In der Realität erwachte Bahe mal wieder leicht desorientiert, als sich das Dimensional Leap-System gerade wieder öffnete. Gähnend stieg er heraus und streckte sich.
Sich im Zimmer umschauend suchte er schnell seine Sportsachen zusammen und begab sich ins Badezimmer. Duschen lohnte sich noch nicht, da er gleich seine Trainerin treffen würde. Aber vom Schlaf und der Spielsezession verschwitzt, wollte er sich zumindest ein Bisschen frisch machen.
In kompletter Trainingskleidung trat er schließlich in die Küche. Seine Großmutter war ebenfalls schon auf und bereitete gerade Frühstück vor. Seitdem Bahes Mutter aus dem Krankenhaus entlassen worden war und zu Hause bleiben konnte, zauberte sie täglich eine Vielzahl an Speisen auf den Tisch. Congee, ein Reisbrei war immer dabei, auch wenn die Toppings von Tag zu Tag wechselten. Außerdem gab es mal wieder Baozi, welche nichts anderes als Dampfbrötchen waren und das, was Bahe bereits das Wasser im Mund zusammen laufen ließ, seitdem er die Küche betreten hatte, Jianbing.
Dabei handelte es sich im Grunde um eine Art Mischung aus Omelette und Crêpe, welche mit Frühlingszwiebeln, roter Bohnenpaste, Chilisoße und einer Vielzahl an Gewürzen besonders schmackhaft gemacht wurde.
Es gab ganze Restaurants, welche sich rein darauf spezialisierten, aber die Jianbings seiner Großmutter waren mindestens genauso gut.
„Guten Morgen Oma“, begrüßte er sie und beugte sich über ihre Schulter, um zu schauen, wie lange die Jianbings wohl noch brauchen würden.
„Ah, guten Morgen, Bahe“, antwortete sie und drückte ihn anschließend spielerisch weg. „Nicht so ungeduldig. Die Jianbings sind in einer Minute fertig.“
„Du machst aber viele“, staunte Bahe nicht schlecht. „Xue und Xiao schlafen doch noch, oder?“
„Ja, aber deine Mutter ist schon wach“, erklärte Lin. „Sie muss vernünftig essen, um wieder zu Kräften zu kommen.“
„Wenn du sie weiter so verwöhnst, wird sie noch dick und fett, Oma“, lachte Bahe.
„Oh… da hast du schon recht…“, meinte seine Großmutter nachdenklich und verzog spöttisch den Mund. „Vielleicht sollte ich lieber wieder darauf verzichten…“
„Nein, nein. Ist schon gut so“, wehrte Bahe rasch ertappt ab. „Ich glaube für ein paar Tage braucht sie die umfangreichen Mahlzeiten noch.“
„Ist das so…?“, hob Lin die Augenbrauen und musste sich sichtlich zusammenreißen nicht laut los zu lachen.
Bahe wandte sich lieber schnell ab. Es gab keinen Grund eine Schlacht weiterzukämpfen, die man nicht gewinnen konnte…
Er flüchtete sich ins Wohnzimmer, von wo er seine Mutter auf dem Balkon stehen sah und begab sich zu ihr.
„Du bist schon wach?“, fragte seine Mutter, als sie ihn bemerkte.
„Ja, nach dem Frühstück bin ich ja mit meiner Trainerin verabredet.“
„Trainerin, ja?“, kam es belustigt zurück.
„Mama…“, verzog Bahe gequält das Gesicht, was seine Mutter zum Lachen brachte.
„Ah…“, brach sie das Lachen jedoch abrupt ab und Bahe sah, wie sie sich an den Kopf fasste.
„Was ist los?“, fragte er besorgt.
„Nur die Kopfschmerzen“, meinte sie nach einem Augenblick. „Bei jeder kleinsten Anstrengung pocht in meinem Kopf, selbst wenn ich lache. Aber mach dir keine Sorgen. Das soll für die ersten ein bis zwei Wochen normal sein.“
„Hmmm…“
„Aber nochmal zurück zur Trainerin…“, ließ sie nicht locker. „Da läuft also wirklich nichts?“
„…“, Bahe war sprachlos. „Wer bist du und was hast du mit meiner Mutter gemacht?“
„Ja, was denn…?“, schmunzelte sie. „Es ist schließlich das erste Mal, dass du dich allein mit einem Mädchen triffst… und du nennst sie obendrein Meisterin!“
„Ich… ich gebe es auf…“, rang Bahe um Worte, während er die Hände in die Luft warf und zurück in die Küche flüchtete. Was nur einen weiteren, kurzen Lachanfall zur Folge hatte.
Lin war gerade mit der Zubereitung fertig geworden, als ihr Enkel wieder in die Küche platzte und eifrig den Frühstückstisch zu decken begann.
Das Gelächter auf dem Balkon war ihr nicht entgangen. Sie war so erleichtert, ihre Tochter wieder lachen zu hören, dass ihr beinahe der letzte Jianbing anbrannte. Über sich selbst grinsend, hob sie ihn schnell aus der Pfanne und würzte ihn nach.
Zwei Minuten später saßen sie zu dritt am Frühstückstisch und machten sich gemeinsam über das hauptsächlich warme Frühstück her.
„Má, hat Bahe dir auch davon erzählt, wer ihn von heute an trainieren wird?“, hörte Lin ihre Tochter fragen. Es wäre eine einfache Frage gewesen, wenn der Unterton nicht Bände gesprochen hätte.
„Ah, du meinst dieses Mädchen, oder?“, sprang sie sofort darauf an. Sehr zum Leidwesen ihres Enkels, der sie böse anstarrte.
„Genau“, sagte Sulin und ließ ihren nächsten Satz absichtlich verschwörerisch ausklingen. „Sie trainiert ihn ganz allein…“
„…“
Da ihr Enkel noch schwieg, setzte Lin noch einen drauf.
„Mir hat er erzählt, dass es seine Meisterin ist“, meinte sie ebenso verschwörerisch wie ihre Tochter und fügte noch hinzu: „Außerdem soll sie erst vierzehn sein…“
„Oh…“, gab Sulin gespielt überrascht von sich.
„Ihr habt Spaß daran, oder?“, hielt es ihr Enkel nicht mehr aus und äußerte sich genervt.
„Ist sie denn hübsch?“, ließ Sulin nicht locker.
„Mama!“
„Ich hoffe du überlegst es dir nochmal und ziehst dir bessere Klamotten an, Bahe“, sagte Lin und zuckte mit den Schultern. „Da wir jetzt sowieso schon Bescheid wissen, musst du auch keinen falschen Anschein mehr erwecken.“
„Ihr… ihr…“, rang ihr Enkel sichtlich um Worte.
„Was?“, grinste Sulin und auch Lin konnte ihre schadenfrohe Miene nicht verbergen.
„Vergesst es…“, sagte Bahe nur noch und begann wie wild sein Frühstück in sich hinein zu stopfen.
Lin versuchte mit Sulin zusammen ihren Enkel noch ein paar weitere Male aufzuziehen. Doch er ließ alles stillschweigend über sich entgehen, bis er in Rekordzeit aufgegessen hatte und unter ihrem lauten Lachen das Weite suchte.
„Danke, Má“, vernahm Lin wenig später ihre Tochter.
„Wofür?“
„Dafür, dass ihr euch um ihn gekümmert habt.“
„Er war doch die meiste Zeit gar nicht hier“, seufzte Lin, als sie gequält an die Zeit dachte, in der Bahe in irgendeiner Bruchbude gehaust hatte.
„Aber er hatte zumindest einen sicheren Hafen, an den er zurückkehren konnte“, meinte Sulin.
„Hmmm…“
„Er hat so viel für mich getan…“, sagte Sulin bewegt.
„Er hat so viel für uns alle getan, Sulin“, korrigierte Lin ihre Tochter.
„Ja, du hast recht“, nickte sie. „Bahe, Xue und Xiao sind alles was mir noch von Aurel geblieben ist. Unser Leben war ein so bescheidenes, bis ich ihn damals kennen gelernt habe. Ich habe mein Glück kaum fassen können, als ich ihn erkannte, dass er es wirklich ernst mit mir meinte, weißt du? Ich meine… ich, eine einfache Büroangestellte, geht plötzlich mit einen erfolgreichen ausländischen Geschäftsmann aus…“
Bedrückt hielt sie einen Moment inne und sagte dann den Tränen nahe: „Die wenigen Jahre, die ich mit Aurel hatte, waren wie ein Traum. Dann kam der Flugzeugabsturz und nach und nach verlieren wir durch meine eigene Dummheit wieder alles… Ich meine… Bin ich so naiv, Má?“
Als Lin sah, wie sehr es ihre Tochter schmerzte versagt zu haben, stand sie schnell auf und umarmte sie von hinten.
„Nichts davon ist deine Schuld, mein Schatz. Man lernt aus Fehlern sein ganzes Leben. Dein Vater und ich haben uns auch nicht vorstellen können, dass dieser verfluchte Shang uns die ganze Zeit nur etwas vorspielt…“
„Bahe ist wahrhaftig der Sohn seines Vaters“, meinte Sulin leise. „Er hat uns nie aufgegeben. Er litt viel lieber selbst als zuzulassen, dass ich diesen Tumor vielleicht nicht überlebe. Und all dieses Geld, welches er angeschleppt hat… Es wird nicht lange reichen, oder?“
„Mach dir darum keine Sorgen, Sulin“, meinte Lin zärtlich, als sie ihrer Tochter vorsichtig über den Kopf strich. „Dein Vater geht wieder arbeiten. Die nächsten Wochen deiner Reha-Behandlungen können wir noch finanzieren und danach müssen wir halt wieder etwas kürzer treten. Wie du schon sagtest, nichts, was wir nicht gewohnt sind.“
„Aber Pá wird auch nicht ewig für uns sorgen können“, äußerte sich Sulin besorgt.
„Es hilft alles nichts, wenn du dich jetzt verrückt machst, mein Schatz. Zu allererst musst du wieder gesund werden, dann kannst du dir einen Job suchen und uns auch unterstützen“, sagte Lin bestimmt. „Erinner dich an das, was die Ärztin gesagt hat. Eine positive Grundstimmung ist sehr förderlich für den Heilungsprozess, weißt du noch?“
„Ja“, nickte Sulin mit einem Lächeln. „Danke, Má.“
„Nicht dafür“, strich Lin ihrer Tochter noch einmal über den Kopf und setzte sich anschließend wieder an ihren Platz.
„Was glaubst du eigentlich?“, grinste Sulin. „Ist dieses Mädchen mehr als nur seine Trainerin?“
„Hmm…“, überlegte Lin für einen Moment, ehe sie lächelnd den Kopf schüttelte. „Ich glaube eher nicht. Bahe ist noch viel zu sehr damit beschäftigt, wie er uns unterstützen kann, als das er etwas mit Mädchen anfängt.“
„Dabei hätte er schon längst eine Freundin haben müssen. Er ist achtzehn!“, meinte Sulin bedauernd.
Lin wollte schon wieder etwas Aufmunterndes sagen, als sie den Schalk in Sulins Augen bemerkte. Wenn sie sich solche Gedanken, um ihre Kinder machen konnte, schien es ihr wirklich zunehmend besser zu gehen, dachte sie im Stillen und lächelte leise vor sich hin.
Es geht im Real-Life weiter!
Teil 3/3!
RiBBoN
PS: Wen es interessiert wie chinesisches Frühstück aussehen kann. Hier ist ein Link: https://www.thechinaguide.com/de/blog/the-ten-breakfast-foods-you-should-try-in-china