Sie machen in diesem Kapitel ein paar gefährliche Sachen (bei der Sexszene). Don't try this at home!
(Oder, falls doch, seid vorsichtig und schaut Euch das Video vorher an: https://www.youtube.com/watch?v=DPlrum6p4xg)
CN: Ersticken, Wügen
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»Du bist kalt«, nuschelte Kaèl schlaftrunken.
Kichernd drückte Bendix sich an ihn, kühle, nackte Haut an seinem Rücken.
»Warst du draußen?«
»Ja ... Frühsport und Meditation.«
»Bewundernswert.« Kaèl gähnte und schloss die Augen wieder.
»He«, Bendix stupste ihn an der Schulter an. »Nicht wieder einschlafen.«
»Hmm.« Er wäre fast weggedämmert, aber Bendix rüttelte an ihm, bis Kaèl ihn nicht länger ignorieren konnte. Seufzend drehte er sich zu ihm. »Du wärst perfekt, wenn du nicht so früh aufstehen würdest.«
»Und du wärst perfekt, wenn du nicht so viel jammern würdest!«
»Ja ja«, protestierte Kaèl halbherzig. »Wie hältst du es bloß mit mir aus?«
Bendix gluckste leise. »Du bist gut im Bett.«
»Bin ich das?« Allmählich wurde Kaèl wach.
»Der Beste, den ich je hatte.«
»Allerdings.« Bendix roch angenehm herb, so wie immer, wenn er seine Übungen absolviert hatte, und Kaèl wollte gerade zufrieden sein Gesicht an Bendix’ Brust vergraben, da schreckte er wieder hoch. »Moment! Du hattest auch nur mich!«
Bendix grinste frech. »Soll ich daran was ändern?«
»Untersteh’ dich!«
»Vielleicht sollte ich bald mal wieder Kasi besuchen«, überlegte Bendix. »Am besten, wenn seine Frau zum Markt fährt.«
»Hörst du auf damit?« Kaèl stieß Bendix mit voller Kraft gegen die Brust und beförderte ihn auf den Rücken. Er schwang sich hinterher, auf Bendix’ Oberkörper, stützte die Arme zu beiden Seiten von Bendix’ Kopf ab und beugte sich tief über ihn, so dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. »Sonst lasse ich dich spüren, was ich von dir gelernt habe.«
Bendix grinste immer noch. »So bockig heute?«
»Du willst es nicht anders!« Kaèl presste seine Flanken fest gegen Bendix’ Rippen. Eine Hand legte er um seinen Hals, drückte spielerisch zu.
Bendix verdrehte die Augen. »Das ist die falsche Stelle.«
»Nicht, wenn ich genug Kraft aufbringe!« Kaèl nahm die zweite Hand dazu und verstärkte den Druck.
Bendix spannte die Halsmuskeln an, machte aber sonst keine Anstalten, Kaèls Attacke abzuwehren.
»Jetzt sei nicht so passiv!«, schimpfte Kaèl.
»Ich bin nicht passiv, ich analysiere, ob deine Nahkampffähigkeiten besser geworden sind. Aber bedauerlicherweise«, Bendix bockte auf und schob sich seitlich unter Kaèl hervor, »sind sie das nicht.« Er kam auf die Knie.
Dieser aufgeblasene Gockel!
Mit einem frustrierten Aufschrei stürzte Kaèl sich wieder auf ihn. Sie kugelten über die Matratze, bis Kaèl seitlich über Bendix landete. Er bekam seinen Arm zu fassen und zog Bendix in den Haltegriff, den er ihm vor ein paar Wochen gezeigt hatte.
»Du hast doch etwas gelernt!«, sagte Bendix erstaunt.
»Manchmal höre ich dir zu«, keuchte Kaèl. Zugegebenermaßen tat er das selten, meist war er vor Erregung zu abgelenkt, wenn Bendix ihm irgendwelche Kampfsporttechniken zeigte.
Er senkte die Stimme. »Aber vor allem kenne ich deine Schwachstelle.« Seine Fingerspitzen fanden Bendix’ Flanke und fuhren leicht darüber.
»Das wagst du nicht!«, knurrte Bendix.
»Das sollte einem, der so viel meditiert wie du, doch nichts ausmachen.« Er fing an zu kitzeln.
Bendix zuckte zusammen.
Von wegen stoisch.
Kaèl machte weiter, während sich Bendix unter ihm wand und gackerte.
»Aufhören«, rief Bendix, aber Kaèl dachte nicht daran. Lachend zog er den Haltegriff enger und kitzelte Bendix unter dem Arm.
Ein Fehler, er musste irgendwie dadurch seine Balance verloren haben. Bendix riss ihn herum, ließ Kaèl seine ganze Kraft spüren. Er drückte ihn in die Matratze, schwang sich auf ihn. Es nahm Kaèl den Atem und kurz flimmerten Sterne vor seinen Augen.
»Ich vergesse immer, wie frech du bist«, schnaufte Bendix. Wie Schraubstöcke schlossen sich seine Finger um Kaèls Handgelenke.
Kaèl wimmerte leise.
Das würde schlimme, schlimme Hämatome geben.
Er konnte es kaum erwarten.
»Grins nicht so«, zischte Bendix und verstärkte den Druck.
Kaèl stöhnte auf. »Ich ... ahh ... grinse ... wann immer ich will.« Er zwang sich, trotz der Schmerzen weiterzulächeln, um Bendix’ Selbstbeherrschung den Rest zu geben, und verbuchte damit auch gleich einen Erfolg. Bendix presste die Lippen zu einem Strich zusammen.
Oh, jetzt ist er wütend, dachte Kaèl zufrieden.
Als Bendix sich tiefer über ihn beugte, stellten sich seine Nackenhärchen auf. Er bebte aus einer Mischung aus Angst und Vorfreude. Kaèl widerstand dem Drang, die Augen zu schließen, er wollte sehen, wie Bendix’ Mimik sich veränderte, während er ihn ›bestrafte‹.
Auf einmal wich die Härte aus Bendix’ Blick. Er ließ Kaèls Handgelenke los, strich ihm zärtlich über die Wange und küsste ihn.
Kaèl war so überrumpelt, dass er stocksteif liegen blieb. Wo war seine Bestrafung? Aber als Bendix wie beiläufig mit dem Daumen über seine Ohrenspitze strich, seufzte er auf und gab sich der Berührung hin. Er schlang seine Arme um Bendix’ Schultern und erwiderte den Kuss.
»Du bist weichherzig geworden«, sagte er atemlos, als Bendix sich von ihm löste.
»Nicht weichherzig, nur verliebt.« Lächelnd glitt Bendix von ihm. »Ich wollte unerbittlich sein, aber du sahst gerade einfach zu niedlich aus, mit deinen verstrubbelten Haaren.« Er zwinkerte Kaèl zu. »Aber keine Sorge, das mit der Strafe hole ich gleich na–«
»Meine Haare?«, unterbrach ihn Kaèl. Er setzte sich auf, griff sich an den Kopf. »Oh.«
Er wollte den Fhaarbulöszauber wirken, da fasste Bendix ihn am Arm. »Lass dein Haar so! Ich mag das, wenn du für mich mal nicht perfekt bist.« Er senkte die Stimme. »Willst du fühlen, wie sehr?«
Als Kaèl nickte, führte Bendix seine Hand nach unten. Kaèls Finger glitten über die sanften Hügel an seinem Bauch, ertasteten weiche Haut und darunter harte Muskeln. Er schluckte. Bendix sah nicht nur zum Anbeißen aus, er fühlte sich auch genauso an. Langsam ließ er die Hand in Bendix’ Hose gleiten.
Seine eigene Bestrafung konnte warten, er wollte Bendix schmecken und fühlen. »Leg dich hin«, sagte er rau.
Ein diabolisches Lächeln legte sich auf Bendix’ Lippen. »Nein.« Er packte Kaèl an den Schultern und wirbelte ihn herum.
Kaèl fiel vorwärts. Ehe er begriff, was geschah, fand er sich auf allen vieren wieder, Bendix dicht hinter sich.
»Bist du wahnsinnig?«, zischte er empört.
Aber Bendix lachte nur. »Bleib, wo du bist, oder du bereust es.«
Sein Tonfall erlaubte keine Widerworte, also schluckte Kaèl die Worte herunter, die auf seiner Zunge lagen. Er lauschte den Geräuschen hinter sich. Es klimperte, als Bendix seinen Gürtel löste. Dieser verdammte Kerl ließ sich Zeit damit, während Kaèl in dieser mehr als erniedrigenden Stellung auf dem Bett kniete und wartete!
Er hasste Warten. »Bendix«, flehte er. »Bitte.«
Zärtlich strich Bendix ihm übers Haar. »Brav.«
Fast hätte Kaèl gelacht. Dieses kleine Wort verfehlte auf Bendix nie seine Wirkung, und er würde dafür sorgen, dass es so blieb.
Bendix schob sein Nachthemd hoch und entblößte seinen Hintern, dann verteilte er kühle Flüssigkeit zwischen Kaèls Schenkeln.
Mit einer fließenden Bewegung versenkte er sich in ihm. Er gab Kaèl keine Zeit, sich an ihn zu gewöhnen, trieb ihn mit schnellen, harten Stößen an.
Kaèl wimmerte leise. Es war zu schnell, zu viel Reibung, aber er wollte alles davon. Der Kampf hatte ihn so erregt, dass er nicht lange brauchen würde.
Ein Seufzen entfloh seinen Lippen, und er spreizte die Finger, stemmte sich mit aller Kraft in die Matratze, um den Stößen etwas entgegenzusetzen. Seine Arme brannten, er brauchte mehr. »Härter«, bat er.
Bendix griff in sein Haar und wickelte sich eine dicke Strähne um die Hand. Er zwang Kaèls Kopf in den Nacken. »Habe ich dir schon erlaubt, zu kommen?«
»Nein«, keuchte Kaèl. Schweiß tropfte von seiner Stirn.
»Gut.« Bendix riss an seinen Haaren, und Kaèl schrie auf, »dann bleib artig!«
Kaèl krallte seine Hände in das Laken. Den Blick starr nach unten gerichtet, konzentrierte er sich darauf, seine Hüfte nicht instinktiv zu bewegen.
Aber schon nach ein paar Stößen ging es mit ihm durch, und er spiegelte Bendix’ Bewegungen.
Er war so nah, er musste nur noch ...
»Du willst nicht hören«, stöhnte Bendix. »Dann musst du eben spüren.«
Er zog sich aus Kaèl heraus und hinterließ schmerzende Leere.
»Bendix!«, Kaèl ächzte, »Nur noch ein bisschen.«
»Ich bestimme das Tempo!« Er riss ihn herum, und Kaèl kam wie ein Käfer auf dem Rücken zum Liegen.
Bendix blickte Kaèl fest in die Augen. »Du hast vor ein paar Wochen gesagt, dass du von mir gewürgt werden wolltest. Ist das immer noch so?«
Kaèl starrte zurück, der Mund offen. »Jetzt? Hier?«
Bendix nickte. »Ich dachte, hier fühlst du dich sicherer.«
Kaèl ging in sich. Die Vorstellung daran ließ seinen ganzen Körper prickeln, vor Nervosität und … Vorfreude. Er wollte es.
»Ja«, sagte er und schaute wieder zu Bendix. »Das ist immer noch so.«
Bendix keuchte leise. »Dann hör gut zu«, sagte er, ein leichtes Zittern in der Stimme. »Wenn du willst, dass ich aufhöre, klopf zweimal gegen meine Brust.«
»Wir haben doch unser Wort«, sagte Kaèl verwirrt.
»Das wird dir nicht helfen.«
Nicht helfen? Was meint er damit? Ein merkwürdiges Gefühl stieg in Kaèl auf. Sie hatten ihr Wort. Das Wort war wichtig, es war sein Anker.
»Ich zeig es dir.« Bendix legte eine Hand über Kaèls Mund. Ein Schauer fuhr Kaèls Rücken herunter.
Die Hand rutschte höher, verschloss ihm Mund und Nase.
Kaèl erstarrte. Er konnte nicht mehr atmen.
Er konnte nicht atmen!
Panik baute sich in ihm auf. Er riss an Bendix’ Hand, bäumte sich auf, aber Bendix verstärkte nur den Druck. Kaèl wollte schreien, aber nur ein erstickter Laut drang zwischen Bendix’ Fingern hervor.
Sein Puls raste. Er musste diese Hand wegbekommen. Er musste ...
Da fiel es ihm wieder ein. Das Zeichen!
Er klopfte zweimal gegen Bendix’ Brust.
Sofort ließ Bendix los, und Kaèl schnappte nach Luft. Er röchelte.
»War das zu viel?«, fragte Bendix. Er betrachtete ihn besorgt.
Kaèl atmete ein paar Mal tief durch. Er schloss die Augen, spürte nach. Jetzt, wo sein Herzschlag sich langsam wieder beruhigte, fühlte er sich wie in einer Traumwelt. Sein Körper war erfüllt von warmem, angenehmen Kribbeln.
Er öffnete die Augen wieder, erwiderte Bendix’ Blick. »Nein. Mach weiter.«
»Gut.« Bendix küsste ihn aufs Ohr. »Das war nur die Übung«, flüsterte er. »Jetzt bist du gänzlich meiner Gnade ausgeliefert.« Er biss Kaèl in die Ohrenspitze.
Kaèl schrie auf.
Bendix lachte leise. »Ich wollte nur sichergehen, dass du noch da bist.«
»Hmpf«, machte Kaèl beleidigt. Aber es stimmte, jetzt war er hellwach, völlig auf den Moment konzentriert.
Bendix packte ihn an den Hüften. Er stieß in ihn, und Kaèl vergaß sein schmerzendes Ohr. Mit Macht kehrte seine Erregung zurück, und er gab sich dem Gefühl hin. Er schlang die Beine fest um Bendix’ Taille und überließ ihm das Tempo, ließ sich einfach nehmen.
Nach ein paar Stößen stöhnte er immer lauter. Er war kurz davor, konnte die Klippe vor sich spüren, von der er sich fallen lassen wollte.
Auch Bendix’ Körper spannte sich an, und Kaèl fühlte, wie er sich zurückhielt, wie er auf ihn warten wollte.
»Bendix«, krächzte er. »Ich ... komme ... gleich.«
Auf einmal legte Bendix eine Hand um seinen Hals.
Kaèl verkrampfte sich. Instinktiv griff er nach Bendix’ Arm, aber er wehrte sich nicht. Es war nur wenig Druck, kaum schmerzhaft, und Kaèl konnte fast normal atmen.
Er konnte es zulassen.
Nach und nach entspannte er sich wieder. Er löste die Hände, krallte sich stattdessen an Bendix’ Schultern fest, zog ihn enger an sich.
»Sieh mich an!«, herrschte Bendix ihn an, und Kaèl riss die Augen auf.
Bendix’ Blick brannte sich in ihn. Langsam verstärkte er den Druck auf Kaèls Hals.
Etwas veränderte sich. Zunächst war es sanft, ein seltsames Gefühl der Enge hinter seiner Stirn, das sich schnell aufbaute. Seine Schläfen pochten, Sterne flimmerten über seine Netzhaut.
Ihm wurde schwindelig.
Bendix’ Bild verschwamm vor seinen Augen. Kaèl rang nach Luft, aber so heftig er auch atmete, es nützte nichts. Panik stieg in ihm hoch. Er hob die Hand, bereit abzuklopfen.
Bendix ließ los.
Augenblicklich schoss das Blut in sein Hirn, und die Mischung aus Adrenalin und Sauerstoff stieß ihn über die Klippe. Sein Blick verschleierte. Ein Orgasmus, wie er ihn noch nie erlebt hatte, überrollte ihn, und er schrie, während er zuckte und zitterte.
Als der Raum wieder in sein Blickfeld rückte, fand er sich in Bendix’ Armen wieder.
»Wie geht es dir?«, fragte Bendix.
»Wunderbar.« Kaèls Stimme zitterte. Alles an ihm zitterte, sein Hals brannte, aber er war vollkommen befriedigt.
»Gut.« Bendix küsste ihn auf die Wange. Er lachte verlegen. »Manchmal habe ich Angst vor mir selbst, wenn ich so mit dir umgehe.« Er rollte sich von ihm, und zog Kaèl in seine Arme. Er war heiß und feucht und roch so gut, nach Pheromonen und Bendix.
»Ich habe keine Angst vor dir«, murmelte Kaèl. »Ich bin Erzmagi. Ich könnte mich wehren, wenn ich wollte.« Zufrieden schloss er die Augen.
Er musste wohl kurz eingenickt sein. Als er erwachte, lagen sie locker verschränkt nebeneinander. Bendix hatte die Lider gesenkt und lächelte sanft, während er langsam über Kaèls Haar strich. Er wirkte erschöpft, aber auch sehr, sehr zufrieden.
Kaèl grinste; er fühlte sich in jeder Faser ausgelaugt und wunderbar. Sein Hals war rau vom Würgen, oder vom vielen Schreien, so genau wusste er es nicht.
Vielleicht hätte ich an einen Stillezauber denken sollen, dachte er träge, Mister Taryòn war jetzt bestimmt zutiefst verstört. Der Gedanke ließ ihn leise kichern. Sein Diener machte schon etwas mit, mit ihnen.
Er löste sich von Bendix und setzte sich auf. Mit einer nachlässigen Geste ließ er ein Glas Wasser zu sich schweben und trank.
Bendix’ Füße ragten unter der Decke hervor. Er hatte schöne Füße, sehnig; eigentlich war alles an ihm sehnig. Kaèl hätte Stunden damit verbringen können, alle Vertiefungen und Vorsprünge seines Körpers mit den Lippen nachzufahren. Auf einmal erfasste ihn ein unvermitteltes Glücksgefühl. Er beugte sich zu Bendix herunter und küsste ihn auf die Wange. »Ich liebe dich.«
Bendix’ Lächeln wurde breiter. »Das sagst du heute schon zum dritten Mal. Jetzt holst du aber einiges nach.«
»Das war auch Zeit.« Kaèl rückte näher an ihn heran. »Wir sollten öfter so kämpfen«, flüsterte er in sein Ohr.
»Gern. Solange du deine Techniken übst.«
»Immer«, log Kaèl. »Siehst du, mein großes Bett hat auch Vorteile. So etwas wäre in deiner Hütte nicht möglich.«
»Hmm.«
Das wertete Kaèl mal als Zustimmung. »Wir müssen später ein richtig großes Bett zusammen haben«, fuhr er euphorisch fort. »Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich darauf freue, wenn wir erst–« Er verstummte.
Wenn wir was?
Zusammenleben? Offiziell ein Paar sind? Heiraten?
Nichts davon würde so passieren.
»Wenn wir was?«, fragte Bendix.
»Ach, das war nur so ein Gedanke«, sagte Kaèl.
Wenn Nyòko ihn heiratete ... wenn er endlich fern von seinen Eltern war ... vielleicht konnte er Bendix dann ein schönes Haus bauen lassen, in das ein großes Bett passte, in dem sie jede Nacht zusammen schlafen konnten. Aber es waren ziemlich viele ›wenns‹ die sie davon trennten. Zu viele für seinen Geschmack.
»Hast du Hunger?«, fragte er, um sich und Bendix von dem Thema abzulenken.
Als Bendix nickte, orderte er von einem auffällig blassen Mister Taryòn Frühstück ans Bett. Er lächelte ihm beruhigend zu und bestellte Speisen, die man auch mit einem Löffel oder gänzlich ohne Besteck essen konnte.
Aber als Mister Taryòn das Tablett brachte, griff Bendix störrisch nach Messer und Gabel. »Ich habe Angst, deine Leute gleich zu treffen«, sagte er, während er konzentriert sein Sandwich zerschnitt.
Kaèl verkniff sich den Kommentar, dass man Sandwiches nicht mit Messer und Gabel aß. »Warum?«, fragte er bemüht heiter.
»Ich mache bestimmt alles falsch und dann finden sie mich lächerlich.«
»Unfug, ich bin mir sicher, dass sie dich mögen werden.«
»Aber sie ist die Kronprinzessin!«
»Na und, ich bin Lord von Fukuòka und trotzdem bin ich ...«
»... unfassbar arrogant«, komplettierte Bendix.
»He!« Kaèl puffte ihn in die Seite.
Bendix schüttelte den Kopf. »Egal was du tust, heute Morgen bestrafe ich dich nicht mehr. Ich bin immer noch erschöpft von gerade.«
»Ich auch.« Kaèl gluckste. »Du hast dich auch wirklich ins Zeug gelegt.«
»Einer muss den verwöhnten Lord ja zufriedenstellen, wenn er schon so artig darum bettelt.« Bendix seufzte theatralisch. Er schob sich mit der Gabel das letzte Stück Sandwich in den Mund. Dabei spreizte er seinen kleinen Finger ab, und Kaèl musste sich zusammennehmen, um nicht darauf zu starren. Hätte jemand bei Hofe so gegessen, er hätte laut gelacht.
»Hm? Was ist das denn?«, fragte Bendix, als er den Teller wieder auf Kaèls Nachttisch abstellte. Er nickte in Richtung des Pergaments, das zwischen zwei Buchseiten heraus lugte.
»Nichts!«, rief Kaèl entsetzt. »Das ist privat!«
Schon hatte Bendix sein eigenes Phantombild in der Hand. »Du hast mein Phantombild!« Er schüttelte den Kopf. »Ich mag dieses Bild nicht. Ich sehe so … böse darauf aus.«
»Ich mag es«, murmelte Kaèl. »Es ist das einzige Bild, das ich von dir habe.«
Vorsichtig fuhr Bendix mit den Fingern das Pergament entlang. »Wie abgegriffen es ist.«
»Es liegt ja auch seit dem Dracheneifest hier, und ich hatte es oft in der Hand.«
Bendix schnaubte amüsiert. »Ich möchte gar nicht so genau wissen, was du dabei in der anderen Hand hattest.«
»Du kennst mich zu gut.« Kaèl lachte. Er senkte die Stimme. »Wieso möchtest du nichts Genaueres darüber wissen? Ich fühle mich zurückgewiesen!«
Bendix errötete. Es war niedlich, trotz allem, was sie bereits im Bett erlebt und ausgelebt hatten, gab es immer noch Situationen, in denen der prüde Mönch in ihm das Ruder übernahm.
»Ich finde es halt merkwürdig, dass du schon an sowas gedacht hast, bevor du mich richtig kanntest. Ich meine ... damals war ich für dich doch noch ein gewissenloser Verbrecher, wieso hast du dann –«
»Meine Libido ist eben nicht zu unterschätzen«, sagte Kaèl spitz und entwand Bendix das Bild. Er steckte es zurück zwischen die Bücher und beendete damit das Thema.
Natürlich war das nicht die gesamte Wahrheit. Das Phantombild war mehr als eine reine ›Inspirationsquelle‹ für seine Libido. Es hatte ihn fast ein Jahr begleitet, Abend für Abend hatte er es betrachtet, hatte mit den Fingern die Linien von Bendix’ Wangenknochen nachgezogen. Er hatte sich darin verloren, lange bevor er und Bendix überhaupt miteinander geredet hatten.
Aber das würde er Bendix nicht auf die Nase binden.
Auch wenn es sicherlich vollkommen normal war, einem unbekannten Massenmörder hinterherzuschmachten.
Vollkommen normal.
oOOo
»Ach noch etwas, Mister Taryòn«, sagte Kaèl, als sie endlich eingekleidet und geschminkt waren. »Setzen Sie eine Kündigung für Timanty auf.«
»Timanty?« Mister Taryòn machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ah, Sie meinen Timothy, den Gärtner.« Er verbeugte sich. »Natürlich, Mylord.«
»Wunderbar.« Zufrieden nickend trat er in den Flur.
Bendix eilte ihm hinterher, so schnell sein Gewand es zuließ. »Moment mal«, rief er. »Wieso entlässt du ihn?«
»Du hast doch mitbekommen, wie er mich gestern brüskiert hat!«
»Er ist eben enttäuscht, weil du ihm das Herz gebrochen hast. Willst du ihm wirklich dafür noch sein Einkommen wegnehmen?«
»Du bist viel zu nett!«
»Sei froh, dass ich das bin. Sonst wärst du längst tot.«
»Ich liebe dich auch«, sagte Kaèl lächelnd. »Aber Personalentscheidungen treffe immer noch ich. Ich werde nicht zulassen, dass so ein missgünstiges Subjekt weiter hier arbeitet.«
Bendix grummelte etwas Unverständliches.
»Wollen wir wirklich darüber streiten? Nyòko erwartet uns unten.«
»Sie ist schon da?« Augenblicklich versteifte sich Bendix.
Den Rest des Weges gingen sie schweigsam nebeneinander her. Bendix wirkte nervös, immer wieder verdrehte er die Finger ineinander. Sein Gewand raschelte sanft, diesmal hatte Kaèl ihm ein sonnengelbes herausgesucht, das so eng geschnitten war, dass es sogar Bendix’ knappen Tuniken Konkurrenz machte. Kaèl warf immer wieder flüchtige Blicke darauf und konnte sich nur zu seiner Wahl gratulieren.
Er nahm Bendix kalte Hand in die seine. »Das wird schon«, flüsterte er aufmunternd.
»Kaèl«, rief Nyòko ihm schon von Weitem entgegen, als sie die Treppe hinunterstiegen. »Du hast uns warten lassen!«
»Dafür sehen wir reizend aus«, sagte er lächelnd und breitete die Arme aus.
Nyòko ließ ihren Blick unverhohlen über Bendix schweifen. »Oh ja, das seht ihr.«
Sie drückte Kaèl, dann schritt sie zu Bendix. »Du bist also der Mann, der unserem Prinzchen das Herz höher schlagen lässt!« Mit einem breiten Grinsen streckte sie ihm die Hand entgegen.
»Prinzchen?«, fragte Bendix. »Ich dachte, Ihr seid die Prinzessin?«
›Sie‹, nicht ›Ihr‹, hallte es in Kaèls Kopf, das Thema hatten sie doch schon vor Ewigkeiten durchexerziert. Bendix zuliebe verzichtete er aber auf eine Bemerkung.
»Du kannst mich gern duzen«, sagte sie und schüttelte kräftig seine Hand. Sie grinste frech. »Was das ›Prinzchen‹ angeht … Hiròki und ich nennen deinen Freund so, weil er so verwöhnt ist.«
»Ich dachte, das wäre normal für einen von Adel?«
»Das stimmt schon«, erklärte Hiròki. »Aber Kaèl setzt dem Ganzen die Krone auf.« Er nickte Bendix zu. »Ich bin übrigens Hiròki.«
»Bendix«, sagte Bendix.
»Das muss in der Familie liegen«, fuhr Hiròki fort, »wenn die Hotàrus bei uns zu Besuch sind, haben wir doppelt und dreifach Arbeit, man kann ihnen einfach nichts recht machen.«
Es machte Kaèl immer noch sprachlos, wie unverschämt Bedienstete sein konnten, wenn man sie nur ließ. Manchmal sehnte er sich zu den Zeiten zurück, in denen sie für ihn gesichtslose Annehmlichkeiten gewesen waren. Außer Mister Taryòn, der durfte so bleiben, wie er jetzt war.
»Bei mir ist Kaèl eigentlich ganz pflegeleicht«, überlegte Bendix. »Ich muss ihn nur ordentlich –«
»Schaut, wie die Sonne draußen lacht«, unterbrach Kaèl ihn hastig. »Ihr wollt euch nach der Reise bestimmt die Beine vertreten – wie wäre es, wenn wir ein wenig im Park flanieren?«
»Gern«, sagte Nyòko und hakte sich bei Bendix unter. »Kaèl hat mir schon viel von dir erzählt!« Sie lächelte Bendix breit an.
»Ich hoffe, nur Gutes«, murmelte Bendix überfordert.
»Über dich kann man nur Gutes erzählen«, sagte Kaèl. Er griff nach seinem Sonnenschirmchen und folgte ihnen nach draußen.
»Kaèl sagt immer, dass er ohne dich die ganzen Sitzungen nicht ertragen würde«, sagte Bendix zu Nyòko, »und das glaube ich ihm gern. Die Leute dort sind so bösartig.«
»Ach was, bösartig.« Nyòko machte eine wegwerfende Geste. »Sie sind nur inkompetent. Aber bedauerlicherweise können inkompetente Leute mangels Kompetenz ihre eigene Inkompetenz meist nicht erkennen. Das ist nicht nur ihre persönliche Tragik, sondern leider auch eine große Belastung für die Gesellschaft.« Sie gluckste. »Und für meine Nerven.«
»Weise Worte«, sagte Bendix.
Sie umrundeten den kleinen Teich mit den Trauerweiden und flanierten durch die Wege zwischen den Blumenbeeten. Nyòko klatschte die Hände zusammen. Sie kniete sich hin und strich über eine der Blumen. »Nachtblaue Stiefmütterchen. Ludòiku würde durchdrehen vor Freude.«
Bendix lächelte. »Die sind aber auch schwer zu züchten. Mir ist das bislang noch nicht gelungen, aber wahrscheinlich liegt mein Garten zu schattig.«
»Oh, du bist ein Blumenfreund? Das muss ich ausnutzen!« Nyòko drückte sich hoch und schüttelte den Sand aus ihrem Rock. Sie drehte sich zu Kaèl. »Traust du dir heute den Lustgarten zu?«
Kaèl warf Bendix einen kurzen Blick zu. »Warum nicht?«
»›Lustgarten‹«, Bendix ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen. »Das klingt komisch. Irgendwie pervers.«
Nyòko und Hiròki prusteten los. »Ich glaube, genau das hatte Kaèls Mutter auch im Sinn, als sie den hat pflanzen lassen.«
Kaèl verdrehte die Augen. »Sie hatte die fixe Idee, dass ich Nyòko dort zur Wintersonnenwende verführe, damit wir endlich heiraten.«
»Aber am Ende hatten Hiròki und ich alle Hände voll zu tun, Kaèl halbwegs vital da herauszubekommen. Der Arme war ja völlig im Drogenrausch.«
»Drogenrausch?« Bendix musterte Kaèl mit einer Mischung aus Besorgnis und Missbilligung. »Machst du sowas öfter?«
»Nein.« Kaèl seufzte. »Müssen wir jetzt darüber reden? Ich hatte Liebeskummer, in Ordnung?«
»Es tut mir leid«, flüsterte Bendix und griff nach Kaèls Hand. »Ich habe damals viel falsch gemacht.«
»Es ist ja alles gut gegangen«, flüsterte Kaèl zurück.
Bendix zog ihn an sich. Kaèl spürte Nyòkos Blick in seinem Nacken. Er errötete, eigentlich war er nicht der Typ, der seine Techtelmechtel in aller Öffentlichkeit präsentierte.
Aber was soll’s.
Er lehnte sich vor und küsste Bendix.
»Dein Freund ist sympathisch!«, raunte Nyòko ihm zu. Sie hatten es sich auf der Bank im Pavillon bequem gemacht, während Hiròki und Bendix das Rosenlabyrinth erkundeten. »Und er sieht so gut aus!«
»Ja!« Kaèl wurde warm vor Freude. »Findest du auch?«
»Ihr wirkt so richtig verliebt«, sagte sie. »Ich habe dich noch nie so glücklich gesehen. Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt? Ich meine … du bist ihm doch nicht einfach in irgendeinem Menschendorf in die Arme gelaufen?«
»Äh, nein.« Er drehte sein Schirmchen in den Händen. »Es war … kompliziert.«
»Bei mir und Hiròki war das auch kompliziert.« Sie lachte. »Es ist schon merkwürdig, wen wir alles übersehen, nur weil sie nicht zu unserer Schicht gehören.« Sie senkte die Stimme. »Was Bendix angeht … ich weiß nicht warum, aber er kommt mir unheimlich bekannt vor.«
Kaèl lachte nervös. »Unmöglich!«
»Doch, ich habe die ganze Zeit das Gefühl, dass ich ihn schon einmal gesehen habe. Und Hiròki hat das auch!«
»Nein«, sagte Kaèl bestimmt. »Das ist völlig unmöglich. Vielleicht sieht er einfach jemanden ähnlich, den ihr kennt?«
»Wer weiß. Mir wird sicherlich noch einfallen, an wen er mich erinnert.«
Kaèl schauderte. Hoffentlich nicht.
»Ich mag die beiden«, sagte Bendix, als er mit Kaèl zum Schloss zurücklief. Er ließ es sich nicht nehmen, Kaèls Schirmchen über ihn zu halten, eine unnötige und altmodische Geste, die Kaèl dennoch rührte. »Nyòko ist so lustig und unkompliziert. Sie gibt mir überhaupt nicht das Gefühl, fehl am Platz zu sein.«
Kaèl nickte eifrig.
»Sie ist anders als die adeligen Magi, die ich kennengelernt habe.«
»Das könnte daran liegen, dass du Nyòko im Gegensatz zu den anderen nicht töten wolltest«, sagte Kaèl lachend. »Die meisten reagieren empfindlich auf so etwas. Aber ja, sie ist etwas Besonderes. Und so klug.«
»Und sie hat nicht diese magische Aura, die euch sonst umgibt. Das ist sehr angenehm.«
»Wie meinst du das?«
»Nyòko wirkt nicht so ... magisch. Im Gegensatz zu dir zaubert sie auch nie.«
»Sie ist die zukünftige Königin des magischen Reiches, natürlich zaubert sie.«
»Vielleicht irre ich mich«, lenkte Bendix ein. Nachdenklich blickte er zu Hiròki und Nyòko, die Hand in Hand durch die Blumenbeete liefen. »Wieso darf sie Hiròki eigentlich nicht heiraten? Er ist doch einer von euch.«
»Elb sein reicht nicht. Er stammt nicht aus dem Adel.«
»Aber ihr Adeligen seid doch auch nur Leute, deren Ahnen Glück hatten ... oder besonders grausam waren. Warum ist das so wichtig?«
Bei so viel Ignoranz konnte Kaèl nur müde lächeln. »Es ist so viel mehr als das«, erwiderte er und dachte an Bendix’ abgespreizten kleinen Finger. »Außenstehende können das nicht nachvollziehen, aber wenn du zum inneren Kreis gehörst, springt dir sofort ins Auge, wenn sich jemand nicht an die unzähligen kleinen Rituale hält oder gar angestrengt davon ist. Es wirkt fehl am Platze.«
»Fehl am Platze, hmm?« Daraufhin sagte Bendix nichts mehr, aber in der Art, wie er sich bei Kaèl einhakte und ihn bis zum Schloss nicht mehr losließ, lag etwas Besitzergreifendes.
Beim Abendessen war Bendix für seine Verhältnisse bemerkenswert ruhig, aber Kaèl vermutete, dass es weniger an ihren Gästen, als an dem Besteckset in Kombination mit den Trüffelpasteten lag, die seine volle Konzentration erforderten.
»Und du arbeitest als Bauer?«, fragte Nyòko ihn.
Bendix schnaubte entrüstet. »Hat Kaèl das erzählt? Ich habe seit fünfzehn Jahren auf keinem Feld mehr gestanden. Ich bin kein Bauer, ich suche Erleuchtung.«
»Oh?«
»Ich war einmal Mönch, aber mein Kloster …«, er seufzte, »das gibt es nicht mehr, deshalb suche ich den wahren Pfad allein.«
Nyòko rieb sich die Nasenwurzel. »Kloster? Wahrer Pfad? Da war doch etwas ...« Ihre gelben Augen blitzten auf. »War das ein Turstakuri Kloster?«
Kaèl zuckte zusammen. Woher, verdammt, weiß sie das?
Bendix strahlte. »Genau. Woher kennst du das?«
»Mich interessieren Menschenkulturen und Religionen. Vor kurzem bin ich über einen Bericht über eines der letzten Turstakuri Kloster gestolpert, das durch einen Unfall abgebrannt ist, ist das nicht furchtbar?«
Ein ›Unfall‹, dachte Kaèl bitter. So kann man es auch ausdrücken. Aber die wahre Geschichte war gut unter Verschluss.
»So etwas sollte nie wieder vorkommen«, murmelte Bendix. An der Art, wie er seinen Kiefer anspannte, sah Kaèl wie sehr er mit der Fassung rang.
»Zum Glück gibt es noch einige heilige Stätten bei uns in Finistère. In Avalon steht ein Turstakuri Tempel, den ich ein paar Mal besichtigt habe. Er ist wunderschön. Du und Kaèl solltet unbedingt einmal dorthin fahren!«
»Ich wusste nicht, dass es auch in Finistère Tempel gibt. Aber er ist wahrscheinlich verwaist?«
»Nein, ist er nicht«, sagte Nyòko. Sie nahm einen Schluck Wein. »Kaèl, diese … wie hieß sie noch gleich? Lanaya? Die, die bei den Whitecrows so eifersüchtig auf mich war? Ist die nicht sogar dort Tempeldienerin geworden?«
»Eifersüchtig?«, wiederholte Bendix. Sein Blick verhärtete sich. »Hattest du was mit der?«
»Ich … ja«, stotterte Kaèl. »Aber nur ganz kurz.«
Bendix grollte. Er fuhr sich durchs Haar. »Mit wem hattest du eigentlich nicht ›ganz kurz‹ was?«
»Mit dir. Das zähle ich schon als etwas ›Längeres‹.«
Fassungslos starrte Bendix ihn an, aber Kaèl zeigte ihm sein entwaffnendstes Lächeln. Irgendwann wandelte sich Bendix’ Blick, seine Züge wurde weich, dann fing er an zu lachen.
Kaèl atmete auf.
»Es ist schlimm, ich kann ihm einfach nicht lange böse sein«, erklärte Bendix Nyòko.
»Da hat Kaèl aber Glück gehabt«, murmelte sie. »Mir würde auf Anhieb eine lange Liste an Dingen einfallen, für die man ihm böse sein könnte, wenn man es darauf anlegt.«
Kaèl warf ihr einen indignierten Blick zu, aber sie zuckte nur mit den Schultern. »Aus dem Grund hatte ich auch nie was mit ihm. Auch nicht ›ganz kurz‹. So gibt es keinen Grund für Groll und wir verstehen uns wunderbar.«
»Obwohl er mit seinen Heiratsanträgen wirklich hartnäckig ist«, warf Hiròki ein.
Bendix lachte. »Hartnäckig, ja so kenne ich ihn.« Er stockte. »Moment – was für Heiratsanträge?«
»Äh ...« Irritiert blickte Nyòko zu Kaèl. »Hat er dir nicht davon erzählt?«
»Doch, aber ich dachte, eure Eltern wollten euch verkuppeln?«
»Ja ... genau«, sagte Nyòko schnell.
»In letzter Zeit findet Kaèl die Idee aber auch selbst nicht so abwegig«, sagte Hiròki. »Sonst hätte er nicht vor zwei Wochen um ihre Hand angehal– aua!« Irritiert schaute er zu seinen Füßen und dann zu Nyòko.
Bendix fixierte Kaèl. »Stimmt das?« Seine Stimme klang fremd, sie zitterte.
Sein Blick brannte auf Kaèls Haut. Hilfesuchend linste Kaèl zu Nyòko, aber die beugte sich konzentriert über ihren Nachtisch. »Ja«, sagte er nach längerem Zögern. »Aber nur deinetwegen, damit wir zusammenbleiben können.« Ausgesprochen ergab der Satz keinerlei Sinn. Wieso, verdammt, hatte er nicht eher mit Bendix darüber gesprochen?
»Meinetwegen?«, wiederholte Bendix langsam. »Das verstehe ich nicht, ich dachte, wenn man jemanden liebt, dann ...« Er schüttelte den Kopf, und seine Züge verhärteten sich. »Egal.«
»Bendix«, sagte Nyòko sanft. »Kaèl liebt dich. Das mit der Hochzeit ist nur seine fixe Idee, weil er hofft, dass er so von seinen fordernden Eltern loskommt. Aber das wird nicht passieren, weil ich ihn nicht heiraten werde.«
»Dann ist es ja gut«, brummte Bendix.
Es gab eine Pause, dann hob Nyòko zu einem unverfänglichen Thema an, und bald plauderten sie, als wäre nichts vorgefallen.
Aber Bendix’ Halbsatz schwebte den Rest des Abends über ihnen wie eine dunkle Gewitterwolke. Kaèl erwartete den Regenguss, als er nach dem Essen mit Bendix zu seinen Gemächern lief.
Aber nichts passierte.
»Nyòko ist wirklich nett«, sagte Bendix bloß, als sie in Kaèls Salon ankamen.
»Ja, das ist sie«, bestätigte Kaèl. Er warf seine Stola über die Sessellehne, dann löste er langsam die Nadeln aus seiner Hochsteckfrisur. Er hätte dafür Mister Taryòn rufen können, aber seine Hände wollten etwas zu tun haben. Er konnte Bendix’ Miene nicht lesen, und das machte ihm Angst.
Da haben wir einmal keinen Streit, und ich werde nervös? Ich muss verflucht sein.
Irgendwann zwischen der vierten und fünften Nadel hielt Kaèl es nicht mehr aus. »Lass uns darüber reden.«
»Worüber?«, fragte Bendix spitz. Er saß, die Arme vor dem Körper verschränkt, in Kaèls Lieblingssessel und starrte in die Flammen.
»Die Sache mit dem Heiratsantrag. Ich ... wollte dir schon lange davon erzählen, aber ich wusste nicht, wie. Ich hatte befürchtet, dass du etwas hineininterpretieren könntest, was so nicht ist.« Kaèl rang die Hände. »Es ist eine Formalie, mehr nicht.«
»Hm«, machte Bendix.
»Ich mag Nyòko«, fuhr Kaèl fort. »Aber ich liebe sie nicht, ich würde es auch nie. Das hast du heute bestimmt bemerkt? Das war doch auffällig!«
»Hast du deshalb dieses Treffen veranstaltet? Damit ich dir meinen Segen dazu gebe?«
»Nein«, rief Kaèl schnell.
»Ja ...«, gab er dann zu. »Aber auch, weil ich wollte, dass wir es schön haben.« Ruppig zog er eine weitere Nadel aus seiner Frisur. Dann noch eine, es ziepte unangenehm. Sein Haar musste bereits völlig zerzaust sein, aber diesmal würde es Bendix nicht erweichen, er ließ sich ja nicht einmal dazu herab, zu ihm zu schauen. »Ich wollte, dass du mein Leben kennenlernst und ...«
»Dann ist es ja gut«, unterbrach ihn Bendix. »Jetzt kenne ich dein Leben und deine Pläne. Wir müssen nicht weiter darüber reden, ich verstehe es ja.«
»Bist du enttäuscht?«
Bendix schüttelte den Kopf. Er sah müde aus. »Du hast ja recht. Ich habe da die letzte Stunde drüber nachgedacht. Das mit uns … hat keine Zukunft. Du musst etwas anderes suchen, das deine Eltern zufriedenstellt.«
»Ja«, sagte Kaèl zögerlich. Aus Bendix’ Mund klang es schlimmer, als er es bislang in seinem Kopf ausgemalt hatte. »Aber das mit dir ist das Wichtigste für mich, alles andere ist nur eine Formalität. Das weißt du? Du weißt, dass ich dich liebe?«
»Ja, Kaèl.«
Sie fielen in Schweigen, eine unangenehme Art von Schweigen, die schwer auf Kaèl lastete. Er brauchte Ablenkung.
Es war albern, sein Salon war voller Beschäftigungsmöglichkeiten, aber sie drucksten geschlagene zwanzig Minuten herum, bis Kaèl endlich der erlösende Einfall kam. »Soll ich dir etwas auf meiner Geige vorspielen?«
Bendix nickte, und Kaèl suchte sein Geigenköfferchen hervor und prüfte die Stimmung.
Bendix beobachtete ihn dabei. Es saß im Schneidersitz, starr, mit durchgedrücktem Rücken. Nichts an ihm wirkte entspannt.
Kaèl klemmte sich die Geige unters Kinn und spielte dieselbe Weise, die er geübt hatte, als er das Phantombild des Hexenjägers entdeckt hatte. Es war merkwürdig, wie sich sein Leben in den wenigen Monaten, die seitdem verstrichen waren, verändert hatte. Es war, als würde das Stück diese Reise beschreiben, zunächst war die Melodie langsam und erhaben, dann nahm sie Fahrt auf, überschlug sich fast, wie ein Boot in heftiger Strömung. Das Ende war bittersüß, und Kaèl ließ sich von den satten, schmelzenden Tönen tragen.
Als er den Bogen sinken ließ, hatte Bendix Tränen in den Augen. »Das war wunderschön«, hauchte er.
Kaèl lächelte. »Danke.«
»Es ist merkwürdig«, sagte Bendix, den Blick in die Ferne gerichtet. »Du spielst so voller Gefühl und gleichzeitig bist du bei so vielen Dingen so ...« Er hielt inne.
»Wie bin ich?«
»Ach, vergiss es.« Bendix erhob sich und streckte sich. »Komm, lass uns bettfertig machen.« Er lächelte unsicher.
Auch Kaèl setzte ein Lächeln auf, aber das beklemmende Gefühl verließ ihn nicht. Es lauerte im Schatten, und er hatte keinerlei Idee, wie er damit umgehen sollte. Also antwortete er den Rest des Abends nur mit dem, was Bendix vorgab wissen zu wollen, damit sie beide länger so tun konnten, als gäbe es nichts Ungesagtes zwischen ihnen.
Im Bett nahm Bendix ihn nicht in den Arm, und Kaèl fragte nicht, warum. »Gute Nacht«, murmelte er nur und zog die Decke eng um sich.