"Willst du jetzt etwa wirklich Appa die Schuld in die Schuhe schieben?", fragte Aang sauer. En-Die sah den Streithähnen schweigend zu. Es waren mehrere Wochen vergangen, seit sie den Nordpol verlassen haben und der Schatten konnte immer noch nicht glauben, dass sie die Schlacht tatsächlich gewonnen hatten. Noch nie zuvor hatte er seine Endtechnik einsetzen müssen. Er war einige Tage nach der Schlacht im Krankenflügel des Palastes erwacht, wo seine Freunde bereits auf ihn warteten. Als sie ihm erzählten, wie viele Leben er genommen hatte und wie lange er im Koma gelegen hatte, entschloss En-Die sich entsetzt, dass er diese Technik nur mehr im äußersten Notfall einsetzen würde. Nun waren sie im Erdkönigreich und hatten, neben einigen Abenteuern, auch eine neue Freundin gefunden. Toph Beifong, ein blindes Mädchen und eine unfassbar starke Erdbändigerin. Nachdem Team Avatar ihr geholfen hatte, beschloss sie, mit ihnen von zuhause wegzulaufen. Verständlich, wenn man bedachte, dass ihre Eltern sie ihr Leben lang wie eine Gefangene behandelt haben. En-Die selbst konnte sich sehr gut in Toph hineinversetzen, schließlich hatten ihn die anderen Schatten auch immer bemuttert, was er überhaupt nicht leiden konnte und was letzten Endes auch ein Grund war, warum er zu seiner Reise aufbrach. Davon mal abgesehen hatte er das Mädchen schon einmal getroffen, vor vielen Jahren, als er mit Bumi Gaoling verteidigte. Als er sie bei dem Erdbändigerturnier, zu welchem das Team gegangen war, um einen guten Lehrer für Aang zu finden, wiedererkannt hatte, konnte er fast seinen Augen nicht trauen. Und obwohl er sich unheimlich freute, dass es ihr gut ging und dass er recht gehabt hatte, was ihre Zukunft betraf, so hatte Toph eine Eigenschaft, auf die er gerne verzichten könnte. Sie war stur und dachte andauernd, dass andere sie wegen ihrer Blindheit bemitleiden. "Natürlich und weißt du auch, wie sie uns immer wieder finden?", riss Tophs Stimme ihn aus seinen Gedanken. "Er hinterlässt eine Fellspur, egal wo er auch hinfliegt." En-Die sah auf den riesigen Luftbison und musste zugeben, dass sie recht hatte. Sie wurden seit zwei Tagen von jemanden verfolgt, der sie immer wieder fand. Dieser Jemand war niemand anderes, als die Feuerprinzessin Azula selbst. Ein gefährliches Mädchen, deren Flammen so heiß waren, dass sie anfingen blau zu glühen. Der Schatten hätte sich niemals zu träumen gewagt, dass aus dem hilflosen Mädchen, welches er vor Jahren in Azulon getroffen hatte, mal eine solche Killerin werden würde. "Wie kannst du ihm irgendwas vorwerfen? Er hat dir heute schon dreimal das Leben gerettet!", rief Aang aufgebracht. "Appa hatte nie ein Problem mit dem Fliegen, als wir nur zu viert waren!" Das genügte. Toph hob ihre Sachen auf und ging. "Gut ich verschwinde!", meinte sie enttäuscht und stapfte los. Sokka wollte sie noch aufhalten, doch sie schob ihn einfach aus dem Weg. Die anderen sahen ihr nach, bis sie zwischen den Bäumen verschwunden war.
"Du weißt, dass ich dich spüren kann, nicht wahr?", fragte das blinde Mädchen den Schatten, der auf einem Felsen in der Nähe stand. Sie war nun schon einige Stunden unterwegs und hatte schon die ganze Zeit das Gefühl, dass ihr jemand folgte. "Zwar spüre ich deine Vibrationen nur verschwommen, wegen deinem verflixten Mantel, aber trotzdem sind sie da." En-Die trat näher an sie heran. "Du willst also wirklich davonlaufen? Glaubst du, du kannst vor der ganzen Welt davonlaufen Toph?", fragte er. "Ich kann auf mich selbst aufpassen!", meinte sie sauer. "Es geht hier aber nicht ums selbst Aufpassen, es geht darum, als Gruppe zusammenzuarbeiten. Darum sind wir ein Team. Weil wir aufeinander achtgeben und uns gegenseitig helfen", erklärte der Schatten ihr. "Ich brauche keine Hilfe!", rief Toph erbost. "Ihr müsst euch nicht um mich kümmern!" "Wir kümmern uns nicht um dich, weil wir dich bemitleiden Toph! Wir kümmern uns um dich, weil Freunde so etwas tun!" Toph schnaubte verächtlich. "Alles was ihr tut ist euch gegenseitig anzuschreien, euch dann kurz wieder vertragen, nur damit ihr gleich wieder streiten könnt. Ihr seid keine Freunde", meinte sie und verschränkte ihre Arme. "Du hast recht. Wir sind keine Freunde", antwortete der Schatten leise und sie sah ihn mit ihren blinden Augen überrascht an. "Wir sind eine Familie. Vielleicht bist du das nur nicht gewöhnt, weil deine Eltern immer verlangten, dass du alles ohne Widerrede machst. Aber in einer echten Familie streitet man sich. Man streitet sich fast pausenlos. Das ist der einzige Weg, die anderen besser zu verstehen, sie besser kennenzulernen und seine Differenzen zu beseitigen." Er blickte sie mit seinen violetten Augen an. "Was wirst du jetzt tun? Mich zurückholen?", fragte Toph ihn. "Nein. Ich bin mir sicher du verstehst das, tief in deinem Inneren. Und darum wirst du von ganz alleine zurückkommen", antwortete der Schatten. Und damit waren seine Vibrationen plötzlich verschwunden.
Toph verabschiedete sich von dem alten Mann, der ihr gegenübersaß. Sie hatte ihn aus Versehen mit einem Verfolger verwechselt und ihm einen Erdstoß verpasst. Doch anstatt sauer auf sie zu sein hatte er sie zum Tee eingeladen und ihr einige Weisheiten mitgegeben, die ihr sehr geholfen hatten. Nun war sie auf dem Weg zurück zu den anderen. Sie hatte erkannt, dass es falsch wäre, jetzt zu gehen. "Wie ich sehe hast du deine Meinung geändert", ertönte En-Dies Stimme hinter ihr und sie schrak zusammen. Warum hatte sie ihn nicht gespürt? "Du…du bist zurückgekommen?", fragte sie fassungslos. "Ich war niemals weg Toph", antwortete er ihr. "Ich nahm nur an, dass du mich nicht sehen wolltest. Naja, du weißt was ich damit meine. Aber wenn du mich gebraucht hättest, dann wäre ich da gewesen." Tophs Augen wurden groß, als der Schatten wiedergab, was der alte Mann ihr über seinen Neffen erzählt hatte. "Wollen wir zurück zu unserer Familie?", fragte En-Die sie und streckte ihr seine klauenartige Hand entgegen. Sie lächelte schwach und ergriff sie. "Ja, gehen wir." Der Schatten setzte sie auf seine Schultern. "Gut, so kommen wir schneller voran. Ich habe nämlich das dumme Gefühl, dass immer irgendetwas schiefläuft, sobald ich mal eine Sekunde nicht bei ihnen bin", meinte er. "Du nimmst dich ja ganz schon wichtig", kicherte die Erdbändigerin und En-Die lachte, als er loslief.