Es hätte so ein schöner und ruhiger Morgen werden können. Sokka und Zuko waren mit Suki und dem Vater der Wasserstammgeschwister vom brodelnden Felsen zurückgekehrt. Einen fremden Kerl hatten sie auch mitgebracht, scheinbar hatte er ihnen bei dem Ausbruch geholfen. Alles war perfekt und alle hätten zufrieden sein können. Stattdessen erwachte En-Die, als der gesamte Lufttempel zu beben begann. Blitzschnell ließ der Schatten sich von seiner Kopfüber-Position fallen und landete sicher neben seinen Freunden auf dem Boden. Keine Sekunde zu früh, denn im nächsten Moment wurden auch schon Luftschiffe der Feuernation sichtbar, die die Nebelwand, die den Lufttempel an diesem Morgen umgab, durchbrachen. Azula stand auf dem Vordersten der Luftschiffe und grinste diabolisch, als sie Team Avatar entdeckte. Sie feuerte einen Flammenstoß auf sie ab, der den Tempel zum Einstürzen brachte. Zuko stieß Katara gerade noch rechtzeitig zur Seite und bewahrte sie damit von einem der herunterfallenden Brocken. "Toph, wir müssen hier auf der Stelle verschwinden!", rief En-Die und das Mädchen nickte. Gemeinsam mit Haru bändigte sie einen Tunnel frei, den sie zuvor bereits für den Fall eines Notfalls angelegt hatten. "Ich halte sie so lange wie möglich auf, bringt alle hier weg!", rief Zuko, dann lief er los, um sich seiner Schwester zu stellen. "Wird er das schaffen?", fragte Sokka. En-Die blickte dem Feuerprinzen nach, als er auf das erste Luftschiff sprang. "Ich denke schon", meinte er dann. Die beiden Geschwister lieferten sich ein erbittertes Feuergefecht, bis Zuko schließlich vom dem Luftschiff gestoßen wurde. "Aber ich habe mich schon früher geirrt. Verweilen wir lieber nicht zu lange." Der Schatten eilte an Aangs Seite, der Appa gerade vergeblich dazu bewegen wollte, den Tunnel zu betreten. "Es ist sinnlos, Appa hasst Tunnel!", rief der Luftbändiger. "Das reicht! Hakoda, bring die anderen hier raus!", wies Leila den Wasserstammanführer an. "Aang, Katara, Sokka, Suki, Toph, auf Appa! Wir fliegen hier raus!" Hakoda umarmte seine Kinder noch ein letztes Mal, dann packte er En-Die am Arm. "Versprich mir, dass du sie beschützen wirst!", verlangte er. Die violetten Augen des Schattens flackerten kurz, als wäre er sich unsicher, ob er das Versprechen wirklich geben konnte, dann antwortete er bloß: "Ich werde mein Bestes geben." Damit kletterten sie alle auf den Luftbison und Toph bändigte einen Erdwall vor Appas Kopf, der sie vor den ankommenden Attacken der Feuerbändiger schützte, als sie die Luftschiffe passierten. Sie hatten die Blockade gerade durchbrochen, da sahen sie, wie Zuko die Wolkendecke auf einem der Luftschiffe durchbrach und Azula erneut angriff. Die beiden beschossen sich gegenseitig mit Flammen, bis sich ihre Bändigungskünste in eine gigantische Explosion vermischten, die beide von dem Luftschiff fegte. Zuko wurde von Katara im freien Fall aufgefangen und in Appas Sattel gezogen, während Azula weiterfiel. "Glaubt ihr, sie wird es schaffen?", fragte der Feuerbändiger und alle blickten gebannt auf die Prinzessin. Diese zog einen Dolch und schlug ihn in das Metall des Luftschiffes, bis sie ihren Sturz gebremst hatte. Zuko seufzte. "Natürlich hat sie’s geschafft."
An diesem Abend schlugen sie ihr Lager auf einer kleinen Insel auf. Als sie alle um das Lagerfeuer herumsaßen, hob Sokka feierlich sein Glas, um auf Zuko anzustoßen. "Wer hätte gedacht, dass er nach all den Malen, wo er uns abfackeln wollte, schließlich das Leben rettet!", lachte der junge Wasserstammkrieger. "Hört, hört!", lachten die anderen alle. Nun ja…fast alle. Katara lachte nicht. Genau genommen war sie schon seit ihrer Ankunft nicht gerade bester Stimmung. "Ich bin sprachlos. Soviel Lob verdiene ich nicht", meinte Zuko bescheiden. "Was du nicht sagst", murmelte die Wasserbändigerin und verließ den Kreis des Lagerfeuers. "Was hat sie denn?", fragte Sokka verwirrt. "Ich wünschte, das wüsste ich", meinte der Feuerprinz und folgte ihr. "Und was ist mit ihm?", setzte Sokka seine Frage fort. En-Die seufzte. "Alte Wunden verheilen nur sehr schwer", antwortete er kryptisch. "Niemand weiß das besser als ich."
Zuko hatte Katara inzwischen am Rand einer Klippe gefunden, wo sie auf das Meer hinaussah. "Es ist nicht fair. Alle anderen vertrauen mir jetzt, warum du nicht?", stellte er sie zur Rede. "Oh, alle anderen vertrauen dir?", fragte sie ihn spöttisch. "Vielleicht hast du ja vergessen, dass ich dir zuallererst vertraut habe! Damals unter BaSingSe! Und du hast dich einfach weggedreht!" Zuko atmete tief durch. Er wusste, dass sie teilweise allen Grund hatte, ihm zu misstrauen, also entschloss er sich, ihr nicht zu widersprechen. "Was kann ich tun, um dein Vertrauen zu gewinnen?", fragte er sie dann. "Oh, ich weiß nicht! Vielleicht kannst du BaSingSe im Namen des Erdkönigs wieder zurückerobern! Oder noch besser, du gibst mir meine Mutter zurück!", entlud Katara ihre Emotionen und Tränen der Wut stiegen in ihren Augen auf. Doch vor Zuko wollte sie nicht weinen, also ließ sie den Jungen allein am Klippenrand zurück.
"Du verlangst das Unmögliche", meinte die dunkle Gestalt des letzten Schattens. Katara, die inzwischen auf der anderen Seite der Insel angekommen war, drehte sich nicht mal zu ihm um. "Haben wir nicht vor Kurzem erst beredet, dass du nicht alle Feuerbändiger in einen Topf schmeißen sollst?" Die Wasserbändigerin schwieg weiter, so dass En-Die einen leicht genervten Seufzer ausstieß. "Hör zu, Katara, ich möchte nur, dass du nachdenkst. Tu das, was Nachdenken ist. Es ist nichts weiter als ein anderes Wort für ‚seine Meinung ändern‘." Da fuhr das Mädchen herum und sah ihn grimmig an. "Ich werde meine Meinung nicht ändern!", meinte sie bestimmt. "Dann wirst du dumm sterben", antwortete ihr Freund ihr plump. "Und es wird niemand anders schuld sein, als du selbst."
"Was genau erwartest du, wird geschehen, wenn du diesen Mann findest?", fragte Aang nochmal nach, nachdem die Wasserbändigerin ihm nicht geantwortet hatte. Zuko hatte am vorigen Abend noch mit Sokka über seine und Kataras Mutter gesprochen und so erfahren, was geschehen war. Nun hatte er Katara mitgeteilt, dass er wüsste, wo sich der Mörder ihrer Mutter befand und das Mädchen war sofort Feuer und Flamme gewesen, dorthin aufzubrechen, obwohl Aang und Sokka ganz klar dagegen waren, als sich die Wasserbändigerin und der Feuerbändiger Appa ausleihen wollten. "Ich wusste, dass ihr es nicht verstehen würdet", murmelte sie enttäuscht. "Fang gar nicht erst so an! Natürlich verstehe ich dich. Du fühlst denselben Zorn wie ich, als Appa verschwunden war, oder als ich herausfand, dass alle Luftbändiger fort sind", widersprach Aang ihr energisch. "Katara muss das tun, um mit der Sache abzuschließen", schlug sich Zuko nun auf ihre Seite, doch der Avatar schüttelte bloß den Kopf. „Ich glaube nicht, dass es nur darum geht. Ich glaube sie möchte sich rächen", murmelte der junge Mönch. "Und was, wenn es so wäre?", fragte Katara ihn mit fester Stimme. "Was du wirklich tun solltest, ist zu vergeben", widersprach er. "Das ist dasselbe, als würde man gar nichts tun!", rief der Feuerprinz genervt. "Nein das stimmt nicht. Es ist leicht nichts zu tun. Aber es ist ziemlich schwer zu vergeben", versuchte der Luftbändiger noch einmal zu ihnen durchzudringen. Doch Katara ließ sich nicht überreden. "Es ist nicht nur schwer, es ist unmöglich", murmelte sie wütend. Sokka sah seine Schwester verzweifelt an. Ein Blick, der für den Jungen sonst eigentlich eher selten war. "Katara, ich vermisse unsere Mutter auch, aber ich denke, dass Aang diesmal recht hat", meinte er, woraufhin sie ihn mit einem scharfen Blick musterte. "Dann hast du sie nicht so sehr geliebt wie ich", beschuldigte sie ihn. "Katara", flüsterte ihr Bruder entsetzt. "Das reicht!", mischte sich En-Die da ein. Der Schatten, der bis jetzt nur zugehört hatte, kam zu den vier Teenagern. "Dein Hass lässt dich nicht klar denken und sehen, Katara, Tochter von Hakoda und Kya!" Das Mädchen zuckte leicht zusammen, als er den Namen ihrer Mutter aussprach. "Dass du es wagst, solche Worte gegenüber deinem Bruder zu äußern! Du widerst mich an!" Suki, Leila und Toph waren inzwischen ebenfalls auf die Diskussion aufmerksam geworden und alle sahen das alte Wesen überrascht an. Sie waren es gewohnt, dass er manchmal härtere Worte in den Mund nahm, doch mit so einer Standpauke hatten sie wahrlich nicht gerechnet. En-Die beugte sich inzwischen zu Katara herunter, bis seine violetten Augen ihre blauen trafen. "Geh nur! Finde diesen Mann, wenn du es unbedingt tun musst! Konfrontiere ihn! Ich werde dich nicht länger aufhalten!" Der Mantel des Schattens flatterte im Wind, als er sich umdrehte und davonschritt. Und diesmal war klar zu erkennen, dass er mit seiner Geduld am Ende war. Aang seufzte. "Schön, dann nehmt Appa. Aber eines musst du mir versprechen. Wenn du diesem Mann begegnest, dann sei ruhig sauer. Sei wütend und lass all deinen Frust raus. Aber dann lass es los. Lass es gehen." Katara jedoch erwiderte nichts, da sie nicht wusste, ob sie das tatsächlich versprechen konnte.
So brachen sie schließlich auf, ungewiss, was sie erwarten würde. "Warum hast du die beiden ziehen lassen?", fragte Toph den Schatten, der mit ihr auf einer Klippe stand und Appa hinterher sah. "Es war die einzige Möglichkeit", antwortete er ihr, worauf die Erdbändigerin verwirrt die Stirn runzelte. "Es war ein Fehler, sie aufhalten zu wollen. Ich habe erkannt, dass Katara diesen Mann treffen muss, um weiterzukommen." "Und warum warst du dann so sauer?", hakte das Mädchen nach. "Ach weißt du, ich gebe es nicht gerne zu, wenn ich mich irre." Sie sah ihn kurz ungläubig mit ihren blinden Augen an, doch dann brach sie in schallendes Gelächter aus. "Der große Schatten schmollt!", prustete sie und ihr Freund rollte genervt mit den Augen. "Jaja, lach nur", murmelte er. Doch insgeheim hatte er nichts dagegen. Er wusste ganz genau, dass er sich seine Fehler nur schwer eingestehen konnte. Doch diesmal hatte er es getan. En-Die richtete seinen Blick schließlich wieder zum Horizont. ‚Jetzt bist du an der Reihe, Katara.‘