Mit angewinkelten Knien lag Henry auf dem Rücken, die Röcke waren bis zu den Hüften nach oben gerutscht, einer der seidenen Strümpfe hing lose um seinen Knöchel, der andere war vermutlich irgendwo zwischen den Laken. Er lächelte selig, den Blick gen Zimmerdecke gerichtet.
Auf seinen Ellenbogen aufgestützt, hatte sich Julian neben ihm ausgestreckt, stricht mit einem Ende des einen Strumpfbandes über die halbwegs entblößte Brust seines Geliebten.
»Entschuldige. Ich hätte mir mehr Zeit nehmen müssen, dich zu entkleiden.« Er selbst trug auch noch sein Hemd. In seinem Übereifer hatte er es gerade so aus der Hose geschafft.
Träge, entspannt und unübersehbar glücklich lächelte Henry ihn an. Sein Arm schlang sich um Julian und zog ihn zu sich. »Das war wirklich gut«, murmelte er heiser, mit den Gedanken noch immer bei dem, was sie gerade geteilt hatten und bestätigte seine Worte mit einem innigen Kuss.
»Du solltest mich dennoch in die Grundlagen von dieser Art des Amüsements einweihen. Mit meiner Schauspielkunst ist es ganz offensichtlich nicht weit her.«
»Ach was, nein.« Henry lachte. »Allerdings hat es mich überrascht, dass dich ein Mann in Frauenkleidern derart wild macht.«
»Mich, ehrlich gesagt, auch. Es lag wohl eher an dem Mann, der sie trägt.« Julian stich ihm einige feuchte Strähnen aus der Stirn.
»Zu liebenswürdig, Mylord«, tauchte Henry noch einmal kurz in seine Rolle und schlug beschämt die Augen nieder.
Ein kleiner Schauer durchrieselte Julian. Er rollte sich grinsend auf seinen Liebsten, »Du verrückter Kerl bringst mich noch völlig um den Verstand« und bedeckte dessen Gesicht mit Küssen.
»Sag bloß du hast schon wieder Lust?«, kam es kichernd zurück.
»Wenn wir so weitermachen, bestimmt.«
»Gestattest du mir vorher mein Kleid loszuwerden? Es behindert mich gerade ein bisschen an der Umsetzung meiner Ideen.«
»Wenn das so ist …« Julian ließ ihn frei. »Deine Ideen waren bisher äußerst inspirierend.«
»Ist das so?« Henry erhob sich, schwang seine Beine elegant vom Bett und sah unschuldig über seine entblößte Schulter zurück.
Schnell richtete sich Julian auf und umschlang Henrys Hals, zog ihn fest an sich, jedoch nur so sehr, wie er ihm dabei nicht weh tun konnte. »Gestehe, Schurke. Du kamst lediglich nach England zurück, um mich zu verführen und für immer zu dem Deinen zu machen«
»Ihr habt mich durchschaut«, deklamierte sein Liebster. »Doch nun ist es zu spät. Ihr gehört mir.« Er inszenierte ein schurkisches Lachen, dass jedem Theaterbösewicht Ehre gemacht hätte.
Julian amüsierte sich köstlich und ließ wieder von ihm ab. »Du weißt, dass du, wenn nichts mehr geht, auch Schauspieler werden kannst.«
»Da muss ich deine Hoffnungen zerschlagen, mich jemals auf einer Bühne stehen zu sehen. Mein Lampenfieber lässt mich wasserfallartig aus sämtlichen Poren schwitzen und Texte kann ich mir auch nicht merken.« Vor dem Bett stehend schüttelte Henry etwas zwecklos die Röcke aus. »Hilfst du mir mit den Knöpfen?«
»Natürlich. Wie hast du das bloß alleine anbekommen«
»Andrew hat mir geholfen.«
Julian, der gerade im Begriff war aufzustehen, ließ sich wieder zurück auf die Matratze fallen. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er Henry an. Das Gefühl bei dem Gedanken, wie Andrew seinen Liebsten noch vor ihm selbst in dessen ungewöhnlichen Aufzug gesehen hatte, war mit nichts anderem als heißer Eifersucht zu beschreiben. Mit zusammengebissenen Zähnen wartete er die ersten Wellen von Enttäuschung und Wut ab.
Henry, aufmerksam wie er war, entging die Veränderung nicht. Beklommen studierte er wortlos den besorgten Gesichtsausdruck des Mannes vor sich.
Schon bereute es Julian, sich nicht besser unter Kontrolle gehabt zu haben. Noch ehe er etwas sagen konnte, raffte Henry die Röcke, drehte sich um und präsentierte ihm seinen nackten Hintern.
»Was ..?« Kaum etwas, hätte Julian besser aus dem Konzept bringen können.
Henry half ihm weiter. »Für demütig in deinem Bett bist du, glaube ich, noch nicht bereit, oder?«
Weniger lange, als zu erwarten gewesen wäre, brauchte Julian, um die Anspielung zu verstehen. Den Blick nicht von den hellen Rundungen losreißen könnend, schnellte nicht nur sein Puls in die Höhe.
War es wirklich das, was Henry wollte? Damals war es mehr als Scherz gemeint gewesen.
Er wartete bis sein Liebster ihm sein Gesicht zuwand. »Sicher?«, flüsterte er.
Als kleine aber eindeutige Antwort bekam er ein einmaliges kurzes Nicken.
Einmal atmete Julian tief durch, um sich ein wenig zu beruhigen, bevor er sich mit der flachen Hand auffordernd auf den Oberschenkel klopfte. Mindestens genauso aufgeregt folgte Henry der Einladung.
Sie rückten sich zurecht bis sein Liebster einigermaßen bequem über seinen Beinen lag. Julian zog, die so wie so schon zerknitterten Stoffschichten achtlos hoch, ungeduldig wegen dem bevorstehenden Anblick. Kurz stich er über den entzückenden Hintern Henrys, dann schlug er zu.
Ein Zucken und ein überrascht gekeuchtes »Oh!« waren die Reaktionen darauf.
»Zu fest?«, fragte Julian leise nach.
»Ich bin mir nicht sicher.« Henry musste sich räuspern.
Sacht strich Julian über die warme sich langsam rötende Haut. »Finden wir es heraus.«
»Möchtest du noch ein zweites Kissen?«, hörte Julian Andrew fragen. Er trat gerade in die Hütte nachdem er eine seiner Alibiskizzen angefertigt hatte.
»Ich weiß nicht, ob das irgendetwas verbessern würde«, antwortete Henry und versuchte eine angenehme Sitzposition zu finden.
»Du solltest dich revanchieren.« Andrew verteilte Teller auf dem Tisch.
»Ich bin anwesend, für den Fall, dass du es noch nicht bemerkt hast«, meldete sich nun auch Julian zu Wort.
»Er sollte sich bei dir revanchieren«, grinste Andrew ihn fröhlich an.
»Ich denke, wir werden einen Weg für ausgleiche Gerechtigkeit finden.« Julian kam herüber und gab Henry, als er amüsiert und neugierig aufsah, einen Kuss auf die Stirn. In das Ohr flüsterte er ihm: »Bitte verzeih, sollte ich übertrieben haben.«
»Du hast nichts getan, was ich nicht wollte.«
Es ließ sich nicht vermeiden, dass dieser privater Austausch Erinnerungen wachrief.
Und das offensichtlich genug für Andrew, der daraufhin meinte: »Muss ich jetzt etwa allein essen? Aber vor Allem, soll ich dem nächsten Bediensteten, der uns hier aufsucht, anweisen, uns am Abreisetag einen Karren zu schicken, um dich liegend transportieren zu können?«
»Nein, wir werden mit dir essen und nein, das wird nicht nötig sein. Revanche, Andrew. Schon vergessen?« Julian grinste, und noch mehr, als ihn Henry freudig anstrahlte.
»Ich hoffe, wir bringen Andrew nicht auch noch um seinen Schlaf«, kicherte Henry mitten in der Nacht.
Sie waren durch die Bewegungen des Anderen erwacht und konnten die Finger nicht von einander lassen.
»Ich hatte nicht das Gefühl, wir waren besonders laut.« Julian räkelte sich ausgiebig.
»Nun, besonders leise waren wir aber auch nicht.«
Ein Knarren ließ sie gleichzeitig hinauf zu Zimmerdecke sehen. Sie lauschen, doch es blieb still.
»Julian?«, flüsterte Henry.
»Mh?« Der Angesprochene rückte näher.
»Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch.« Es drängte sich Julian die Vermutung auf, Henry wolle ihm noch etwas sagen. So wartete er schweigend, strich die, ihm mittlerweile vertrauten, Konturen des hübschen Gesichts nach.
»Ich habe einen Brief an Lord Winterbottom geschrieben«, sprudelte es dann auf einmal aus seinen Liebsten hervor.
Julian horchte auf.
»Ich bat ihn ohne mich auf das Festland zurückzureisen.« Henry hielt die Luft.
Mir rasendem Herzen rang Julian um Fassung. »Das heißt, du bleibst hier?«
»Ja. Ich dachte, ich könnte mir vielleicht eine Wohnung in London suchen« Sein Liebster war nicht minder aufgeregt als er selbst, richtete sich sogar hektisch auf. »Das soll nicht … Ich möchte dich nicht unter Druck setzten. Wenn das zwischen uns etwas ist, dass nur hier stattfindet oder statt gefunden hat, ist das …«
»Du hast deinen Posten bei Lord Winterbottom aufgegeben? Um … um mit mir zusammen zu sein?« Aufgeregt stotternd unterbrach Julian ihn ungläubig, wartete auch keine Antwortete ab. »Ich hätte dich nie, nie darum gebeten, nie solche Forderungen an dich gestellt.« Er riss ihn in seine Arme. »Henry, Liebster …« Zitternd, die Augen feucht, schniefte er: »Oh, Gott. Danke. Du machst mich so unfassbar glücklich.«
Erleichtert begann Henry leise zu lachen. »Ich hatte die grauenvoll Befürchtung vorschnell gehandelt zu haben, dir damit zu nahe zu treten, dass mich meine Gefühle für dich blind machen.«
»Und ich hatte solch schreckliche Angst dich auf die Zukunft anzusprechen. Der Gedanke, aus deinem Mund hören zu müssen, dass du mich nach dem Sommer verlassen willst, hat mir allen Mut genommen. Der Mann dem du dein Herz geschenkt hast, ist ein ziemlicher Feigling.« Trotz dieser ernüchternden letzten Feststellung, hätte er vor Freude herumspringen mögen.
»Kein Bisschen, liebster Julian. Kein Bisschen.« Henrys Lippen strichen über seine.
Ein weiteres Geräusch ließ sie innehalten.
»War das die Tür?«, fragte Henry wispernd, drehte seinen Kopf so, dass er besser hören konnte.
»Ich glaube, schon.« Julian Herz schlug schneller, da es sich recht sicher, bei genannter Tür, um die Haustür handelte. »Wir sollten nachsehen.« Schon schob er sich vorsichtig aus dem Bett, darauf bedacht, keine Geräusche zu machen.
Das spärliche Licht im Raum ließ eine gewisse Orientierung zu, so dass sie sich unfallfrei durch das Zimmer bewegen konnten. Sie zogen sich ihre Nachthemden über und schlichen zur Zimmertür. Kaum hinausgetreten, reichte ein Blick, um an Hand, der vom Schlafen wirren, nach allen Seiten abstehenden Haare, zu erkennen, dass Andrew an der offenen Haustür stand.
»Habe ich euch geweckt? Das war nicht meine Absicht, verzeiht«, entschuldigte er sich im Voraus.
»Das hast du nicht. Aber was tust du hier?«, fragte Julian nach.
»Es war so warm und stickig unter dem Dach. Ich brauchte frische Luft.« Er lehnte sich an den Rahmen.
Selbst bei dem wenigen Licht, war zu sehen, aus welchem feinen Stoff Andrews Nachthemd gefertigt war und bei jeder Bewegung aufreizend über seinen Körper strich, ihn umschmeichelte, sich um ihn legte.
Julian hatte den dummen Einfall Henry die Augen zuhalten zu müssen. »Wir können die Zimmer auch tauschen.«
»Nicht nötig. Geht noch ein wenig schlafen. Ich lege mich auch gleich wieder hin.«
»Nun gut«, erwiderte Julian und frage sich, ob Andrew bewusst war, wie sinnlich gerade seine Stimme geklungen hatte.
Zurück im Zimmer, die Tür kaum wieder hinter sich geschlossen, meinte Henry. »Du meine Güte, wie ist Andrew nur so geräuschlos die Treppe hinab gekommen?«
»Ich bin mir sicher, er hat irgendwo Katzen in seinem Stammbaum.« Julian hatte das dringende Bedürfnis sich an seinen Liebsten zu schmiegen.
Dieser kicherte. »Lass uns ihn fragen, woher er diese Nachthemd hat.« Und schon zog er sich das seine über den Kopf.
Julian tat es ihm gleich und seufzte: »Du hast es also bemerkt.«
»Es war nicht nicht zu bemerkten.« Henry suchte Körperkontakt.
»Ich bin stark in Versuchung dir das nächste Mal die Augen zu verbinden.«
»Ach? Allerdings wäre mir das in Andrews Abwesenheit um einiges lieber, denke ich.«