Das Thema auf sich beruhen lassend, fuhr Henry fort: »Mir scheint in eurer Familie kann wirklich jeder gut tanzen.«
»Ähm... Ich würde sagen, wir bemühen uns.« Julian war kurz geneigt den Kopf zu schütteln, um seine Gedanken zu sortieren. »Und du? Sicher musstet du im Ausland auch hin und wieder tanzen.«
Die wenigen Wolken am Himmel, gaben langsam die Sicht auf den vollen Mond frei und es wurde ein wenig heller, was Julian begrüßte, da er eine Weile nicht mehr hier gewesen war. Es genügte ihm vollkommen auf gefühlsmäßiger Ebene die Orientierung zu suchen, im Garten musste er das nicht auch noch haben.
»Ja, immer mal wieder.« Henry lächelte ihn offen an.
Grund genug für Julian sich zu räuspern, bevor er weitersprechen konnte und zwar noch einmal das Erstbeste, was ihm einfiel. »Wie ich hörte, wird auf dem Kontinent ein Tanz namens Walzer immer mehr bevorzugt.«
"Das ist wahr. Es ist ein recht ... angenehmer Tanzstil. Eigentlich bedauerlich, dass er sich hier noch nicht durchgesetzt hat.« Interessiert sah sich Henry um. Sie waren an einem mit Bänken und einer Nymphenstatue versehenen Platz zwischen Hecken angekommen.
»So sehr magst du ihn?« Julian wusste nicht genau, wie er sich das Walzertanzen vorstellen sollte. Gerüchten zu folge tanzte man ihn wohl nur zu zweit und recht nah beieinander.
»Ja. Es ist auf jeden Fall anders.« Da war ein kleines Lachen in der Antwort. »Und er macht mir Spaß. Möchtest du, dass ich es dir zeige?«
Es klang völlig harmlos aus Henrys Mund, nur war es die Aussicht darauf einander zu berühren in keinster Weise.
Er sollte ablehnen, da war sich Julian sicher. Doch es zog ihn so sehr zu diesem Mann hin, dass ihm keine zur Verfügung stehende Macht davon abhalten konnte, zu sagen: »Nun ja, warum nicht?«
»Dann müssen wir zuallererst näher zusammen.« Henry ließ seinen Worten Taten folgen.
Das war nah genug, um Julian schwach werden zu lassen. Also starrte er verbissen auf den Kragen seines Gegenübers, damit er nicht unbeabsichtigt seinen Blick über das anziehende Gesicht, angefangen bei den tiefgründigen Augen hin zu den verlockenden Lippen, gleiten ließ.
»Ich lege dir die Hand jetzt so auf den Rücken. Deine kommt auf meinen Arm, etwas unterhalb der Schulter.«
Julian folgte den Anweisungen mit wachsender Anspannung. Wenn Andrew recht haben sollte, wieso blieb Henry so ruhig, während er selbst glaubte, sein Herzschlag müsse im gesamten Umkreis zu hören sein? Allein den leichten Druck auf seinem oberen Rücke zu spüren, ließ ihn sich wünschen, es wäre der Beginn einer Umarmung. Was die Wärme unter seinen Fingern, die er durch den Ärmel hindurch wahrnehmen konnte, für Sehnsüchte in ihm wachrief, war noch um einiges heikler.
»Und nun gib mir deine andere Hand.«, forderte Henry leise.
»So?« Für mehr reichte sein Atem nicht.
»Genau so ist es richtig. Jetzt bin ich allerdings derjenige der führt.« Henrys Stimme war rauer geworden.
»Oh.« Etwas in Julian reagierte auf den veränderten Ton. Er sah auf.
»Bevorzugst du es zu führen?« Die dunklen Augen schimmerten tief und vielsagend.
Redeten sie noch über das Tanzen? Julians Mund war plötzlich so trocken. »Mir macht es nicht aus, die Führung auch einmal abzugeben«, versuchte er unverfänglich auf egal welche Frage zu antworten.
Ein sanftes Lächeln erhellte Henrys Züge. »Dann passt es ja ganz gut mit uns.« Seine Hand umfasste die von Julian fester. »Wollen wir?«
Die Schritte waren nicht wirklich schwer zu erlernen, wie Julian fand. Die Intimität der Tanzes, stellte das eigentliche Problem da. Doch wie durch ein Wunder gelang es ihm Henry nicht zu treten. Wage orientierten sie sich an den leisen Klängen der Streicher, die bis zu ihnen vordrangen und fast von dem Zirpen der Grillen übertönt wurden.
»Ich glaube, du hast Talent, Julian Wendridge.« Unerwartet beendete Henry ihren Tanzversuch.
»Danke.« Der Wärme der Hand auf seinem Rücken beraubt, fröstelte Julian leicht. Er sollte nicht enttäuscht sein. »Ich habe auch einen ausgezeichneten Lehrer.« Ihm wurde immer klarer, dass er endlich Gewissheit wollte, musste indes unverfänglich bleiben, falls Andrew die Signale fehlinterpretierte.
»Henry?« Er wartete bis dieser ihn ansah, direkt in die Augen. »Hast du oft ... getanzt?« Ihm war einfach nichts Besseres eingefallen, da es unmöglich war, ihn auf intime Kontakte zu Männern geradeheraus anzusprechen.
Henry setzte ihn regelrecht fest, mit seinem forschenden Blick. Er befeuchtete sein Lippen und meinte: »Wenn sich die Gelegenheit bot.«
Julian glaubte, etwas Dunkles, Sinnliches schwinge in der Stimme mit und sein Körper reagierte. »Und gibt es jemanden mit dem du bevorzugt dort tanzt?«, traute er sich weiter vor.
»Gab es.«
»Nun nicht mehr?« Unglaublich für Julian, dass er überhaupt noch in der Lage war zu sprechen, da sein primitivstes Innerstes ihn dazu anstiften wollte, sich an Henry zu pressen, um die Vibrationen seiner Stimme an seinem Körper zu spüren.
»Es ist nicht sehr ehrenvoll bei jedem ... Tanz den Wunsch kaum unterdrücken zu können, es wäre ein anderer in deinen Armen.«
Augenblicklich gerieten auf diese Worte hin Julians Körper und Geist in einen süß-warmen Strudel, von dem er glaubte, darin zu ertrinken und, bei Gott, er begrüßte es sogar.
Plötzlich drehte Henry sein Gesicht in die Richtung aus der sie gekommen waren. Jetzt hörte Julian auch das sich nähernde Pärchen tuscheln und kichern.
»Wir sollten gehen«, entschied Henry, streckte die Hand aus als wolle er Julian berühren, ließ sie jedoch kurz davor wieder sinken.