Bendix rollte ihn herum, hob ihn an und wand ihm das Laken aus den Armen. Vorsichtig drehte er ihn wieder auf die Seite, deckte sie beide zu. Er kuschelte sich an Kaèls Rücken und hauchte ihm einen Kuss zwischen die Schulterblätter.
»Was machst du da?«, fragte Kaèl schlaftrunken.
Ertappt hielt Bendix inne. »Hab’ ich dich geweckt?«
»Hmm.«
»Du hattest mir die Decke geklaut.«
»Ich?«
»Ja, du«, sagte Bendix. »Du bist nicht nur ein Deckenklauer, du bist auch ein Wühler, ein Bettimperialist, und du hast ein besitzergreifendes Bein.«
Kaèl drehte sich zu ihm. »Wie bitte?«
»Zum Glück kann ich Kampfsport, sonst wäre ich gegen dich aufgeschmissen.« Bendix lachte verlegen. »Du merkst es nur nicht, weil du sonst schläfst.«
Kaèl seufzte theatralisch. »Wie furchtbar es mit mir sein muss!«
»Nein, wunderschön. Ich liebe jede Sekunde davon.« Bendix lächelte ihn so offen an, dass jeglicher Widerstand in ihm schmolz. »Du hast keine Vorstellung davon, wie sehr mir das gefehlt hat.«
Für eine gefühlte Ewigkeit waren ihre Blicke verkettet. »Doch, die habe ich«, murmelte Kaèl. »Glaub mir, die habe ich.«
Bendix gab keine Antwort, dafür schlang er seine Arme um ihn. Seine Finger wanderten hoch, über Kaèls Nacken in sein Haar. »Jetzt bist du also wach, hmm?« Er beugte sich vor, so dass Ihre Gesichter nur mehr eine Handbreit voneinander trennte.
Die plötzliche Nähe machte Kaèl nervös. Gebannt starrte er in Bendix’ Augen.
Ganz langsam schloss Bendix den letzten Abstand und küsste ihn. Es war ihr erster richtiger Kuss seit der Trennung, und Kaèls Körper reagierte mit einer Heftigkeit darauf, die ihn selbst überraschte. Sein komplettes Bewusstsein war auf Bendix ausgerichtet; er wollte nur noch schmecken und fühlen, ihm näher sein. Mit der Hüfte drängte er gegen Bendix’, rieb sich an ihm, während seine Hände sich in Bendix’ Rücken krallten.
Bendix löste sich. Kaèl protestierte leise, aber Bendix lächelte nur. Er wanderte mit seinen Küssen tiefer. Seine Lippen streiften über Kaèls Kehle, verursachten eine köstliche Gänsehaut. Kaèl bog den Rücken durch, er wimmerte. Bendix saugte an seinem Schlüsselbein. Er schob Kaèls lockeres Nachtgewand beiseite und knabberte an seinen Brustwarzen. Eine Hand legte er um Kaèls Schaft. Sofort reagierte sein Schwanz, zuckte Bendix entgegen.
Kaèl stöhnte. Er war lange nicht mehr berührt worden, und Bendix wusste nur zu gut, was er brauchte, sein Griff war fest, seine Bewegungen fast qualvoll langsam. Kaèls Atem ging hektisch, seine Muskeln verkrampften sich. Wenn Bendix so weitermachte, dann ...
Bendix schaute hoch und grinste, dann beugte er sich darüber und nahm ihn zwischen die Lippen.
Kaèls Schenkel zitterten. Bendix’ Zunge fuhr über seine Eichel, und Kaèl zuckte zusammen.
»B-Bendix, warte!«
Bendix hielt inne, aber es war zu spät, Kaèl konnte es nicht mehr aufhalten. Mit einem tiefen Seufzer ergoss er sich in Bendix’ Mund.
»Oh«, sagte er verschämt. »Es ... ist lange her.« Seine Wangen glühten.
Bendix wischte sich den Mund ab und küsste ihn. »Komm«, sagte er und zog ihn in seine Arme.
»Und du?«
»Das ist nicht so wichtig.«
Kaèl löste sich aus der Umarmung. »Aber ...«
»Wir haben sowieso kein Öl, ich hab’ es in der Hütte vergessen.«
»Wieso hast du nicht einfach welches aus der Küche geholt?«
Bendix’ Augen wurden groß. »Aber da ist nur Olivenöl. Das geht auch?«
Kaèl verkniff sich ein Grinsen. Manchmal war Bendix niedlich unerfahren.
Bendix schüttelte den Kopf, als wollte er einen unerwünschten Gedanken vertreiben. »Aber das ist nicht schlimm. Ich wollte mich heute sowieso nur auf dich konzentrieren.«
»Hm«, sagte Kaèl. Bendix meinte das bestimmt nett, aber es fühlte sich unvollständig an. Er wollte Bendix über seine Grenzen treiben.
So blieb ein schales Gefühl zurück. Aber Bendix machte keinerlei Anstalten, das Öl zu holen, oder irgendetwas Neues zu initiieren, also ließ er sich wieder in Bendix’ Arme sinken und versuchte, sich zu entspannen.
Nach ein paar Minuten löste Bendix sich und stieg aus dem Bett. Kaèl hielt ihn nicht zurück, er war drauf und dran wieder einzudösen.
Er musste wohl eingenickt sein, denn als er die Augen wieder öffnete, kehrte Bendix mit einem großen Tablett zurück, das er ans Fußende des Bettes stellte. Er setzte sich neben Kaèl.
Kaèl begutachtete die Köstlichkeiten: Suppe mit scharfem Kohl, ein Schälchen Reis, dazu gedämpftes Gemüse, frittierter Tofu und Gurkensalat. Abgerundet wurde das Ganze mit mehreren kleinen Schälchen verschiedenfarbiger Saucen.
Der Geruch der Speisen ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen, er merkte erst jetzt, wie hungrig er war. »Du hast dich selbst übertroffen!«
»Ach was«, sagte Bendix verlegen. »Hier gibt es einfach nur viel mehr als bei mir in der Hütte ... So viele Gewürze und Vorräte!« Er warf Kaèl einen langen Seitenblick zu. »Du bist viel zu dünn geworden. Ich werde erst zufrieden sein, wenn du alles aufgegessen hast!«
Kaèl nickte pflichtbewusst.
Bendix setzte sich neben ihn. Als er sich vorbeugen wollte, um das Tablett zu greifen, zog Kaèl es telekinetisch an sich und ließ es über ihren Knien schweben.
Ohne weiteren Kommentar griff Bendix nach den Schüsseln und reichte Kaèl die seine.
»Wie«, fragte Kaèl verblüfft. »Du beklagst dich nicht darüber, dass ich gezaubert habe? Das machst du doch sonst immer.«
Bendix lächelte. »Seit gestern kann ich nicht mehr behaupten, dass Magie vollkommen unnütz ist.«
»Das werde ich mir merken.« Kaèl griff nach den Stäbchen.
»Das befürchte ich auch«, stöhnte Bendix.
Kaèl kostete von allen Speisen, einige waren sauer, einige salzig, und die Suppe war so scharf, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen. Es war köstlich.
Bendix warf ihm immer wieder Blicke zu und lächelte.
»Was?«, fragte Kaèl irritiert.
»Ach, ich freue mich nur, dass es dir besser geht. Du bist nicht mehr so blass wie gestern.«
»Kein Wunder bei der Suppe! Wie viel Chili hast du hineingetan?«
»Ach was, die ist doch nicht scharf.«
Kaèl lachte leise. »Du solltest dich als Koch bei uns vorstellen. Vielleicht würde das meinen Vater wachrütteln.«
»Hast du Angst, nach Hause zu fahren?«
Die Frage überforderte ihn. Ohne den Blick von seiner Schüssel zu heben, sagte Kaèl: »Angst nicht … es ist nur alles so hoffnungslos. Früher dachte ich, ich könne etwas ändern, aber jetzt lässt Mutter nicht mehr mit sich reden.«
»Wieso hasst sie die Menschen so?«
Kaèl zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich aus dem Grund, aus dem die meisten Leute hassen. Ist der Hass erst einmal fort, sind sie gezwungen, sich mit dem Schmerz zu beschäftigen. Und Schmerz gibt es in Mutters Leben eine Menge.« Er hob den Blick und schaute Bendix ins Gesicht.
Der blickte zur Seite. »Vielleicht haben deine Mutter und ich mehr gemein, als mir lieb ist.«
Daraufhin schwiegen sie eine Weile. Nachdenklich drehte Kaèl die Schüssel in seinen Händen. »Wann wollte Mister Scott kommen?«, brach er schließlich das Schweigen.
»Am frühen Nachmittag.«
»Das ist gut. Ich wollte auf dem Rückweg noch in deinem Dorf vorbeischauen. Die Leute dort weigern sich, das Land zu verlassen. Sie glauben mir nicht, dass sie in Gefahr sind, dabei bleiben ihnen nur noch wenige Tage.«
Bendix legte eine Hand auf sein Schulter. »Du musst dir keine Sorgen machen. Ich habe mit ihnen geredet. Sie wollen fahren.« Er lächelte schief. »Wahrscheinlich haben mich die Grauen deshalb entdeckt, weil ich so oft dort war. Nach meinem letzten Besuch waren sie auf einmal vor meiner Hütte.«
»Gut möglich … aber dennoch – sie wollen fahren? Wundervoll!« Kaèl stockte. Sein Blick suchte Bendix’. »Moment … Du hast ihnen gesagt, dass sie fahren sollen?«
Bendix zuckte mit den Schultern. »Ich hatte so ein Gefühl, dass deine Leute Nyòkos Tod an ihnen auslassen könnten. Als sie mir dann von deinen Bemühungen erzählt haben, war mir klar, dass sie fliehen müssen.«
»Aber wieso meintest du gestern, dass du zu Kasi willst, wenn du bereits wusstest, dass du dort nicht bleiben kannst?«
Bendix erhob sich. Er räumte die Schüsseln zusammen, ohne Kaèl dabei anzusehen. »Ich war sauer auf dich und wollte dir nicht zustimmen. Ich ... hasse es, dass du immer Recht hast.«
Kaèl lächelte. »Ich liebe dich auch.«
Auch er stand auf und half Bendix beim Wegräumen. »Wenn Mister Scott erst am Nachmittag kommt, dann bleibt uns genug Zeit für das Wichtigste.«
»Du bist unersättlich.« Bendix lachte.
»Unfug! Ich wollte dir den Strand zeigen.«
»Oh?«, sagte Bendix.
Er wirkte enttäuscht, und jetzt war es Kaèl der lachte.
oOOo
Kaèl breitete die Arme aus. »Der Strand hier ist der beste Fukuòkas. Sei froh, dass du mich hast, mit mir bekommt man nur das Beste!«
»Gut, dass du kein bisschen arrogant bist.« Bendix verdrehte die Augen, aber Kaèl zog ihn euphorisch weiter.
Als sie an der Klippe ankamen, blieb Bendix stehen. Er schirmte die Augen mit den Händen ab. »Es ist riesig! Und ... das Meer ist so blau! Oh, Kaèl, es ist wirklich der schönste Strand! Der schönste Strand der Welt!«
Kaèl lächelte. »Ich wusste, dass es dir gefällt.« Ihm fiel ein, was er in einem seiner Menschenbücher gelesen hatte. »Du kannst doch schwimmen?«
Bendix schnaubte. »Was ist das für eine Frage?« Er griff Kaèls Hand, und zog ihn mit sich den Weg herunter. »Komm.«
Kaèl folgte ihm. Er kicherte atemlos. Es war ein brütend heißer Tag, wolkenlos, und er konnte es kaum erwarten, in die Wellen zu steigen.
Am Strand angelangt traten sie ihre Schuhe von den Füßen. Kaèl warf sein Sonnenschirmchen beiseite, Robe und Unterkleid folgten. Er wirkte den Sonnenschutzzauber.
»Was ist das?« Bendix starrte auf die kleine Wolke über Kaèls Kopf.
»Mein Schattenspender. Ohne den würde ich mich verbrennen.«
»Das ... sieht albern aus.«
Kaèl verschränkte die Arme vor der Brust. »Jetzt mecker’ nicht, und zieh dich endlich aus!«
Bendix streifte Tunika und Hose ab, faltete sie zusammen und stapelte sie ordentlich neben dem Sonnenschirmchen auf.
Kaèl ließ den Blick von seinem Torso zu seinen Oberarmen schweifen. Bendix hatte genau richtig viele Muskeln. Genug, um sie bewundern zu können, aber nicht so viele, dass es übertrieben wirkte. Und er fühlte sich noch besser an, als er aussah, über der harten Schicht war seine Haut samtig-weich.
Früher hatte Kaèl auch Timantys Muskeln bewundert. Timanty hatte sich beim Arbeiten gern oberkörperfrei gezeigt, so war er Kaèl damals ins Auge gesprungen. Aber als sie dann miteinander ausgingen, hatte er sich nie zu Kaèl auf die Picknickdecke setzen wollen, weil er sich ›im Stehen hübscher‹ fand.
Bendix scherte sich nicht um derlei Dinge. Er schaute nicht bei jeder Gelegenheit an sich herunter, ob dies oder jenes gerade unvorteilhaft wirkte, sondern lebte einfach.
Der einzige Nachteil war, dass er sich viel zu selten auszog, Kaèl musste die wenigen Augenblicke ausnutzen, in denen er ihn bei vollem Tageslicht so zu Gesicht bekam.
»Was guckst du so?«, fragte Bendix.
»Darf ich meinen Freund nicht bewundern?«
Bendix verdrehte die Augen. »Hmpf.« Aber dann lächelte er doch ein wenig. »Bin ich das wieder? Dein Freund?«
Kaèl trat neben ihn und nahm seine Hand. »Wenn du es zulässt?«
Bendix’ Lächeln war Antwort genug.
Auch Kaèl lächelte. Er hatte heute schon so viel gelächelt, dass seine Wangen schmerzten. »Es ist heiß. Lass uns schwimmen gehen.«
Sie rannten zum Wasser, aber Kaèl blieb kurz vor der ersten Welle stehen.
Bendix warf ihm einen fragenden Blick zu.
»Es ist kalt. Ich muss mich langsam daran gewöhnen.«
Vorsichtig wagte Kaèl sich vor. Zuerst steckte er den einen Fuß ins erschreckend kalte Wasser, dann den zweiten, beugte sich vor und benetzte seine Hände. Er trat zwei Schritte vor und wiederholte die Prozedur. Zwei weitere Schritte, und das Meer ging ihm bis zu den Knien.
»Das Wasser ist wunderbar!«, rief Bendix. Er stand bereits bis zur Brust im Wasser. »Kommst du?« Er lachte, als eine Welle seine Schultern überspülte.
Allein die Vorstellung davon ließ Kaèl erschaudern, seine Schultern waren besonders kälteempfindlich. Er schlang die Arme um seinen Körper. »Gleich ...« Er wagte sich noch einen Schritt vor. Eine Welle klatschte ihm gegen das Gemächt, und er wimmerte.
Bendix glitt ins Wasser. Er kraulte ein paar Züge, dann kehrte er um und schwamm direkt auf Kaèl zu. Er stand auf und näherte sich Kaèl mit weitgeöffneten Armen. »Soll ich dir helfen?«
»Nein«, kreischte Kaèl. »Wehe du wirfst mich hinein!«
Bendix trat einen Schritt näher. Er grinste provokativ. »Was dann?«
Kaèl wich zurück, beide Hände erhoben. »Dann ... zaubere ich!«
Bendix lachte. »Oho, jetzt hab ich aber Angst.«
»Solltest du auch!« Kaèl erzeugte einen kleinen Tornado, hob Bendix damit in die Höhe und ließ ihn zurück ins Wasser plumpsen. Prustend kam Bendix wieder an die Oberfläche.
Kaèl ließ ihm zwei Atemzüge, dann schleuderte er ihn mit einer Schockwelle von den Füßen und drückte ihn erneut unter Wasser. Zufrieden rieb er sich die Hände. »Das kommt davon!«
Er suchte die Wasseroberfläche ab, aber von Bendix gab es keine Spur. Nach ein paar Atemzügen wurde er nervös. »Bendix?«
Auf einmal schoss Bendix hinter ihm aus dem Meer. Er lud sich Kaèl auf die Schultern und stapfte mit ihm ins tiefere Wasser.
Kaèl strampelte mit allen vieren. »Lass das!« Er schlug um sich, aber Bendix ließ sich nicht beirren. »Das hast du verdient!«
Er wollte Kaèl ins Wasser werfen, aber der klammerte sich mit aller Kraft an ihn. Sie rangen eine Weile, dann warf Bendix sich kurzerhand mitsamt Kaèl ins Wasser. Eiskalt schlossen sich die Fluten über ihnen.
Kaèl verschlug es den Atem. Seine Kopfhaut und sein gesamter Oberkörper prickelten unangenehm. Er ließ Bendix los und tauchte auf.
Bendix grinste. »Na siehst du, alles halb so wild.«
Kaèl spritzte ihm Wasser ins Gesicht. »So etwas machst du nie wieder!«
Jetzt war das schlimmste geschehen, also schwamm er ein paar Züge, um sich aufzuwärmen. Nach einer Weile hatte er sich an die Kälte gewöhnt. Sie kraulten eine Runde um die Wette, dann sprang Kaèl auf Bendix’ Rücken und gab ihm die Sporen. »Los, mein Seepferdchen!«
Lachend setzte Bendix sich in Bewegung. Er hielt Kaèl an den Schenkeln fest und hüpfte durch das flache Wasser, bis er außer Atem war.
Kaèl beugte sich vor und küsste ihn auf den Nacken. Bendix erschauerte. Kaèl arbeitete sich weiter vor, bis zu seinem Ohrläppchen. Er nahm es zwischen die Lippen und saugte daran.
Für einen Moment zögerte er, dann biss er zu.
»Au!«, rief Bendix und warf ihn von seinem Rücken.
Kaèl kraulte ins tiefere Wasser, dicht gefolgt von Bendix. Er tauchte unter einer Welle durch und schwamm im Zickzack, bis er Bendix abgehängt hatte. Mit einigem Sicherheitsabstand zu ihm wagte er sich wieder an die Oberfläche.
Bendix betrachtete ihn aufmerksam. Er schien mit sich zu ringen, ob er es auf sich beruhen lassen, oder Kaèl noch ein wenig jagen sollte.
Kaèl grinste. Die Entscheidung konnte er ihm abnehmen – Bendix war heute den ganzen Tag unnatürlich brav und devot gewesen – es war Zeit, dass sich das änderte!
Er hexte einen Schwarm magische Fische auf ihn, die ihn alsbald umringten.
»Hee, das kitzelt«, schimpfte Bendix.
Kaèl gluckste. »Ich dachte, du magst jetzt Magie!«
Zur Sicherheit erzeugte er ein paar kleinere Wellen, die Bendix auf Abstand hielten.
Wasser war so einfach zu beherrschen, Kaèl konnte es zäh wie Marmelade hexen oder es aufpeitschen als jagte gerade ein Tornado darüber. So lange sie im Meer waren, hatte Bendix keine Chance gegen ihn. Und Kaèl hatte sich fest vorgenommen, ihn das spüren zu lassen.
Erneut hob er die Hand. Diesmal hexte er Bendix eine Krone aus Seetang auf den Kopf.
Bendix verschränkte die Arme und funkelte ihn an. »Kannst du nicht eine Minute brav sein? Du bist schlimmer als ein Sack Flöh–«
Da machte Kaèl einen Satz auf ihn zu, presste sich an ihn und küsste ihn. Bendix’ Lippen schmeckten salzig, aber auch süß, nach der Orange, die er auf dem Weg zum Strand gegessen hatte.
»Was bin ich?«, fragte er, als er sich löste.
Hypnotisiert starrte Bendix auf seinen Mund, die Lider gesenkt. Seine Seetang-Krone war verrutscht. »Ach ... vergiss es.« Er zog Kaèl wieder an sich, wollte ihn küssen, aber Kaèl biss ihm in die Lippe. Blitzschnell tauchte er unter und schwamm fort.
Bendix sprang hinterher, aber Kaèl zauberte ein Algenfeld in seinen Weg. Bendix war vielleicht der schnellere Schwimmer, aber was nützte ihm das schon, in einer Welt voller Magie?
Kaèl ließ sich eine Weile jagen, hexte Bendix hier und da ein paar Hindernisse in den Weg, bis es ihm langweilig wurde. Er rief Bendix ein paar Provokationen zu, schwamm dann aber bewusst langsamer.
Wie erwartet war Bendix mit einem Satz bei ihm. Er zog ihn an den Knöcheln zu sich, drehte ihn um und packte ihn fest an den Handgelenken. Sein Mund war zu einem Strich zusammengepresst, seine Augen glühten.
Kaèl wagte kaum, ihm ins Gesicht zu sehen, so wütend wirkte er. »Na, was hast du jetzt mit mir vor?«, fragte er atemlos.
Bei dem Gedanken, auf was für unterschiedliche Arten Bendix ihn bestrafen könnte, lief ihm ein Schauer den Rücken herunter. Vielleicht ... hätte er sich doch nicht so einfach fangen lassen sollen, dachte er nach einem erneuten Blick in Bendix’ Gesicht.
Zu seiner Überraschung lehnte Bendix sich vor und schloss die Augen. Er griff in Kaèls nasses, zerzaustes Haar. Die andere Hand legte er um Kaèls Hüfte und dann küsste er ihn so leidenschaftlich, dass Kaèls Knie weich wurden. Er klammerte sich an Bendix, als gäbe es kein Morgen mehr.
Bendix löste den Kuss und grinste. »Hab ich dich.«
»Das ... war meine Strafe?«, sagte Kaèl benommen.
Bendix schüttelte den Kopf und lud ihn auf seine Schultern. »Keine Sorge, die kommt noch!«
»He!«, Kaèl strampelte, aber Bendix lachte nur und trug ihn aus dem Meer.
Er setzte ihn auf der Decke ab und beugte sich über ihn. Mit beiden Händen griff er Kaèls Schultern und wollte ihn zu Boden pressen, aber Kaèl rückte unter ihm weg.
Bendix rückte nach.
In seiner Verzweiflung hexte er Bendix Seetang ins Gesicht.
»Vergiss deine Tricks«, zischte Bendix. »Hier an Land gelten andere Gesetze.« Ärgerlich wischte er den Tang beiseite.
»Dann breche ich die Naturgesetze eben«, patzte Kaèl, während er immer weiter zurückwich.
Bendix hob die Brauen, als glaube er ihm kein Wort. Er preschte nach vorn und packte Kaèls Handgelenke. »Du zauberst hier gar nichts mehr!«
Kaèls Puls schnellte in die Höhe. Bendix’ wiederaufgeflammte Dominanz erregte ihn. Jetzt durfte er nur keine falsche Rücksicht auf ihn nehmen wie heute Morgen. Aber dafür würde Kaèl schon sorgen.
In gespielter Verzweiflung wand er sich unter Bendix’ Griff. Er riss die Augen auf und wimmerte. »Bendix. Das tut weh. Ich ... mache alles, was du willst, aber tu mir nicht weh.«
Bendix lächelte grausam. »Alles was ich will?« Er drückte Kaèl zu Boden und positionierte sich vor ihm. Ein Knie platzierte er zwischen Kaèls Schenkeln.
Sofort presste Kaèl sie zusammen. »Alles, nur das nicht!«
Bendix legte mehr Gewicht auf sein Knie, der Schmerz trieb Kaèl die Tränen in die Augen. »Das hättest du dir früher überlegen sollen.« Er nahm Kaèls Handgelenke in eine Hand, mit der anderen fuhr er gierig über Kaèls Torso, kniff in seine Brustwarzen.
Kaèl sog scharf die Luft ein.
Bendix legte die Hand auf seinen Schritt und drückte zu.
»Nein!« Kaèl entwich ein Stöhnen. »Nicht da.«
Bendix’ Augen funkelten. »Ich fühl doch, dass du es willst.«
Kaèl kicherte unterdrückt. Ihre Sprüche waren so schlecht, dass sich der rationale Teil von ihm dafür schämte, aber tief in ihm gab es etwas, das genau das brauchte. Sein Schwanz jedenfalls scherte sich nicht um die Wortwahl, er zuckte wie wild in Bendix’ Hand.
»Lach nicht«, zischte Bendix und riss an seinem Haar.
Der Schmerz war scharf wie hundert Nadelstiche. Er holte Kaèl zurück ins hier und jetzt. Bendix hatte ihn unter Kontrolle. Er konnte alles mit ihm machen, und Kaèl konnte ihm nichts entgegensetzen.
»Mach die Beine breit«, sagte Bendix kalt.
Kaèl schluchzte leise, aber er gehorchte.
Bendix positionierte sich über ihm und rieb seine Erektion gegen Kaèls Schritt. Er verharrte dort für einige Atemzüge, die Kaèl wie Stunden vorkamen.
Alles in ihm schrie ›Jetzt nimm mich endlich!‹, aber das konnte er Bendix so natürlich nicht sagen. Also presste er in scheinbarem Widerstand seine Hände gegen Bendix’ Brust und machte kleine, verzweifelte Geräusche.
Bendix’ Augen verschleierten. Er war längst in seiner eigenen Lust gefangen. Gleich würde er ...
Kaèl erstarrte. »Verdammt, das Öl! Ich habe Öl eingepackt!«
Bendix’ Augen weiteten sich. Er blickte Kaèl ins Gesicht und nickte. Rasch beugte er sich zur Seite und kramte die Flasche aus dem Beutel. Er schüttete eine großzügige Menge auf die Handfläche und verrieb sie zwischen Kaèls Beinen und auf seiner Erektion. Dann warf er die Flasche beiseite und wischte die Hände an Kaèls Brust ab.
Bendix’ Mimik veränderte sich. Das wölfische Grinsen kehrte zurück, das Kaèl schaudern ließ. Ohne zu zögern, packte er Kaèl an den Hüften und stieß in ihn.
Kaèl hielt den Atem an.
Bendix ließ ihm keine Zeit, sich an ihn zu gewöhnen, sofort zog er sich zurück und stieß wieder zu, immer wieder.
Kaèl biss sich auf die Lippe, um nicht vor Schmerz und Lust laut aufzustöhnen. Seine Hände drückten immer noch gegen Bendix’ Brust, als könne er damit irgendetwas ausrichten. Er versuchte, sich unter Bendix wegzuwinden, aber er war unter seinem’ Gewicht gefangen.
Bendix riss an seinen Haaren. »Weich mir nicht aus!«, befahl er, und Kaèl kapitulierte.
Er seufzte und löste seine Hände. Folgsam legte er sie um Bendix’ Rücken und ließ sich einfach nehmen.
Mit jedem Stoß bebte sein Körper. Bendix harter Schwanz rieb gegen seine empfindlichste Stelle, erzeugte immer wieder neue Schauer der Lust.
Irgendwann konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Er stöhnte und wimmerte hemmungslos, spreizte die Schenkel, krallte sich fester in Bendix’ Schulterblätter.
»Bendix«, brabbelte er. »Bendix, bitte nimm mich. Nimm mich härter, bitte, bitte ...« Tränen liefen ihm die Wange herunter.
Bendix griff nach seinem Hintern und stieß mit aller Macht in ihn.
Kaèl reagierte. Mit letzter Kraft presste er sich an ihn, setzte seinen Stößen Widerstand entgegen. Er drückte den Rücken durch und ließ Bendix endlich bis zum Anschlag in sich.
Ein Stoß, zwei, beim dritten überwältigte ihn der Orgasmus. Kaèl schluchzte und zitterte, während sich die Anspannung Welle für Welle in pures Glück verwandelte.
Nur am Rande bekam er mit, wie auch Bendix immer lauter stöhnte, bis er sich mit einem satten Schnaufen in ihm ergoss.
Er rollte sich von Kaèl und legte sich neben ihm auf den Rücken. Das Ganze hatte nicht mehr als ein paar Minuten gedauert, aber sie dampften beide vor Schweiß und waren, so wie Kaèl das sah, vollkommen befriedigt.
Bendix atmete tief durch. Als er sich wieder beruhigt hatte, drehte er sich zu Kaèl und küsste seinen Arm, seine Handfläche und jeden Finger einzeln. »Das hast du davon, wenn du mich so reizt«, sagte er sanft.
Lächelnd schloss Kaèl die Augen. Seine Beine zitterten noch immer, und er konnte noch die Nachwehen seines Orgasmus spüren. Wenn das Bendix’ ›Strafe‹ war, dann würde er ihn in Zukunft noch viel mehr provozieren.
Sein Körper glühte, aber er war zu erschöpft, um ins Meer zu steigen, um Schweiß und Sperma abzuspülen.
Über ihm schwebte seine Wolke. Mit einer trägen Bewegung zauberte er sie größer, so dass sie auch Bendix beschattete. Jetzt war es fast so, als würden sie zusammen in einer gemütlichen, kleinen Höhle liegen.
»Eigentlich ist die Wolke ziemlich praktisch«, bemerkte Bendix.
Kaèl lächelte matt. Für einen rechthaberischen Kommentar war er zu träge, aber den würde er an anderer Stelle ausgiebig wiederholen. Also legte er einfach seinen Kopf auf Bendix’ Brust und inhalierte seinen Duft.
Bendix legte locker einen Arm um ihn. »Was machst du nur mit mir?«, flüsterte er. »Ich wollte doch nicht ... ich wollte ...«
»Shhh«, machte Kaèl. Er schloss die Augen und dämmerte weg.
oOOo
»Verdammt, ich wollte längst zuhause sein!« Kaèl nahm ein Leinentuch, tunkte es in die Waschschüssel und rubbelte die letzten Spuren von getrocknetem Sperma ab. Er rubbelte so fest, dass seine Haut brannte.
Kritisch blickte er in den Spiegel. Er sah immer noch zerzaust aus, aber das musste reichen.
Bendix saß auf dem Rand der Badewanne und betrachtete ihn schweigend. Er war bereits auf dem gesamten Rückweg wortkarg gewesen, aber Kaèl hatte gerade keine Muße, näher darauf einzugehen. Vielleicht war Bendix nur erschöpft, und sonst würde er sich schon mitteilen.
Erst kurz bevor Kaèl in die Kutsche stieg, rückte Bendix mit der Sprache heraus. Er stellte sich vor ihn und senkte schuldbewusst das Haupt, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. »Ich hätte am Strand nicht so über dich herfallen sollen. Ich wollte dich nicht ausnutzen.«
»Ausnutzen?« Fast hätte Kaèl gelacht. »Mich? Beim Sex?«
Wer hatte Bendix denn die ganze Zeit provoziert? Manchmal benahm er sich immer noch wie der Klosterschüler, der er vor Ewigkeiten mal gewesen war.
Bendix nickte langsam. »Ich hätte damit warten sollten, bis du sicher bis–«
Kaèl legte seine Hand auf Bendix’. »Ich bin mir sicher.«
»Das sagst du jetzt ...« Bendix suchte nach Worten. »Aber was ist ... was ist, wenn du alles bereust, wenn du wieder zuhause bist? Du warst gestern so außer dir. Vielleicht hast du nur meinen Trost gebraucht, aber nicht wirklich mich, weißt du?«
Irritiert schüttelte Kaèl den Kopf.
»Ich ... ich hatte mir fest vorgenommen, heute nicht mit dir zu schlafen, vor allem nicht so wie am Strand ... aber es ist mit mir durchgegangen, du warst im Wasser einfach zu ...« Er schaute zur Seite, dunkelkirschrot. »Na ja, du weißt schon.«
Kaèl verkniff sich ein Grinsen. Er hatte also immer noch die Fähigkeit, Bendix an seine Grenzen zu treiben. All die Askese und Meditation nützte Bendix nichts, wenn Kaèl sich nur ein wenig anstrengte.
»Bendix, es ist alles gut«, sagte er, um einen neutralen Tonfall bemüht. »Mach dir nicht so viele Gedanken.« Er schaute ihm ins Gesicht. »Ich weiß sehr genau, was ich will, und das wird heute Abend nicht anders sein.«
Bendix lächelte unsicher. »Versprochen?«
»Versprochen.« Kaèl beugte sich vor und küsste ihn, dann eilte er in die Kutsche.
»Schreib mir«, rief Bendix ihm hinterher.
oOOo
Zu seiner Erleichterung schaffte Kaèl es, sich unbemerkt zurück in seine Gemächer zu schleichen. Dort erwartete ihn bereits der unsympathische neue Diener. Aufgeregt tänzelte er um Kaèl herum und verbeugte sich mehrfach.
Wie hieß er noch gleich?
Aber eigentlich war es Kaèl einerlei. Ohne auf ihn einzugehen, schritt er an sein Pult.
Der Diener folgte ihm. »Lord Hotàru, wo haben Sie gesteckt? Ihre Frau Mutter ist außer sich. Sie erwartet Sie seit Stunden in ihrem Büro!«
Kaèl erstarrte. »Sie erwartet mich? Was ... ist ihr Anliegen?«
»Ich weiß es nicht«, jammerte der Diener. »Aber sie hat mehrfach nach Ihnen geschickt.«
Das war nicht gut. Das war gar nicht gut.
Kaèl machte auf dem Absatz kehrt und eilte zur Tür, aber der Diener war schneller. »Mylord, Sie können so nicht gehen, Sie haben Sand im Haar und Ihr Gewand ist ganz zerdrückt. Bitte, lassen Sie mich Hand anlegen.« Er warf Kaèl einen flehentlichen Blick zu.
Kaèl seufzte. So unsympathisch der Kerl ihm war, er würde seine Anstellung verlieren, wenn Kaèl nicht nachgab. Bendix schalt ihn immer, wie nachlässig er mit seinem Personal umging, und diesmal wollte er ihm das Gegenteil beweisen. »Fein«, brummte er. »Aber beeilen Sie sich!«
Mit klopfendem Herzen schritt Kaèl zu Akàris Büro. Er hatte keine Ahnung, was ihn dort erwartete. Hatte irgendjemand etwas von seiner gestrigen Aktion bemerkt und es gemeldet?
Unwahrscheinlich, versuchte er sich zu beruhigen, aber ein Restzweifel blieb.
Vor der Tür zögerte er. Er holte tief Luft und zwang sich dazu, anzuklopfen.
»Herein«, schallte es ihm entgegen.
Mit gesenktem Kopf trat er ein. »Mutter.«
»Wo warst du?«, fragte sie kalt.
Kaèl wagte es nicht, den Blick zu heben. »Ich ...« Seine Stimme zitterte. »Habe mir eine Auszeit gegönnt.«
Sie erhob sich. Langsam trat sie hinter ihrem Tisch hervor. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, stellte sie sich vor ihn. »Eine Auszeit, soso.«
»Was ist denn falsch daran, Mutter?«, fragte er gequält.
»Die letzten Monate hatte ich das Gefühl, dass du erwachsen wirst und endlich Verantwortungsgefühl entwickelst, und jetzt? Gibst du alles wieder auf!«
Kaèl hob den Kopf. »Ich gebe alles auf?«, fragte er ungläubig. »Du hast mir alles, was mir wichtig war, genommen! Der Unterricht in den Dörfern, die Ethikkurse. Es ist nichts mehr übrig, was ich aufgeben könnte!«
»Und das, was unser Land in Atem hält, interessiert dich nicht?«
Er ballte die Faust hinter dem Rücken. »Wovon redest du?«
»Gestern hätte ich deine Unterstützung gebraucht, und was tust du? Du fährst in dein Sommerhaus! Warum, Kael’thas? Du wusstest doch, worum es gestern ging!«
»Was hätte ich denn tun sollen? Den Hexenjäger persönlich herausfordern?« Er lachte bitter.
Auf ihrer Stirn zeigte sich eine steile Falte. »Das ist alles, was dir dazu einfällt?«
Er seufzte. »Natürlich nicht, Mutter.« Etwas versöhnlicher fügte er hinzu: »Was ist nun mit dem Hexenjäger? Habt ihr ihn fangen können?«
Akàri presste die Lippen zu einem Strich zusammen. Sie schüttelte den Kopf.
»Warum?«
»Er muss gewarnt worden sein. Unsere Truppen haben nur eine leere Hütte vorgefunden.«
Kaèl legte eine bestürzte Miene auf. »Das tut mir leid, Mutter!«
»Es ist eine Katastrophe! Wie stehen wir jetzt vor den anderen Adeligen da?« Sie machte eine hilflose Geste. »Und das nach diesen ganzen letzten Wochen. Es war alles schlimm genug!« Auf einmal wirkte sie unglaublich müde.
Sie tat ihm leid. Von allen Beteiligten hatte sie sich am meisten auf Kaèls Hochzeit gefreut. Es wäre die Erfüllung ihres Traums gewesen. Und im Gegensatz zu Kaèl hatte sie niemanden, der sie trösten konnte.
Fieberhaft suchte er nach etwas, um sie aufzuheitern, aber ihm fiel nichts ein.»Und was hast du jetzt vor?«, fragte er deshalb.
»Ich lasse alle ihre Wagen an der Grenze durchsuchen. Wenn dieser Mörder versucht, mit ihnen das Land zu verlassen, dann werden wir ihn finden!« Sie massierte sich die Stirn. »Wie schade, dass Myriam noch unpässlich ist – jetzt muss ich dafür Madame Kimùra beauftragen.«
Der Bluthund.
Madame Kimùra war eine harte Person. Sie führte die ihr aufgetragenen Befehle ohne Zögern aus, egal, worum es ging, was ihr den nicht gerade freundlichen Spitznamen eingebracht hatte. Kaèl konnte nicht zulassen, dass so eine Person an der Grenze ihr Unwesen trieb. »Das ist … bedauerlich«, log Kaèl. Er richtete sich auf und täuschte Elan vor. »Weißt du was – diese Sache ist von zu großer Bedeutung, als dass eine einfache Angestellte das erledigen sollte. Ich werde persönlich zur Grenze fahren und die Durchsuchungen anleiten.« Er setzte eine zerknirschte Miene auf. »Sieh es als Entschuldigung dafür, dass ich Euch gestern allein gelassen habe.«
Sie tauschten einen Blick, und Akàri nickte. »Das wäre hilfreich.«
»Natürlich, Mutter.« Kaèl lächelte, aber er fühlte nur Abscheu. Jetzt wollten sie, nach allem, was geschehen war, den Menschen noch an der Grenze zusetzen! Aber er würde schon dafür sorgen, dass die Wagen in Ruhe gelassen würden! Ein wenig Silber, und die motiviertesten Wachleute würden schweigen.
Sie seufzte tief. »Was deine Ethikkurse angeht ... Wenn sich die Aufregung gelegt hat, wirst du sicherlich ein anderes Projekt finden, das dich reizt. Wir können da gern zusammen darüber nachdenken.«
»Vielleicht, Mutter.« Er verneigte sich und wollte aus dem Raum treten, aber auf der Türschwelle überlegte er es sich anders. »Wie wäre es, wenn wir zusammen einen Tee trinken? Wir haben lange nicht mehr richtig miteinander gesprochen.«
Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung, dann lächelte sie. »Lass uns in den Salon gehen, da ist es gemütlicher.«
Als sie sich gut eine Stunde später voneinander verabschiedeten, regte sich in ihm das schlechte Gewissen. Sie hatten heute zum ersten Mal seit Wochen friedlich beisammengesessen und sogar ein paar mal gelacht. Akàri hatte sich aufrichtig besorgt um ihn gezeigt.
Und er ... er wusste nicht mehr, was er in Bezug auf sie fühlen sollte. Wie sollte er ihr das mit den Menschen verzeihen?
Und dann war da noch die Sache mit Bendix ... Wenn sie wüsste, was er getan hatte, was er immer noch tat und vorhatte weiter zu tun ...
Sie durfte es nie erfahren.
oOOo
Den Rest des Nachmittags und den gesamten Abend verbrachte Kaèl damit, den Transport für die Menschen zu organisieren. In drei Tagen war es soweit, und alle Dorfbewohner, und die Menschen, die vereinzelt in den Städten lebten, mussten Fukuòka für immer verlassen. Das Einzige, was Kaèl noch blieb, war, es ihnen so bequem wie möglich zu gestalten.
Es war nicht das, was er sich noch vor ein paar Monaten erhofft hatte. Ohne Menschen würde Fukuòka für immer ein anderes sein. Wie sollten die Magi ihren Frieden mit den Menschen finden, wenn sie sie nur aus Erzählungen über den Krieg kannten? Und wie konnte er, wenn er erst einmal Lord war, wieder Menschen ins Land locken, nach allem, was passiert war?
Mehrfach sprach er mit Yùna. Sie versicherte ihm, dass die Menschen ein ebenso fruchtbares Stück Land im Süden Aomòris erwartete, inklusive gefüllter Vorratsspeicher, um trotz der ausgefallenen Herbsternte über den Winter zu kommen. Das beruhigte ihn ein wenig.
Als das letzte Detail geplant war, erhob er sich von seinem Schreibtisch und streckte sich ausgiebig.
Er schritt ans Fenster und öffnete es weit. Draußen hatte es sich abgekühlt, die Luft war angenehm. Kaèl lehnte sich hinaus und starrte in den Nachthimmel. Der Mond war fast rund und schien hell hinter einer Wolke.
Ob Bendix noch wach war? Vielleicht schaute auch er gerade auf den Mond, genau wie Kaèl.
Aber wahrscheinlich schlief er. Bendix hatte seinen festen Rhythmus: Im Gegensatz zu Kaèl stand er mit den ersten Sonnenstrahlen auf und meditierte, dafür legte er sich schlafen, bevor es richtig dunkel war. Viele Nächte lang hatte Kaèl neben ihm gelegen und seinem ruhigen Atem gelauscht, während er in einem Buch blätterte.
›Schreib mir‹, hatte Bendix zum Abschied gesagt.
Er war nervös gewesen, als könnte Kaèl irgendetwas von dem, was gestern und heute passiert war, bereuen.
Er lächelte. Das Einzige, was er bereute, war, dass er nicht eher mit Bendix gesprochen hatte.
Nein, er befürwortete Bendix’ Morde immer noch nicht, und er würde es niemals tun. Früher hatte er diese Seite von Bendix weit fortgeschoben und sich an die Gegenwart geklammert, als wäre der Bendix der Vergangenheit eine gänzlich andere Person. Jetzt erst ließ er die Gedanken daran zu.
Er hatte sich nie derart ohnmächtig fühlen müssen wie Bendix damals – jemand in Kaèls Position hatte immer die Mittel, eine für ihn vorteilhafte Lösung zu finden. Aber was wäre, wenn es nicht so gewesen wäre? Vielleicht hätte er an Bendix’ Stelle genauso gehandelt.
Was auch immer – in Zukunft würde er dafür sorgen, dass Bendix sich nie wieder so ohnmächtig fühlen musste.
Er löste sich vom Fenster und suchte Pergament und Füller.
›Ich bereue nichts‹, schrieb er.
Er hätte gern noch mehr geschrieben, aber er musste aufpassen. Nicht, dass die Botschaft in die falschen Hände geriet.
Er steckte den Zettel in einen Umschlag und griff nach dem Siegel.
Ach, verdammt!
Das Leben war zu kurz, um nichts zu riskieren.
Kopfschüttelnd riss er den Zettel wieder aus dem Umschlag und fügte noch ein: ›Ich liebe dich‹, hinzu.
Dann würde er eben einen Verhüllungszauber über die Taube hexen, den selbst Myriam nicht kannte!
Er öffnete das Türchen des Taubenschlags und streckte die Hand aus. Eine weiße Taube flog ihm auf den Handrücken. Lächelnd befestigte er die Botschaft an ihrem Bein. »Flieg zum Strandhaus«, flüsterte er und malte das magische Zeichen in die Luft.
Die Taube flatterte heftig und verschwand in der Dunkelheit.
Kaèl starrte noch eine Weile in den Nachthimmel. Bendix würde die Nachricht erst am nächsten Morgen lesen, es war sinnlos hier zu stehen und zu warten. Dennoch konnte er sich nicht losreißen und lauschte auf jedes Geräusch, jeden Flügelschlag.
Erst als ihm immer wieder die Augen zufielen, löste er sich vom Fenster und machte sich fertig für die Nacht.
Als er wieder im Schlafzimmer war, pochte es an die Scheibe.
Kaèl zuckte zusammen. Die Taube?
Ungläubig lief er ans Fenster, zog das zusammengerollte Pergament aus ihrer Kralle. Er grinste, als er Bendix’ Krakelschrift unter seiner sah:
›Oh, bei allen Gottheiten, das beruhigt mich! Ich liebe dich auch!‹
Kaèls Grinsen wurde breiter. Bendix war – genau wie er – viel zu lange wach geblieben. Weil er sich Sorgen um sie gemacht hatte.
Er küsste das Pergament, drückte es an seine Brust und ließ sich auf das Bett sinken.
Ein paar mal las er sich die Zeilen durch, bis sich Wortlaut und Schriftbild in sein Gedächtnis eingebrannt hatten. Mit einem leisen Laut des Bedauerns setzte er den Brief in Flammen und betrachtete die herunterrieselnde Asche. Dann kuschelte er sich an seine zweite Decke und zog sie fest in seine Arme. »Schlaf gut, Bendix«, murmelte er.