„Rücken an Rücken!“, donnerte Herolds Stimme durch die Luft und veranlasste Bahe und die umstehenden Soldaten dazu, sich zusammen zu reißen und eine Verteidigungshaltung anzunehmen.
Keine zwei Meter von Bahe entfernt war einer der Soldaten zu Boden gestürzt. Entsetzt stellte Bahe fest, dass ihm die Kehle aufgeschlitzt worden war. Das Blut strömte noch immer aus der Wunde, mal mehr, mal weniger pulsierend…
Krampfhaft bekämpfte Bahe den aufkommenden Brechreiz und schluckte ein paar Mal nervös. Doch die sofort eingesetzte Übelkeit wollte sich nicht vertreiben lassen.
Er hatte schon mit angesehen, wie Spieler förmlich in zwei Hälften gespalten wurden, aber das war mit gut zwanzig Metern Abstand gewesen. Hier, förmlich direkt neben einer Leiche zu stehen, war noch einmal etwas ganz anderes.
„Sieht jemand den Feind?“, rief einer der Soldaten.
„Westseite ist nichts zu sehen!“
„Ostseite auch nichts!“
„Verfluchte Scheiße, die können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben!“
„Reißt euch zusammen, Männer! Ihr seid Soldaten seiner Majestät, benehmt euch wie solche!“
Doch da erklang bereits der nächste Todesschrei als diesmal einer der Soldaten zwei Meter vor Bahe zu Boden ging.
„Helmut, Herold, habt ihr was gesehen?“, riefen Veteran Mats und Hauptmann Pero nahezu gleichzeitig von den beiden Reihenenden.
„Nichts, aber zwei unserer Männer wurde die Kehle aufgeschlitzt“, schrie Veteran Helmut grimmig zurück.
„Bahe, bleib ruhig und konzentriere dich voll und ganz auf deine Seite, verstanden?“, gab Herold Bahe Anweisungen.
„Mache ich“, antwortete Bahe schnell und musterte seine Umgebung so genau wie möglich, entdeckte jedoch nichts.
Wer oder was brachte hier die Soldaten um?
Sie befanden sich zurzeit auf sehr unebenem Terrain. Zu Bahes Seite fiel das Gelände steil ab, während es auf Herolds Seite steil anstieg. Sie befanden sich in den letzten Ausuferungen eines Waldes, durch den ihr Trampelpfad führte. Der Weg war gerade mal so breit, dass zwei erwachsene Personen nebeneinander laufen konnten. Ein Formationswechsel war also nahezu unmöglich.
Fieberhaft suchte Bahe weiterhin die Umgebung ab, entdeckte jedoch einfach nichts.
„Vorsicht!“, brüllte auf einmal Veteran Helmut und sprang aus der Reihe, um dem Soldaten zu Bahes Linken zur Hilfe zu eilen.
Keinen Moment später erklang ein lautstarkes Klirren, als Stahl auf Stahl traf.
Bahe traute seinen Augen nicht, für einen Moment sah er eine fast zierliche Gestalt, in naturfarbene Kleidung gehüllt, deren Dolch von Helmuts Klinge blockiert worden war. Zwei Zentimeter mehr und Bahes Nachbar hätte ebenfalls den Tod gefunden.
Doch genauso schnell wie die Gestalt erschienen war, verschwand sie wieder und Bahe staunte nicht schlecht, als er nichts außer Luft an der Stelle vorfand, an der sich gerade noch der Widersacher befunden hatte.
„Goblinassassinen!“, rief Veteran Helmut aus voller Kehle, um den Rest der Soldaten klar zu machen, womit sie es zu tun hatten. „Und verdammt schnelle noch dazu!“
Hastig blickte Bahe hin und her und versuchte irgendwo einen Gegner auszumachen, doch die meiste Zeit sah er nichts. Nur ab und an entdeckte er ein verschwommenes Schemen, ehe kurz darauf ein neuer Schmerzensschrei ertönte. Meist gefolgt vom Todeskampf eines weiteren Soldaten. Die Veteranen und der Hauptmann taten ihr Bestes und doch war es ihnen unmöglich alle Männer des Zugs zu beschützen.
Als Bahe seine Lage klar wurde, entschied er sich dazu ein Risiko einzugehen. Nicht länger auf seine Umgebung achtend, konzentrierte sich Bahe vollständig auf sich selbst und versuchte sich erneut an der Fähigkeit Steinhaut.
Wie sollte er sich schon wehren, wenn er seine Gegner nicht sehen konnte? Da konnte er auch alles auf eine Karte setzen und versuchen seine Verteidigung anderweitig zu stärken. Tief ein und ausatmend konzentrierte er sich auf den qualvoll langsamen Prozess des Magiewirkens.
Einatmen und Ausatmen... Einatmen und Ausatmen…
Obwohl ihm der Prozess diesmal noch viel länger vorkam als bei seinen isolierten Versuchen, blieb er dabei und ignorierte die sterbenden Soldaten um ihn herum.
Schmerzensschreie und Waffengeklirre erfüllten weiterhin die Luft. Der Hauptmann schrie Befehle und die Veteranen versuchten ihnen nachzukommen. Es schien absolut ausweglos, als ein Soldat nach dem Nächsten fiel.
„Steinhaut… Steinhaut… Steinhaut…“, murmelte Bahe nach einer Ewigkeit, als er endlich begann die entsprechende Rune mit seinem Mana zu füllen.
Er war fast fertig, als er aus dem Augenwinkel ein verschwommenes Schemen entdeckte, welches geradewegs auf ihn zuhielt.
„Steinhaut… Steinhaut…“, murmelte er panisch immer schneller werdend. Dann erstrahlte die Rune plötzlich hell in ihrem braunweißem Licht, raste auf ihn zu und traf ihn unmittelbar bevor eine Klinge aufblitzte und über seinen Kehle fuhr.
Die Wucht des Aufpralls riss Bahe von den Füßen und schleuderte ihn zwischen Herold und seinem Nachbarn gegen den aufsteigenden Hang des Berges.
Du bist das Opfer eines Überraschungsangriffs. Die Wucht des Angriffs hat deine Verteidigung überwunden und dich gefährlich am Hals verletzt.
- 88 HP
Deine Fähigkeit Steinhaut wurde annulliert, da du zu viel Schaden genommen hast!
„Arg…“, stöhnte Bahe benommen, ehe er sich panisch an den Hals griff. Die Benachrichtigungsfenster nahm er nur am Rande wahr.
Seine Kehle schmerzte und offensichtlich blutete er auch, aber es schien nicht lebensgefährlich, dachte Bahe nach ein paar Sekunden aufatmend.
Doch im nächsten Augenblick blitzte erneut eine Klinge vor ihm auf. Bahe dachte sein Ende kommen zu sehen, als plötzlich Herold den Angreifer zur Seite rammte und dem Goblin sein Schwert in den Oberkörper stieß. Mit Schwung stieß er den Goblin anschließend von sich weg, nutzte den Moment um sein Schwert aus dem Körper des Angreifers zu ziehen und schlug dem Goblin kurzerhand den Kopf von den Schultern. Danach eilte er weiter, um den anderen Veteranen zu Hilfe zu eilen, die inzwischen einen drei Meter großen Riesengoblin bearbeiteten.
Eine dargebotene Hand zog Bahes Aufmerksamkeit auf Hauptmann Pero, der scheinbar seinen Posten am Anfang des Zugs aufgeben hatte.
„Du bist ein verdammt zäher Hund, Anael“, bemerkte Hauptmann Pero grimmig. „Kein Wunder, dass Olar dich mir, trotz deiner geringen Erfahrung empfohlen hat.“
„Es war aber verdammt knapp“, meinte Bahe, als er die Hand ergriff und der Hauptmann ihn in den Stand zog.
„Geht es?“, fragte Hauptmann Pero.
Bahe nickte nur, während er krampfhaft versuchte die Schmerzen weg zu atmen. Es war gar nicht so sehr der Hals, auch wenn eine offene Wunde natürlich schmerzte. Viel schlimmer hatte es seinen Körper im Großen und Ganzen erwischt. Scheinbar war seine Fähigkeit Steinhaut bereits durch den Treffer des Dolchs durchbrochen worden. Der Aufprall gegen den felsigen Hang war danach nicht ohne gewesen. Sein Körper fühlte sich wie eine einzige große Prellung an und Bahe hätte schwören können, dass er sich ein paar Rippen gebrochen hatte.
„Sollten wir ihnen nicht helfen?“, fragte Bahe den Hauptmann, der immer noch neben ihm stand.
„Keine Sorge, die Drei sind mehr als genug, um mit dem großen Exemplar fertig zu werden“, schüttelte Hauptmann Pero den Kopf. „Und was den Rest betrifft… sieh selbst…“
Erst jetzt bemerkte Bahe, dass andernorts mehrere Soldaten jeweils einen der Goblinassassinen bekämpften, die scheinbar enorme Probleme hatten sich der Vielzahl der Angriffe zu erwehren.
„Sind die Goblins auf einmal langsamer…?“
„Glücklicherweise, ja“, nickte Hauptmann Pero. „Es war eine Fähigkeit, die sie zu Beginn des Überfalls aktiviert hatten. Wir mussten sie nur lange genug beschäftigen, bis sie die Fähigkeit nicht mehr aufrecht erhalten konnten. Diese Goblins sind aber selbst so noch verdammt gefährlich. Wir haben viel zu viele gute Männer verloren.“
„Wie viele?“
Hoffentlich Teil 1/5 dieser Woche und verzeiht mir bitte, dass ich noch nicht auf eure neusten Kommentare antworten konnte! Werde das diese Woche nachholen.
RiBBoN