Es war lächerlich riskant. Ein Fehler. Wenn der Hexenjäger auf den Köder hereinfiel, weil er wieder morden wollte, dann hatte er es nicht anders verdient!
Und dennoch ... Kaèl würde nicht zulassen, dass ihm ein Leid geschah! So nicht!
Solche oder ähnliche Gedanken rauschten Kaèl durch den Kopf, als er wie ein Besessener über die Fahrstraße hetzte. Er ritt bereits seit zwei Stunden im Jagdgalopp, eng über den Pferdehals gebeugt, und allmählich schmerzten seine Schenkel und sein Rücken. Auch seine Stute Mira, ein prächtiger Fuchs mit einer weißen Blesse, hatte während der letzten Kilometer deutlich an Tempo verloren, kein Wunder, so wie er sie die ganze Zeit lang angetrieben hatte.
Die Kutsche hatte etwas mehr als eine Stunde Vorsprung, aber Mira war schneller, und Kaèl wählte immer wieder kleinere Sandwege als Abkürzung, die für die Kutsche unpassierbar waren. Er hoffte, dass er den Hexenjäger so wenige Minuten vor der Kutsche erreichte.
»Du bekommst eine Woche lang Haferkekse«, rief er Mira zu und drückte ihr die Fersen in die Seiten. So kurz vor dem Ziel durfte sie nicht nachlassen!
Zumindest vermutete Kaèl, dass sie kurz vor dem Ziel waren. Er hatte die geplante Route der Kutsche genau studiert, die meiste Zeit führte die Fahrstraße schnurgerade durch den Wald, nur an einer Stelle machte sie eine steile Kurve. Dort würde die Kutscherin das Tempo deutlich drosseln müssen – die perfekte Gelegenheit für den Hexenjäger, auf den Kutschbock zu springen und sie so zum Stehen zu bringen. So ähnlich hatte er das damals jedenfalls bei Kaèl gemacht.
Kurz vor der erwarteten Biegung brachte er Mira zum Stehen und rutschte aus dem Sattel. Er gab ihr einen wohlwollenden Klaps auf den Hals und ließ sie frei, damit sie sich im Wald eine Wasserquelle suchen konnte. Mira war so zahm, dass er sie jederzeit mit einen Pfiff zu sich rufen konnte.
Er dehnte kurz die schmerzenden Beine, dann machte er sich unsichtbar und rannte die letzten paar Meter zur Kurve. Als er sein Ziel endlich erreichte, genügte ein schneller Blick, und eine Woge der Erleichterung schwappte über ihn. Es lagen weder Teile der Kutsche noch abgehackte Gliedmaßen herum, auch war der Boden nicht von frischem Blut besudelt, so wie er es sich in seinen bangsten Momenten vorgestellt hatte.
Allerdings sah er auch weit und breit keinen Hexenjäger, aber wahrscheinlich würde der auch nicht mitten auf der Straße auf die Kutsche warten. Er würde sich irgendwo am Rand im Gebüsch verstecken, bis seine Gelegenheit kam. Sofern er überhaupt hier war.
Mit laut klopfendem Herzen bog Kaèl die Zweige eines Haselstrauchs beiseite und stieg ins Unterholz. Er durchkämmte das Gebiet direkt an der Fahrstraße, immer darauf bedacht, keinen Lärm zu machen. Wenn sein Plan aufgehen sollte, dann musste er den Hexenjäger finden, bevor der ihn bemerkte. Denn nur so konnte er sich heimlich zwischen ihm und der Straße platzieren und auf den Moment warten, in dem die Kutsche ganz nahe war, und der Hexenjäger sich bereitmachte, zu springen. Genau dann wollte er ihn hinter eine Wand aus massivem Eis sperren, die ihn davon abhielt, das sichere Gebüsch zu verlassen.
Aber vom Hexenjäger fehlte auch nach längerem Suchen jede Spur. Kaèl wusste nicht, ob er darüber frustriert oder erleichtert sein sollte. Vielleicht bedeutete seine Abwesenheit, dass Kaèls Worte doch etwas bewirkt hatten, und er einmal darauf verzichten wollte, zu morden. Aber vielleicht lauerte er auch nur an einer anderen Stelle auf die Kutsche, die Kaèl nicht in Erwägung gezogen hatte. Beides erschien ihm ähnlich plausibel, und die Unsicherheit darüber machte ihn fahrig. Hatte der Kerl sich wirklich die Gelegenheit entgehen lassen?
Was auch immer, hier konnte Kaèl nichts mehr tun. Er beschloss, zu Mira zurückzugehen und dann eventuell weiter die Route entlangzureiten, sofern die Kutsche bis dahin noch nicht an ihm vorbeigerauscht war. Es war merkwürdig, jetzt hatte er so viel investiert, so viel Angst ausgestanden, und dann passierte ... nichts.
Typisch mein Leben, dachte er.
Durchgeschwitzt wie er war, fröstelte er bei jedem kalten Windstoß, aber die winterliche Mittagssonne würde ihm wenigstens ein bisschen Wärme schenken, sobald er die Fahrstraße erreicht hatte. Kurz davor blieb er mit dem Fuß an einer Wurzel hängen, stolperte und schlug sein Knie auf einem Stein auf.
»Aua«, zischte Kaèl reflexartig.
Er erstarrte und horchte mit angehaltenem Atem in die Wildnis, auf irgendein Zeichen des Hexenjägers. Aber nichts geschah.
Erleichtert seufzte er auf. Falls er davor noch einen Hauch von Zweifel hätte haben können, so war er jetzt sicher, dass er den Hexenjäger nicht in irgendeinem Gebüsch übersehen hatte.
Kaèl rappelte sich wieder hoch. Zu gern hätte er seine Wunde inspiziert, aber er traute sich noch nicht, die Unsichtbarkeit zu lösen, die Kutsche konnte jetzt jeden Moment vorbeifahren. Vorsichtig probierte er, ein paar Schritte zu laufen. Zum Glück ließ sich das Knie voll belasten, und so setzte er seinen Weg fort.
Auf einmal überschlugen sich die Ereignisse. Der Baum rechts neben ihm raschelte, und jemand landete vor seinen Füßen, fasste ihn grob an der Schulter. »Bist du lebensmüde?«, fauchte der Hexenjäger. »Was willst du hier?«
»Dasselbe könnte ich dich fragen!« Kaèl riss sich frei und machte einen Satz nach hinten, die Hände angriffsbereit erhoben. Es war so klar gewesen!
Mit geballten Fäusten kam der Hexenjäger näher, seine Augen glühten vor Wut. Instinktiv trat Kaèl einen Schritt zurück, ließ den Hexenjäger dabei aber nicht aus dem Blick. Dieser starrte Kaèl an, als wolle er gleich einen Mord begehen.
Kaèl stockte der Atem.
Er starrte ihn ... an?
Habe ich die Unsichtbarkeit aus Versehen gelöst?
Er hob eine Hand vor die Augen, aber er war immer noch unsichtbar. Und trotzdem folgte der Blick des Hexenjägers jeder seiner Bewegungen.
Kaèl lief rückwärts, im Zickzack, aber der Kerl folgte ihm auf dem Fuße, viel zu zielgerichtet für seinen Geschmack. Irgendwann wurde es ihm zu bunt, und er blieb stehen. »Woher weißt du, wo ich bin?«
»Ich hatte deine Unsichtbarkeitsspielchen satt. Also habe ich in den letzten Wochen gelernt, die Magie zu erspüren, die jede Hexe in sich trägt.« Er verringerte die Distanz zu Kaèl, ein hämisches Grinsen auf den Lippen. »Und deine Magie spüre ich besonders stark.«
Kaèls Nackenhärchen stellten sich auf. Das war nicht gut, das war gar nicht gut. Der Hexenjäger war wütend, so wütend wie Kaèl ihn noch nie erlebt hatte. Und ausgerechnet jetzt hatte er kein Sicherheitsnetz mehr! Er wirbelte herum und rannte los, immer tiefer ins Dickicht hinein.
Plötzlich riss es ihm die Beine weg, und er fiel nach vorn, landete auf dem Bauch. Verzweifelt robbte er weiter, aber der Hexenjäger hielt ihn zurück, krallte sich in seine Hose.
Wende dem Angriff dein Gesicht zu, dachte er panisch und warf sich auf die Seite, die Hände verteidigend erhoben, aber da war der Hexenjäger schon über ihm. Kaèl bäumte sich auf, kämpfte gegen ihn an, bis seine Muskeln brannten, aber der Kerl war so überlegen, er schien jeden von Kaèls kläglichen Befreiungsversuchen vorauszuahnen, aller Unsichtbarkeit zum Trotz.
Der Hexenjäger packte Kaèls Handgelenke und drückte sie zu Boden. »Bist du hier, um deinen Freund zu retten?«, zischte er ihm ins Ohr.
»Er ist nicht mein Freund!«, erwiderte Kaèl trotzig. Er versuchte, den Griff zu lösen, ohne Erfolg.
»So? War Sir Wood nicht euer Gast?« Jetzt umschloss er Kaèls Handgelenke so fest, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb. »Hast du nicht stundenlang mit ihm an der Tafel gesessen und gelacht?«
Er musste wirklich einen Spitzel im Schloss haben ... aber natürlich hatte er alles falsch interpretiert, dieser undankbare Pimpf!
»Verdammt noch mal«, brüllte Kaèl, und der Hexenjäger lockerte schlagartig den Griff.
Kaèl riss seinen rechten Arm frei. »Ich hasse diesen Typ«, spie er aus. »Er ist ein widerlicher Sadist.«
»Wieso bist du dann hier?«, fragte der Hexenjäger.
»Deinetwegen, verdammt!« Kaèl schluchzte. Mit zitternden Fingern löste er die Unsichtbarkeit auf.
Für einen Moment starrten sie sich an, der Hexenjäger aus zusammengekniffenen Augen, Kaèl durch den Tränenschleier hindurch. »Das mit der Kutsche war eine Falle«, sagte er leise, »und ich wollte nicht, dass du ... dass dir ...« Frustriert stieß er die Luft aus. »Ach, vergiss es!«
Der Hexenjäger atmete hörbar ein. Seine Augen weiteten sich, und er ließ Kaèls linkes Handgelenk los. »Du wolltest mir helfen?«, fragte er.
»Bilde dir bloß nicht zuviel darauf ein«, murmelte Kaèl.
Der Hexenjäger grinste nur. Er verlagerte sein Gewicht, und der unangenehme Druck auf Kaèls Rippen verschwand. »Ich dachte, du wolltest mich nie wieder sehen«, sagte er und kam auf die Füße. Er reichte Kaèl die Hand, um ihn hochzuziehen.
Aber Kaèl starrte demonstrativ zur Seite. »Ich will deine Hilfe nicht. Ich habe eine Mordswut auf dich!«
Er richtete sich auf und klopfte den Dreck aus seiner Hose, die Lippen fest zusammengepresst. »Allein, dass du hier bist, um wieder zu morden!«
Unvermittelt hörte der Hexenjäger auf zu grinsen.
Kaèl schloss den Abstand zu ihm und packte ihn am Kragen. »Du Blödmann«, zischte er und schüttelte ihn. »Musst du dich und mich immer in Schwierigkeiten bringen?«
»Halt dich doch einfach da raus«, fauchte der Hexenjäger und stemmte sich dagegen. »Du bist so verrückt!«
»Ich?« Kaèl lachte. »Wer ist denn auf allen Fahndungsbildern? Das ist verrückt!« Er warf sich mit der Schulter gegen den Kerl und legte sein gesamtes Gewicht hinein. Der Hexenjäger strauchelte und krallte sich in Kaèls Revers, konnte aber den Fall nicht mehr verhindern. Er riss Kaèl mit sich, und Kaèl landete seitlich neben ihm, drückte sich wieder hoch und bearbeitete den Oberkörper mit Faustschlägen, bis sein Atem rasselte. Aber der Hexenjäger lachte nur, ohne sich zu wehren. Nicht einmal seine Hände hob er, um Kaèls Schläge abzuwehren, so als habe er sowieso nichts vor ihm zu befürchten. Es machte Kaèl rasend. Oh, er sollte bluten für seine falsche Nachsicht!
»Jetzt kämpf’ endlich mit mir«, brüllte er. »Hör auf, mich andauernd zu schonen!« Er rammte dem Kerl seinen Ellenbogen in den Solarplexus.
Der Hexenjäger stöhnte auf. »Genug!« Er drehte sich mit dem Gesicht zu Kaèl, drückte sich mit beiden Händen von ihm ab, und schob seine Hüfte mit einer fließenden Bewegung unter Kaèl hervor. Von dort rutschte er auf die Knie, die Fäuste erhoben.»Keine Mätzchen mehr!«
Auch Kaèl kam auf die Knie und hob verteidigend die Arme. Er funkelte den Hexenjäger zwischen seinen Fingern hindurch an, da fing der wieder an zu grinsen. »So viel Wut und Mühe ... für nichts.«
»Von wegen, ›für nichts‹«, knurrte Kaèl. »Jede Sekunde, die du mit mir kämpfst, ist eine, in der du dich nicht auf diese Kutsche wirfst.«
Der Hexenjäger legte den Kopf in den Nacken und lachte. »Aber die Kutsche ist doch längst weg!«
»Wie bitte?« Perplex ließ Kaèl die Arme sinken.
»Ich habe sie nicht angegriffen ... ich konnte es nicht.« Er warf Kaèl einen Blick zu. »Nicht nach allem, was in der letzten Zeit passiert ist.«
»Du Verdammter!« Kaèl wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Immer wenn er dachte, den Hexenjäger begriffen zu haben, kam etwas Neues zum Vorschein, das alles wieder umwarf. »Wieso sagst du das nicht gleich?«
»Weil ich mit dir kämpfen wollte«, sagte der Hexenjäger schlicht. »Ich hatte gedacht, ich sehe dich nie wieder und jetzt bist du doch hier. Das musste ich auskosten.«
»Du wolltest ... !« Kaèl schäumte vor Wut. Also hatte der Kerl mal wieder mit ihm gespielt, während er sich vor Angst verzehrt hatte! Allein für sein selbstgefälliges Grinsen hätte er ihm gern ins Gesicht geschlagen.
Kaèl grollte. Einen Kampf konnte der Kerl haben! Aber diesmal würde er mit allen Mitteln kämpfen!
Er spannte seine Muskeln an und sprang dem Hexenjäger gegen die Brust, riss ihn mit sich. Sie kugelten übereinander, bis sich Kaèl rittlings auf ihm wiederfand. Er machte sich schwer, presste seine Schenkel gegen die warmen Flanken und bohrte seine Knie in die Rippen, genau wie der Hexenjäger es mehrfach bei ihm gemacht hatte. An den Schmerz konnte er sich noch gut erinnern.
Der Hexenjäger grinste immer noch und zerstörte damit das flüchtige Gefühl der Macht. Kaèl beugte sich über ihn, bis ihre Gesichter nur noch eine Handbreit voneinander entfernt waren. »Grins nicht so!«, keuchte er dem Hexenjäger ins Ohr. »Sonst ...« Ein unkontrollierbares Zittern ging durch seinen Körper. Quälend zog es durch seine Lenden. Es war zu viel. Zu viel Nähe, zu viel Reibung.
»Sonst?«, wiederholte der Hexenjäger.
Kaèl lehnte sich vor und nahm sein Ohrläppchen zwischen die Zähne. Zuerst knabberte er sanft, beinahe zärtlich, und entlockte dem Hexenjäger ein gequältes Stöhnen. Dann biss er zu.
»Au!«, schrie der Hexenjäger und stieß ihn von sich herunter. Sofort war er wieder auf den Knien. »Du Schlawiner!« Er umklammerte Kaèls Oberarm und zog ihn an sich heran.
Kaèl ließ es geschehen. Mehr noch, er griff dem Hexenjäger in den Nacken und zog sich noch ein Stückchen näher zu ihm, beugte sich vor und drückte dem Hexenjäger einen kleinen Kuss auf den Mund. Dann stieß er sich von ihm weg.
Der Hexenjäger ließ seinen Arm los, als hätte er sich daran verbrannt. Er starrte Kaèl an, den Mund leicht geöffnet und keuchte heftig.
Kaèl lachte leise. Wie überrumpelt er wirkte! Und das wegen eines unschuldigen Kusses! Wenn er das gewusst hätte, er hätte alle Nahkämpfe gegen den Hexenjäger gewonnen.
Aber bevor Kaèl das kommentieren konnte, hatte ihn der Hexenjäger wieder gepackt und zog ihn an sich, bis Kaèl halb auf seinem Schoß saß. Er schloss ihn in seine Arme, und Kaèl gab nach, schmiegte sich in die Umarmung hinein, spürte die Wärme des Hexenjägers und seinen schnellen Herzschlag. Auch Kaèls Herz hämmerte in seiner Brust. Endlich war er dem Hexenjäger nah, zärtlich nahe, und nicht nur, weil sie vorgaben, sich zu hassen. Es wirkte wie ein Traum, und dennoch fühlte es sich an, als wäre es das einzig Richtige. Kaèl versenkte sich in seinem herben Duft, konnte nicht genug davon bekommen. Eine Hand glitt unter Kaèls Jacke, schob die Kleidung beiseite, jagte wohlige Schauer über seinen Rücken. Die andere vergrub sich in seinem Haar.
»Du riechst nach Pferd«, sagte der Hexenjäger. Seine Lippen wanderten Kaèls Hals entlang, liebkosten sein Kinn. Dann küsste er ihn.
Das war kein unschuldiger Kuss. Begierig presste sich der Hexenjäger an ihn, fuhr mit seiner Zunge über Kaèls Lippen. Ein Zittern lief durch Kaèls Körper. Überwältigt öffnete er den Mund und erwiderte den Kuss, die Augen geschlossen. Sein Geist driftete ab und überließ seinem Körper die Kontrolle. Mit einer Leidenschaft, die ihm bislang unbekannt war, fuhren seine Hände über den fremden und doch so vertrauten Rücken, fühlten die einzelnen Muskelstränge durch den Stoff und krallten sich in sein Fleisch.
Irgendwann lösten sie sich voneinander, rangen nach Luft. Kaèl öffnete die Augen. Der Hexenjäger betrachtete ihn, der Blick verschleiert vor Lust, und auf einmal war klar, was jetzt geschehen würde, so als hätte alles vorher, die gesamten Wochen und Monate, nur darauf zugesteuert.
Der Hexenjäger lachte leise. Er ließ sich nach hinten kippen, und sie rollten ins Laub, kullerten übereinander, bis Kaèl auf dem Hexenjäger zum Liegen kam. Alles um sie herum duftete, nach feuchtem Laub, Moos und nach dem Hexenjäger.
Wieder küssten sie sich, zunächst langsam, kostend, dann immer drängender, fast schon verzweifelt. Kaèl fühlte sich so heiß und erregt wie lange nicht mehr. Er rieb seine Hüfte gegen die des Hexenjägers, ließ ihn seine Erregung durch die Stoffschichten hindurch spüren, die sie noch voneinander trennten und entlockte ihm so ein lautes Stöhnen. Das war Musik in Kaèls Ohren, er wollte mehr davon.
Kaèl hätte ihm allzugern die Kleidung vom Leib gerissen, aber es war kalt, und er wollte nicht, dass der Hexenjäger fror. Also ließ er nur die Hände an seinem Wams vorbeigleiten, unter die Tunika, bis er nackte Haut spürte. Dort strich er über seine Flanke, seine Brust, ertastete feine Härchen und Narben. Der Hexenjäger hielt die Augen geschlossen. Er seufzte und lächelte bei jeder Berührung und das ließ auch Kaèl lächeln.
Er wanderte mit seinen Küssen tiefer, über das Kinn zum Hals, dann biss er dem Hexenjäger sanft in die Kehle. Der Hexenjäger sog scharf die Luft ein, aber er ließ ihn gewähren, legte sogar den Kopf etwas weiter in den Nacken. Und er schmeckte ... fast besser, als er roch, ein bisschen nach salziger Butter.
Kaèl löste sich, zitternd vor Erregung. Der Hexenjäger machte einen protestierenden Laut und zog an seiner Schulter, aber da war Kaèl bereits tiefer gerutscht und kniete sich neben seine Hüfte. Er ließ seine Hände über den Bauch nach unten wandern, und griff mit einer Hand fest seinen Hintern. Mit der anderen schob er die Tunika beiseite, neigte sich nach unten und saugte am Hüftknochen. Der Hexenjäger streckte sich ihm begierig entgegen.
Als Kaèl nach seiner Hose griff, erstarrte der Kerl. »Warte!« Er drückte Kaèls Hand von sich, setzte sich auf, am ganzen Körper angespannt.
Kaèl verharrte in der Bewegung, sein Blick suchte die scheuen Augen des Hexenjägers »Was ist?«, fragte er atemlos.
»Ich …« Die Stimme des Hexenjägers brach.
»Soll ich aufhören?«
»N- Nein.«
Kaèl warf ihm einen prüfenden Blick zu, aber der Hexenjäger schien sich seiner Sache wieder sicher zu sein. Er reckte das Kinn. »Komm«, bat er und erwiderte Kaèls Blick.
Mit einem Seufzer lehnte Kaèl sich zu ihm, küsste ihn sanft und drückte ihn dann wieder ins Laub, was dieser nach etwas Zögern geschehen ließ. Er stöhnte, als Kaèl über seine Hose strich, nur einen fingerbreit an seiner Erektion vorbei. »Es ist nur … ich habe noch nie …«
Er hat noch nie? Wie alt ist er? Dreiundzwanzig?
Kaèl versuchte, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, und nickte. »Keine Angst, ich kenne mich aus.« Er beugte sich vor und küsste ihn sanft auf den braunen Streifen Haut, der unter seiner Tunika hervorlugte. Vorsichtig löste er die Knöpfe der Hose. »Du musst mir aber sagen, was du willst.« Er zitterte vor Lust, mühte sich aber, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. »Soll ich weitermachen?«
Der Hexenjäger murmelte etwas Unverständliches.
»Wie bitte?« Kaèl legte seine Hand auf die Erektion und drückte zu, was ein Aufstöhnen des Hexenjägers zur Folge hatte. »Soll ich weitermachen?«, wiederholte er zuckersüß.
»Ja, verdammt! Jetzt mach’ einfach!« Die Stimme des Kerls war nur noch ein Winseln.
Kaèl lächelte. »Wir lassen es heute langsam angehen, in Ordnung?«
Sie tauschten einen Blick, und der Hexenjäger nickte stumm, beinahe flehend.
Kaèl küsste ihn ein letztes Mal auf die Lippen, dann löste er sich und zog ihm die Hose bis zu den Kniekehlen herunter. »Wie heißt du eigentlich?«, fragte er, als er seine Finger um den Schaft legte. Warmes, pulsierendes Fleisch, das sich in seine Hand schmiegte, als sei es dafür gemacht.
»Bendix«, keuchte der Hexenjäger.
Bendix!
Fast musste Kaèl über sich selbst lachen. Was hatte er nicht spekuliert, wie der Kerl heißen könnte, sich Strategien ausgedacht, seinen Namen zu erfahren, und letztendlich war es so einfach.
Kurz hielt er inne, um sich den fremden Namen auf der Zunge zergehen zu lassen. Dann beugte er sich tiefer und küsste Bendix’ Bauch. Er folgte mit den Küssen der feinen Spur Haare nach unten, bis zu seiner Scham. Bendix zitterte jetzt am ganzen Körper.
Kaèl pausierte kurz und umschloss dann die Eichel mit den Lippen. Bendix stöhnte unterdrückt, was Kaèl dazu antrieb, seinen Schaft fester zu umgreifen. Mit der Zunge fuhr er über die salzige Spitze, gleichzeitig glitt seine Hand die Länge auf und ab, quälend langsam. Bendix’ Atem ging angestrengt.
Kaèls eigene Erektion presste sich hart gegen seine Hose, aber er beachtete es nicht, er konzentrierte sich jetzt voll auf Bendix, achtete mit all seinen Sinnen auf die kleinen Zeichen und Laute, die ihm verrieten, was er wann zu tun hatte.
Eigentlich ließ Kaèl sich nie zu so etwas herab. Wenn, dann war er es, der diese Dienste in Anspruch nahm, aber was war schon normal mit dem Hexenjäger? Sie hatten kein Öl dabei, und Bendix hatte keinerlei Erfahrung ... vor allem aber wollte Kaèl ihn unter sich stöhnen hören, Bendix sollte sich ihm völlig hingeben.
Als Kaèl anfing, sanft zu saugen, bog Bendix die Wirbelsäule durch. Seine Bauchmuskeln zuckten konvulsiv, und der Geschmack in Kaèls Mund veränderte sich. Er wusste, dass es fast so weit war.
»Kaèl«, flüsterte Bendix. Er griff nach Kaèls freier Hand, und umklammerte sie, und Kaèl drückte sanft zurück. Irgendetwas rührte ihn an dieser Geste, diese Verbundenheit, als würde Bendix das alles nur mit ihm durchleben wollen, und er wollte dieses Vertrauen um nichts in der Welt enttäuschen. Er wollte Bendix glücklich sehen, ihn glücklich machen.
Er konnte aber nicht lange darüber nachsinnen, denn Bendix’ Hüften schoben sich nach vorn, und mit einem tiefen Seufzer ergoss er sich in Kaèls Mund.
Kaèl schluckte automatisch, aber er ließ nicht von ihm ab, machte weiter, bis Bendix ihn zurückhielt. Lächelnd hob er den Kopf und wischte sich die Lippen.
Immer noch zog es schmerzhaft durch Kaèls Lenden, aber Bendix sah so glücklich aus, wie er erschöpft und schwer atmend dalag, mit einem seligen Lächeln auf den Lippen. Kaèl war hingerissen davon und auch ein wenig stolz. Er wollte jetzt ganz bei Bendix bleiben, schließlich hatten sie alle Zeit der Welt, sich um Kaèls Erregung zu kümmern.
Bendix setzte sich auf. Er zog Kaèl in seine Arme, küsste ihn immer wieder, strich ihm übers Haar. »Danke«, hauchte er, und Kaèls Herz schmolz. Gemeinsam ließen sie sich ins Laub sinken. Bendix umschlung ihn von hinten und zog ihn eng an sich heran. Kaèl seufzte zufrieden und schloss die Augen. Am liebsten wäre er ewig so liegen geblieben, dicht an den Hexenjäger gekuschelt.
Bendix’ Körper war warm, doch der Boden war feucht und kühl und irgendwann fröstelte es Kaèl. Er wirkte einen Wärmezauber, aber bei den Temperaturen hielt der nicht lange stand und nur wenige Minuten später zitterte er schon wieder.
Er drehte sich um. »Bendix«, sagte er. »Lass uns zu deiner Hütte reiten. Wir können da weitermachen.«
Bendix versteifte sich. »Weitermachen?«, fragte er rau.
»Ja was denn sonst?« Kaèl lachte leise. »Ich habe noch so viel vor mit dir.« Manchmal war der Hexenjäger herrlich naiv.
Abrupt löste sich Bendix von ihm und erhob sich.
»Bleib«, bat Kaèl und streckte seinen Arm nach ihm aus. Das ging ihm alles zu schnell.
Aber Bendix starrte nur ins Leere. Er klopfte sich das Laub von der Kleidung. Mechanische Bewegungen.
»Bendix?«, hakte Kaèl nach, aber der gab keine Antwort. Kaèl suchte seinen Blick, aber Bendix wandte sich zur Seite, den Mund fest zusammengepresst.
Ein tiefdunkles, kaltes Gefühl stieg in ihm auf. Bendix würde sich nicht wieder zu ihm legen. Und auf einmal wurde Kaèl bewusst, wie er aussah. Er lag im Schmutz, die Kleidung klebte schweißnaß an seinem Körper, und er ... stank ... nach Schweiß und Pferd.
Er rappelte sich hoch, wischte den Dreck von seiner Hose, fuhr sich durch die Haare, um wenigstens ein klein wenig seiner Würde wiederherzustellen. »Was ist los?«, fragte er ängstlich.
»Es war ein Fehler«, flüsterte Bendix. »Ein furchtbarer Fehler. Es wird nie wieder passieren.« Er atmete heftig.
»Aber du wolltest es doch«, entfuhr es Kaèl, »beinahe angefleht hast du mich.«
Verzweifelt stieß Bendix den Atem aus. »Mach es nicht noch schlimmer!«
Kaèl griff nach seinem Arm. »Bendix, hör mir zu …«
»Lass mich los!«, brüllte Bendix und riss den Arm frei. Er warf ihm einen hasserfüllten Blick zu, der sich wie ein Messer in Kaèls Eingeweide bohrte. »Ich will dich nie wieder sehen!«
Bevor Kaèl etwas sagen konnte, rannte er fort.