Keuchend sah er dem Wolf nach. Seine Hände zitterten vor Wut, und er nahm sich einen Augenblick Zeit, wieder zur Ruhe zu kommen. Dann tastete er sich vorsichtig über die lockeren Steine hinüber zu dem verletzten Tier, stets darauf bedacht, keinen weiteren Rutsch auszulösen.
Der Wolf knurrte, als er sich ihm näherte. Natürlich hatte er Angst.
„Keine Sorge, Kleiner – ich will dir nur helfen“, murmelte der Mann beruhigend, ganz, wie er es mit verletzten Kameraden im Feld gemacht hatte. Er wusste, dass es weniger auf die Worte als auf den Tonfall der Stimme ankam, daher sprach er weiter mit dem Wolf, als würde der ihn verstehen.
„Der andere ist fort, er wird dir nichts mehr tun. Bist du abgerutscht? Schau, das ist mein Stab. Er ist völlig ungefährlich. Ich schiebe damit die Steine von dir herunter, siehst du? Einen nach dem anderen ...“
Tatsächlich schien es zu funktionieren. Das Knurren verebbte langsam, als der Druck auf die Hinterläufe des Wolfs mit jedem entfernten Stück Fels geringer wurde und er winselnd immer wieder versuchte, freizukommen. Mit der Schnauze und den Pfoten unterstützte das Tier die Bemühungen des Mannes nach einiger Zeit sogar, als es verstanden hatte, dass er ihm wirklich half. Dennoch hielt der Mann sich außerhalb der Reichweite der Reißzähne und behielt sowohl den Verletzten als auch die Umgebung stets im Auge – sicher war sicher.
Endlich konnte der Wolf die Hinterläufe unter dem Geröll herausziehen. Langsam, um ihn nicht zu erschrecken, zog sich der Mann einige Meter zurück, gab dem Tier Raum.
Doch es lief nicht davon, wie er es erwartet hatte. Trotz mehrerer Versuche gelang es ihm nicht, aufzustehen. Die Verletzungen waren wohl schlimmer als gedacht.
Der Mann würde ihn auf keinen Fall hier liegenlassen. Man ließ niemals jemanden zurück! Aber wie bekam er den Wolf zu sich nach Hause, ohne dass der ihn beißen würde?
„Es scheint dich ganz schön erwischt zu haben“, sprach er seine Gedanken laut aus, um das Tier wieder mit seiner Stimme zu beruhigen. „Ich würde dich gern mit zu mir nehmen, das ist ganz in der Nähe, und mir deine Verletzungen ansehen. Aber du hast bestimmt Angst und Schmerzen und magst es gar nicht, wenn ich dich anfasse.“
Der Wolf winselte und legte den Kopf auf die Pfoten.
Verdammt, er würde es einfach versuchen!
Zögernd näherte sich der Mann dem verletzten Tier um einen Schritt. Unter den wachsamen Augen des Wolfs setzte er erneut einen Fuß vor den anderen, vorsichtig wegen des unsicheren Untergrunds und dem verängstigten Verletzten vor ihm, der aber weiterhin nicht knurrte. Mit sanfter Stimme redete er auf ihn ein, berichtete von seinen unzusammenhängenden Gedanken, die sich um seine Sanitätsausbildung bei der Armee, die Anatomie von Wölfen und seine Angst drehte, der Wolf würde ihn angreifen, wenn er ihm weh tat.
Dann war er bei ihm angelangt.
„So, da bin ich. Siehst du, ich tue dir nichts. Das ist der Stab, den kennst du schon, nicht wahr? Genau, er ist nicht gefährlich. Er hat dir geholfen. Das will ich jetzt auch, also bitte bitte beiß mich nicht, ok? Du tätest uns beiden ziemlich weh, und ich will dir wirklich nichts tun ...“
Er hielt den Atem an, als er langsam und vorsichtig die linke Hand ausstreckte und dem Wolf statt des Wanderstabs seine Handfläche anbot.
Der schnüffelte daran.
Er zwang sich, die Hand nicht zurückzuziehen und seine Angst zu unterdrücken - Hunde rochen Angst, Wölfe also sicherlich ebenfalls.
Erleichterung durchflutete ihn, als der Wolf ihm behutsam über die Finger leckte und winselte. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, und als das Tier sich ein Stück näher zu ihm zog und mit dem Kopf an seine Hand stieß, wagte er, ihn behutsam zu streicheln.
„So ist es gut, Kumpel“, sprach er weiter, „Ich bin echt froh, dass du mich nicht gebissen hast. Du bist nett, hm? Dann passen wir beide gut zusammen, du und ich.“
Während er sprach, streichelte er vorsichtig weiter den Körper des Wolfs hinunter, tastete ihn behutsam ab. Bis zur Hüfte war alles in Ordnung, aber die beiden Hinterbeine waren verletzt, vielleicht sogar gebrochen.
„Ich werde dich tragen müssen, Kumpel“, fuhr er fort, seine Gedanken laut zu äußern. „Ich werde ganz vorsichtig sein, aber es wird trotzdem weh tun.“
Welcher Teufel ritt ihn da? Sobald er den Wolf auf den Armen hatte, würde er sich nicht mehr verteidigen können, wenn dieser doch zu große Angst bekam und nach ihm schnappte! Aber er konnte ihn einfach nicht hier liegen lassen.
Man ließ niemanden zurück.
Langsam schob er die Arme unter den warmen Wolfskörper. Sein Herzschlag beschleunigte sich, je hilfloser seine Lage wurde, mit den Händen unter dem winselnden Tier. Dann hob er ihn so vorsichtig wie möglich an.
Der Wolf war schwer, und es kostete ihn unglaubliche Anstrengung, ihn sanft anzuheben, um die Schmerzen gering zu halten. Doch das Tier wehrte sich nicht, winselte zwar, knurrte aber nicht.
Alles fühlte sich seltsam unwirklich an, während er mit kleinen, vorsichtigen Schritten vom tückischen Geröllfeld und weiter in Richtung seiner Hütte ging, den verletzten Wolf auf den Armen.