CN: Drogenmissbrauch
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Er will mich nicht.
Jeden Morgen war das der erste Gedanke, der Kaèl beim Aufwachen in den Sinn kam. Und jeden Morgen kostete es ihn enorme Kraft, mit diesem Gedanken überhaupt aufzustehen, und das zu tun, was er zu tun hatte. Aber er biss die Zähne zusammen und quälte sich durch seine Lehrbücher, durch die Amtsgeschäfte mit Akàri und die ereignislosen Abendessen im Kreise der Familie. Kaèl funktionierte, auch wenn das Glück dabei auf der Strecke blieb, und er war fast ein wenig stolz auf sich.
Aber als Mister Taryòn diesen Morgen die Vorhänge aufzog, um das spärliche Sonnenlicht hereinzulassen, fühlte Kaèl sich zum ersten Mal seit Tagen fast beschwingt. Heute war die Wintersonnenwende, bereits seit Vorgestern füllte sich das Schloss mit Gästen, und Kaèls Mutter rauschte wie beflügelt umher – die Mitglieder der wichtigsten hochadeligen Familien wollten schließlich bespaßt werden.
Kaèl war aufgeregt wegen des Festes. Eigentlich verabscheute er Bälle, aber die einsamen letzten Nächte hatten ihn weichgekocht. Er erhoffte sich von heute Abend ein kleines Techtelmechtel, um Bendix’ Abwesenheit wenigstens für eine Nacht lang ausblenden zu können und die Leere in seinem Bett zu füllen. Gelegenheit dazu sollte es geben: Lina, Rosemary Katkin und Colin Galahad – es waren Einige unter ihren Gästen, die er nicht völlig geringschätzte. Natürlich musste er diskret vorgehen, da sowohl Ludòiku als auch Akàri über seine und Nyòkos Schritte wachten, aber da machte Kaèl sich wenig Sorgen. Er war geübt in derlei Angelegenheiten.
Bereits gegen Mittag zog er sich in seine Gemächer zurück und ließ sich von seinen Bediensteten für die Feierlichkeiten herrichten. Als Mister Taryòn ihm eine Auswahl an Einstecktüchern präsentierte, klopfte es an seiner Tür.
»Herein«, rief Kaèl, und Nyòko trat ein, dicht gefolgt von einem Diener in scharlachroter Livree, es musste also einer von ihren Privatdienern sein. Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Kein Purpur?«, fragte sie. Etwas an ihrem Lächeln gefiel ihm nicht.
»Das ist nicht meine Farbe.«
»So so.« Sie stemmte die Arme in die Hüften. »Und jetzt rate einmal, wessen Farbe das ist? Ludòikus!«
»Hmm«, machte Kaèl. Er hatte die dumpfe Ahnung, dass dies keine angenehme Konversation werden würde.
»Bei allen Drachen, Kaèl! Warum hast du dieses Purpurschneckenschiff gekauft? Vater hat geschäumt vor Wut.«
»Er kann wütend sein?«, fragte Kaèl entgeistert.
Sie schnaubte. »Na was denkst du, wie er zuhause Serèika in Schach hält? Er kennt nichts, wenn es um Mode geht!«
»Oh«, sagte Kaèl. »Das war mir nicht bewusst.«
»Und dir war ebenso wenig bewusst, dass du kein Anrecht hast, Purpur zu tragen?«
»Es war ja auch nicht für mich«, platzte er heraus. »Das war ein Geschenk für einen ... Freund.« ›Freund‹, oder als was auch immer er Bendix bezeichnen sollte.
»Was es nicht besser macht. Und davon abgesehen, du und dein Freund«, sie zog das Wort affektiert in die Länge, was Kaèl erröten ließ, »ihr habt grausame Vorlieben. Wenn es nach mir ginge, ich würde Purpur auf der Stelle verbieten. Die armen Kreaturen.« Sie schüttelte sich.
Oh nein, fiel es ihm siedendheiß ein, Bendix liebt auch Tiere. Nicht dass er mein Geschenk deshalb verschmäht hat!
Vor seinem geistigen Auge erschien der Haufen purpurner Tuniken, bezahlt mit den Leben unzähliger Schnecken, die nun ungetragen in Kaèls Lager verrotteten. Es waren mehr, als er Bendix im ganzen Leben hätte schenken können. Sofern sie ein Leben zusammen gehabt hätten. Bei dem Gedanken zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen.
»Kaèl, hörst du mir überhaupt zu?«
Er fokussierte sie wieder und legte ein zerknirschtes Lächeln auf. »Es war eine Dummheit, in Ordnung? Es kommt nicht wieder vor.«
»Jetzt ist es sowieso zu spät.« Sie verdrehte die Augen. »Paradoxerweise hat Ludòiku sich wieder beruhigt, weil er sich als Erklärung zurechtgelegt hat, du hättest die Schnecken bestellt, weil du planst, bald Teil unserer Familie zu sein. Er rechnet in Kürze mit einer Verlobung. Da hast du uns was eingebrockt!«
»Uff.« Kaèl sackte in sich zusammen. Das wurde ihm alles etwas viel. Er starrte auf sein Schmuckkästchen, das über und über mit bunten Edelsteinen verziert war. »Vielleicht sollten wir einfach heiraten«, sagte er mutlos. »Dann lassen sie uns endlich in Ruhe.«
Nyòko und ihr Diener tauschten einen Blick, dann rückte Nyòko demonstrativ ein Stück von Kaèl ab und verschränkte die Arme. »Ich weiß ja nicht, was du vorhast, aber ich habe noch Pläne für mein Leben.«
Pläne? Wenn er Bendix nicht haben konnte, dann war es sowieso egal.
»Du Glückliche«, murmelte er. »Du hast Pläne.«
»Ah, hier steckt ihr beiden Turteltäubchen!«, sagte Ludòiku und lächelte sie von der Türschwelle her vergnügt an, was Kaèls schlechtes Gewissen nur steigerte. Wieso musste Ludòiku auch immer so freundlich sein? Innerlich kochte er wahrscheinlich noch vor Wut. Am Liebsten hätte Kaèl sich unsichtbar gemacht und bei Mira im Stall versteckt.
»Ach lass die Kinder doch.« Zufrieden lächelnd trat Kaèls Mutter neben ihn. »Ludò, du musst dir unseren neuen Lustgarten ansehen!« Sie griff nach seiner Hand.
Er lachte verlegen. »Jetzt? Ich dachte, du willst ihn erst heute Abend präsentieren.«
»Na, dir zeige ich ihn natürlich als ersten«, sagte sie und zog ihn fort. »Erinnerst du dich noch an ...« Den Rest konnte Kaèl nicht mehr verstehen.
Nyòko und Kaèl tauschten einen Blick und fingen an zu lachen. »Da frage ich mich, wer hier die Turteltäubchen sind«, sagte er, als sie sich wieder beruhigt hatten. »Es ist fast zum Fremdschämen.«
»Fast?« Nyòko hob die Brauen. »Du hättest heute Morgen Elìrios’ Gesicht sehen sollen, als sie mit Vater über den Garten sprach.«
»Ich kann es mir bildlich vorstellen.« Er seufzte theatralisch. »Und du weißt nicht, seit wie lange sie mir damit in den Ohren liegt. Wenn es nach ihr ginge, dann würde ich dich heute Abend nach allen Regeln der Kunst dort verführen. Sie hat mir sogar schon die günstigsten Ecken dafür gezeigt.«
Nyòko sog scharf die Luft ein. Wieder warf sie dem Diener einen alarmierten Blick zu. »Sie hat was?«
»Keine Sorge, das wird nicht passieren!«
»Dieser Garten ... Mich bringen da keine zehn Pferde rein!«, rief Nyòko mit Grabesstimme.
Er nickte finster. »Wir haben deswegen sogar die Pacht erhöht. Wenn du wüsstest, mit wie viel Blut der verdammte Lustgarten erkauft wurde.«
»Ein blühender Rosengarten, im Winter? Das Blut muss in Strömen geflossen sein!«
»Du sagst es.«
Sie hielt ihm die Hand hin. »Boykottieren wir den Garten?«
Kaèl schlug ein. »Nichts lieber als das.«
oOOo
Der Ball war weniger spannend, als erhofft. Nach einem ereignislosen Abendessen, bei dem es für Kaèl unterhaltsamer war, den Lernstoff der letzten Tage zu wiederholen, als seinen Sitznachbar*innen zu lauschen, fand er sich allein neben der Tanzfläche wieder. Eigentlich hätte er vorgeben müssen, mit Nyòko zu turteln, um Akàri und Ludòiku zu beruhigen, aber Nyòko war bereits zum zweiten Mal verschwunden und hatte Kaèl ein wenig ratlos zurückgelassen.
Er nutzte die Gelegenheit, und ließ den Blick über die Tanzfläche schweifen, aber er entdeckte weder Lina noch einen der anderen beiden, die ihn interessierten. Stattdessen wurde er immer wieder von den Avancen der anderen Adeligen abgelenkt, die ihn umschwirrten wie Motten das Licht. Wegen ihnen musste er weiter von der Tanzfläche abrücken, bis er sich in einer ruhigen Ecke wiederfand, fernab jeglicher interessanten Ziele. Frustriert verschränkte er die Arme und schoss seinen finstersten Blick Richtung der Tanzenden.
»Na, bist du wieder die Stimmungsbremse?«, erklang eine Stimme direkt neben ihm. Erschrocken wandte er den Kopf und erblickte zu seiner Freude Lina, die ihn breit angrinste. Diesmal trug sie ein gebauschtes smaragdgrünes Kleid, das ihre roten Haare kontrastierte und ihrer üppigen Figur schmeichelte.
»Von wegen!« Er legte sein verführerischstes Lächeln auf. »Du kommst gerade recht! Lass uns tanzen.«
»Bitte, was? Kaèl Hotàru und tanzen?« Sie schüttelte den Kopf. »Verzeihen Sie, der Herr. Ich muss Sie mit einem alten Freund verwechselt haben.«
Kaèl ignorierte ihre Bemerkung und bot ihr seinen Arm an, aber Lina hob abwehrend die Hände.
»Dein Angebot ehrt mich, aber ich als deine Ex werde unserer Kronprinzessin garantiert nicht die Beute wegschnappen. Das grenzt an sozialen Suizid!«
»Fein.« Kaèl seufzte leise. Diese angebliche Turtelei mit Nyòko brachte mehr Nachteile mit sich, als er sich anfangs erhofft hatte. »Wir können uns das mit dem Tanzen auch schenken, und du kommst sofort mit in meine Räume. Durch den Geheimgang, wie Früher. Das wird niemanden auffallen.«
Sie kicherte. »Da hat einer es aber nötig. Aber nein, nein danke, Kaèl!«
Verärgert verschränkte er wieder die Arme und schmollte. Aber bald wurde ihm das affektierte Schweigen zu albern. »Und, wie amüsierst du dich?«, fragte er versöhnlich.
»Die Gäste sind langweilig wie immer, der Lustgarten ist furchtbar, aber damit war es halbwegs erträglich.« Sie hielt eine kleine Phiole hoch, in der eine silbrig-blaue Flüssigkeit schwappte. ›Genkàku Elixier‹ stand auf dem Etikett.
Er runzelte die Stirn. »Ein Halluzinogen?«
Sie verstaute die Phiole wieder in ihrer Rocktasche. »Ich weiß damit umzugehen.«
»So, so.« Kaèl schaute wieder zur Tanzfläche. Ein neues Lied wurde gespielt, das das musikalische Quartett mit dem albernen Namen ›mein Herzschlag‹ angekündigte. Ein langsamer Walzer. Die Paare hielten sich nun enger, die Bewegungen wurden getragener. Ein Paar ganz am Rand schaute sich ununterbrochen in die Augen, ein seliges Lächeln auf den Lippen. Dann küssten sie sich. Kaèl sog scharf die Luft ein. Die beiden so zu sehen schmerzte ihn, es war ein tiefes Sehnen in seiner Brust, aber er konnte den Blick nicht davon lösen.
Es war so ungerecht! Wie sie lachten, wie engumschlungen sie alle tanzten. Schön, dass sie alle Spaß hatten, auf seinem Ball! Verbittert schnappte er sich ein Glas Branntwein vom Tablett einer Dienerin. Mit einem Schluck leerte er das halbe Glas, und die Flüssigkeit brannte sich seine Kehle hinunter. Kaèl musste husten. Das Zeug war stärker, als er erwartet hatte.
Jetzt fiel ihm erst der Text auf, den die Sängerin sang. Das Lied handelte von einer tiefen Liebe, die doch im Verborgenen gelebt werden musste und letztendlich daran zerbrach.
Wie passend. Kaèl nahm einen weiteren, tiefen Schluck, der ihm die Hitze in die Wangen trieb. Eigentlich passt es doch nicht, überlegte er. Wenn das zwischen ihm und Bendix wenigstens eine tiefe Liebe wäre! Aber der Kerl führte sein Leben so weiter wie bisher, tötete hier und da ein paar Magi und legte den Eichhörnchen seine albernen Nüsse hin, als habe es Kaèl nie gegeben, während Kaèl es kaum allein in seinem Bett aushielt.
Er stürzte den letzten Rest Branntwein hinunter und ließ das Glas zum nächsten Tischchen schweben. Wenn Bendix das konnte, dann konnte er das auch! Er würde jetzt Spaß haben, so als habe es Bendix nie gegeben!
Entschlossen wandte er sich wieder Lina zu. »Gib’ mir etwas von deinem Elixier ab!«
Lina wollte protestieren, aber er entwand ihr das Fläschchen per Telekinese und nahm zwei große Schlucke daraus, bevor sie reagieren konnte. Es schmeckte besser als erwartet, süßlich und etwas seifig, fast wie Veilchenpastillen mit Zuckerüberzug.
Er wollte noch einen Schluck nehmen, aber sie riss ihm die Phiole aus der Hand. »Spinnst du? Das ist viel zu viel!«
»Ach was.« Kaèl wischte sich den Mund. »Ich weiß damit umzugehen. Und jetzt muss ich tanzen.«
»Ernsthaft, Kaèl?«
»Ja, hörst du nicht das Lied? Was sie singen? Der Text ist so traurig.« Er breitete die Arme aus. »Ich habe vorher nie auf Texte gehört. Warum eigentlich? Sie haben so recht, in dem, was sie singen! Liebe tut weh!«
Lina musterte ihn, ein amüsiertes Grinsen umspielte ihre Lippen. »›Du bist mein Herz, du bist mein Schatz‹«, zitierte sie. »Tiefgründig. Wirklich Kaèl, ich bin ganz ergriffen.« Sie legte den Kopf in den Nacken und lachte laut.
»Du herzloses Stück«, rief er, aber sie lachte einfach weiter.
Er knurrte frustriert. »Wie du meinst. Ich gehe jetzt jedenfalls tanzen!«
»Dann beeil dich damit. In einer Stunde wirkt das Zeug, dann solltest du besser hier weg sein, bevor es zu einer Katastrophe kommt!«
Dazu sagte er nichts. Einer Laune heraus wirkte er seine Sphärenzauber um sich. Diesmal waren die drei Kugeln rauchblau, passend zu seiner Stimmung und flimmerten im Takt der Musik. Oh, so würde er alle Blicke auf sich ziehen!
Linas Mund öffnete sich vor Überraschung. »Was zum Drachen ist das?«, fragte sie, aber Kaèl antwortete nicht. Er zuckte mit den Schultern und begab sich zur Tanzfläche.
Er wusste nicht, wie lange er getanzt hatte, als Nyòko an seine Schulter tippte.
»Hallo«, sagte sie. »Du scheinst Spaß zu haben.«
Beinahe hätte er gelacht. »Spaß?«
Nyòko kicherte. »Zumindest bietest du eine passable Vorführung auf der Tanzfläche.«
Ja? Verwirrt öffnete er den Mund, aber ihm fiel keine passende Antwort ein.
»Besonders diese Leuchtkugeln! Die Leute reden von nichts anderem.« Sie deutete auf das Glas in seiner Hand. »Wie viel hattest du davon?«
Er betrachtete es nachdenklich. Was trank er überhaupt? Irgendetwas Dunkelbraunes, das seinen Mund angenehm brennen ließ. »Ich weiß es nicht«, sagte er.
Sie seufzte. »Darf ich?«, fragte sie und entwand es ihm.
»Aber das schmeckt mir«, protestierte er. Er breitete die Arme aus. »Darf ich nicht ein wenig Spaß haben, auf meinem eigenen Ball?«
»Jetzt hör auf zu schreien!«, Nyòko warf Kaèls Tanzpartnerin einen entschuldigenden Blick zu. »Ich bin untröstlich, Lady Katkin, aber ich muss Ihnen ihren Tanzpartner kurz entführen.« Ohne deren Antwort abzuwarten, griff sie um Kaèls Oberarm und bohrte dabei ihre langen Nägel viel zu fest in sein Fleisch. Ihm entfuhr ein Schmerzensschrei. Ungerührt zwang sie ihn nach draußen, auf die Terrasse. Es wehte ein leichtes Lüftchen, was sein erhitztes Gesicht kühlte.
»Wir bleiben hier«, sagte sie resolut. »Dann kannst du dort drinnen nicht noch mehr Schaden anrichten. Elìrios ist außer sich.«
Oh. Kaèl wünschte sich sein Glas zurück.
»Kaèl, was ist los?«
»Nichts«, sagte er automatisch. »Es geht mir blendend.« Dasselbe hatte er sich und allen anderen seit Wochen gesagt. Immer und immer wieder, dass es bereits in Fleisch und Blut übergegangen war.
Sie runzelte die Stirn. »Ist irgendetwas mit deiner Prüfung? Ich habe gerade Madame Neomùra gesehen, hat sie dir irgendwas gesagt?«
»Welche Prüfung?« Dann fiel es ihm wieder ein. »Ach … die Erzmagiprüfung.« Er lachte tonlos. »Nein, nein, alles bestens.«
»Oh verflucht, da sind meine Eltern!« Sie packte ihn wieder am Arm und zog ihn die Treppen hinab, Richtung Lustgarten. »Sie dürfen dich nicht in diesem Zustand sehen!«
»Aber wir wollten den Garten doch boykottieren«, protestierte er, als sie ihn durch den Buchsbaumrundbogen führte, der den Eingang des Lustgartens bildete, aber Nyòko drängte ihn unbarmherzig weiter.
»Dann hättest du dieses verdammte Elixier nicht trinken dürfen«, keuchte sie, während sie ihn durch heckenumsäumte Gänge, Blumenbeete und an einem Springbrunnen vorbeizog, bis sie endlich ihre Schritte verlangsamte. »Hier sollten wir unsere Ruhe haben.« Sie musterte ihn. »Was machst du nur für einen Unfug. Jetzt musste ich wegen dir meinem Vorsatz bezüglich des Lustgartens untreu werden!«
»Entschuldige«, sagte Kaèl leise. Irgendwie hatte ihn die frische Luft ernüchtert, und er fühlte sich schrecklich. Immer mehr Fragmente des heutigen Abends drängten zurück in sein Bewusstsein, und alle waren unschön. Er musste sich dort drinnen vollständig zum Narren gemacht haben. Ihm wurde heiß, und sein Herz wummerte in seiner Brust.
Nyòko schüttelte missbilligend den Kopf. »Halluzinogene! Was ist falsch mit dir?«
»Ich weiß es ja selbst nicht«, presste er heraus. »Die letzten Tage waren so öde und ich ... ich wollte ...« Seine Stimme brach. Er hatte das Gefühl, dass ihn das alles erdrückte. Ein Schluchzen stieg in seiner Kehle hoch, und er biss sich auf die Lippe, um es herunter zu kämpfen, aber seine Augen schwammen schon in Tränen.
Ihre Miene wurde weich, und sie drückte seine Schulter. »Kaèl?«
»Ich will mein Glas zurück«, sagte er trotzig, während ihm die erste Träne die Wange hinunterlief.
Sie schüttelte den Kopf und reichte ihm ein Taschentuch, das angenehm nach Rosenwasser duftete. Er tupfte seine Augen trocken und atmete ein paarmal tief durch.
»So«, sagte Nyòko. »Jetzt setzen wir uns gemütlich hin, und du erzählst mir alles in Ruhe.« Sie führte Kaèl zu einem Pavillon mit dicken, roten Holzsäulen und einem geschwungenen, schiefergedeckten Dach, und sie setzten sich auf die mit Samtkissen ausgelegte Bank.
Akàri hatte recht behalten. Wärmezauber sei Dank war es angenehm, hier zu sein. Es war ruhig, sie hatten ihren Frieden vor dem hektischen Treiben im Ballsaal und waren an der frischen Luft.
Nyòko lachte hell auf. »Ach, das ist ja goldig. Hier gibt es sogar magische Glühwürmchen!«
Kaèl wurde schwummrig. Das grünliche Geflirre vor seinem Gesicht bereitete ihm ein flaues Gefühl im Magen, aber es war kontrollierbar. Wenn das alles an Nebenwirkungen war, dann war das mit dem Elixier nicht so schlimm wie befürchtet!
»So absurd ich diese Lustgartenidee finde«, sagte Nyòko, »hier ist es besser als dort drinnen.« Sie lächelte. »Und jetzt erzähl mir, warum du so neben dir stehst.«
Kaèl betrachtete seine Hände. »Ich habe einen kennengelernt«, sagte er zögerlich. »Zuerst hat er mich nur fasziniert, aber jetzt …«, er äugte verlegen zu ihr, »… ich glaube, ich habe Gefühle für ihn entwickelt. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte, das hatte ich bisher noch nie und ich hatte gehofft, mir würde das erspart bleiben.«
»Aber das ist doch schön!«
Er schniefte. »Schön? Sitzengelassen hat er mich. Und seitdem kann ich nicht mehr essen, nicht mehr schlafen.«
Sie lachte leise. »Willkommen bei den Lebenden!«
Als er sie verwirrt anstarrte, seufzte sie. »Schau mal, Kaèl, ich habe mich immer gefragt, wie du es mit deinen Eltern aushältst. Sie gehen so lieblos miteinander um, und ich habe vermutet, dass du deshalb in manchen Dingen so … merkwürdig bist.«
»Was meinst du damit?«, fragte er scharf.
»Na, dass du dich nicht für andere interessierst, nichts ist dir wichtig, außer deine Bücher und Theorien.« Sie lächelte warm. »Ich verstehe das, Bücher sind ein Schutz. Aber jetzt hast du dich aus deinem Schneckenhaus gewagt und ja, das ist etwas Gutes.«
»Erwähne das Wort ›Schneckenhaus‹ nicht«, bat er.
Nyòko lachte laut. »Ach ja, der Purpur!«
»Und nein«, widersprach er vehement, »es ist nicht gut. Ich fühle mich ... furchtbar.«
»Aber du fühlst, verstehst du? Es ist besser, etwas zu fühlen, als taub zu sein.«
»Ich war nicht taub, meine Emotionen waren nur unter einer angemessen dicken Schicht aus Eis verborgen!« Trotzig schob er eine der kunstvoll geflochtenen Haarsträhnen beiseite, die ihm immer wieder in seine Augen fielen.
»Und jetzt ist das Eis getaut, und du benimmst dich wie ein Heranwachsender. Wirklich, Kaèl, du machst auch alles mit.« Nyòko tätschelte sanft seine Schulter, zuerst widerstrebte ihm die Berührung, aber nach etwas Zögern konnte er sich darauf einlassen und fand es sogar tröstlich.
»Es ist ungerecht. Da öffne ich mich ausgerechnet so einem Bauernjungen, ohne Bildung, Geld, Ansehen, und dann lässt der mich sitzen!«
Beim Wort ›Bauernjungen‹ weiteten sich Nyòkos Augen, aber Kaèl sprach einfach weiter, er konnte sich ihre Kommentare dazu denken, dass ausgerechnet er sich mit einem aus dem Pöbel einließ. »Ich meine … er sollte dankbar sein, dass ich ihm meine kostbare Zeit gewidmet habe!«
»Ich hoffe, das hast du ihm so nicht gesagt?«
»Natürlich habe ich das. Ich habe es ihm geschrieben, damit er zu Verstand kommt, aber der Kerl hat nicht einmal darauf reagiert.«
Sie seufzte leise. »Sicherlich fand er es verletzend, dass du so über ihn denkst.«
»Ach was. Es ist doch die Wahrheit, er besitzt nichts, und ich hätte ihm alles zu Füßen gelegt.«
»Kaèl, vielleicht interessiert er sich nicht für deinen Reichtum? Ich finde das irgendwie charmant.« Sie schien nachzudenken. »Oder er findet deinen Reichtum gerade abstoßend?«
»Abstoßend? Meinen Reichtum?«
Sie rang die Hände. »Nicht direkt den Reichtum, aber die Art, wie deine Familie dazu gekommen ist? Wie ...«, Nyòko zögerte, »unser aller Familien dazu gekommen sind? Du sagtest, er sei Bauer – vielleicht geht es ihm gegen den Strich, dass seinesgleichen schuften muss, während wir uns an den Früchten ihrer Arbeit laben.« Sie senkte die Stimme. »Manche würden es als ›Ausbeutung‹ bezeichnen.«
»Würden sie das?« Kaèl lachte, unangenehm berührt. So hatte er das noch nicht gesehen und der Gedanke überforderte ihn. Aber es war einerlei, denn Bendix schien sich weder für seine Titel noch für Kaèl als Person zu interessieren. Da war es egal, was er tat.
Er starrte auf die vor seinen Augen tanzenden Glühwürmchen. Jetzt änderten sie sogar die Farbe, von Grünlich zu Gelb und Rot, was Kaèl etwas übertrieben vorkam. Eines schien sogar sein Maul zu öffnen und zeigte seine spitzen Zähnchen. Kaèl blinzelte verwirrt. Haben Insekten überhaupt Zähne? Er fixierte das Tierchen mit seinem Blick, aber jetzt schimmerte es wieder harmlos grünlich, und die Grimasse war verschwunden.
»Was würdest du an meiner Stelle tun?«, fragte er.
»Versuch’ dich in ihn hineinzuversetzen«, sagte Nyòko. »Was denkt er? Was will er? Wenn die Antwort lautet: ›nicht dich‹, dann lass ihn in Ruhe.«
Kaèl seufzte. »Ich denke, er mag mich auch. Er hätte mich mehrfach töten können und hat es nicht getan.«
»Das muss Liebe sein!« Ihre Stimme troff vor Ironie.
»Du verstehst es nicht. Es ist kompliziert! Bei unserem letzten Treffen hat er sich geöffnet, obwohl er eigentlich ...«
Er stockte. Das war es! Bendix empfand etwas für ihn, sonst hätte er kaum Kaèls Namen gesagt, und seine Hand genommen, bevor er gekommen war. Er verachtete schlichtweg das, für das Kaèl stand. Er konnte nicht akzeptieren, dass Kaèl ein Magi war, genau wie die, die ihn ... gefoltert(?) hatten.
»Obwohl er eigentlich?«, wiederholte Nyòko.
»... solche wie mich hasst«, sagte Kaèl langsam. Es war interessant, das Elixier ließ ihn klarer denken, als je zuvor. Wenn er eine Chance bei Bendix haben wollte, musste er Bendix beweisen, dass er mehr war, als nur ein Magi.
»Lass uns gehen«, sagte er und erhob sich. »Nicht, dass Akàri auf merkwürdige Gedanken kommt, warum wir so lange fort sind.« Erst als er stand, merkte er die volle Wirkung des Elixiers, sie traf ihn wie ein Hammer. Alles drehte sich, und ihm brach der kalte Schweiß aus. Haltsuchend griff er nach Nyòkos Schulter.
Sie kam ihm zu Hilfe und stützte ihn. »Ich glaube, du solltest gleich ins Bett, wenn wir wieder da sind. Ich beschäftige Akàri und Vater schon.«
»Danke«, presste er zwischen den Zähnen hervor.
Auf Nyòko gestützt, versuchte er, durch den von Rosenhecken umsäumten Gang zu laufen und dabei nicht über die eigenen Füße zu stolpern. Aber die Rosen entwickelten ein merkwürdiges Eigenleben, eine rankte sich um seinen Fuß und hielt ihn zurück. Entsetzt schrie er auf und strampelte sich frei.
»Was hast du?«, fragte Nyòko.
Er klammerte sich fester um ihren Arm. »D-Die Ranken bewegen sich.«
»Unfug«, rief sie. »Das sind ganz normale Rosen!«
Kaèl zitterte am ganzen Leib. »Bring mich hier raus«, rief er schrill.
Nyòko legte einen Arm um seine Hüfte und schob ihn weiter. »Wir sind gleich draußen!«
Aber nach nur wenigen Metern, die zu bewältigen Kaèl wie eine Ewigkeit vorkam – vielleicht war es auch eine Ewigkeit, sein Zeitgefühl hatte ihn vollends verlassen, mal fiel er in Sekundenschlaf, mal dehnte sich ein Moment ins Unendliche – stellten sie fest, dass sie in einer Sackgasse gelandet waren. Nyòko riss ihn herum, in einen anderen Gang hinein. Hier waren die Rosen weiß, nicht rot, was ihnen vielleicht als Hilfestellung dienen konnte, falls sie hier noch einmal vorbei liefen.
Die Farbe irritierte ihn. Hatte Mutter nicht explizit rote Rosen verlangt?
Kaèl blinzelte. Vor seinen Augen färbten sich die Rosen rot, dann wieder weiß. Sein Atem stockte. Das konnte nicht sein!
»Die Rosen«, sagte er. »Welche Farbe haben sie?«
»Rot, Kaèl.« Nyòko verstärkte ihren Griff. »Es sind ganz normale, rote Rosen!«
Wieder endete der Weg mit einer Rosenwand, und sie mussten kehrtmachen. Mittlerweile dröhnte Kaèls Herzschlag in seinen Ohren, laut und hektisch. Sie probierten einen dritten Gang, aber auch der führte in eine Sackgasse. Ebenso wie der Nächste und Übernächste. »Warum mussten wir ausgerechnet in dieses Labyrinth geraten!«, schimpfte Nyòko leise.
»Mir ist schwindlig«, murrte Kaèl. »Wann sin wir endlich hier-raus?« Er stockte. Das klang nicht richtig. »Wann sin-wir«, wiederholte er testweise, aber egal wie sehr er sich mühte, die Wörter verschwammen in seinem Mund.
»Ich weiß es nicht«, Verzweiflung schwang in Nyòkos Stimme mit. »Ich muss die richtige Abzweigung verpasst haben.«
»Mir-is schlecht, Nyòko. Un-ich hab Angst vor-den Rosen.«
»Zugeknöpft und unnahbar gefielst du mir besser«, stöhnte sie.
»Hier bist du!« Die Stimme, die ihnen entgegenschallte, klang kalt wie Eis.
»Hiròki!«, rief Nyòko und stieß erleichtert die Luft aus.
Der Diener, den Kaèl heute Mittag kennengelernt hatte, baute sich vor ihnen auf, die Arme vor der Brust verschränkt. »Ich dachte, du wolltest nicht mit dem in den Lustgarten«, sagte er und warf Kaèl einen vernichtenden Blick zu. Seine Augen weiteten sich. »Was hat er da für Kugeln um sich?«
»Es ist gerade etwas kompliziert«, keuchte Nyòko, »jetzt hilf mir, ihn hier raus zu bringen. Wir haben uns verlaufen, und Kaèl steht unter Halluzinogenen.«
Der Diener hob die Brauen. »Verlaufen? Wieso habt ihr nicht einen der vielen Bediensteten hier nach dem Weg gefragt? Die stehen doch an jeder Ecke!«
»Weil ...« Nyòko öffnete den Mund und vergaß ihn wieder zu schließen. »Die haben wir nicht bemerkt«, fügte sie leise hinzu.
Der Diener lachte. »Ich wusste ja, dass ihr Adeligen uns andauernd überseht, aber von dir hätte ich mir mehr erhofft, Nyòko!«
Wie unverschämt dieser Diener war! Kaèl hätte so einen wie ihn sofort entlassen. Er öffnete den Mund, um zu protestieren, aber der Schwindel überwältigte ihn wieder. Panisch krallte er sich mit der freien Hand in Nyòkos Schulter, dass er sie fast umarmte.
»Mir scheint es eher, als wolltest du überhaupt nicht hier weg«, sagte der Diener. »Ich lasse euch beiden Herzchen lieber allein.«
»Hiròki!«, sagte Nyòko scharf. »Jetzt hör auf mit dem Quatsch! Kaèl ist schwul!«
»Ich bin-nich schwul«, protestierte Kaèl.
»Ach, und was ist das mit deinem Bauern?«
Jetzt starrten ihn die beiden an, Hiròki aus verengten Augen und Nyòko mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen.
Kaèl zuckte mit den Schultern. »Ich mag alle Geschlech-ter. Schon immer. Das is-nich schwul.« Er hätte gern weiter ausgeführt, dass sich die Geschlechterrollen im Laufe der Zeit und vor allen Dingen zwischen den Kulturen so stark geändert hatten, dass er nicht verstand, wieso Liebe überhaupt an ein bestimmtes Geschlecht gebunden sein sollte, aber das überstieg gerade seine sprachlichen Möglichkeiten. Seine Zunge lag wie ein träger Fremdkörper in seinem Mund und machte keine Anstalten, sich seinen Wünschen anzupassen.
Nyòko löste sich von Kaèl, der daraufhin fast in die Dornen fiel. Er versuchte, sich im letzten Moment an eine der Streben zu klammern, an der die Rosen rankten, aber zu seiner Überraschung entpuppte die sich als eine gut getarnte Dienerin. Kaèl war alles recht, er krallte sich in die Schulterklappe ihrer hellgrünen Livree und gewann so wieder an Stabilität.
Nyòko schritt auf Hiròki zu, und die beiden fingen an zu diskutieren, so leise und schnell, dass Kaèl nur Bruchstücke verstand. Dabei kamen sie sich immer näher, viel zu nah, und irgendwann trommelte Nyòko dem Diener wütend auf der Brust herum, während der breit grinste. Auf einmal dämmerte es Kaèl.
»Ihr?«, fragte er und lachte. »Das-sin deine Pläne, Nyò- Nyòki?«
»Ich wüsste nicht, was Sie das angeht«, sagte der Diener schnippisch.
Nyòko legte eine Hand auf Hiròkis Schulter, und sie tauschten einen Blick. Allmählich entspannten sich seine Züge, dann lächelte er sie so warm an, dass Kaèl ganz neidisch wurde. Wenn Bendix ihn nur einmal so anlächeln würde!
»Jetzt sei nicht so harsch zu unserem Prinzchen«, sagte Nyòko, »er macht gerade eine schwere Zeit durch.«
»Liebeskummer«, bestätigte Kaèl, nun hochrot.
»Sein Angebeteter reagiert nicht auf seine Geschenke«, präzisierte Nyòko.
»Was hat er ihm denn geschenkt?«, fragte Hiròki. »Darf ich raten? Wein, Pralinen, Schinken?«
Kaèl nickte matt.
»Wie persönlich«, spottete Hiròki. »Das musste ich für meinen letzten Herrn auch immer heraussuchen, wenn er bei seinen Romanzen nicht weiter wusste.«
»Un-eine purpurne Tunika«, insistierte Kaèl. »Das war persönlich.«
»Klingt eher so, als hätte er sein Modepüppchen ausstaffieren wollen.« Der Diener zwinkerte Nyòko zu, was Kaèl rasend machte. Was bildete sich dieser Pimpf ein, über ihn zu reden, als sei er nicht anwesend?
Nyòko schüttelte mahnend den Kopf. »Jetzt sei nicht so zynisch!«, herrschte sie Hiròki an, aber der lächelte nur breit. Allmählich glätteten sich ihre Züge, und sie grinste liebevoll zurück. Sie schloss die Distanz, legte die Hände um Hiròkis Nacken und küsste ihn.
Wie typisch, dachte Kaèl. Alle vergessen mich, vor lauter Glück!
Er machte empörte Geräusche, bis die beiden sich wieder voneinander lösten.
»Ja, ja, wir bringen dich schon raus«, sagte Nyòko, und sie und Hiròki nahmen Kaèl zwischen sich, Nyòko rechts von ihm, Hiròki links. Jeder schlang sich einen von Kaèls Armen um den Nacken, und Hiròki lotste sie aus dem Labyrinth heraus.
Als sie endlich wieder vor dem Springbrunnen ankamen, machten sie eine Pause, um nach Luft zu schnappen.
»Ich würde es an Ihrer Stelle noch einmal versuchen, mit einem persönlichen Geschenk«, wandte sich Hiròki an Kaèl. »Bei Nyòko hat es auch mehrere Anläufe gebraucht, bis sie mich erhört hat. Schenken Sie ihm am besten etwas Selbstgemachtes, bei dem Sie sicher sind, dass Ihr Auserwählter es mag.«
»Er mag Eich-chör-chen«, lallte Kaèl. Beim Drachen, war das ein kompliziertes Wort!
»Dann zaubere ihm eines aus Licht«, riet Nyòko. »So ähnlich wie diese Glühwürmchen hier. Das kann er doch nur goldig finden!«
»Aba-er m-mag keine Magie!«
Sie riss die Augen auf. »Bitte was?«
»Er m-mag keine Magie!«
Sie gluckste leise. »Ausgerechnet du verliebst dich in einen, der keine Magie mag? Muriel, was hast du dir da angelacht!«
Wenn du wüsstest, dachte er.
Nyòko und Hiròki lieferten ihn bei Mister Taryòn ab, und klärten ihn mit ruhigen Worten über die Situation auf.
Mister Taryòn nickte eifrig, und stellte Kaèl ein Glas Wasser hin, dann besorgte er bei Madame Hazel ein Gegenmittel gegen das Genkàku Elixier. Er wachte darüber, dass Kaèl alles von dem bitteren Gebräu austrank und brachte ihn dann ins Bett.
Allmählich fühlte Kaèl sich besser, aber immer wenn er probeweise die Augen schloss, drehte sich alles. Also starrte er stattdessen an die mit silbernem Stuck verzierte Decke.
Bendix verachtete Magi, aber er liebte andere Lebewesen, Tiere zum Beispiel. Und er hatte mit Kaèl gekuschelt. Wenn ihm nichts an Zärtlichkeiten lag, dann hätte er es einfach lassen können, denn Kaèl hatte nichts dergleichen initiiert.
Bestimmt ist er insgeheim auch einsam, in seiner abgeschiedenen Hütte, dachte er.
»Mylord, ich mache mir Sorgen um Sie«, sagte Mister Taryòn leise, als er die Bettdecke über Kaèl zog. »Sie müssen diesen jungen Herrn endlich vergessen, das führt doch zu nichts.«
»Ganz im Gegenteil«, sagte Kaèl. »Mir ist heute Abend eine vorzügliche Idee gekommen!«
Er würde Bendix das Niedlichste schenken, zu dem er fähig war!