Aang öffnete seine Augen wieder und sein Pfeil hörte auf zu leuchten. "Sieh mal einer an, wieder zurück?", fragte Sokka seinen Freund. Sie waren während der Sommersonnenwende auf Rokus Insel geflogen, damit Aang dort mit dem Avatar vor ihm sprechen konnte. Der Luftbändiger nickte. "Roku hat mir sein Leben gezeigt", erklärte er. "Er und Sozin haben sich gekannt, seit sie Kinder waren." Aang erzählte seinen Freunden, dass Sozin begonnen hatte, das Erdkönigreich zu erobern, aber Roku ihn davon abgehalten hatte. Als einige Jahre später der Vulkan auf Rokus Insel ausbrach kam Sozin seinem Freund zur Hilfe, ließ ihn dann aber letzten Endes zurück, anstatt ihm zu helfen, den Vulkan zu stoppen. "Willst du damit sagen, nach allem, was sie gemeinsam durchgemacht haben, selbst nachdem Roku Sozin verschont hat, als er das Erdkönigreich angegriffen hat, hat Sozin ihn einfach im Stich gelassen?", fragte Katara. "Das hätte ich euch auch erzählen können", antwortete En-Die, der an einem verkohlten Baum in der Nähe hing. "Es ist fast schon so, als werden diese Leute böse geboren", meinte Toph. "Nein, ich glaube nicht, dass es das war, was Roku mir zeigen wollte", widersprach Aang. "Und was war es dann?", fragte Sokka, der den Luftbändiger etwas ratlos ansah. "Nun, Roku und Sozin kamen beide aus der Feuernation, aber trotzdem unterschieden sie sich so sehr. Ich glaube, was er mir zeigen wollte war, dass jeder, egal woher er kommt, böse oder gut sein kann. Und auch, dass jeder eine zweite Chance verdient." En-Die schwebte sacht von seinem Ast. Er trat vor Aang und sah ihn gutmütig mit seinen violett leuchtenden Augen an. "Ich bin sehr stolz auf dich Aang. Das war sehr weise, was du gerade gesagt hast", meinte er. Der Junge grinste. "Ja, ich denke, es ging auch um Freundschaft", fuhr er fort. Toph senkte ihren unsehenden Blick zu Boden. "Denkst du wirklich, dass Freundschaften länger als ein Leben anhalten können?", fragte sie leise. Aang trat zu ihr und nahm lächelnd ihre Hand. "Natürlich, ich sehe keinen Grund, warum nicht", antwortete er ihr. Katara trat nun auch zu ihnen und nahm Tophs andere Hand in die ihre. "Obwohl es rein wissenschaftlich gesehen keinen direkten Beweis dafür gibt", murmelte Sokka. "Och komm Sokka, lass uns Händchen halten", unterbrach Katara ihren Bruder bevor er weiterreden konnte. Leila kicherte und nahm die andere Hand des Wasserstammkriegers. Gemeinsam blickten sie über den Ozean, in dem sich die Sonne widerspiegelte. "Oh, kommt her Leute! Gruppenumarmung!", rief En-Die, der bis jetzt nur zugesehen hatte und sein Mantel breitete sich aus. Bevor die vier Kinder und die Blutsaugerin ausweichen konnten, hatte er sie auch schon erfasst und drückte sie an sich. "Uff, En-Die…", keuchte Aang. "Wir kriegen keine Luft", entwich es Leila und der Schatten ließ seine Freunde wieder los, die alle gierig nach Luft schnappten.
Sie flogen noch am selben Tag zurück zum Festland, damit sie nicht auf der trostlosen Insel übernachten mussten. En-Die entfachte gerade das Feuer, als er plötzlich innehielt und in den Nachthimmel blickte. "Was ist los?", fragte Leila, die gerade die Suppe brachte. "Mein Speer", flüsterte der Schatten und sie sah ihn fragend an. "Jemand hat meinen Speer vor ein paar Tagen ein Stück bewegt", erklärte er seiner Freundin. "Was für ein Speer?" "Nicht so wichtig", murmelte En-Die, als er sich erinnerte, dass er Leila davon noch nichts erzählt hatte. Schnell entfachte er das Feuer. Als schließlich die Suppe darüber köchelte schmunzelte er plötzlich. "Er ist wieder in seiner alten Position", meinte er leise zu sich selbst. Er konnte sich schon gut vorstellen, wer den Speer berührt hatte, aber solange er es nicht hundertprozentig wusste, würde er seinen Freunden nichts davon erzählen. Er spürte jedes Mal, wenn jemand den Speer aus dem Boden ziehen wollte, wenn auch immer mit ein paar Tagen Verzögerung, je nachdem, wie weit er von Azulon entfernt war. Sein Blick strich über die Gruppe und blieb an Toph hängen. Das Mädchen saß mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck am Feuer und in ihren leblosen Augen spiegelte sich die flackernden Flammen wieder. Der Schatten seufzte, entschied sich dann jedoch dafür, sie nicht anzusprechen. "Freundschaften halten also wirklich länger, als ein Leben", murmelte die Erdbändigerin plötzlich mehr zu sich selbst. Aang, der neben ihr saß, hatte sie jedoch offenbar gehört und sah von dem knisternden Feuer auf. "Ja, da bin ich mir sicher", stimmte er ihr zu. "Zurecht. Ich war bisher mit jedem Avatar, der in den fünfhundert Jahren, seit denen ich die ewige Stadt verlassen habe gelebt hat, befreundet", meinte En-Die und die ganze Gruppe sah ihn an. "Anscheinend wurde ihnen von ihren alten Leben erzählt, wie nett ich bin", erzählte der Schatten und Leila kicherte. "Wenn das wirklich stimmt, dann hat es Kyoshi nicht sehr gekümmert", meinte sie. "Kyoshi war…schwierig, um es mal harmlos auszudrücken. Ihre Methoden waren etwas…gewöhnungsbedürftig. Darum haben wir uns nicht so gut verstanden", meinte En-Die, während er sich an den Avatar erinnerte. "Jedes Mal, wenn sie meine Hilfe gebraucht hat, dann wollte sie das erst gar nicht zugeben. Sie konnte es sich einfach nicht eingestehen, dass selbst der Avatar nicht alles alleine machen kann." "Pass auf, dass du vor Suki nicht so über sie redest", meinte Sokka und En-Die lachte. "Ich stehe hinter meiner Meinung und nur weil jemand anders denkt, werde ich sie nicht ändern, um diesem jemand zu gefallen." Damit nahm er sich eine Schüssel, füllte sie mit der dampfenden Suppe und entfernte sich von der Gruppe. "Ich denke, dass er etwas zu hart ist", murmelte Toph. "Naja, eigentlich hat er ja recht. Wenn man eine Meinung hat, dann sollte man dahinterstehen und mit anderen darüber reden, anstatt sich zu streiten", meinte Aang. Toph runzelte die Stirn. "Das ist aber nicht immer so einfach, weißt du Hüpfdohle? Mit manchen Leuten kann man nicht reden. Zum Beispiel mit dem Feuerlord, oder mit Azula. Solche Leute tanzen dann aus der Reihe, was deine Regeln angeht. Ich würde sogar sagen, dass auch En-Die zu der Liste gehört", meinte das Mädchen. Es war Leila, die ihr antwortete: "Ich vertraue ihm, wenn er etwas sagt. Stimmt schon, er ist manchmal genauso schwierig, wie er Kyoshi beschrieben hat, aber trotzdem…er weiß mehr, als wir alle zusammen." "Dafür, dass er so viel weiß, erzählt er aber nichts davon. Denkst du wirklich, dass er dir alles über sich erzählt hat?", fragte Toph die Blutsaugerin, die den Kopf schüttelte. "Nein natürlich nicht, aber ich vertraue ihm trotzdem." "Warum?", fragte die Erdbändigerin. "Weil ich ihn liebe", antwortete Leila, ohne eine Sekunde zu zögern. Dann grinste sie das Mädchen schelmisch an. "Ich könnte dich genauso gut fragen, warum du Aang vertraust", meinte sie und Toph lief rot an. "Was hat das mit mir zu tun?", fragte Aang verwirrt. "Du hast ihr sicher auch nicht alles über dich erzählt", meinte die Blutsaugerin, während die Erdbändigerin immer röter wurde. "Jetzt hör schon auf! Ich würde Aang mein Leben anvertrauen!", unterbrach Toph Leila. "Ich…ich meine…wir würden uns doch allen gegenseitig unser Leben anvertrauen", stotterte sie, als sie spürte, dass alle Augen auf sie gerichtet waren. "Das stimmt", brach Katara schließlich das Schweigen und Toph atmete erleichtert auf. Doch dann bemerkte sie, dass En-Die sie aus der Ferne anblickte. Sie erwiderte den Blick standhaft, obwohl sie ihn nicht sehen konnte. Dann spürte sie, wie der Schatten den Kopf schüttelte und sich wieder seiner Suppe widmete. Wütend stand sie auf und ging zu ihm hinüber. "Du hast kein Recht, mich zu verurteilen. Ich kann es ihm sagen, wann immer ich will, habe ich recht?", fragte sie leise. "Erschreckend selten und auch diesmal nicht", antwortete En-Die. "Es stimmt zwar, dass du selbst entscheiden kannst, wann du es ihm sagst, aber wenn du es nicht bald tust, dann könnte es zu spät sein." Das Mädchen erkannte, worauf er hinauswollte. "Denkst du etwa, dass Aang dem Feuerlord nicht gewachsen ist?", fragte sie ihren Freund. "Ich weiß es nicht. Ich habe nur ein ungutes Gefühl", murmelte dieser. "Weißt du es wirklich nicht, oder willst du es nur wieder nicht sagen?", hakte Toph nach. "Du unterstellst mir, euch etwas zu verheimlichen?", erwiderte der Schatten die Frage düster. "Ich unterstelle dir nur, bisweilen nicht alles zu erzählen", berichtigte sie ihn. "Vielleicht hast du damit recht. Aber glaube mir, wenn ich etwas so Wichtiges wüsste, dann würde ich es euch mitteilen", meinte er schließlich.
Toph seufzte und kehrte zurück zu den anderen. Auf halbem Weg spürte sie plötzlich, wie jemand von hinten auf sie zustürzte. Sie drehte sich um, um sich gegen den vermeintlichen Angreifer zu wehren, doch dann merkte sie, dass es En-Die war. "Toph runter!", rief der Schatten und drückte sie nieder. "Was zum…" Weiter kam sie nicht. En-Dies Mantel hatte sie eingehüllt und eine massive Metallkugel um sie gebildet. Plötzlich ertönte eine gewaltige Explosion und die Kugel wurde durch die Luft katapultiert. Im Flug löste sich das Metall wieder auf und En-Die landete sicher auf beiden Füßen. Behutsam setzte er Toph ab und blickte auf seinen Gegner. Es war ein großer Mann mit einem Metallarm und einem Metallbein. Auf seiner Stirn hatte er ein tätowiertes Auge. "Holt Appa", meinte En-Die. "Was…", begann Sokka und die Augen des Schatten leuchteten gefährlich auf, als er ihn unterbrach: "Holt Appa!" Er streckte seine Hände aus und hielt die nächste Explosion zwischen ihnen gefangen. "Flieht ihr Narren!", keuchte er und das Team lief eilig los. En-Die konnte dem Druck nicht mehr standhalten und die Eruption explodierte in seinem Gesicht. Als der Staub sich legte stand der Schatten stöhnend inmitten der Trümmer. Neben ihm lag der Topf, den die Gruppe zum Kochen benutzt hatte. Er knackte mit seinem Genick. "Ich muss dir jetzt leider wehtun. Wer meine Suppe verschüttet ist dran", meinte er und stürmte auf den Mann zu. Dieser packte ihn an seinem Arm und schmetterte ihn in den nächsten Felsen. "Ich…bin noch nicht…fertig mit dir", keuchte En-Die und rappelte sich wieder auf. Er feuerte einige Plasmabälle auf ihn ab, die jedoch an seinem metallenen Arm abprallten. Der Mann sah ihn grimmig an. "Ach verdammt", murmelte der Schatten, als sich vor ihm eine weitere Explosion ausbreitete. Er machte sich auf einen derben Schlag gefasst, doch er kam nicht. Stattdessen spürte er, wie ihn jemand am Mantel packte und aus der Gefahrenzone zog. Aang landete vor ihm und lief auf den Mann zu. Dabei blockte er die nächsten Explosionen mit Erdwällen, bis er schließlich bei ihm ankam und ihn mit einem gewaltigen Luftstoß zurückschleuderte. Hart kam der Mann am Boden auf. Doch bevor er sich aufrappeln konnte, hatte der Avatar bereits seine nächste Attacke ausgeführt und der Mann wurde von mehreren Erdblöcken bombardiert. "Das reicht nicht", keuchte der Luftbändiger und En-Die trat zu ihm. "Zusammen Aang", meinte er und der Junge nickte. En-Die rannte auf den Mann zu, der inzwischen wieder aufstand. Im Lauf sprang er los, an seinen Händen bildeten sich dicke Eisenhandschuhe und um sich herum leuchtete die Luft violett auf. Aang ließ einen waagrechten Wirbelsturm los, der den Schatten zu drehen begann, bis er wie ein Plasmabohrer aussah. Mit voller Wucht rammte er den Mann und eine gewaltige Druckwelle ging von den beiden aus, die die Felsen in der Nähe zerbröseln ließ. "En-Die spring!", rief Aang und der Schatten tat wie ihm geheißen. Appa fing ihn und Aang in der Luft und flog davon. "Ist alles in Ordnung?", fragte Katara besorgt, als die beiden in den Sattel geklettert waren. "Ja, nichts ernstes", beruhigte En-Die sie. "So etwas habe ich noch nie gesehen", meinte Toph aufgeregt. "Sehen?", fragte Aang mit einem schwachen Lächeln. "Du weißt, was ich meine", murmelte das Mädchen eingeschnappt und der Junge lachte leise. "Schon gut. Ich bin nur froh, dass dir nichts passiert ist Toph", meinte er. "Du warst ja wohl noch viel mehr in Gefahr!", rief sie genervt und boxte ihm gegen die Schulter. "Ich habe schon mal von so etwas gehört", murmelte En-Die inzwischen. "Sokka, gib mir Appas Zügel." "Was, warum? Wohin fliegen wir?", fragte der Junge. "Wir sind zum Glück nahe am nördlichen Gebirge", meinte der Schatten als Antwort. "En-Die, willst du etwa…", begann Leila und er nickte. "Oh ja, das will ich. Es gibt da eine alte Freundin, deren Hilfe ich jetzt brauche." "Kann mir jetzt mal jemand sagen, wo wir hinfliegen?", fragte Katara. Leila blickte ihre Freundin an und ihre roten Augen leuchteten unheimlich in der Dunkelheit. "In meine Heimat. Die blutende Stadt."