Bendix lächelte Kasimir offen an. Da war es wieder, dieses Vertraute zwischen den beiden, das Kaèl so sehr hasste. »Immer.«
Kasimir warf Kaèl einen vernichtenden Blick zu. »Ohne ihn.«
Jetzt schwand das Lächeln von Bendix’ Lippen. »Aber er ist ...«
»... gefährlich«, zischte Kasimir. »Wie konntest du es wagen, diesen Schnösel hierher zu bringen?«
Schnösel?
Jetzt wurde er aber unfair! Bendix hatte sich für Kaèl entschieden, damit musste dieses Schneiderlein leben! Eigentlich wäre es Bendix’ Aufgabe, ihm dies zu erklären, aber der schien noch nicht zu begreifen, was mit diesem hoffnungslos verknallten Kerl los war.
Bendix war ja auch so unerfahren! Er hatte auch bei Kaèl erst im letzten Moment realisiert, worauf das Ganze hinauslief.
Aber dafür gab es ja Kaèl und seine fundierte Kenntnis sozialer Befindlichkeiten!
Er baute sich vor Kasimir auf, die Hände in die Hüften gestemmt. Mit Befriedigung bemerkte er, wie dieser das Kinn recken musste, um zu ihm aufzuschauen. »Es ist bedauerlich, dass Bendix deine Gefühle nicht teilt. Aber ... tja«, Kaèl lächelte böse, »Bendix hat halt Geschmack, deshalb ist er mit mir zusammen, und–«
Bendix fasste ihn am Oberarm. »Kaèl, lass gut sein. Kasi und ich klären das besser allein.«
»Ich glaube, dein Freund versteht da einiges falsch«, sagte Kasimir.
»Das glaube ich auch«, sagte Bendix.
Schön, dass sie wieder einer Meinung waren!
»Ach so?«, giftete Kaèl. »Und wieso schmachtet dieser Möchtegern-Charmeur dich die ganze Zeit an? Während ich neben dir sitze? Er ist armselig!«
»Beruhig’ dich mal«, zischte Bendix. »Er hat dir nichts getan! Was bist du denn so eklig?«
»Irgendeiner muss es ja sein, dir gelingt das ja offensichtlich nicht. Du bist mal wieder viel zu naiv und kapierst nicht, was los ist!«
Kaèl bereute seine Worte, bevor er den Satz beendet hatte.
Bendix starrte ihn an. Fassungslos.
Kasimir schüttelte den Kopf. »Ganz ehrlich, Bendix. Was erwartest du, wenn du dich mit so einem einlässt?«
Ruckartig ließ Bendix Kaèls Arm los. »Was meinst du damit?«
»Du weißt genau, was ich meine. Du bringst unser gesamtes Dorf in Gefahr. Weil du dich in den da verguckt hast!« Er deutete auf Kaèl. »In den verwöhnten Mistkerl, dem es am Arsch vorbeigeht, dass seine Mutter unsere Proteste niederknüppelt. Großartig! Wenn der bei seinen Eltern den Mund aufmacht, dann bringen sie uns alle um!«
Kaèl erstarrte.
»Nicht so laut!«, raunte Bendix. Er griff Kasimir am Arm und zog ihn vom Gasthaus weg auf eine Wiese. »Woher weißt du überhaupt ...« Mehr verstand Kaèl nicht, so aufmerksam er auch die Ohren spitzte. Aber es war eine sternenklare Nacht, und er konnte im Mondlicht alles beobachten, was sich zwischen den beiden abspielte. Kasimir schien sich in Rage zu reden, er gestikulierte wild, während Bendix immer weiter in sich zusammensank. Sein bestürztes Gesicht sprach Bände.
Das war nicht gut. Das war gar nicht gut. Was war, wenn Kasimir ihn bei seinen Eltern verriet? Um ihn aus dem Weg zu räumen und Bendix für sich allein zu haben.
Kaèls Hals war so eng, er konnte kaum atmen. Wenn er dieses Schneiderlein wenigstens nicht provoziert hätte! Jetzt würde er bestimmt nicht mit sich reden lassen.
Endlich löste Bendix sich von Kasimir und lief zu ihm, mit unlesbarem Gesichtsausdruck. »Geh du schon mal zu Margret. Ich geh noch eine Runde mit Kasi spazieren.« Seine Stimme klang kalt.
»Das ist ... gut«, krächzte Kaèl, und Bendix verzog sich mit einem böse dreinblickenden Kasimir in die Seitengasse.
Kaèl überlegte kurz, den beiden unsichtbar zu folgen, aber Bendix würde das nicht gutheißen. Es würde auch nichts ändern, er konnte sowieso nichts mehr retten. Also schlurfte er zu Margrets Haus. Die Fensterläden waren zugeklappt, sie schlief sicherlich schon.
Die Bezeichnung ›Haus‹ hat diese Lehmbaracke nicht verdient, dachte er, als er leise die Tür öffnete. Er schlich hinein. Drinnen war es stockduster. Vorsichtig streifte er seine Schuhe ab, tastete zur Leiter und kletterte ins Dachgeschoß. Seinen Mantel warf er beiseite, er hatte aber keine Energie mehr, sich im Dunklen aus den schäbigen Sachen zu schälen und stieg vollständig bekleidet ins Bett. Selbst die Mütze ließ er auf, es war sowieso kalt hier oben.
Das Bett war winzig, ein Witz gegen seins zuhause, doch ohne Bendix kam es ihm zu groß vor. Er wickelte sich eng in beide Decken, um wenigstens ein bisschen Halt zu erfahren, und starrte ins Dunkle.
Jetzt, wo der erste Schock vergangen war, konnte er endlich wieder klar denken. Kasimir hatte ihn erkannt. Vielleicht würde dieser Schneider versuchen, ihm zu schaden, aber große Möglichkeiten dafür hatte er nicht. Kaèls Eltern würden ihm kein Gehör schenken, und er hatte keinerlei Beweise.
Viel schlimmer war etwas anderes: Er hatte Bendix beleidigt.
Vor Kasimir.
Er hatte ihn ›naiv‹ genannt, und das, wo es Bendix' größte Angst war, von Kaèl für dumm gehalten zu werden.
Seit sie mit den Leseübungen begonnen hatten, hatte Bendix an Selbstvertrauen dazu gewonnen. Es wäre fatal, wenn Kaèl das mit seiner unbedachten Bemerkung zunichtegemacht hätte.
Kaèl wälzte sich auf die andere Seite, krallte sich in die Decke. Er war ein furchtbarer Freund.
Er hielt es nicht mehr im Bett aus, strampelte sich aus der Decke und kletterte wieder nach unten. Ein Glas Wasser wäre jetzt gut, irgendetwas, das seine Nerven beruhigte.
Es wurde hell. Margret zündete mit einem Streichholz die Öllampe an, und der Schwefelgeruch füllte die Luft. Sie trug ein helles Nachthemd mit Schleifchen auf der Brust und eine Schlafhaube mit weiteren Schleifchen.
»Habe ich dich geweckt?«, fragte er.
»Keine Sorge, ich war noch wach. Ich habe gehört, dass nur du wiedergekommen bist, da habe ich mir Sorgen gemacht.« Margret verengte die Augen. »Wo ist Bendix?«
»Der ist mit Kasimir spazieren«, sagte er vage.
»Mitten in der Nacht?«
Kaèl zuckte hilflos mit den Schultern, daraufhin schaute sie ihn so mitleidig an, dass er vor Scham schlucken musste.
Sie schwang die Beine über die Bettkante und richtete sich mit Hilfe ihres Stocks auf. »Ich wollte mir gerade einen Tee machen. Magst du auch einen?«
»Das wäre nett.« Dann hatte er wenigstens etwas, an dem er sich festhalten konnte.
Während sie am Herd herumwerkelte, wusch er sich die Hände und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht.
Kasimir hatte Recht, er hätte niemals hierher kommen dürfen. Er hatte sich blenden lassen, weil er sich Normalität mit Bendix erhofft hatte, aber letztendlich hatte er Bendix dadurch nur gezeigt, dass es niemals Normalität für sie geben könnte.
Mit etwas Pech verriet Kasimir ihn bei den anderen Dorfleuten, dann würde selbst Margret, die letzte Person, die ihm hier noch freundlich gesinnt war, ihn hochkant hinauswerfen.
Er setzte sich und spielte nervös an seinem Hemdkragen herum. »Woher kennst du Bendix eigentlich?«, fragte er sie, um sich abzulenken.
»Ich habe ihn hier letztes Frühjahr ein paar Wochen gepflegt, als er so verletzt war.«
»Wie, verletzt?«
»Hat er das nicht erzählt?« Sie fasste sich an die Stirn. »Natürlich hat er das nicht, ich weiß ja, wie er ist, der sture Junge. Alles muss man ihm aus der Nase ziehen!«
»Was hatte er?«
Sie stellte zwei dampfende Tassen auf den Tisch. »Hier, trink das erstmal, du bist ja bleich wie der Tod.«
Mit zittrigen Händen griff er nach der Tasse. Es schmeckte bitter, ähnlich wie das, was Bendix ihm immer vorsetzte. »Was hatte er?«, wiederholte er. Seine Stimme überschlug sich fast.
»Er wurde von einer Muskete in die Seite getroffen. Als Kasi ihn gefunden hat, war er schon halb verblutet.«
Die Tasse wäre ihm fast aus der Hand geglitten. »Kasimir hat ihn gefunden? Der Schneider?«
Sie setzte sich vorsichtig auf den Stuhl gegenüber und lehnte ihren Stock gegen die Tischplatte. »Ja, er hat ihn im Graben entdeckt. Kasi hat ihn dann zu mir gebracht, damit ich seine Wunden versorge. Ein paar Tage hing sein Leben am seidenen Faden, aber Bendix hat uns alle überrascht.« Sie lächelte. »Und seitdem kommt er uns regelmäßig besuchen.«
»Bendix hat mir das nie erzählt.«
»Er wollte dir bestimmt keine Angst einjagen.«
Kaèl schnaubte. »Na das ist ihm ja gelungen!«
Sein ganzer Körper war angespannt, seine Kaumuskulatur verkrampft. Warum ging ihm das so nahe? Bendix lebte ja noch, Kasimir sei Dank.
Nicht auszudenken, wenn Kasimir ihn nicht gefunden hätte!
Wäre er doch freundlicher zu Kasimir gewesen. Warum machte er immer alles falsch?
Kaèl vergrub den Kopf in den Händen.
»Na, na«, sagte Margret. »Was ist denn los?«
Ihre offene Freundlichkeit löste etwas in ihm aus, es war, als würde ein Deich brechen. »Wir haben uns gestritten«, sprudelte es aus ihm heraus. »Und ich war ... ich habe Kasimir beleidigt, weil ich eifersüchtig auf ihn war. Und dann habe ich Bendix beleidigt, weil er Kasimir verteidigt hat und jetzt ...« Er schluckte hart, um nicht loszuweinen. Alkohol machte ihn immer so sentimental, er sollte das Zeug nie wieder anrühren. »Ich wünschte, ich hätte anders gehandelt.«
»Du bist öfters frech, oder?«
Kaèl errötete. »Sagt Bendix das?«
»Bendix hat mir schon einiges über dich erzählt. Bei manchen Geschichten hatte ich das Bedürfnis, dir die Ohren langzuziehen, so arrogant wie du dich gibst. Aber eigentlich bist du doch ein netter Kerl.« Sie nahm einen Schluck Tee und musterte ihn abschätzig. »Und ›Ohren langziehen‹ bringt bei so einem wie dir ja auch nichts, die sind ja schon lang und spitz genug.«
Kaèl stockte der Atem. Das konnte sie nicht so meinen. Bendix hatte ihm versichert, dass sie von nichts wusste. Die einzige Erklärung war ...
Seine Hand schnellte nach oben, um zu prüfen, ob die Mütze verrutscht war, als er sich ins Bett geworfen hatte.
War sie nicht.
Margrets Blick folgte seiner Hand. Sie lächelte wissend. »Du bist eigentlich hellblond, nicht wahr?«
Ertappt ließ er die Hand wieder sinken. »Wie kommst du darauf?« Unter dem Tisch verhakte er die Finger so fest ineinander, dass es schmerzte.
»Auf den Geschenken, die Bendix uns von dir mitgebracht hat, war überall das Wappen der Herrschaftsfamilie drauf. Das kam mir komisch vor, aber ich habe nicht weiter darüber nachgedacht. Bis ich dich heute gesehen habe. Deine Art wie du sprichst und dich bewegst ... Du bist nicht der Sohn eines Gärtners, du bist ein Edelmann.«
»So?« Unter ihrem Blick wurde ihm warm, die schlechte Art von Wärme, die einen von innen auffraß.
Sie lehnte sich vor und lächelte dabei so liebevoll, wie die Großmutter, die Kaèl sich immer gewünscht hatte. »Keine Sorge, ich verrate euch nicht. Bendix hat dich wirklich gern, weißt du? Wenn er dir traut, dann traue ich dir auch.«
Erleichtert stieß er die Luft aus.
»Und spätestens, seit du ihm dieses Tierchen genäht hast, habe ich dich auch ins Herz geschlossen.« Sie gluckste leise. »An der Technik musst du zwar noch feilen, aber damit hattest du mich.«
»Er hat dir Nuri gezeigt?«, fragte Kaèl halb empört, halb belustigt.
»Er war deshalb völlig aus dem Häuschen. Und jetzt«, Margret hob drohend ihren Stock in die Luft, »machst du das mit Bendix wieder gut. Und wenn du meinen Jungen noch einmal enttäuscht oder verletzt, dann bekommst du es mit mir zu tun.«
Kaèl nickte ernst. »Ich rede mit ihm.« Er stürzte den Rest Tee hinunter und räumte seine Tasse in die Kochnische. Auf so etwas wäre er früher nie gekommen, aber Bendix hatte ihm das bei seinen letzten Besuchen in der Hütte so deutlich eingetrichtert, dass er sogar zuhause den Impuls hatte, den Bediensteten beim Abräumen zu helfen.
»Wie stellst du dir das eigentlich mit euch vor? Du kannst ihn ja schlecht heiraten.«
»Ich ...« Kaèl ballte die Faust. »Ich weiß es nicht.«
Die Tür wurde aufgerissen. Es war Bendix. »Guten Abend Nana«, sagte er höflich, dann blickte er zu Kaèl. Er wirkte abgekämpft, die Augen müde. »Bist du schon soweit?«
»Wie meinst du das?«, fragte Kaèl irritiert.
»Normalerweise bekommst du ein schlechtes Gewissen, wenn du patzig warst. Hast du das schon?«
»Ach so.« Mit zittrigen Knien lief er zu Bendix, traute sich dann aber doch nicht, ihn zu umarmen, und verharrte einige Schritte vor ihm. Er schaute schuldbewusst zu Boden. »Ein ganz Schlechtes.«
»Na, dann ist ja gut, dass ich dich abhole. Kasi verlangt eine Entschuldigung.«
Kaèls Kopf schnellte hoch. »Ich soll mich entschuldigen? Bei ihm? Und ... was ist mit dir? Bist du noch wütend auf mich?«
»Wir reden draußen drüber«, sagte Bendix und stiefelte hinaus, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Kaèl schnappte sich seine Schuhe, nickte Margret noch einmal zu und eilte ihm nach.
Wortlos liefen sie den Schotterweg entlang, Bendix schritt zügig voran, Kaèl blieb zwei Schritte hinter ihm. Bendix’ Schweigen machte ihn nervös. »Wollten wir nicht reden?«
»Erstmal machst du bei Kasi Schadensbegrenzung. Ich habe mich echt geschämt für deine Arroganz.«
»Ich weiß.« Kaèl seufzte. Der Schotter knirschte unter seinen Füßen, und mehr als einmal sackte er ein, weil er im Mondlicht ein Loch übersehen hatte. »Kannst du nicht langsamer laufen?«
Bendix fauchte ungehalten. »Ich will das hinter mich bringen.«
Oh-ho, dachte Kaèl. Da ist aber jemand wütend.
Es war ihm ein Rätsel, wie einer, der so viel meditierte, so temperamentvoll sein konnte.
»Weißt du, was du tun solltest?« Jetzt drosselte Bendix doch sein Tempo. »Du solltest Kasi mehr Geld zahlen, für den Quatsch, den du immer von ihm verlangst.« Er machte eine verächtliche Geste. »1024 Glühwürmchen! So eine Schnapsidee!«
Kaèl schloss auf Bendix auf. »Die Robe sollte eine Überraschung sein. Ich dachte, du fändest das lustig.«
»Dann bezahl ihn anständig dafür.«
»Ich habe die Gehälter nicht festgesetzt«, rief Kaèl. »Und ja, vielleicht könnte ich etwas daran verändern, aber wenn ich seines erhöhe, dann wollen alle mehr und dann ...«
»... dann müsstest du mit etwas Pech zweimal darüber nachdenken, ob du ein Schiff mit Purpurschnecken bestellst. Wirklich bedauerlich.« Bendix’ Stimme troff vor Ironie.
Touché, dachte Kaèl.
Beim Haus ganz am Ende der Gasse blieb Bendix stehen. »Da wären wir.« Er warf Kaèl einen strengen Blick zu. »Verbock’ es nicht.« Dann klopfte er leise gegen die Tür. »Kasi?«
»Du musst lauter klopfen«, sagte Kaèl, als nichts passierte. Nervös rückte er sich die Mütze zurecht. Entschuldigungen standen auf der Liste seiner Lieblingstätigkeiten auf dem letzten Platz; wenn er sich schon dazu herablassen musste, dann sollte es wenigstens schnell gehen.
»Nee, dann wachen die Kinder auf, das leine ist erst ein paar Wochen alt, und wenn das einmal wach ist, dann weint es stundenlang.«
Kinder? Plural?!
Die Tür öffnete sich. »Hallo Bendix«, flüsterte Kasimir.
»Ich hab dir wen mitgebracht«, flüsterte Bendix, aber Kasimir legte einen Finger auf die Lippen, und gestikulierte, ihm zu folgen. Als sie außer Hörreichweite des Hauses waren, blieb er stehen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte Kaèl erwartungsvoll an.
Kaèl atmete tief durch. Er vergrub die Hände in seinen Hosentaschen und trat vor Kasimir, diesmal mit gebührendem Abstand. »Es war ein Fehler, dass ich hier hergekommen bin, und mich als jemand anderes ausgegeben habe. Vor allen Dingen aber hätte ich weniger gehässig zu Ihnen sein sollen.« Er schluckte. »Besonders nach dem, was Sie für Bendix getan haben.« Sein Herz klopfte heftig, aber er zwang sich, Kasimir die Hand hinzuhalten. »Es tut mir leid.«
Er wartete auf eine scharfzüngige Antwort, aber die blieb aus. Stattdessen huschte ein Lächeln über Kasimirs Lippen. »In Ordnung.« Er schlug ein.
Kaèl blinzelte verwirrt. Bendix hatte recht, er war nett. Oder Bendix hatte ihm das Blaue vom Himmel versprochen, um ihn ruhig zu stellen.
Er rang sich ein Lächeln ab. »Und ... falls Sie noch einmal nachts an einem meiner Kleidungsstücke sitzen und deshalb nicht nach Hause kommen, zahle ich Ihnen als Entschädigung das Doppelte Ihres Lohns.«
»Äh, danke«, sagte Kasimir sichtlich verlegen. »Darum ging es mir eigentlich gar nicht.«
»Sehen Sie es als Teil meiner Entschuldigung an.«
Kasimir lächelte schief. »Wollen Sie und Bendix morgen zum Mittagessen kommen? Meine Frau würde sich freuen.«
»Es war weniger schlimm als befürchtet«, sagte Kaèl, als sie wieder über den Schotterweg liefen. Er schlang die Arme um sich, jetzt, wo die Anspannung von ihm fiel, merkte er erst, wie kalt es hier draußen war. Seinen Mantel hatte er natürlich in Margrets Hütte vergessen.
»Was hattest du denn befürchtet?«
»Dass ich es nicht über die Lippen bringe.« Kaèl schaute zum Mond, der rund und prall am Himmel stand. »Es gibt ein paar Worte, die ich nie sage.«
»Lass mich raten: ›Bitte‹ und ›danke‹?«
Kaèl lachte leise. »Du kennst mich. Ein Lord bittet nicht, ein Lord verlangt. Das hat mir bereits meine Großmutter beigebracht. Ein Lord ist niemanden zu Dank verpflichtet. Aber vor allem macht ein Lord keine Fehler. Deshalb habe ich mich bislang nie entschuldigt, zumindest nicht bei einem Bürgerlichen.« Er machte eine bedeutungsschwere Pause. »Bis heute.«
»Du bist schon ein komischer Vogel.« Zum ersten Mal seit ihrer Auseinandersetzung klang Bendix’ Stimme warm, und Kaèl traute sich, endlich einen Schritt näher an ihn heranzutreten.
»Warum bist du so durchgedreht, als du Kasi gesehen hast?«
»Ich ...« Kaèl schluckte. Im Nachhinein erschienen ihm seine Ängste albern. »Ich dachte, dass er etwas von dir will.«
Bendix schnaubte. »Ja, das hab selbst ich schon begriffen. Aber –«
Kaèl fasste ihn an der Schulter. »Sag das nicht so. Du bist nicht dumm!«
Es gab eine kurze Pause, dann atmete Bendix hörbar aus. »Wie auch immer.«
»Nein«, sagte Kaèl vehement. »Nicht ›wie auch immer‹. Du bist vielleicht unerfahren, was manche Dinge angeht, aber du bist nicht dumm. Ich habe Quatsch erzählt, weil ich eifersüchtig war.«
»Aber es kann dir doch egal sein, was Kasi will, wenn ich kein Interesse an ihm habe.«
»Und das hast du nicht?«
»Ich hab’ doch schon einen Freund.« Bendix lächelte. »Wenn auch einen furchtbar arroganten.«
»Aber du warst heute Abend in der Kneipe so glücklich. Und ich ... ich kann so etwas nicht.« Seine Stimme erschien ihm fern, als würde ein Schatten für ihn antworten. »Die Leute finden mich nicht lustig, und mit mir reden wollen sie auch nicht. Und da hatte ich befürchtet, dass du enttäuscht bist, weil ich nicht so gesellig bin.« Er senkte den Kopf. »Im Gegensatz zu Kasimir.«
»Und da dachtest du, dann schnappe ich mir den, der das besser drauf hat?«
Kaèl nickte verschämt.
»Denkst du, ich habe erst heute gemerkt, dass du nicht gut mit Leuten kannst?«
»Ja?« Kaèl suchte Bendix’ Blick. »Vielleicht?«
Bendix hielt seinem Blick stand, ganze zwei Atemzüge lang. Dann fing er schallend an zu lachen.
»Was ist daran so komisch?«, fragte Kaèl irritiert.
Bendix hakte sich bei ihm ein. »Du bist süß, wenn du so verwirrt bist.«
Sie hatten Margrets Haus fast erreicht, da zog Bendix ihn weiter. »Komm, wir gehen noch ein bisschen. Ich will Nana nicht wecken.« Er warf Kaèl einen prüfenden Blick zu, dann entledigte er sich seiner Jacke und reichte sie ihm. »Hier, ich kann nicht mit ansehen, wie du schlotterst.«
Die Jacke war warm und roch nach Bendix, angenehm und vertraut. »Danke«, sagte Kaèl, und Bendix lachte wieder.
»Du machst Fortschritte!«
»Ja, langsam aber stetig. Gib mir noch zehn Jahre, dann bin ich ganz passabel als Freund.«
»Hast du ein Glück, dass ich so geduldig bin.« Bendix nahm Kaèls Hand und küsste sie. Gemeinsam folgten sie dem Weg bis zum kleinen Fluss, dann wanderten sie am Ufer entlang. »Ich habe dich in erster Linie mitgenommen, damit du Nana kennenlernst. Das hat doch geklappt.«
»Hmm«, machte Kaèl. Vielleicht war jetzt kein guter Zeitpunkt, Bendix zu beichten, dass Margret über seine wahre Identität Bescheid wusste.
Bendix seufzte leise. »Und wer weiß, vielleicht schaffen Kasi und du es ja morgen, euch beim Essen nicht umzubringen. Das wäre ja schon ein Erfolg.«
»Und die Leute aus dem Wirtshaus?«
Bendix zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht wichtig. Wenn ich hier bin, schaue ich da zwar vorbei, aber eher aus Höflichkeit. Ich mag es lieber ruhig. Wenn es nach mir ginge, dann würde ich Nana und Kasi zweimal die Woche sehen, und jeden Abend mit dir verbringen.« Er schaute über den Fluss, der im Mondlicht glitzerte. »Ich weiß, dass das nicht geht, aber ich stelle mir gern vor, wie das wäre, mit dir zusammen zu leben.«
»Ich auch«, rief Kaèl. »Ich wünschte, ich könnte jeden Abend mit dir einschlafen.« Der Mond, der Fluss, alles verschwamm vor seinen Augen. »Aber egal wie sehr ich mir darüber den Kopf zerbreche, ich weiß nicht, wie wir das schaffen können.«
»Aber du denkst darüber nach? Du willst das wirklich?«
Kaèl nickte. »Ich habe noch nie etwas so sehr gewollt.« Eine Träne löste sich aus seinem Augenwinkel und lief seine Wange herunter. Verstohlen wischte er sie fort.
»Komm her, du arroganter Sturkopf.« Bendix breitete seine Arme aus, und Kaèl lehnte sich hinein. Sein Herz klopfte aufgeregt gegen seine Rippen, während er immer noch unterdrückt schluchzte. Bendix zog ihn enger heran, und für eine lange Weile standen sie so, fest umschlungen im Mondlicht.
»Du stinkst nach Alkohol«, sagte Bendix als sie sich lösten.
»Schlimm?«
»Das erinnert mich an meinen Vater.«
»Oh nein.« Kaèl senkte den Kopf. »Heute mache ich auch alles falsch.«
»Du solltest es einfach nicht mehr so übertreiben, wenn wir zusammen sind.«
»Werde ich nicht«, versprach Kaèl kleinlaut. Er prüfte seinen Atem – Bendix hatte recht, er roch nach Schnaps. Verschämt trat er einen Schritt beiseite, den Blick gesenkt.
»Jetzt mach nicht so ein Gesicht, es ist ja nicht alles verloren. Du musst dich gleich nur ordentlich waschen. Und dann«, Bendix senkte die Stimme um eine Quinte, »ich habe so eine Idee, wie du das wieder gut machen kannst.«
In Bendix’ Blick lag ein erregtes Glitzern, das Kaèl direkt in die Lenden fuhr. Er ergriff Bendix’ Hand. »Lass uns zurückgehen.«
Kaèl beugte sich über die Waschschüssel. Sorgfältig schrubbte er sich den Alkohol von den Zähnen und spritzte sich kühles Wasser ins Gesicht, bis er sich vorzeigbar fühlte.
Er unterdrückte ein Kichern und kletterte die Leiter zur Dachkammer hoch, wo Bendix im Bett auf ihn wartete. Er hatte die kleine Öllampe entzündet und sich seiner Tunika entledigt. Kaèls Blick blieb an seinen Brustmuskeln hängen.
»Starr nicht so«, sagte Bendix amüsiert. Geschmeidig, fast schon lasziv erhob er sich und drängte Kaèl zurück, bis der mit dem Rücken gegen einen Holzbalken stieß. »Hast du dir das überhaupt verdient?«, fragte er mit einem bedrohlichen Unterton in der Stimme.
»Ich ...« Kaèl räusperte sich. »Habe mich entschuldigt.«
Bendix packte ihn an den Handgelenken, presste sie gegen das Holz. Es schmerzte, aber Kaèl brauchte den Schmerz, er jagte ihm angenehme Schauer durch den Körper. »Das werde ich einmal gelten lassen.« Er küsste Kaèl, grob und begierig.
Kaèl stöhnte in seinen Mund. Er drückte sich Bendix’ nacktem Oberkörper entgegen, rieb sein Knie gegen Bendix ’Schritt und erntete dafür ein wunderbar ersticktes Keuchen.
Unten ging ein Licht an, und sie erstarrten.
Margret hustete laut, dann knarzte das Bett, als würde sie sich wälzen.
»Verdammt, wir haben Nana geweckt«, flüsterte Bendix, die Augen panisch aufgerissen. Er ließ Kaèls Handgelenke los. »Wir können nicht weitermachen, dann hört sie ja alles.«
Kaèl lehnte sich zu ihm. »Dafür gibt es Magie«, flüsterte er in Bendix’ Ohr. Er wollte den Stillezauber wirken, aber Bendix hielt ihn am Handgelenk fest. »Nicht hier.«
So leicht ließ Kaèl ihn nicht davonkommen. Er war hart und drängend, und er brauchte Bendix, er brauchte seine Nähe, gerade jetzt, nach diesem langen, verrückten Tag. Und Bendix brauchte ihn ebenso, das sah Kaèl an seinem hungrigen Blick und seinem stoßweise gehenden Atem.
»Das heißt, du willst nicht«, Kaèl löste die obersten Knöpfe von Bendix’ Hose, »dass ich dich hier berühre ...«, er glitt mit der flachen Hand hinein, und Bendix stöhnte auf. Er war bretthart. »... und vor Lust winseln lasse?« Seine Finger umschlossen Bendix’ Schaft, er spürte die untergründige Härte und darüber die weiche, seidige Haut. Es fühlte sich perfekt an.
Bendix wimmerte, ein honigsüßes Geräusch. »Doch«, stieß er gequält hervor.
»Aber dann müsste ich ja zaubern«, säuselte Kaèl, während seine Hand langsam Bendix’ Länge auf und abglitt, »das willst du ja nicht.«
»Mach einfach!«
Grinsend wirkte Kaèl den Stillezauber.
Schwer atmend kamen sie nebeneinander zum Ruhen. Kaèl legte seinen Kopf auf Bendix’ Schulter ab und spürte den letzten Wellen seines Orgasmus’ nach.
Als sein Puls sich wieder normalisiert hatte, stützte er sich auf den Ellenbogen und betrachtete Bendix’ Gesicht. Er hatte seine Augen geschlossen und sah erschöpft aus, verschwitzt und wunderschön.
Kaèl legte die Fingerkuppen auf Bendix‘ warme Haut. Er malte die Linien seiner Tätowierungen nach, strich mit dem Daumen über die rasierten Schläfen. Es kitzelte sanft. Zärtlich ließ er die Finger weiter wandern, über Bendix’ Wange, seinen Hals, das Schlüsselbein.
Er folgte dem Rippenbogen nach außen und fand die Narbe an Bendix’ Seite. Sie war flach, kaum mehr sichtbar, sie wirkte so harmlos, dass er sie bislang immer übersehen hatte.
Vorsichtig fuhr Kaèl mit dem Finger über die zackigen Erhebungen und plötzlich ergriff ihn so eine tiefe, unvermittelte Zuneigung, dass es schmerzte. Er hatte sich die letzten Wochen eingeredet, Bendix sei unverwundbar, weil er Bendix nicht hatte verwunden können. Aber Bendix war der Hexenjäger, er wurde gesucht, und er konnte jeden Tag sterben.
Jetzt verstand Kaèl, warum er so heftig auf Nanas Erzählung reagiert hatte.
Er beugte sich vor, und küsste Bendix auf die Narbe. »Deine Nana hat mir erzählt, dass du letztes Jahr fast gestorben wärst.«
Bendix zuckte zusammen. Er öffnete die Augen und linste misstrauisch zu Kaèl.
»Ich will dich nicht verlieren«, flüsterte Kaèl. »Das ist deine Rache nicht wert. Du darfst dich nicht mehr in Gefahr bringen.«
Bendix griff nach seiner Hand, zog sie von der Narbe fort. »Es ist doch nichts Schlimmes passiert.«
»Du hättest tot sein können!«
Daraufhin sagte Bendix nichts, aber Kaèl ließ nicht locker. Er suchte Bendix Blick. In seinen Augen stand Schmerz. »Ich will nicht, dass du tötest oder getötet wirst. Ich will, dass es aufhört.«
Bendix seufzte. »Das ist mein Leben, Kaèl. Dafür lebe ich.«
Kaèl entwand ihm seine Hand. Er setzte sich auf, lehnte sich mit dem Rücken gegen das Kopfende. »Das ist alles, wofür du lebst? Für deine Rache?«
»Nein«, sagte Bendix bemüht beherrscht. »Ich lebe nicht nur für meine Rache. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht einmal mehr, ob ich sie wirklich noch will. Aber egal was ich tue, ich werde für alle immer der Hexenjäger bleiben.«
»Das mag sein, aber du musst dich nicht unnötig in Gefahr–«
»Und ich werde weiterhin denen helfen, die sich nicht wehren können. In letzter Zeit wurden zu viele Menschen ermordet, ich will da nicht wegschauen.«
Es klang edel, nur dass Bendix’ ›helfen‹ jemand anders töten bedeutete. Kaèl fiel wieder ein, wie Bendix den Leuten im Wirtshaus seine ›Hilfe‹ angeboten hatte. Fröstelnd zog er sich die Decke bis über die Brust.
Er hatte einmal gehofft, dass Bendix sich ändern würde, sobald sie zusammen waren. Andererseits konnte er Bendix ja auch nichts Beständiges bieten, und seine eigene Familie unterdrückte die Menschen hier, ohne dass Kaèl jemals versucht hätte, daran etwas zu ändern. Wie konnte er da verlangen, dass Bendix für ein paar schöne Momente all das aufgab, was ihn jahrelang angetrieben hatte?
Er schlug einen versöhnlichen Tonfall an. »Was würdest du tun, wenn du kein Hexenjäger wärst?« Auffordernd klopfte er auf die Fläche neben sich.
»Wie meinst du das?« Bendix rückte näher, und Kaèl lüftete die Decke, damit er darunter kriechen konnte, was er nach ein wenig Zögern auch tat.
»Was wäre, wenn dein Phantombild nicht in jeder Amtsstube hängen würde, und du ganz normal leben könntest?«
»Ich ...« Bendix verstummte. An seinen Augenbewegungen konnte Kaèl erkennen, wie er überlegte. »Ich würde ein Dojo errichten«, sagte er schließlich. Er lächelte entrückt.
»Ein was?«
»Eine Schule, in der ich Meditation und Kampfkunst unterrichte, so wie es im Kloster gelehrt wurde. Dann kann ich wenigstens diese Tradition der Mönche weitergeben, und denen helfen, die von den Magi schikaniert werden.«
»Ich bin mir sicher, dass du darin großartig wärst. Die Kinder hingen dir heute ja auch alle an den Lippen.«
»Wirklich?«, flüsterte Bendix.
»Wirklich.« Kaèl legte seinen Kopf an Bendix’ Schulter. Er atmete tief ein, Bendix roch köstlich herb, so wie er immer nach dem Sex roch. Am liebsten hätte er sich in dem Duft vergraben.
Abwesend strich Bendix über seinen Kopf.
Abwesend strich Bendix über seinen Kopf. »Kaèl?«, sagte er nach einer Weile.
»Hmm?«
»Heute, als wir mit den Kindern geredet haben, hatte ich einen Einfall. Ich werde ihnen Lesen beibringen. Wenn sie Bücher lesen können, dann können sie sich alles weitere selbst erschließen.« Er seufzte. »Das ist natürlich nicht viel, am besten wäre, wenn es eine Schule für sie gäbe, aber –«
Kaèl öffnete die Augen. »Ja«, sagte er. »Eine Schule!« Die Idee war großartig – warum war er nur nicht darauf gekommen? »Wissen ist Macht. Je mehr sie lernen, desto einfacher finden sie eine gute Anstellung in der Stadt. So läuft das im Leben.«
»Ich brauche keinen Lord, der mir erklärt, wie es ›im Leben so läuft‹«, sagte Bendix. Er lachte humorlos. »Denkst du wirklich, dass sie dann eine gute Anstellung bekommen? Bei euch Hexen? Wer stellt hier bitte Menschen ein?«
Kaèl ignorierte die Beleidigung. »Das weiß ich nicht«, sagte er um einen ruhigen Tonfall bemüht. »Aber ich kann mich erkundigen.«
»Erstmal sollten wir morgen mit Kasi darüber sprechen.«
»Warum Kasimir?«
»Weil er zwei Kinder hat. Außerdem arbeitet er für euch Edelleute, weil er der beste Schneider ist. Wenn einer einschätzen kann, wieweit Bildung einen weiterbringt, dann er.«
»Da ist etwas dran«, sagte Kaèl. Er seufzte leise. »So machen wir das.«
Wieder schloss er die Augen. Bendix’ Finger fuhren sanft über sein Haar. Fast wäre Kaèl eingedöst, da kam ihm eine Idee. Er richtete sich auf und drehte sich zu Bendix. »Wenn Kasimir sagt, dass ihnen das etwas nützen könnte – würdet ihr euch dann von mir helfen lassen? Mit der Schule? Ich …« Ihm wurde bewusst, dass er derlei Dinge längst hätte organisieren können, wenn er den Leuten in seinem Land etwas Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Und wie er Bendix kannte, war ihm das vollkommen klar. Vielleicht sollte er sich erklären, es entschuldigen, oder beschönigen, aber ihm fiel nichts ein. »Bislang habe ich mich aus der Politik herausgehalten«, sagte er deshalb mit einem Seufzer, »aber ich könnte versuchen, meine Mutter davon zu überzeugen, dass auch Menschen ein Recht auf Schulbildung haben.«
Bendix runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht. Ich habe so viel Schlimmes über sie gehört, da glaube ich kaum, dass sie etwas ändern wird. Im schlimmsten Fall lenkst du damit ihren Zorn auf die Leute hier.«
Kaèl überlegte. An Bendix’ Worten war etwas dran. Andererseits kannte er seine Mutter. Wenn er es richtig anstellte, dann würde Akàri ihm zuhören; und er hatte bereits eine gute Vorstellung davon, wie er ihr die neue Idee schmackhaft machen könnte. »Keine Sorge«, sagte er, »ich würde die Bewohner*innen aus Mòrla nicht vor ihr erwähnen. Ich weiß schon, wie ich mit ihr reden muss.« Er blickte Bendix in die Augen. »Soll ich es versuchen?«
Bendix schwieg, mehrere Atemzüge lang. Schließlich nickte er.