Makara genoss den Anblick, den ihm seine Riesengolbins bescherten, nachdem er sie ins Spiel gebracht hatte. Die verteidigenden Spieler starben auf der linken Seite Reihenweise und es brauchte kein Genie, um zu erkennen, dass die Schlacht so gut wie entschieden war.
Sicher, die Top-Spieler von Spirit of Dawn mochten noch die einen oder anderen Trümpfe in der Hand haben. Fähigkeiten, die sie bislang noch zurückhielten oder irgendwelche besonderen Artefakte.
Aber damit konnte er umgehen.
Denn schließlich ging es hier um mehr als nur ein Duell. Bei einem Kampf dieser Größenordnung mussten sich diese einzelnen Top-Spieler entscheiden. Trachteten sie nach seinem Kopf oder versuchten sie weiterhin ihre Gildenkameraden zu unterstützen?
Sollten sie weitermachen wie bisher, würden sie definitiv verlieren. Das war keine Frage. Also blieb nur noch abzuwarten, wann sich die Verteidiger aus der Not heraus dafür entschieden einen Angriff auf ihn persönlich zu wagen.
Ein gehässiges Grinsen zierte sein Gesicht, als er daran dachte. Sie würden sich nicht nur mit ihm anlegen müssten, sondern auch mit all den Goblins seiner Leibgarde, die er unter den einfachen Goblinbogenschützen in seiner Umgebung verborgen hatte.
Es war schlicht Selbstmord, sich mitten in seiner eigenen Armee mit ihm anlegen zu wollen.
Doch während er in diesen aufbauenden Gedanken schwelgte, vernahm er plötzlich Geschrei und lautes Donnern von Felsgestein, welches von seiner Linken kam.
Hastig drehte er sich um und traute seinen Augen nicht. Irgend so ein verrückter Spieler rannte gerade den Hang hinab und auf seinen Fersen folgten verschieden große Felsbrocken, die sich von Sekunde zu Sekunde vermehrten.
„Scheiße!“, fluchte Makara und machte sich gleich daran Befehle zu brüllen.
Doch es ging alles so schnell, dass seine Goblins die Befehle erst erhielten, als es schon zu spät war. Natürlich versuchten sie individuell auszuweichen, aber mehreren Tonnen Felsgestein wich man nicht mal eben mit einem Schritt zur Seite aus.
Wütend und frustriert konnte Makara nur zusehen, wie gute dreihundert Goblins zermalmt wurden. Besonders die Schamanen unter den Opfern schmerzten ihn.
„Boss, da… stehen diese Felsgnome auf den rollenden Felsen…“, gab einer seiner Untergebenen zögerlich von sich und reizte ihn damit noch mehr.
„Dieser Bastard!“, knirschte Makara mit den Zähnen, als er eins und eins zusammen zählte.
Am Ende seiner letzten Spielzeit hatte man ihm einen der Tarsteine gestohlen. Einige der Eindringlinge waren von seinen Goblins als Felsgnome identifiziert worden. Aber sie waren eben nicht alleine gewesen.
Und ausgerechnet jetzt tauchte ein Spieler auf, der mit den Felsgnomen im Bunde war?
Zufall?
Wohl kaum!
Als diese Plage von Felsgnomen dann von hinten auf die angreifenden Riesengoblins prallte, gab ihm die Transformation dieser Felsscheiben den Rest. Mit dem Erscheinen einer solchen Vielzahl von Golems oder was auch immer das für Kreaturen waren, hatte er nicht gerechnet.
Mit Entsetzen konnte er nur zuschauen, wie sich die Situation, gerade noch zu seinen Gunsten, in ein ungewisses Gleichgewicht wandelte.
Makara war so wütend, dass er beinahe die Kontrolle verlor. Grimmig blickte er diesen Spieler, der ihm nun zum zweiten Mal in die Quere gekommen war, durch sein Fernrohr an und merkte sich alle Einzelheiten seines Aussehens. Mit wutverzerrter Miene schwor er sich, dass dieser Idiot als erstes seine volle Macht zu spüren kriegen würde und griff in seinen Speichergegenstand.
Tief ein und ausatmend versuchte er seine Nerven zu beruhigen und holte dann das besondere Artefakt hervor, welches ihm von dem Dämon Mara als letztes Geschenk überreicht worden war.
Inkarnationsamulett der Verderbnis Maras
Rang: Smaragd
Beschreibung: Ein äußerst unheiliges Amulett, geboren aus den dämonischen Mächten des Seelentreibers, des Verbreiters der Finsternis und des Vorreiters des Dämonenreiches. Im willigen Austausch für eine menschliche Seele, verleiht der Dämon Mara dem Träger dieses Amuletts für einen kurzen Zeitraum ungeahnte Macht. Dennoch sollte man mit dämonischen Kräften Vorsicht walten lassen…
Wert: 200 Goldmünzen
Aktivierungsbedingungen:
- Der Träger muss über eine dämonische Berufsklasse verfügen.
- Der Träger muss mindestens Level 20.
Effekt 1: Maras Wille
Der Dämon Mara lässt dem Träger vorübergehend seine Kräfte zuteilwerden, beginnt aber schleichend vom Träger Besitz zu ergreifen. Der Träger erhält vorübergehend folgende Boni:
- Den Titel „Maras Gesandter“ (Neue Fähigkeiten: Kralle der Finsternis, Feuer der Blutgier, Höllentor)
- Levelaufstieg x15
- Gesundheit / HP +1000
- Energie / Mana +1000
- Kraft +100
- Intelligenz +100
- Schnelligkeit +100
- Ausdauer +100
- Physische Konstitution / Statur +100
- Gelehrtheit +100
- Geschicklichkeit +100
- Widerstandsfähigkeit +100
- Wahrnehmung +50
Effektdauer:
- Hängt vom inneren Kampf gegen Mara ab: 1-10Minuten
- Willensstärke alle 30 Sekunden -20
- Konzentration alle 30 Sekunden -20
Effekt 2: Maras Inkarnation
Wird nur aktiviert, wenn es dem Dämon Mara gelingt in unter vier Minuten vom Träger Besitz zu ergreifen. Die dämonische Berufsklasse des Trägers wird dauerhaft auf die Klasse des Dämonensklaven herabgestuft. Außerdem erhält der Träger (zusätzlich zu Effekt 1) vorübergehend folgende Boni:
- Levelaufstieg x10
- Gesundheit / HP +10 000
- Energie / Mana +10 000
- Alle Attribute +500
- Körpergrößenveränderung: Größe x5
- Willenlos: Der Träger ist für die Effektdauer nur noch Zuschauer in einem Körper, der nicht mehr seinen Befehlen gehorcht.
- Berserkerstatus: Der Körper des Trägers greift, vom Dämon gelenkt, alles und jeden an und präferiert kein Ziel mehr.
- verbesserte Fähigkeiten: Höllentor
Alles in allem war es natürlich ein zweischneidiges Schwert. Aber solange er es rechtzeitig deaktivierte würde nichts weiter passieren.
Mit der Fähigkeit Höllentor konnte er wortwörtlich ein Tor zur Hölle öffnen und dämonische Soldaten beschwören, die für ihn in den Kampf zogen. Doch nicht nur diese Fähigkeit las sich vielversprechend.
Dämonenkralle war eine Angriffsfähigkeit, die auf magische Weise seine normalen Nahkampfangriffe verstärkte, indem sie bei jedem ihrer Einsätze die Verteidigung des Gegners reduzierte und die Regeneration sämtlicher Heilungszauber unmöglich machte. Einmal verletzt, konnten seine Gegner jegliche Aussichten auf Heilung in den Wind schlagen, solange sie nicht ein besonders hohes Mitglied der Kirchen- oder Lichtfraktionen Raoies in ihren Reihen hatten.
Und dann war da noch das Feuer der Blutgier…
Er konnte es kaum erwarten, zu sehen, wie die Verteidiger wohl darauf reagieren würden…
Mit entschlossener Mine unterdrückte er seine Wut und leitete sein Mana in das Amulett.
Die Macht, die ihn fast augenblicklich durchströmte, riss ihn beinahe von den Füßen. Sein Level schnellte empor und zugleich spürte er wie sein Körper zunächst leichter wurde, ehe die Leichtigkeit von einem betörenden Gefühl der Macht vertrieben wurde. Ein hysterisches Gelächter löste sich aus seiner Kehle, welches in ein wütendes und unnatürliches Brüllen ausartete, als finstere Wolken aufzogen. Er fühlte, wie ein fremdes Bewusstsein irgendwo in seinem Inneren zu erwachen begann und jubilierte innerlich, als er verstand, dass er selbst das erste Tor der Dämonen in die Spielerwelt von Raoie war. Er war der Dämonenbringer und er würde in Raoie seinen Fußabdruck hinterlassen!
Euphorisch brüllend genoss er das überwältigende Gefühl von roher Macht und kostete jeden Moment aus, bis die dunkle Macht aus den Tarsteinen seiner Goblinschamanen gewichen war und sich vollends mit ihm vereint hatte. Der Himmel über ihn donnerte ein, zwei Mal, dann herrschte auf einmal vollkommende Stille.
Die komplette Schlacht war zum Stillstand gekommen. Egal ob Goblin oder Verteidiger, sie alle starrten zu ihm empor. Die geballte Aufmerksamkeit war unfassbar berauschend.
Dann grinste Makara. Es war Zeit, dass er sich diesen kleinen Störenfried vorknöpfte. Diesen Wurm, der es wagte sich mit seiner Großartigkeit – nein, mit seiner Allmacht – anzulegen…
Trotz des ganzen Chaos hatte Makara diesen Spieler beobachtet. Er war sich sicher, dass der Spieler nicht einmal Level 20 war. Seine Bewegungen wirkten zwar schon recht ausgereift, was auf gute Stats schließen ließ, aber es fehlte ihn offensichtlich an einsetzbaren Fähigkeiten. Sonst hätte er diese definitiv genutzt, als er auf der Flucht vor den Felsbrocken gewesen war.
Makaras Grinsen verzog sich spöttisch, als er sich einer der Fähigkeiten bediente, die ihm von seiner alten Berufsklasse geblieben war. Es war Zeit auf die Jagd zu gehen!
Bahe starrte entgeistert auf den unnatürlich brüllenden Anführer der Goblinarmee, ehe dieser plötzlich vollkommen ruhig wurde und sich eine unheilvolle Stille über das gesamte Schlachtfeld legte. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm. Die Anspannung steckte allen Beteiligten in den Gliedern, während sie allesamt das Gefühl nicht loswurden, dass so eben etwas ganz und gar Schreckliches in Gang gesetzt worden war.
Plötzlich spürte Bahe den Blick des Goblinanführers auf sich und dann löste sich dieser in Luft auf. Während Bahe noch verdutzt blinzelte, erschien auf einmal dieser verrückte Kerl, welcher sich die ganze Zeit allein mit den Riesengoblins geprügelt hatte, vor ihm, ehe ein lautes Klirren erklang, gefolgt von einer irren Schockwelle die Bahe von den Füßen riss und ihn mehrere Meter zurück schleuderte.
Keuchend rappelte sich Bahe wieder auf und konnte noch das Aufblitzen der tanzenden Klingen zwischen dem Goblinanführer und diesem Irren sehen, welcher schon wieder euphorisch lachte, ehe Letzter plötzlich mit einem Knall und einer Wucht hinfort geschleudert wurde, die seines Gleichen suchte. Der Kerl durchschlug vor lauter Schwung ein Dorfhaus nach dem nächsten, bis Bahe vor lauter aufsteigendem Staub jegliche Sicht auf ihn verlor.
Erst danach wurde ihm klar, wie fahrlässig er gerade reaktionslos geblieben war und wandte seinen Blick panisch dem Goblinanführer zu, der in bereits diabolisch angrinste. Dann… verschwand er erneut…
Magnifus zögerte bei dem unheilvollen Gebrüll des Goblinanführers nicht lange und aktivierte sofort die einzige Fähigkeit seiner geheimen Berufsklasse, die einen Cooldown von mehreren Tagen besaß.
„Imperiale Blutlinie… aktivieren!“, rief er laut aus und konzentrierte sich augenblicklich auf das erfolgreiche Ausführen dieser extrem Mana konsumierenden Fähigkeit.
„Was?! Magni?!“, kreischte Donnar überrascht und auch der Rest der Spirit of Dawn-Mitglieder wandten ihm erstaunt den Kopf zu. Die Wenigsten hatten je einen der acht Generäle ihrer Gilde leibhaftig in Aktion gesehen.
Eine Art Druck baute sich rund herum um Magnifus auf, welcher allen in der Nähe stehenden Spielern den Atem raubte. Ehrfürchtig blickten die Spirit of Dawn-Mitglieder ihren General an, dessen Körper immer stärker in einem sanften blauen Licht zu leuchten begann. Die Luft geriet um ihn herum in Bewegung und der aufkommende Wind steigerte sich in Windeseile zu einer Art Miniwirbelsturm mit Magnifus als Zentrum. Er pulsierte noch ein, zwei Mal in dem blauen Licht, ehe eine leichte Schockwelle den Wirbelsturm auflöste und eine Welle der Überlegenheit über seine Gildenmitglieder hinweg spülte. Manchen wackelten die Knie vor lauter Ehrfurcht, andere waren Bauch längs zu Boden gefallen, in dem Bestreben ihrem Monarchen den größten Respekt zu erweisen, dessen sie fähig waren.
„…“, stumm blickte Magnifus mit unnatürlich blauleuchtenden Augen zum Goblinanführer empor und ignorierte seine am Boden liegenden Gildenmitglieder. Sie waren nicht weiter von Belang in diesem Spiel, welches den vorherrschenden Mächten vorbehalten war. Er, ein Kaiser der Monarchen, war geboren um zu herrschen. Seine Aufmerksamkeit galt nur dieser dämonischen Ausgeburt, die es wagte in seine Welt zu treten.
Sein Ziel verschwand plötzlich vor seinen Augen und Magnifus reagierte sofort und gab einen seiner Unwürdigen Untergebenen, Stahlklops, über das Teamprofil den Befehl: „Sein Ziel ist der Level 9-Spieler hinter dir! Geh dazwischen!“
Dann erstrahlte er einmal mehr in grellem blauem Licht, bis sich in seinen Händen ein großer Schild und ein langer Speer aus blauem Licht formten. Im nächsten Augenblick verschwand er und hinterließ seine nach Luft japsenden Gildenmitglieder, die in seiner Anwesenheit kaum hatten atmen können.
Magnifus beachtete das einfache Fußvolk jedoch kaum. Es war eines Kaisers schließlich unwürdig seine Aufmerksamkeit für solcherlei zu verschwenden.
Stattdessen musste er frustriert mit ansehen, wie Stahlklops, dieser einfältige Nahkämpfer, viel zu spät reagierte und der Goblinanführer bereits zur tödlichen Attacke gegen den Level 9-Spieler ansetzte.
Im letzten Augenblick erschien jedoch plötzlich Trullus und erkaufte Magnifus gerade genug Zeit, das gesamte Schlachtfeld zu überqueren und sich seinem würdigen Feind zu nähern.
Mit einem abfälligen Grinsen registrierte er wie Trullus mit epochaler Wucht durch das gesamte Dorf geschleudert wurde. Durch seine überdimensionalen Kräfte war ihm klar, dass Trullus hinter dem Dorf noch weiter die Gebirgshänge hinunter flog und über die Felshänge prallte wie ein Stein übers Wasser fletschte.
Scheinbar war es Schicksal, dass er seinem dämonischen Gegner ganz allein gegenüber stehen sollte, dachte Magnifus lächelnd. Kein Chaos der Schlacht, kein erbärmliches Abschlachten, nur ein Duell, wie es sich für die Ehre eines Kaisers gehörte!
Er war fast da, als er den Goblinanführer grinsen sah und bemerkte wie dieser zum nächsten Angriff auf den Level 9-Spieler ansetzte.
„He… niemand außer mir legt Hand an meine Vasallen…“, knurrte Magnifus vorwärts sprintend und krachte wenig später seinen Schild mit voller Wucht gegen die Klinge des Goblinanführers, der von seinem plötzlichen Erscheinen und der begleitenden Wucht seines Schildes zwei Schritte zurück machen musste, um sein Gleichgewicht wieder zu fangen.
„Nun…? Sollen wir spielen, kleiner Dämon?“, richtete sich Magnifus zu voller Größe auf und blickte arrogant auf seinen Widersacher.
Teil 2/2!
RiBBoN