und wenn du doch eine geben willst, dann komm einfach einmal in der Woche zum Training, damit ich weiß, dass es dir gut geht.«
»Du willst also nur ein Auge auf mich haben?« Skeptisch verdrehte ich den Kopf, um ihn ansehen zu können.
Er zuckte mit den Schultern. »Ist das denn verwunderlich, nachdem du einfach verschwunden bist?«
Ich drehte mich zurück und ließ mich wieder gegen ihn sinken. »Nein. Aber sobald ich kann, bezahl ich selbst.«
»Ist gut.« Ich hörte deutlich, dass er sich freute, und spürte, dass er sich wieder entspannte.
Seine Hand hatte sich mittlerweile flach auf meinen Bauch gelegt und streichelte mich so weiter. Ich schloss erneut die Augen und genoss es, solange es ging. Wer konnte schon sagen, wann die Angst wieder die Kontrolle übernahm. Im Moment lauerte sie irgendwo im Hintergrund und wartete nur auf den richtigen Augenblick, um zuzuschlagen.
Nach einer Weile fuhr Tobys Hand an meiner Seite weiter nach oben. Automatisch hielt ich die Luft an und kniff die Augen fester zusammen. Nein, ich würde jetzt nicht panisch werden! Ich musste ihm nur sagen, dass er das lassen sollte. Wenn er nicht sowieso bemerkte, dass ich mich verkrampfte, denn nachdem er einmal über meine Rippen gefahren war, gab er einen überraschten Laut von sich und fuhr dann mit der Hand die Seite hinab.
Ich entspannte mich wieder, nur um mich im nächsten Moment noch mehr zu verkrampfen. Er hatte die Hand nicht auf meinem Bauch gelassen, sondern wanderte gerade weiter hinunter und war mit den Fingerspitzen bereits am Bund meiner Shorts angelangt, wo er sie leicht drunter schob.
Ich wollte aufspringen, doch er hielt mich mit dem zweiten Arm an Ort und Stelle. »Ich tu dir nichts, ich will nur was schauen.«
»Lass mich los!«, fuhr ich ihn an, doch er hörte nicht, sondern schob die Hand unter den Bund.
Ich kniff die Augen noch fester zusammen. Er sollte die Hand da wegnehmen! Ich wusste, was er suchte und dass er es finden würde. Doch das machte es nicht besser. Das war mehr als nur zu viel. Ich begann mich zu winden.
Tatsächlich wanderte seine Hand nur kurz über meinen Hüftknochen, dann zog er sie ganz unter der Decke hervor. Ich schlang sie fest um mich und rutschte weg.
Toby seufzte frustriert. »Isaac, sag mir bitte, dass du wenigstens vernünftig isst.«
»Ja«, motzte ich. Er sollte mich in Ruhe lassen, das ging ihn gar nichts an! Zumindest hielt sich mein Zittern in Grenzen, sodass es auch wirklich nach Motzen klang.
Streng sah er zu mir. »Warum glaube ich dir das nicht?«
»Weil du mir doch eh nie was glaubst!«
»Isaac!«, ermahnte mich Roger aus der Küche, da ich lauter geworden war.
»Ist doch wahr!«, motzte ich weiter, zog einmal am Kabel der Kopfhörer und rollte sie dann zusammen. »Es ist doch eh egal, was ich sage, du willst mir gar nicht glauben.«
»Ich würde dir ja gerne glauben, aber nicht mit dem Tonfall. Isaac, das ist nicht gesund. Man kann jede einzelne Rippe und die Beckenknochen spüren. Von deinen Schlüsselbeinen will ich gar nicht erst anfangen! Verstehst du denn nicht, dass ich mir Sorgen mache?«
»Doch! Genau wie Lance und jeder andere auch.« Ich zog die Decke auf meinen Rücken und stand damit auf. »Ich hab aber keine Lust, dass sich ständig alle um mich Sorgen machen! Ich kann gut auf mich selbst aufpassen.«
Mit der Decke um mich geschlungen verließ ich das Wohnzimmer und verschwand ins Bad, wobei ich sie im Schlafzimmer auf das Bett warf.
Während ich duschte und die Zähne putzte, beruhigte ich mich langsam. Nachdem ich die Zahnpasta ausgespuckt hatte, betrachtete ich mein Gesicht im Spiegel. Tiefe Augenringe hatten sich gebildet und ich sah blass aus, die Wangen waren leicht eingefallen. Ich hatte mich mittlerweile an den Anblick gewöhnt. Daher verbrachte ich auch gar nicht viel Zeit damit. Ich hatte nichts hier, um das mit Schminke zu überdecken, doch das war jetzt auch schon egal.
Als ich mich auf den Weg zurück ins Wohnzimmer machte, blieb mein Blick erneut an einem Spiegel hängen. Diesmal an dem großen, der am Schlafzimmerschrank angebracht war. Toby hatte recht, meine Schlüsselbeine waren deutlich zu sehen, der Rippenbogen stach leicht hervor und wenn ich die Shorts etwas nach unten zog, waren die Hüftknochen zu sehen. Auch die Ellenbogen zeichneten sich langsam an den Armen ab. Ich war schon immer dünn gewesen, baute nur schwer Muskelmasse oder Fettpolster auf, aber das war selbst für mich ein neuer Tiefpunkt. Doch ich hatte einfach keinen Appetit. Selbst die eine Pflichtmahlzeit, die ich mir am Tag auferlegte, würgte ich eher lustlos herunter.
Die Decke ließ ich im Schlafzimmer, ich würde so oder so nicht um die Diskussion herumkommen, dann konnten sie auch sehen, wie schlimm es wirklich war.
Toby und Roger saßen bereits am gedeckten Tisch. Sie unterhielten sich über irgendwelche Pflanzen, die Roger über den Winter im Schuppen unterbringen wollte. Wieder einmal merkte ich, wie anders ihr Leben hier im Vergleich zu dem in Boston war. Oder hatte ich das damals einfach nur nicht mitbekommen, weil ich zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen war?
Ich ging zu meinen Sachen und wollte mich eigentlich anziehen, doch als mein Blick auf die Hose fiel, die ich gestern gewählt hatte, verging mir die Lust. Trotz meiner Statur würde ich mich da reinquetschen müssen. Ich hatte keine Lust auf ein unbequemes Frühstück, das würde es mir nur noch mehr verderben und eigentlich hatte ich doch sogar Hunger gehabt. Also zog ich nur mein Shirt über und ging dann zu ihnen. »Habt ihr vielleicht eine Hose für mich, die ich überziehen kann?«
Roger sah mich einen Moment an, dann begann er lauthals zu lachen. Sowohl Toby als auch ich warteten verwundert, bis er fertig war. »Sorry, aber ich musste mir den Kleinen grad in einer Hose von dir vorstellen.«
Auch über Tobys Gesicht huschte ein amüsierter Ausdruck, dann zuckte er die Schultern. »Die würde er doch sowieso gleich wieder verlieren. Da hilft auch kein Gürtel.«
Ich seufzte. »Sorry, dass ich dich so angefahren hab. Ich weiß, dass ich zu dünn bin. Ich kann es nur nicht ändern.«
»Schon gut, ich hätte dir glauben sollen, dass du es versuchst.« Toby lächelte mich sanft an. »Ich bin einfach nur erschrocken, wie dünn du geworden bist.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Kein Hunger.«
»Mhm. Ich denke, dir zu sagen, dass du trotzdem Essen musst, bringt dich auch nicht weiter ... Na komm, wir schauen mal, ob wir was Bequemeres für dich finden.« Toby stand auf und wollte mit mir das Zimmer verlassen.
»Der Kurze von letztens hat doch seine Pyjamahose vergessen, die könnte passen«, bemerkte Roger.
Sein Freund sah ihn kurz an, schien zu überlegen, dann ließ er seinen Blick über mich schweifen. »Hast recht. Wäre das okay für dich?«
Ich zuckte mit den Schultern und nickte. Besser als nur in Unterhose herumzulaufen wäre es auf jeden Fall.
»Dann geh ich die eben holen, du kannst dich ja schon mal hinsetzen.«
Hatte ich nicht gerade noch mitkommen sollen? Na, mir sollte es egal sein, dann blieb ich eben bei Roger. Ich setzte mich zu ihm an den Esstisch und besah mir, was sie s aufgetischt hatten. Wie immer konnte man meinen, sie erwarteten noch weiteren Besuch. Schade, dass ich vermutlich nicht viel herunterbekommen würde. Zumindest nicht nach gerade eben.
Nachdem ich den Blick einmal hatte schweifen lassen, hob ich ihn wieder und begegnete dem von Roger. Ihm war deutlich anzusehen, dass er etwas sagen wollte.
»Nein, spar’s dir einfach, okay?« Ich mochte Roger wirklich, aber gerade hatte ich keine Lust auf seine Moralpredigten. Immer wenn er mich so ansah, dann meinte er, mir den Kopf geraderücken zu müssen. Das hatte er schon früher immer wieder getan, wenn irgendetwas zwischen Toby und mir vorgefallen war und auch am Vorabend hatte er mich genau so angesehen, bevor er mir sagte, dass ich seinem Freund wehtat. »Ich weiß, dass ich ihn nicht so anfahren sollte. Aber ich hab einfach keine Lust mehr, mir ständig anzuhören, wie viele Sorgen sich doch angeblich jeder um mich macht. Das bringt mir auch nichts. Ich muss das selbst auf die Reihe bekommen, das kann niemand anderes für mich tun. Ich arbeite daran, aber das klappt nicht von heute auf morgen.«
»Mehr wollte ich auch gar nicht von dir hören.« Auf Rogers Gesicht schlich sich ein Lächeln, das sowohl amüsiert als auch verständnisvoll war. »Sag nur Bescheid, wenn du doch irgendwo Hilfe brauchst.«
»Na ja, also wenn ich so einen guten Koch zu Hause hätte ...« Wie, um die nicht vollständig ausgesprochene Aussage zu bestätigen, knurrte mein Magen. Scheinbar hatte sich mein Körper entschlossen, doch mal eine Ausnahme zu machen und etwas mehr Nahrung aufnehmen zu wollen.
Roger schüttelte lachend den Kopf. »Gut, dass ich nicht versprochen hab, dass du auch alles bekommst. Ich glaub, dabei könntest du Schwierigkeiten mit Toby bekommen.«
»Schade, es war einen Versuch wert.« Ich grinste ihn an.
»Andererseits, vielleicht bezahlst du ja besser als er?« Selbst wenn Roger nicht mit den Augenbrauen gewackelt hätte, wäre mir klar gewesen, welche Bezahlung er meinte.
Ich war gerade dabei, verlegen wegzusehen, da mir das unangenehm war, selbst wenn es scherzhaft gemeint war, da fiel mir doch eine passende Erwiderung ein. Leicht lächelte ich, als ich an den frühen Morgen dachte. »Ich glaub, diese spezielle Art der Bezahlung kann nur Toby ableisten.«
Roger schien einen Moment nachzudenken, dann lächelte er sanft. Viel ernster und nachdenklicher als ich es erwartet hatte, antwortete er: »Ja, vermutlich hast du recht.«
Verwundert sah ich ihn an. Irgendwie war er heute Morgen komisch drauf. Diese Reaktion war genauso merkwürdig wie der besorgte Blick, mit dem er Toby vorhin betrachtet hatte. Auf seltsame Art und Weise fühlte ich mich dafür verantwortlich, auch wenn ich nicht wirklich sagen konnte, warum.
Eine Weile herrschte unangenehmes Schweigen, bis die Wohnungstür ins Schloss fiel – Warum war Toby draußen gewesen? – und eben jener wieder ins Esszimmer trat. Er hatte eine braungestreifte Schlafanzughose dabei, die er mir reichte. »Ich hoffe, die passt halbwegs.«
Ich bedankte mich und zog die Hose über. Sie war deutlich zu weit und zu lang, aber Ersteres ließ sich mit den Bändern gut beheben und letztes, indem ich die Beine etwas umschlug. Gerade war es mir herzlich egal, ob ich gut aussah. Ich wollte es einfach nur bequem haben.
Ich setzte mich zurück an den Tisch und bediente mich.
»Der Kleine wollte mich übrigens gerade als persönlichen Koch abwerben. Kannst du dir das vorstellen?« Zum Glück hatte Roger wieder einen scherzhaften Ton angeschlagen, sodass kein Zweifel bestand, dass es ein Witz gewesen war.
»Wie? Werd ich gar nicht mehr gefragt?«, erwiderte Toby und versuchte mich mahnend anzusehen.
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, ich frag ihn erst mal, ob er überhaupt will. Aber ich fürchte, meine Bezahlung ist nicht gut genug.«
»Na, das will ich doch wohl meinen.« Diesmal sah er seinen Freund tadelnd an und zwickte ihn in die Seite. »Wie kommst du überhaupt dazu? Willst du mir etwa untreu werden?«
Vielleicht hätte es merkwürdig sein sollen, wenn gerade sie über Treue sprachen, wo doch scheinbar eine ihrer Liebschaften seine Klamotten hier vergessen hatte, doch ich war mir sicher, dass sie sich treu waren – nur eben auf ihre eigene Art.
Roger lehnte sich zu ihm und gab ihm einen leichten Kuss. »Ich hab ihm nur angeboten, ihm zu helfen, wenn er Hilfe braucht.«
Als Toby fragend zu mir herübersah, deutete ich auf meinen ehemals gut gefüllten Teller, der mittlerweile zur Hälfte leer war. »Na ja, wenn Roger kocht, kann ich einfach nicht Nein sagen.«
»Ach, wenn das so ist: Du kannst jederzeit herkommen. Was hältst du davon, wenn du einmal die Woche nach dem Training mitkommst?«
»Ich ...« Unsicher sah ich auf meinen Teller. Das wurde mir gerade zu viel. Ja, sie wollten mir helfen, aber ich hatte doch noch nicht einmal zugesagt, dass ich zum Training kam. Und jetzt sollte ich ein Mal die Woche zu ihnen? Ich wusste nicht, ob ich das alles konnte.
Toby schien meine Gedanken zu lesen. Er streckte die Hand nach meinem Arm aus, doch ich zog ihn zurück. Kurz warf es ihn das aus der Bahn, doch schon einen Augenblick später hatte er sich wieder gefasst. »Überleg es dir. Du hast meine Nummer. Wenn du zum Training kommen willst oder hierher, dann schreib mir oder ruf an.«
»Mach ich.« Das war gut, das würde mir Zeit verschaffen, darüber nachzudenken. Oder nur eines anzunehmen. Im Moment wusste ich nicht einmal, wie lange ich es noch bei ihnen aushielt. Gerade drängten immer mehr unschöne Gedanken an die Oberfläche.
»Werd ich eigentlich auch noch gefragt?«, fragte Roger mit einem Augenzwinkern.
»Nein«, antwortete Toby betont ernst. Als Roger seine Wangen aufplusterte, beruhigte er ihn: »Ich weiß doch, dass du dich auch freust, wenn unser Kleiner vorbeikommt.«
»Euer Kleiner?« Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch. Ich hatte ja gar nicht gewusst, dass ich ihnen gehörte.
»Na ja, zumindest bist du unser einziger Kleiner.« Roger grinste mich an und wollte mir durch die Haare wuscheln, wurde jedoch von Toby abgehalten, da dieser schneller realisierte, dass ich den Kopf wegzog.
Doch ich wollte mir nicht mehr als nötig davon anmerken lassen, dass ich mich langsam unwohl fühlte, also scherzte ich mit: »Oh, muss ich mich jetzt geschmeichelt fühlen, dass ich meinen ganz persönlichen Spitznamen hab?«
»Vielleicht solltest du das, immerhin haben wir dir den ein paar Jahre reserviert.« Auch wenn ich wusste, dass Toby es nur scherzhaft meinte, verursachte mir das sofort ein schlechtes Gewissen. Dabei war ich sicher, dass sie mir nicht böse waren. Sie verhielten sich immerhin noch genauso wie früher. Wären sie böse, hätten sie das gezeigt.
Daher riss ich mich zusammen und antwortete mit einem leicht schiefen Grinsen: »Vielleicht wäre ich das ja sogar, wenn er schmeichelhafter wäre.«
»Höre ich da etwa eine Beschwerde raus?«
Noch immer grinsend nickte ich.
Toby schüttelte den Kopf. »Ganz schön aufmüpfig heute Morgen. Vielleicht kannst du dir ja einen schmeichelhafteren verdienen, indem du lieb bist?«
»Tse, immer diese leeren Versprechungen. Ich bekomm doch sowieso keinen anderen.« Da war ich mir sehr sicher. Sie und ich hatten uns so daran gewöhnt, dass es sogar komisch wäre, wenn sie mich anders nannten.
»Wenn du es nicht versuchst, wirst du es nie erfahren«, versprach Toby und jagte mir damit einen Schauer über den Rücken. Die Stimme machte deutlich, dass er noch viel mehr versprach.
Ohne wirklich darüber nachzudenken, fuhr ich mit der Zunge über meine Lippen. Der Kerl war einfach der Hammer. Nein, falsch. Diese Kerle waren der Hammer. Für mich nahmen sie sich beide nicht viel. Am liebsten hätte ich ihnen diese Dinge sofort heimgezahlt. Doch noch musste ich warten. Und Rache servierte man ja bekanntlich sowieso am besten eiskalt.
Und so hatte ich ein Ziel vor Augen, auf das ich hinarbeiten konnte. Ich wollte ihnen beweisen, dass ich nicht mehr der kleine Junge war, den sie vor fünf Jahren kennengelernt hatten.
»Wir wollten leben, lieben, frei sein
Jetzt sind wir zu zweit allein
Wir wollten leben, lieben, frei sein
Wo haben wir uns verloren?«
Schandmaul – Zu Zweit Allein