Am nächsten Morgen sprachen sie nicht über den Streit. Sie taten einfach so, als wäre nie etwas passiert.
Vielleicht hätte Kaèl die Initiative ergreifen, und Bendix alles erzählen sollen, schließlich hatte Bendix ein Recht darauf, zu erfahren, wie es weiterging. Aber er schämte sich, also schaute er bloß schweigend zu, wie Bendix ihnen den Eintopf von gestern aufwärmte.
»Ich werde heute bei den umliegenden Höfen fragen, ob sie Arbeit für mich haben«, brach Bendix das Schweigen, als sie mit ihren Schüsseln vor dem Zelt saßen. »Es ist Erntezeit, da freuen die sich sicher über jede helfende Hand.«
Kaèl würgte den letzten Bissen herunter. Anscheinend musste er Bendix nichts von seiner gestrigen Pleite erzählen, Bendix schien bereits selbst seine Schlüsse daraus gezogen zu haben. Er wusste nicht, ob er darüber erleichtert sein sollte, oder enttäuscht, weil Bendix offensichtlich nichts anderes von ihm erwartet hatte. »Denkst du, sie stellen einen Menschen ein?«
»Warum nicht? Das haben sie immer so gemacht. Sie brauchen ja nur meine Muskelkraft und Ausdauer – die freuen sich doch, dass sie einem wie mir weniger zahlen müssen als eine*r Magi.« Bendix trug die Schüsseln zum Bach, wusch sie, dann wusch er sich, bürstete seine Zähne. Er griff nach einem Wasserbeutel und einem halben Brotlaib und verschnürte beides in seinem Säckchen. Zuletzt zog er den Strohhut tief über seine Stirn, nickte Kaèl zu und machte sich auf dem Weg.
Kaèl blieb allein zurück. Er war nicht gerade begeistert, den Tag ohne Bendix verbringen zu müssen, aber er hatte Pläne: Er würde noch ein Weilchen dösen, denn Bendix stand immer viel zu früh auf. Außerdem hatte er sein Buch. Und dann wollte er den Wald erkunden, und Kräuter, Beeren oder Ähnliches zu suchen. Und dann würde er Bendix etwas kochen, garniert mit den selbstgesammelten Kräutern.
Aber sobald er allein war, verwandelte sich ihr Zelt in einen düsteren, ärmlichen Ort, ein Gefängnis. Er hielt es nicht mehr aus, schnappte sich sein Buch und setzte sich auf die nächste Lichtung. Es fesselte ihn nicht. Frustriert warf er es beiseite.
Er streifte durch den Wald, aber alles sah gleich aus, immer dasselbe grün. Keine Eichhörnchen, keine Kräuter, nicht einmal Beeren fand er. Irgendwann gab er auf, setzte sich wieder in das lumpige Zelt und rezitierte die dreizehn Grundgesetze der Magie, bis er vor Langeweile eindöste.
Bendix kam erst kurz vor der Dämmerung zurück, verdreckt und mit müden Augen. Aber er hatte etwas zu essen mitgebracht und kochte ihnen daraus eine Suppe.
»Für die nächsten Wochen gibt es genug für mich zu tun«, sagte er. »Die Kartoffelernte ist im vollen Gange, und die Bauersleute haben große Probleme, genug Erntehelfende zu finden, weil die Menschen alle fort sind. Sie zahlen pro Woche fünf Kupfermünzen, und jeden Tag darf ich so viel Gemüse mitnehmen, wie ich mit beiden Händen tragen kann.« Er lächelte unsicher. »Das ist nicht viel, aber besser als nichts.«
Besser als nichts.
Besser als alles, was Kaèl zu bieten hatte.
Direkt nach dem Essen legte Bendix sich hin und war eingeschlafen, bevor sich Kaèl in seine Arme kuscheln konnte.
oOOo
Die Tage vergingen. Sie waren lang und ohne Höhepunkte; die meiste Zeit lümmelte Kaèl im Zelt herum. Nach einer Woche kannte Kaèl das unselige Menschenbuch auswendig. Alles, selbst die unerträglichen Sexszenen darin.
Wenigstens hatten die Protagonisten Sex, ihn hatte Bendix seit seiner Verstoßung nicht mehr angefasst. Seine Liebesmale am Hals waren verblasst. Manchmal küsste Bendix ihn, aber dann scheu, mit geschlossenen Lippen. Es machte alles nur noch schlimmer – Kaèl war zu ausgehungert für solche Spielchen. Selbst die verdammten Pferde bekamen mehr Streicheleinheiten als Kaèl.
Bendix brachte es nicht einmal fertig, ihn richtig anzusehen, und er entschuldigte sich, wann immer er ihn zufällig berührte, fast so, als wäre Kaèl aus Glas.
Wahrscheinlich war Bendix nur müde von der harten Arbeit. Er ging jeden Morgen vor Sonnenaufgang los und kehrte erst am späten Nachmittag heim, mit leerem Blick. War es da nicht verständlich, dass seine Energie nur zum Meditieren und Kochen reichte? Wahrscheinlich, nein, sicherlich steigerte Kaèl sich in etwas hinein.
Und trotzdem wunderte er sich.
oOOo
An einem besonders schwülen Tag hielt Kaèl es in der Hitze des Zeltes nicht mehr aus. Er lief in den Wald, ein Weidenkörbchen in der Hand. Heute würde er sich nützlich machen. Er würde nicht umkehren, bis das Körbchen mit Beeren und Kräutern gefüllt war und dann würde er mit den Kräutern kochen und Bendix überraschen.
In der Nacht hatte es geregnet, und die Luft war feucht und roch nach Erde. Überall standen kleine Pfützen. Durch die Feuchte war die Hitze noch unangenehmer, und Kaèl schwitzte schon nach wenigen Metern.
Aber er hatte Glück. Am Rande einer Böschung fand er einen riesigen Brombeerstrauch. Zufrieden summend füllte er das Körbchen.
Als er weiterziehen wollte, blieb er mit dem Ärmel an den Dornen hängen. Genervt riss er sich los. Es ratschte unangenehm. Ungläubig starrte er auf seinen Ärmel. Der feine Seidenstoff war gerissen, vom Ellenbogen bis zum Handgelenk.
Es war seine beste Robe gewesen. Seine einzige gute Robe.
Wahrscheinlich würde er sich nie wieder eine solche Robe leisten können.
Frustriert warf er das Körbchen beiseite. Egal, was er machte, alles endete in einer Katastrophe. Das hier war nicht das Leben, das für ihn vorgesehen war. Es war nicht das Leben, das er führen wollte. Er musste heute noch mit Bendix reden. Ob es ihm passte, oder nicht – sie mussten hier weg. Raus aus diesem Wald.
Von welchem Geld?, nagte ein kleines Stimmchen in seinem Kopf, aber Kaèl weigerte sich, darauf zu hören.
Er stapfte zurück zum Zelt, voller Wut.
Hoffentlich kam Bendix heute pünktlich heim. Sie mussten reden. Er hielt es nicht einen Tag länger hier aus.
Aber von Bendix fehlte jede Spur. Kaèl tigerte umher, versuchte, sich mit verschiedenen Tätigkeiten abzulenken, aber keine fesselte ihn länger als ein paar Augenblicke. Irgendwann begann er damit, das Gemüse zu schälen und in kleine Stücke zu hexen, und ehe er sich versah, hatte er die Suppe fertiggekocht.
Der Nachmittag war längst verstrichen, sein Magen knurrte, nur Bendix fehlte.
Er sollte längst da sein. Seine Schicht hatte bereits vor Stunden geendet.
Die einzige Erklärung war, dass er seine Zeit lieber mit den anderen Helfenden verbrachte, als mit Kaèl. Überraschend viele Menschen halfen bei der Ernte aus, Menschen, die sich vor den vor den Fukuòka’schen Truppen versteckt hielten, weil sie unwillig waren, das Land zu verlassen.
Bendix war gern unter Menschen. Und sympathisch, wie Bendix war, hatte er sicherlich schon einige Bekanntschaften gefunden.
In letzter Zeit schien für Bendix ja alles spannender zu sein, als Zeit mit Kaèl zu verbringen. Die letzten drei Tage war er länger geblieben, als er hätte arbeiten müssen. Wahrscheinlich hatten sie sich alle nach der Arbeit beim Kartenspiel amüsiert, schön im Schatten der Scheune.
In Kaèl brodelte es. Bestimmt ging es dort sehr lustig zu, er konnte ihr Gegacker fast schon hören. Mit Kaèl hatte Bendix seit Tagen nicht mehr gelacht. Warum auch? Es gab ja nichts zu lachen in dieser Einöde.
Zwei Stunden später kehrte Bendix endlich heim, ein entschuldigendes Lächeln auf den Lippen. »Oh, hast du gewartet?«
»Gewartet?«, knurrte Kaèl. »Ich mache hier nichts als warten, jeden verdammten Tag.«
Bendix’ Lächeln schwand.
»Ich hasse es hier«, sagte Kaèl. »Ich hasse dieses Zelt, ich hasse diesen Wald.«
»Ja«, sagte Bendix langsam. »Das … hab ich gemerkt. Aber wir müssen ja nur noch ein paar Wochen hierbleiben, bis die Felder abgeerntet sind, dann –«
»Nein«, unterbrach ihn Kaèl.
»Aber wir brauchen Geld und hier gibt es Arbeit für mich«, sagte Bendix.
Denn du bist ja unfähig, etwas zu finden, hörte Kaèl.
Als wüsste Kaèl das nicht selbst. Bendix machte für sie beide den Rücken krumm. Beugte sich tagein, tagaus über ein Stück Dreck oder schleppte Säcke, bis er so müde war, dass er für den Rest des Abends kaum für etwas zu gebrauchen war.
Und das, während Kaèl … alles tun konnte, was er wollte, er beinahe ertrank, vor lauter Müßiggang. Er war wie ein Parasit, der Bendix aussaugte, und ja, er fühlte sich schlecht dabei.
Aber er hatte sich schon die ganze letzte Woche schlecht gefühlt. Und jetzt hatte er, verdammt noch mal, keine Lust, zurückzustecken, nur weil Bendix in der moralisch besseren Position war.
»Ich will nicht mehr«, sagte Kaèl. »Ich will hier nicht jeden Tag herumsitzen und auf dich warten.«
»Lass uns einfach essen«, sagte Bendix. Er äugte in den Kochtopf, lächelte angestrengt. »Du hast gekocht?«
Wie schön, dass er Kaèls Einwände einfach ignorierte.
»Es schmeckt sowieso nicht.« Kaèl warf ihm einen finsteren Blick zu. »Wie alles, was ich koche. Ich bin nutzlos.«
»Kaèl!«
»Kaèl!«, äffte Kaèl ihn nach. »Wie lange reden wir noch um den heißen Brei herum? Wie lange willst du noch so tun, als sei alles in Ordnung mit uns?«
»Ich weiß nicht, was du –«
»Zum Drachen verflucht!« Kaèl schubste ihn gegen die Brust. »Verkauf mich nicht für dumm!«
Bendix taumelte einen Schritt zurück. Er schaute zu Kaèl, schweigend.
»Was?«, zischte Kaèl. »Hat es dir die Sprache verschlagen? Das ist ja nichts Neues. Seit ich verstoßen wurde, redest du nicht richtig mit mir. Wieso sagst du mir nicht einmal, was du wirklich denkst?«
Bendix starrte ihn an, mit offenem Mund. Seine Arme hingen schlaff zu den Seiten herunter, als wäre ihm jegliche Energie entzogen worden. »Kaèl«, sagte er. Seine Stimme brach. Er holte tief Luft, schloss die Augen. »Vielleicht solltest du zu deiner Familie zurückgehen.«
Kaèl starrte ihn an. Eine Reihe an Emotionen kämpfte in ihm, bis die Wut die Oberhand gewann. Kurz war er erleichtert, dass er nicht traurig war, denn um nichts auf der Welt wollte er vor Bendix zusammenbrechen. Aber dann geriet es außer Kontrolle; die Wut gärte durch seine Eingeweide, brannte weiß in ihm. Sein Blick verschleierte. »Fick dich!«, schrie er.
In seinen Ohren rauschte es. Er hob die Hand, und seine Finger zuckten und sprühten Funken vor angestauter Energie. Er atmete tief ein, vergrößerte die Spannung und ließ los. Ein Feuerball löste sich und schlug dicht neben Bendix ein.
»Kaèl!«, rief Bendix, aber Kaèl schleuderte bereits den nächsten. Er attackierte Bendix immer weiter, bis seine Finger brannten.
Bendix wich aus, duckte sich unter den Feuerbällen weg, ohne sich zu wehren.
»Verdammt noch mal«, brüllte Kaèl. »Jetzt wehr dich! Kämpf mit mir! Fass mich an, schlag mich, beiß mich, mach irgendetwas!«
Bendix schüttelte den Kopf. »Ich will nicht mit dir streiten«, sagte er mühsam beherrscht.
Kaèl feuerte eine Schockwelle auf ihn, warf ihn gegen die Zeltstange. Er trat näher, die Hände erhoben. »Muss ich erst alles in Brand stecken, bis du reagierst?«
»Kaèl!« Bendix äugte hinter sich, zum Zelt. »Hör auf. Das ist gefährlich.«
»Gefährlich?«, spottete Kaèl. »Du bist der Hexenjäger. Wehr dich!« Wieder hob er die Arme. Er würde Bendix schon zeigen, was er von ihm hielt, er würde …
Endlich reagierte Bendix. Er sprang zu ihm und riss ihn von den Füßen. Sie landeten beide im Schlamm.
Kaèl stieß ihn mit einer Schockwelle von sich. Er robbte von Bendix weg und feuerte eine Reihe von Splitterzaubern ab, die Bendix auf Abstand hielten.
Bendix kam wieder auf die Füße. Er folgte Kaèl, die Hände über den Kopf geschlagen, um das Gesicht vor den Splittern zu schützen.
Kaèl blieb stehen. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und blickte Bendix ins Gesicht. Auch Bendix blieb stehen, nur wenige Meter von ihm entfernt. Auf seiner Wange waren Kratzer, aus denen Blutstropfen liefen. Die Augen zu Schlitzen verengt, starrte er zu ihm. Er presste die Kiefer aufeinander und sah so furchterregend aus, wie er bei ihren allerersten Begegnungen auf Kaèl gewirkt hatte.
Ein wohliger Schauer lief über Kaèls Rücken.
Langsam trat Bendix näher. Er hob die Arme in Kampfstellung. »Lauf!«, zischte er.
Kaèl grinste. Auch er hob die Arme. »Ich denke nicht daran.«
Er konzentrierte sich auf den Schlamm und formte daraus zwei menschengroße Golems, die sich vor Bendix aufbauten. Sie warfen mit glühenden Schlammkugeln nach ihm, die Bendix eine nach der anderen mit seinem Dolch parierte.
Kaèl trat zwei Schritte zurück und betrachtete fasziniert das Geschehen. Bendix keuchte und musste immer wieder ausweichen.
»Ich hätte nicht gedacht, dass so ein bisschen Dreck dich so lange beschäftigen würde.«
Bendix’ Gesicht lief dunkelrot an – war es die Anstrengung? Wut? »Halt die Klappe!«, keuchte er.
Oh ja, es war definitiv Wut. Kaèl lachte leise.
»Du Verdammter …« Ein Sprung, und Bendix landete vor ihm, riss Kaèl am Kragen hoch, als wöge er nichts und warf sich mit ihm auf den Boden. Auf seine Rippen.
Kaèl ignorierte den Schmerz und hexte Bendix einen grellrosa Lichtblitz ins Gesicht, der ihn blendete. Er drückte sich unter ihm weg, drehte ihm das Gesicht zu und brachte seine Arme zwischen sie, wie er das unzählige Male bei Bendix gesehen hatte. Er stieß sich von ihm weg.
Bendix blinzelte heftig. Er wirkte desorientiert, bekam aber eine Falte von Kaèls Gewand zu fassen und zog sich hinterher. Sie kullerten übereinander durch den Schlamm. Mit dem einen Arm packte Bendix Kaèls rechtes Handgelenk, mit dem Anderen zog er sich dichter an Kaèl heran.
Sie klebten jetzt förmlich aneinander. Kaèl spürte Bendix’ warmen, feuchten Atem an seinem Hals. Er erschauderte.
Bendix rollte auf ihn, drückte ihn mit seinem Gewicht flach in den Schlamm hinein. Kaèl fluchte und versuchte, ihn wegdrücken, aber es nützte nichts: Bendix hatte mehr Muskeln, und jetzt, da er ihn unter sich hatte, hatte er die Schwerkraft auf seiner Seite. In seiner Verzweiflung krallte er sich in Bendix’ Haar und riss daran.
Bendix’ Gesicht verzog sich vor Schmerz. »Lass das, verdammt!«
»Bring mich dazu!«
»Kannst du nicht einmal – ahh – normal sein?«
Er wirkte so empört, und Kaèl konnte nicht anders – er lachte los. Zuerst war es nur ein Glucksen; dann sprudelte es über, floss aus ihm heraus, bis sein gesamter Körper unter Bendix bebte.
»Das ist nicht lustig«, rief Bendix, aber dann lachte auch er, es rumpelte tief in seiner Brust. Sie lachten, bis sie beide nach Luft schnappten.
Als sie sich beruhigt hatten, wand Kaèl die Finger aus Bendix Haar, strich über Bendix’ blutende Wange. »Ich war böse.« Er flatterte mit den Lidern. »Du solltest mich bestrafen.«
Bendix schluckte. Sein Adamsapfel wackelte auf und ab. »Du hast genug gelitten, die letzten Wochen«, sagte er rau. »Ich sollte nicht –ahh!«
Kaèl hatte ihm das Knie zwischen die Beine gerammt. »Wirst. Du. Mich. Endlich. Bestrafen?«, zischte er, jedes einzelne Wort betonend.
Bendix’ Augen verdunkelten sich. Wie in Trance legte er eine Hand um Kaèls Hals, bohrte seine Fingernägel in Kaèls Fleisch. Der Schmerz war schärfer, als Kaèl erwartet hatte. Reflexartig hob er die Hand, versuchte, Bendix’ Finger fortzureißen, aber Bendix presste seinen Arm zurück in den Schlamm.
Er drückte Kaèl die Luft weg.
Kaèl schloss die Augen. Panik stieg in ihm auf, aber er würde nicht klein beigeben, nur weil Bendix ihn würgte. Er hatte es unter Kontrolle. Er versuchte, sich auf alles andere zu konzentrieren: das Gefühl seines schlammfeuchten Haars, seine ächzenden Rippen unter Bendix’ schwerem Körper, Bendix’ heißer Atem auf seiner Wange.
Eine gefühlte Ewigkeit später ließ Bendix los. Gierig sog Kaèl die Luft ein, sein Atem rasselte. Ein Atemzug, zwei.
Vor seinen Augen tanzten noch Sternchen, da drückte Bendix wieder zu.
Diesmal war die Panik zu groß. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren. Kaèl bäumte sich auf, strampelte mit seinen Beinen, um Bendix von sich zu treten, und Bendix ließ los.
Während Kaèl um Atem rang, lehnte er sich vor. »Das war erst der Anfang«, flüsterte er in Kaèls Ohr. Er nahm Kaèls Ohrenspitze zwischen die Lippen und biss zu.
Kaèl schrie auf. Tränen schossen in seine Augen, er brauchte mehrere Atemzüge, um wieder Kontrolle über seinen Körper zu erlangen.
Fasziniert fuhr Bendix mit dem Finger Kaèls Ohr entlang, zog die Hand zurück und betrachtete sein Werk. Blut glitzerte auf seiner Fingerkuppe.
Seine Augen bohrten sich in Kaèls. Ohne den Blickkontakt aufzugeben, ließ er Kaèls Handgelenk los und verlagerte sein Gewicht von ihm.
Kaèl blieb liegen. Er hatte keine Kraft mehr, es kostete bereits Mühe, trotz der Schmerzen zu atmen.
Als Bendix Kaèls Robe nach oben schob, bäumte Kaèl sich ein letztes Mal auf. Aber Bendix drückte ihn nieder. Er strich über Kaèls entblößten Körper, ritzte mit seinen Nägeln über Kaèls Rippen und kniff ihn in die Brustwarze, bis Kaèl aufstöhnte. Bendix’ Hand glitt tiefer, bohrte die Finger in Kaèls Schenkel. Quetschte ihn dort, wo die Haut weich war.
Kaèl biss sich auf die Lippe.
Bendix nestelte an seiner Hose, dann lag er wieder auf ihm. Er spuckte in die Hand und verteilte die Feuchtigkeit zwischen Kaèls Schenkeln. Seine Finger streiften dabei Kaèls Schwanz, und für einen Moment wurde Kaèls Sichtfeld weiß.
»Nein«, sagte Kaèl, aber er keuchte, und seine Lenden bockten nach vorn, pressten seinen Schwanz enger in Bendix’ Hand.
»Ich kenne dein ›nein‹«, stöhnte Bendix. Ohne Vorbereitung stieß er in ihn. Es brannte, und Kaèl wimmerte, aber Bendix ließ ihm keine Pause. Er packte ihn an den Hüften und fickte ihn, mit schnellen, tiefen Stößen, fickte ihn, bis der Schmerz der Lust wich.
Dabei starrte er Kaèl an, die Augen dunkel und hungrig, als wollte er jeden Laut, den Kaèl von sich gab, in sich aufsaugen.
Kaèl klammerte sich an Bendix, wand sich unter ihm, die Beine weit gespreizt. Vage bemerkte er, wie er stöhnte und bettelte, aber es war ihm egal, er brauchte, er brauchte mehr, mehr Reibung, mehr von Bendix’ wunderbaren Schwanz in sich.
»Bendix«, brabbelte er, ohne zu wissen, um was er eigentlich bat. »Ich brauche … ich will, ich – ahh.«
Bendix griff nach seinem Schaft und endlich, endlich zuckten Blitze durch Kaèls Sichtfeld. Er kam, zitternd, in mehreren Schüben.
Bendix stieß weiter in ihn, fickte ihn durch die Nachbeben, bis auch er mit einem Schrei auf Kaèl zusammenbrach.
Eine Weile lagen sie so da, verbunden. Sie atmeten schwer, ihre Körper klebten aneinander, voll Schweiß und Schlamm.
»War ich zu grob?«, fragte Bendix, als er sich von ihm rollte.
Kaèl schüttelte den Kopf. »Das habe ich gebraucht.« Seine Stimme klang seltsam fremd. »Genau das.«
Später trug Bendix ihn zum Bach und wusch ihn, mit langsam kreisenden Bewegungen. Kaèls Haut war von roten Flecken und Kratzern übersät, an seinen Handgelenken, seinen Schenkeln, seiner Brust. Bendix lächelte entschuldigend, wann immer er mit dem Schwamm daran vorbeinavigierte, aber Kaèl grinste nur.
Bendix griff nach der Seife und rieb Kaèls Haar ein, massierte seine Kopfhaut. Es war angenehm, und Kaèl war schläfrig und voller Endorphine. Unter anderen Umständen wäre er weggedöst, aber er konnte sich nicht entspannen. Nicht mit so vielen Fragen, die ihm auf der Zunge brannten. »Bendix«, sagte er. »Willst du nicht mehr mit mir zusammen sein?«
Bendix’ Finger hörten auf, ihn zu massieren. »Wie … kommst du darauf?«
»Du meintest, ich soll zu meiner Familie zurückgehen.«
Bendix sagte lange nichts. Kaèls Herz pochte dumpf in seiner Brust, während er auf die Antwort wartete.
»Ich will nicht, dass du gehst«, sagte Bendix schließlich mit dünnem Stimmchen. »Ich liebe dich. Aber du bist hier so traurig. Weil du wegen mir alles aufgeben musstest. Ich denke oft, dass dein Leben so viel besser wäre, wenn du mich nicht kennengelernt hättest.«
Kaèl drehte sich zu ihm und blickte Bendix ins Gesicht. »So ein Unfug. Wenn ich dich nicht kennengelernt hätte, dann wüsste ich überhaupt nicht, wie schön das Leben sein kann!«
»Du … bereust es also nicht?« Bendix’ Augen flackerten.
»Bendix«, flüsterte Kaèl. »Komm her.« Er breitete seine Arme aus.
Bendix zögerte kurz, dann trat er näher und ließ sich von Kaèl in seine Arme schließen. Er war angespannt, aber Kaèl strich über seinen Rücken und flüsterte ihm beruhigende Worte ins Ohr. »Ich würde mich immer wieder für dich entscheiden. Ich dachte, das weißt du.«
Bendix schüttelte den Kopf. Er schniefte.
»Hast du mich deshalb so komisch behandelt? Jedes ernsthafte Gespräch abgeblockt?«
»Ich … hatte Angst, dass wir streiten, und du mich verlässt. Du warst so unzufrieden und ich … wollte dich nicht noch mehr reizen.«
»Hättest du mal.« Kaèl wischte ihm die Tränen von den Wangen. »Und ja, du hast recht. Ich bin nicht zufrieden. Aber das liegt an mir, nicht an dir. Ich bin von mir selbst enttäuscht, weil ich trotz meiner Ausbildung nicht für uns sorgen kann.«
»Was war eigentlich los an der Akademie? Du warst danach so aufgebracht, deshalb hab ich mich nie getraut, zu fragen.«
Kaèl schloss die Augen. Es tat immer noch weh, daran zu denken, aber er hatte lange genug geschwiegen. »Meine Mutter hat dafür gesorgt, dass ich keine Anstellung an der Akademie erhalte.«
Bendix sog scharf die Luft ein. »Deine Mutter? Will sie, dass du verhungerst?«
Kaèl zuckte hilflos mit den Schultern. »Das mit ihr und mir ist kompliziert.«
Bendix machte einen genervten Laut, erwiderte aber nichts.
Kaèl umklammerte ihn fester. »Da ist noch mehr«, sagte er. »An der Akademie meinten sie, dass sie mich selbst ohne das Verbot meiner Mutter nicht einstellen würden. Sie finden mich arrogant und meinten, niemand will mit mir zusammenarbeiten.« Er hatte sich vorgenommen, Bendix niemals davon zu erzählen. Am liebsten hätte er das alles an einem dunklen Ort tief in sich vergraben. Aber jetzt, wo die Worte heraus waren, fühlte er sich erleichtert.
»Ernsthaft?«, fragte Bendix. »Die haben doch keine Ahnung!« Er erhob sich ruckartig. »Oh, das macht mich so wütend. Du bist mit Abstand der beste Magi, den ich je getroffen habe, und sie wollen dich nicht anstellen?«
Kopfschüttelnd griff er nach einem Becher. Er goss Wasser über Kaèls Haar, vorsichtig, damit nichts in Kaèls Gesicht lief, und spülte die Seife aus. Als er fertig war, half er Kaèl aus dem Bach und hüllte ihn in ein weiches Tuch. »Ich weiß, du ärgerst dich, aber glaub mir, diese Giftgurken haben dich gar nicht verdient!«
»Wenn ich das wüsste«, sagte Kaèl unglücklich.
Bendix streckte Kaèl die Hand hin. »Lass uns ins Bett legen. Ich glaube, wir haben beide gerade etwas Kuscheln nötig.«
Hand in Hand liefen sie zurück zum Zelt. Sie schwiegen, aber es war eine angenehme Stille. Es war tröstlich, zusammen durch die laue Abendbrise zu laufen und sich ganz auf die leisen Berührungen ihrer Finger zu konzentrieren.
»Ich hab dir was mitgebracht«, sagte Bendix, als sie vor dem Zelt standen. Er warf Kaèl einen scheuen Blick zu. »Willst du es sehen?«
Kaèl nickte.
Bendix löste sich von ihm und lief zu seinem Beutel. »Ich weiß, du bist Besseres gewöhnt, aber ich dachte, es ist besser als nichts.« Er öffnete den Beutel und zog eine Violine daraus hervor.
Kaèl blinzelte ungläubig. Er trat näher und strich über das polierte Holz. Es fühlte sich gut an unter seinen Fingern, und eine lange verdrängte Sehnsucht erfüllte ihn. »Du hast …? Woher?«
»Die gehörte der Tochter eines der Arbeiter. Sie ist vor drei Jahren am Typhus gestorben, und er hat es nicht übers Herz gebracht, sie wegzugeben. Als ich ihm von uns erzählt habe und was du alles verloren hast, meinte er, dass du sie haben könntest. Ich bin deshalb die letzten Tage länger geblieben, weil ich ihm im Tausch für die Geige geholfen habe, seine Hütte winterfest zu machen.«
»Du hast nicht Karten gespielt?«
Bendix schüttelte den Kopf.
»Das heißt, ich habe dich ohne jeden Grund zusammengestaucht?« Kaèl schlug die Hände vors Gesicht. »Ich bin so undankbar. Wie hältst du es nur mit mir aus?«
Bendix nahm seine Hände weg. Er grinste. »Du bist gut im Bett.«
»Unfassbar! Was ist aus meinem prüden Mönch geworden?«
»Du hast mich wohl verdorben.« Bendix streifte seine Schuhe ab und legte sich auf ihr Lager. Er streckte beide Arme aus. »Jetzt komm.«
»Du hast mir eine Violine geschenkt«, sagte Kaèl, immer noch staunend, als er sich in Bendix’ Arme kuschelte.
»Na, irgendeiner muss es ja tun. Es wäre doch schade, wenn ich dich nie mehr spielen hören würde.«
Kaèl rieb mit seiner Nase gegen Bendix’ Brust. »Du bist viel zu nett für mich.«
Bendix gab ihm einen Klaps auf den Hintern. »Oh, glaub mir, ich habe eine Menge Ideen, wie du das wieder wettmachen kannst.«
oOOo
Kaèl ließ die Geige sinken. »Ich würde dir davon abraten, die Suppe zu essen. Die habe ich gekocht.«
»Ach was, der Hunger treibts schon rein.« Bendix griff nach dem Löffel und probierte.
Kaèl beobachtete ihn dabei aufmerksam.
Langsam legte Bendix den Löffel wieder zurück, das Gesicht unlesbar. »So viel Hunger habe ich auch nicht. Ich glaub, etwas Brot und Wasser reicht zum Frühstück.«
Kaèl grinste. »Sag’ ich doch.«
»Vielleicht solltest du deinen zwei neuen Helferlingen das Kochen beibringen.« Bendix nickte zu den beiden Schlammgolems, die mit hängenden Armen neben Kaèl standen, als warteten sie auf neue Aufgaben.
»Kochen wäre etwas zu komplex für die beiden.«
Bendix deutete zum Kochtopf. »Schlimmer kann es eigentlich nicht werden.«
»Unverschämtheit«, keifte Kaèl. Er machte eine rasche Handbewegung, und die beiden Golems traten vor und warfen Bendix Schlammklumpen an die Brust.
Bendix hob die Hände, als wollte er sich ergeben. »Entschuldige, entschuldige vielmals!«
»Na gut«, sagte Kaèl gnädig, und gab den Golems das Zeichen, damit aufzuhören.
Bendix verschränkte die Arme vor der Brust. Er warf den Golems einen vernichtenden Blick zu. »Was sind das eigentlich für komische Gesellen? Sowas ist mit noch nie untergekommen.«
»Ach so«, Kaèl lachte leise. »Da habe ich vorgestern daran herumgebastelt, als mir langweilig war.«
»Du hast die erfunden?«
»Ähm, ja?«
Bendix schüttelte den Kopf. »Du hast, weil dir langweilig war, mal eben zwei Wesen erschaffen, die sich eigenständig bewegen und deine Befehle ausführen? Und das aus Schlamm?«
Kaèl zuckte mit den Schultern. »Es erschien mir praktisch.«
Bendix lachte ungläubig. »Die Leute an deiner Akademie sind so unfähig. Die hätten alles tun müssen, um dich zu halten. Du bist der Beste!«
»Sie sehen das anders.«
Bendix schnaubte. »Und seit wann lässt du dich von anderen so beeinflussen? So kenne ich dich gar nicht.«
Kaèl wandte sich ab. Er ballte die Faust, bis es schmerzte. »Früher hätte ich auch nie gedacht, dass meine Familie mich einfach so wegwerfen würde. Ich …«, er schluckte hart, »dachte, sie lieben mich.«
»Aber sie lieben dich noch. Ganz bestimmt. Sie …« Bendix rang die Hände. »Sie können es nur nicht zeigen.«
Kaèl schnaubte. »Sie haben mir alles genommen, was mich ausmacht. Ich bin … ein nichts.«
»Und was ist das?«, rief Bendix und griff nach Kaèls Kupferkette. »Du bist Erzmagi, der jüngste und beste, den es je gab. Und mehr noch. Du bist der einzige, vor dem ich mich im Kampf gefürchtet habe. Ich musste am Anfang richtig üben, damit ich dir Paroli bieten konnte.«
»Du musstest trainieren?«
Bendix lachte verschämt. »Aber erzähl es keinem weiter.«
Gegen seinen Willen musste Kaèl grinsen. »Das überlege ich mir noch.«
»Weißt du was?«, sagte Bendix unvermittelt. »Vergiss das mit der Ernte und dem Geld. Wir müssen hier weg, und zwar schnell. Wir müssen irgendwohin, wo sie deine Talente würdigen!«
Als Kaèl nicht reagierte, fasste Bendix ihn am Arm. »Du darfst dich nicht aufgeben! Hör nicht auf die Giftgurken!«
Kaèl starrte ihn an, zweifelnd. Aber Bendix wirkte so aufrichtig, dass er nach einer Weile nickte. »Aber wohin sollen wir? In Fukuòka könnten wir nicht bleiben und in den Menschenländern würden sie mich auf den Scheiterhaufen werfen. Es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem wir beide willkommen si–«
Oh.
»Bendix?« Er lächelte. »Magst du die Berge?«