Julian wartete auch in dieser Nacht bis kleine Geräusche mehr zu vernehmen waren und auch dieses Mal klopfte sein Herz vor Aufregung, genauso wie vor Vorfreude gleichermaßen.
Was auch immer Henry genau bedrückt hatte, zum Dinner machte er einen gefassten Eindruck. Hin und wieder schimmerte etwas von dieser Verstimmung für ein paar Momente in seinen Augen, doch er bekam es schnell wieder unter Kontrolle.
Jetzt beeilte sich Julian um zu ihm zu kommen und es war ihm völlig egal, was sie dieses Mal miteinander teilen würden. Sollte Henry nur Nähe brauchen, jemanden, der für ihn da war, um ihn zu halten, wäre Julian gern dazu bereit.
Tatsächlich schmiegte sich sein Liebster nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, seufzend an ihn. Haltgebend schloss Julian seine Arme um ihn. Er hatte also richtig gelegen.
»Wollen wir uns setzten?«, fragte er, strich dabei langsam und beruhigen über den Rücken.
Widerwillig löste sich Henry von ihm, sah ihn wieder einmal so an, als wolle er etwas sagen ohne es schlussendlich zu tun.
»Was hast du? Sag mir einfach, was du möchtest?«, forderte Julian leise.
Auf fast unschuldige Weise weiteten sich Henrys Augen, dann lächelte er süß. »Du bist hier. Das ist alles was ich möchte.«
Kichernd schüttelte Julian den Kopf. Er legte seinen Zeigefinger unter Henrys Kinn, strich mit dem Daumen darüber. »Sei nicht immer so genügsam. Du kannst von weit mehr als das von mir bekommen.« Er beugte sich zu ihm, um ihn zu küssen, da bemerkte er ein Stirnrunzeln. »Ich meinte jetzt nicht nur in in körperlicher Hinsicht«, erklärte er schnell, unsicher, was Henry in seine Worte interpretiert hatte.
Überrascht hob Henry die Augenbrauen und musste schließlich schmunzeln. »Nicht nur, aber eben auch«, neckte er ihn.
Julian entspannte sich. »Das versteht sich ja wohl von selbst«, gab er gespielt ernst zurück.
»Das dachte ich mir.« Seine Worte unterstrich Henry mit einem offen zärtlichen Lächeln, das Julian durch und durch ging und eine stille, beständige Wärme in ihm aufleuchten ließ. »Auf dieses Angebot werde ich auf jeden Fall in absehbarer Zeit zurückkommen. Vorerst würde ich mich jedoch wirklich setzten wollen.«
Hand in Hand gingen sie hinüber zu der bequeme Chaiseloungue. Allerdings fühlte es sich eigenartig an, so schlicht nebeneinander zu sitzen. Da beschloss Julian bis zur Seitenlehne zur rutschen. Er schob eines seiner Beine hinter Henry und forderte ihn mit einem Zupfen am Ärmel auf, sich zu ihm zu gesellen.
Dem Lächeln nach zu urteilen, gefiel seinem Liebsten die Idee. Er lehnte sich gegen ihn, erhob sich dann jedoch sofort wieder.
Ehe er nachfragen konnte, zog Henry an Julians Gürtel und entblößte bedächtig dessen Oberkörper, wobei er mit den Fingerspitzen zart über die Haut strich. Dann beugte er sich vor und presste seine Lippen für wenige Momente auf die Stelle unter der aufgeregt Julians Herz schlug, bevor er sich auf ihn legte.
»Dir geht es besser?«, fragte Julian rau nach. Seine Finger begannen den schlanken Nacken seines Liebsten zu streicheln, spielten mit den kürzeren, zarten Härchen am Haaransatz.
»Ja, jetzt schon. Es war nur …« Wie, um seinen unschönen Gedanken entkommen zu wollen, schmiegte Henry sein Gesicht an die nackte Brust unter ihm.
Warmer Atem strich kitzelnd über seine Haut und Julians Hand vergrub sich im weichen braunen Haar. Mit dem anderen Arm umschlang er schützend den Rücken. »Du gehst nicht besonders gern auf die Jagd«, tastete er sich vor.
»Ja«, kam es nur leise zurück.
»Aber du bist ein guter Schütze.«
»Jetzt schon.« Henry seufzte. »Bei einem meiner ersten Jagdausflüge mit meinem Vater und meinen Brüdern, passierte das Gleiche, wie heute Coverstone und seinen Freunden. Es mich zu sehr mitgenommen. Vater hatte irgendwie Verständnis, meinte aber auch, ich solle den Schein wahren.« Er zog die Schultern hoch. Die Hand, die nicht unter Julian steckte, wanderte dessen Seite nach oben. »Manchmal frage ich mich, ob er damit mehr als nur die Jagd gemeint hat.«
Julian küsste ihn aufs Haar. »Mehr als eine Sache hat er bestimmt gemeint, nur ob er deine Vorliebe für Männer damit einschloss … Ich denke, weder deine noch meine Familie möchten so genau darüber Bescheid wissen.«
Henrys kleines »Mhm« daraufhin bedeutete mehr als nur Zustimmung. Es schwang eine geheime Sehnsucht nach vollständiger Anerkennung mit, die Julian, auch wenn er Probleme hatte, sie sich einzugestehen, nachvollziehen konnte.
Sie umschlangen sich sehr fest, hielten sich in dem Wissen, sich dem anderen zeigen zu können, wie sie waren und dennoch akzeptiert zu werden.
Als Henry sich löste, sah er ihn tief in die Augen. »Ich liebe dich.«
Ehe Julian das einzig Passende erwidern konnte, meinte Henry. »Ich wollte es nur noch einmal ausgesprochen haben.«
Lachend umfasste Julian das Gesicht seine Liebsten. »Ich liebe ich auch, mein süßer Henry.«
»Süß?«, kam es skeptisch zurück.
»Für mich auf alle Fälle.« Und um zu beweisen, dass diese Art von süß ihm ausgesprochen gut gefiel, legte Julian all diese zärtlichen Gefühle in den folgenden Kuss.
Es verfehlte seine Wirkung nicht. Henry seufzte und nur ein wenig später wurde er sehr anschmiegsam. Sie rutschten tiefer auf dem erfreulich langen Möbelstück. Die Augen geschlossen, sein Mund noch immer auf diese anregende Weise beschäftigt, versuchte Julian den Mantel seines Liebsten wenigstens etwas zu lockern und entblößte dabei lediglich dessen hübsche Schulter.
Der Kuss wurde unterbrochen.
»Möchtest du mehr von mir sehen?«, flüsterte Henry mit einer Verheißung, auf die Julians Körper mit eindeutiger Zustimmung reagierte.
Er erhob sich. Vor Julian stehend, glitzerten seine Augen im diffusen Licht einiger Kerzen. Den Blick lasziv auf ihn gerichtet, legte Henry seinen Kopf etwas in den Nacken. Seine Finger berührten seinen Hals, fuhren hinab über die wenige bereits unbedeckte Haut, weiter über den glatten Stoff bis hin zum Gürtel. Er senkte den Kopf und unterbrach den Blickkontakt, um das richtige Ende zu erwischen. Als er wieder aufsah, kicherte er leise, amüsiert über sich selbst.
Langsam ziehend löste er die Schlaufe und der Mantel glitt zu beiden Seiten auseinander.
Julian bekam kaum mit, wie er sich aufrichtete. Seine Hände fuhren über Henrys Körper. Er sah hinauf zu dem sinnlichen Lächeln und hatte noch nie einen schöneren Menschen gesehen.
Genießend verteile er Küsse auf Henrys Bauch, atmete den verführerischen Duft der warmen Haut tief ein. Er mochte Henry so sehr, weit über das ihm bekannte Maß hinaus. Wenn es Worte gab, die seine überwältigenden Gefühle beschrieben, dann kannte er sich nicht. In der Nähe seines Liebsten zu sein, komplettierte ihn. Dabei hatte er bisher nie das Gefühl gehabt unvollständig zu sein.
Er hielt sich an ihm fest, presste seine Wange an ihn und ließ sich durch die Haare streichen.
Zaghaft befreite sich Henry aus der Umarmung, nur um sich über Julian, dem er leicht den Kopf zurückbog, zu beugen und ihn liebevoll zu küssen.
Es gab nichts das Julian jetzt mehr wollte als ihm wieder näher zu sein. So zog er ihn zu sich auf die weichen Polster. Sie versuchten dabei den Kuss nicht zu unterbrechen und mussten kichern, als es mehr schlecht als recht gelang.
Endlich waren ihre Körper wieder dicht zusammen, verschlungen ineinander, Wärme teilend, den Herzschlag des anderen spürend als wäre es der eigene. Ganz langsam, durch unablässige Berührungen und unzählige Küsse, wuchs aus zärtlicher Zugewandheit hitziges Verlangen. Mit vernebeltem Verstand entledigten sie sich sämtlicher Kleidung und schmiegten sich nahezu unersättlich an den Andern. Ihr Zusammensein am Vorabend hatte es nicht geschafft ihr Verlangen abzukühlen. Eher schien das Gegenteil der Fall. Beider Atem kam keuchend. Seufzen wurde zu leisem Stöhnen als Julians Hand sich ihrer beider annahm.
Henrys Entzücken über die gemeinsame Nähe verdeutlichte sich wieder recht schnell feuchtwarm zwischen ihnen. Julian tat es ihm wenig später gleich, weil ihn Henrys Erregung so berauschte und auch ein wenig schmeichelte.
»Es ist wundervoll mit dir«, schnurrte Henry zufrieden auf ihm.
Noch im funkelnden Nebel der Nachwehen seines Höhepunktes gefangen, murmelte Julian: »Verlass mich nicht.« Er wusste sofort, er hätte es nicht sagen sollen, schon gar nicht im Überschwang der Gefühle.
»Mein liebster, liebster Julian.«
Er spürte Henrys Lippen an seinem Hals, sein Gewicht auf sich und hätte alles darum gegeben mit ihm im Arm einschlafen zu können.
Tatsächlich nickte er für einige Momente ein und zuckte zusammen als sein Liebster sich bewegte. Das liebe Lächeln das ihn daraufhin entgegenstrahlte, quittierte er mit einem Kuss.
»Ich hole uns nur etwas zum Saubermachen.« Henry erhob sich und Julian kam in den Genuss ihn nackt herumlaufen zu sehen.
»Wenn wir in der Jagdhütte sind, solltest du vorzugsweise genau das anhaben.«
Fröhlich lachte Henry auf. »Ich frage mich, ob Andrew das eher als angenehm oder unangenehm empfinden wird.«
»Oh, verflixt«, fiel es Julian siedend heiß wieder ein. »Ich habe ihn noch gar nicht gefragt.«
»Das habe ich schon getan.«
»Wann?«
»Kurz nach dem Dinner. Er hat eingewilligt unter der Voraussetzung, er wird ausreichend verköstigt und hat interessanten Lesestoff, um sich abzulenken.«
»Danke. Wenigsten einer von uns beiden kann noch in ausreichendem Maß denken.« Julian beobachte fasziniert Henry beim Zurückkehren, ließ seine Blick über dessen Körper gleiten und wusste kaum noch, was er eben gesagt hatte.
»Purer Eigennutz«, grinste Henry. »Außerdem denke ich die ganze Zeit nur an das Eine und wie ich mehr davon bekommen kann.« Er setzte sich auf den Rand und begann Julian mit einem feuchten Lappen zu reinigen.
»Ach, ist das so?« Es hatte etwas Sinnliches an sich, den rauen, kühlen Stoff auf der erhitzen Haut zu spüren.
»Als ob es bei dir anders wäre.«
Heute war es anders gewesen, dachte Julian. Er hatte sich Sorgen um Henry gemacht. »Wird dein Vater nicht skeptisch sein, wenn du nach heute zur Jagd willst?«
Nachdenklich hielt Henry in seinem Tun inne, dann zuckte er mit den Schultern. »Ich sage, dass Andrew seine Schießkünste ganz gern verbessern würde und du möchtest zeichnen. Das müsste plausibel genug sein. Abgesehen davon, wurde so viel bei Vaters Ausflügen auch nicht gejagt. Die meiste Zeit haben sie zusammen gehockt, gegessen, getrunken und zotige Reden geschwungen.«