Der Arm lag wieder auf ihm. Und die Hand krallte sich um seine Rippen, so als wollte sie ihn selbst in seine Träume hinein nicht loslassen.
Schlaftrunken drückte Kaèl den Arm weg. Er verstand sie nicht. Immer wollte sie bei ihm schlafen, dabei hatte er ihr so einen reizenden Gästeflügel einrichten lassen. Er hob die Hand, um Rubìnia per Telekinese von sich wegzurücken. Aber er hatte den Zauber vor Müdigkeit falsch dosiert, und sie wurde bis über die Bettkante katapultiert und landete mit einem dumpfen Knall auf dem Boden.
»Upps«, sagte er.
Rubìnia wirkte einen Lichtzauber, der seinen Augen wehtat. »Kaèl! Was zum Henker sollte das?« Sie rappelte sich auf, und rieb sich die Schulter. Dabei warf sie ihm einen bitterbösen Blick zu.
»Ich konnte nicht schlafen. Du hast mich erdrückt.«
»Umarmt, nicht erdrückt, Kaèl! Ich wollte nur kuscheln nach dem Sex!«
Kuscheln nach dem Sex, jetzt wird sie übermütig, dachte er.
Im Winter wäre das Ganze vielleicht erträglich gewesen, aber jetzt, mitten im Hochsommer, presste sie sich immer warm und schwitzig an seinen Rücken. Und sie roch … so wie sie immer nach dem Sex roch, wenn ihr Parfum nachließ, und ihre körpereigenen Pheromone die Kopfnote bestimmten. Es widerte ihn an.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Wie oft hatte er sie so stehen sehen, die letzten Jahre?
Wahrscheinlich erwartete sie, dass er jetzt irgendetwas Versöhnliches sagte oder ihr ein Kompliment machte, aber er war nicht der Typ, der anderen nach dem Mund redete. Und beim Drachen, was konnte sie nervig sein! Bereits beim Abendessen hatte sie fünf mal albern gegackert, etwas, was Kaèl auf den Tod nicht ausstehen konnte. Dennoch hatte er dabei nicht einmal das Gesicht verzogen – so etwas nennt sich Selbstbeherrschung!
»Ich kann so nicht schlafen«, erklärte er ihr geduldig. »Und ich brauche meinen Schlaf, sonst kann ich mich tagsüber nicht konzentrieren. In vier Monaten ist meine Prüfung, und ich habe ein gewaltiges Lernpensum vor mir.«
Rubìnia lachte bitter. Sie stapfte zum Sessel, auf den er nur wenige Stunden zuvor eines ihrer Kleidungsstücke nach dem anderen geworfen hatte. »Ich kann es nicht mehr hören. Immer redest du von dieser albernen Prüfung. Mit dir kann man überhaupt keinen Spaß mehr haben. Falls wir je welchen zusammen gehabt hatten. Ich erinnere mich nicht daran.«
Er wollte einwenden, dass sie noch heute Abend eine Menge Spaß miteinander gehabt hatten, und das obwohl Kaèl für seinen Abschluss als Erzmagi hätte lernen sollen, aber das war vermutlich nicht das, was sie hören wollte. Wie immer war sie unfair und vorschnell in ihren Urteilen, dabei hatte er sich bemüht. Er hatte sich wirklich bemüht.
Leise seufzend griff er nach dem Buch auf seinem Nachttisch. Wenn er schon wach war, dann konnte er auch etwas Sinnvolles tun.
»Bei allen Drachen, wenn du nicht sofort dieses Buch weglegst, dann bringe ich dich um!«, zischte sie.
»Das ist ein brillant geschriebenes Werk über Transformations–«
»Wirst du jetzt mit mir über unsere Probleme sprechen?« Etwas an ihrer Stimme zwang ihn, es schnell wieder zurückzulegen.
»Fein«, sagte er. »Ich bin ganz Ohr, meine Teuerste.«
»Teuerste!« Sie schnaubte. »Jahrelang behandelst du mich, als wäre ich ein unbelebter Gegenstand. Da brauchst du jetzt nicht so zu tun, als ob dir etwas an mir läge.«
»Das tue ich doch gar nicht«, sagte er beschwichtigend. »Natürlich liegt mir nichts an dir. Aber das beruht doch auf Gegenseitigkeit.« Rubìnia hatte ebenso oft wie er ihre kleinen Affärchen und Romanzen, das wusste er. An und für sich harmonierten sie recht gut – in der Regel ließen sie sich gepflegt in Ruhe und der Sex war besser als mit den meisten. Aber bedauerlicherweise war gerade die Dracheneifestwoche, der höchste Feiertag in Fukuòka, und da durfte Rubìnia an seiner Seite nicht fehlen. Das Volk liebte es, dem ›glücklich verlobten‹ Paar zuzujubeln.
Sieben. Tage. Zweisamkeit.
»Ich will einen, der wenigstens so tut, als ob er mich liebt.«
»Interessant«, sagte Kaèl. »Ist das jetzt Mode?«
»Du verstehst mich nicht.« Sie rang die Hände. »Es ist so schwer, mit einem zusammen zu sein, der keinerlei Empathie besitzt.«
»Und wieder übertreibst du. Du findest alles ›schwer‹. Selbst Schnecken zu essen, ohne dich mit Kräuterbutter zu bespritzen.«
»Du hältst dich wohl für witzig?« Sie streifte ihr Unterkleid über und knöpfte die Perlmuttknöpfe zu. »Unfassbar. Und an diesen Elb habe ich meine letzten Jahre verschwendet!«
»Zeit mit mir zu verbringen, ist nicht verschwendet! Ich bin ein eloquentes und lustiges Leuchtfeuer des Wissens.«
Ihre Miene verfinsterte sich. »Ein Leuchtfeuer des Wissens, das ich jetzt verlassen werde. Ich löse unsere Verlobung auf!«
Er richtete sich auf. »Das meinst du nicht ernst. Unsere Verlobung ist so vorteilhaft!«
»Und wenn du der Sohn der Herrscherin Finistères persönlich wärst, niemand kann dich lieben, Kaèl Hotàru. Dafür liebst du dich selbst zu sehr.«
Binnen von Sekunden ordnete sie mit einem Zauber das wirr zu allen Seiten abstehende Haar zu einer glänzenden, weich fallenden Lockenpracht.
Kaèl war sprachlos. Diese Art von Zauber hatte er noch nie gesehen, geschweige denn darüber gelesen. Wie hat sie das gemacht?
»Was starrst du jetzt wieder? Sind dem großen beinahe-Erzmagi die Worte ausgegangen?«
»Ich …« Diese Haare. Dieser Zauber!
Als er immer noch schwieg, trat sie näher, fasste in seinen Nacken und küsste ihn auf die Stirn. »Nimm das Kälteste, was du dir auf der Welt vorstellen kannst. Das ist dein Herz. Lebewohl, Kaèl!« Sie löste sich und wandte sich um. Ihren Beutel gegen die Brust gepresst verließ sie den Raum.