Katara und Sokka sahen sich interessiert um. Die Menschenstadt unterschied sich von allem, was sie bis jetzt gesehen hatten. Häuser aus Stein mit Holzbalken an den Rändern ragten in die Luft. Die Dächer waren aus rotem Ton und die Fenster hatten ein durchsichtiges Material eingesetzt. Unter ihren Füßen konnten sie durch das dicke Gestein leise den Fluss rauschen hören. Noctur hatte sich seine Kapuze übergeworfen und führte die Geschwister durch die Straßen der Stadt, wo viele Menschen geschäftig herumgingen. Hin und wieder grüßte jemand den Blutsauger, der dann freundlich zurückgrüßte. Nach einiger Zeit waren sie schließlich bei einem Laden angekommen, aus dem man schon von Weitem einen himmlischen Duft riechen konnte. Sie traten ein und fanden viele Leute vor, die gerade die verschiedensten Speisen zubereiteten. Ein alter Mann mit braunem Vollbart und einem dicken Bauch kam auf sie zu. "Grüß dich Noctur! Was kann ich denn heute für dich tun?", fragte er. "Sei gegrüßt Kao. Die Königin möchte heute ein Festmahl veranstalten, darum benötigen wir einige Dinge", antwortete der Blutsauger ihm. "Verstehe, hat sie also menschliche Gäste", brummte der Mann und Noctur nickte, wobei er auf Katara und Sokka deutete. "Die beiden hier sind zwei der vier Menschen, die heute angekommen sind. Einer von ihnen, er ist unten geblieben, ist der Avatar." "Da brat mir doch einer nen Lurchenstorch! Der Avatar lebt also noch?" Noctur nickte. "Es ist das erste Mal für die vier, dass sie hier sind, darum wollte die Königin etwas Besonderes veranstalten." Kao wandte sich den Wasserstammgeschwistern zu. "Sieh mal einer an! Und beim ersten Mal kommt ihr zu mir?", fragte er grinsend. "Ja, anscheinend", antwortete Katara schmunzelnd. "Das macht uns praktisch zu Verwandten! Onkel Kao für euch Kinder", meinte der Mann und lachte. "Okay, ihr sollt euer Festmahl haben, aber wenn ihr das nächste Mal bei der Jagd meinen Männern einen Hirsch ‚abnehmt‘, den sie eigentlich schon vorm Bogen hatten, dann verlange ich das Doppelte!", meinte er und Noctur musste sich ein Lachen verkneifen. "Ich habe meinen Männern bereits gesagt, dass sie euch Menschen nicht dauernd unterschätzen sollen", beruhigte er Kao. "Dann ist’s ja gut", meinte der alte Mann. "Jungs, macht die Öfen heiß, wir haben einen Groß- und Eilauftrag!", rief er und die Leute nickten. Einige traten zu den Öfen und Flammen schossen aus ihren Händen. Eine junge Dame bändigte Wasser in die Töpfe, die dann mit Erdlaufbändern übers Feuer gebracht wurden. "Ihr habt hier Feuer-, Erd-, und Wasserbändiger?", fragte Sokka überrascht. Kao nickte. "Königin Leila hat vor mehr als einem Jahrhundert die Stämme des Gebirges und die Blutsauger vereint. Alle Bändiger, die ihr hier seht, sind zu Beginn des Krieges in die Berge geflüchtet, weil sie denken, dass der Krieg sinnlos ist. Sich zu streiten, weil man nicht vom gleichen Element ist, ist doch total dämlich. Königin Leila hat sie in der Stadt aufgenommen und nun leben wir hier alle in Frieden", erzählte der alte Mann. "Und was war mit der großen Schlacht von Gaoling?", fragte Sokka, dem die Geschichte von En-Die wieder eingefallen war. "Wenn unsere Königin uns zum Kampf ruft, dann kämpfen wir. Aber nicht für irgendwelche Größenwahnsinnigen, wie den Feuerlord, der denkt, dass er der Tollste ist, nur weil er ein bisschen stärker als andere ist", antwortete Kao ihm. "Da fällt mir ein, dass so etwas bald schon wieder geschehen könnte", mischte sich Noctur plötzlich ein. "Ach, wollen wir diesen Verrückten etwa zu Fall bringen?", fragte Kao ihn und Noctur nickte. "Es steht noch nichts genaues fest, aber Lady Leila hat alle ihre Generäle zu einem wichtigen Treffen einberufen." "Tja, dann werde ich dem Schmied sagen, dass er neue Rüstungen machen sollte. Ich geh gleich durch die Stadt und rufe alle dazu auf, ihre Schwerter zu schärfen." Noctur nickte. "Ihr könnt gerne noch etwas herumgehen", meinte er dann zu Katara und Sokka. "Ich werde die Wachen informieren, damit sie euch dann nach unten führen, wenn ihr zum Turm zurückkehrt." Damit verbeugte sich der Blutsauger und verschwand.
"Wohin führst du uns?", fragte Aang seine Freundin, die ihnen voran durch einen langen Gang ging. "Ich bringe euch zu meinem Privatgarten", antwortete die Blutsaugerin dem Avatar, doch mehr verriet sie den beiden nicht. Am Ende des Ganges kamen sie schließlich zu einer kleinen Holztüre, die das Mädchen aufsperrte. "Kommt rein", lud sie die beiden ein. Aang und Toph verschlug es die Sprache, als sie in den Garten traten. Es war eine weitläufige Höhle, die jedoch Löcher in der Decke hatte. Die Sonne, die bereits unterging, sandte ihre letzten Strahlen durch diese hinunter. Im Garten selbst standen die verschiedensten Pflanzen, die sie noch nie zuvor gesehen oder gespürt hatten. Und in regelmäßigen Abständen wuchsen große Rubine aus dem Boden. "Das ist mein Rubingarten", erklärte Leila den beiden. "Von hier stammt auch mein Thron. Wenn ihr wartet, bis der Mond aufgegangen ist, dann werdet ihr dafür belohnt werden." "Und was ist mit dir?", fragte Toph ihre Freundin. "Ich habe noch etwas Wichtiges zu erledigen. Ich hole euch dann später wieder ab", antwortete diese und verschwand. "Tja dann", begann Aang und machte eine ausschweifende Handbewegung. "Wollen wir uns einen Platz zum Sitzen suchen?" Toph nickte. Gemeinsam setzten sie sich unter einen Baum, dessen Blätter wie ein Zeltdach über ihnen hingen. Einige Zeit sagte keiner der beiden ein Wort und schließlich ging der Mond auf und schien durch die Löcher in der Decke auf die Rubine, die plötzlich anfingen zu leuchten und ein Summen von sich zu geben. In der Dunkelheit begannen auch die Pflanzen plötzlich zu leuchten, bis der Garten ein buntes Lichtermeer war. Alle Rubine gemeinsam erzeugten nun eine wunderschöne Melodie, wie sie die beiden noch nie gehört hatten. "Ich kann die Vibrationen spüren", flüsterte Toph. "Es ist wie ein Spiel aus Wellen." Aang nickte. "Es ist wirklich wunderschön", murmelte er und sein Blick fiel auf das Mädchen neben ihm. Das rote Licht, das die Rubine von sich gaben und das weiße Licht des Mondes spiegelten sich in ihren grünen Augen wieder, die, trotz ihrer Sichtlosigkeit, groß auf den Garten blickten. "Wunderschön", hauchte er und Toph nickte. "Ich kann zwar nichts sehen, aber…ja, das ist es", gab sie ihm recht. "Nein…nicht der Garten", flüsterte der Luftbändiger. "Du." Das Mädchen drehte sich überrascht zu ihm. "W-was?", stotterte sie. "Du bist wunderschön Toph", wiederholte er. "Was ist denn plötzlich in dich gefahren?", fragte sie ihn. "Ich denke…ich denke, dass ich endlich den Mut gefunden habe, es dir zu sagen", murmelte er und sie wurde rot. "Damals im Gang ohne Licht…Du hast nicht so reagiert, weil du nichts sehen konntest, habe ich recht?" Sie nicke langsam. "Ich mag dich Aang. Schon seit du damals mit mir durch meinen Garten gegangen bist. Du hast mir als erster zugehört, du hast mir geholfen, endlich aus diesem Käfig auszubrechen", meinte das Mädchen. "Seit wann denkst du so?", fragte sie dann, als Aang nichts erwiderte. "Ich glaube, auch schon seit unserer ersten Begegnung, vielleicht sogar davor", antwortete er, während er an seine Vision im Sumpf zurückdachte. "Aber klargeworden ist es mir erst nach unserem Gespräch nach der Wüste." Sie lächelte schwach. "Verstehe. Und warum ich? Warum nicht Katara? Ich dachte immer, dass…dass du sie magst." "Das tat ich auch…bis ich dich getroffen habe", meinte der Avatar und legte ihr eine Hand an die Wange. "Sie war das erste Mädchen, das ich je getroffen habe und ich habe mich davon blenden lassen. Erst als ich dich getroffen habe, habe ich bemerkt, dass es nicht wahr ist", erzählte er und sie sah ihn mit ihren blinden Augen an. Die beiden kamen sich immer näher, bis sich ihre Nasen schließlich berührten. "Ich…" "Pssst", unterbrach ihn Toph. Die beiden zögerten noch einen Moment, doch dann küssten sie sich, während der Garten um sie herum leuchtete, als wäre er von einer anderen Welt.