Im nächsten Moment überschlugen sich die Ereignisse, als zwei Köpfe inmitten des Sees zu ihm herum schnellten und er gleichzeitig das dumpfe Knacken des Wurzelgewebes unter seinen Füßen vernahm.
Kaum einen Augenblick später fing seine angebetete Schönheit hysterisch an zu schreien, während das Erdreich unter Ying wegbrach und ihn mit sich in die Tiefe riss.
Mit einem lauten Platschen fiel er der Länge nach ins Wasser und sackte an der ungewöhnlich tiefen Stelle bis zum Seegrund hinab.
Verdutzt über den plötzlichen Ortswechsel, hielt Ying die Luft an und verharrte für den Moment unter Wasser.
Nun ja, dachte er, was konnte er schon zu seiner eigenen Verteidigung sagen…
Sein Enthusiasmus für das schöne Geschlecht hatte kurzzeitig die Oberhand über seinen Verstand gewonnen. Das war ein Fakt.
Ein kurzer Check seines Lendenbereichs gab ihm wenigstens die Bestätigung, dass sein Körper nicht vollends außer Kontrolle geraten war. Sein stolzer Mast hing nur auf halb acht und das war definitiv nicht dem kalten Wasser geschuldet!
Gut, dachte er und überlegte welche Schritte nun am wichtigsten waren.
Zunächst einmal musste er definitiv die Spielaufnahme des heutigen Tages auf seinen externen Speicher übertragen…
Mit 3D-Ultra-HD-Kombi-Auflösung…
Das verstand sich von selbst.
Konnte man beim nachträglichen Schauen eigentlich näher heran zoomen?
Hmm…
Wie auch immer, wo war er? Ah ja, sein nächster Schritt…
Nun, da er immer noch unter Wasser war, sollte er wohl allmählich Gas geben und mit Alucard von Dannen ziehen. Sein Boss würde ihm diese Situation doch wohl nicht übel nehmen, oder?
Nee, mit Sicherheit nicht. Ying hatte den leisen Verdacht, dass Alucard durchaus vom schönen Geschlecht angetan war, es aufgrund seines verhältnismäßig jungen Alters nur noch nicht so nach außen tragen konnte.
Ein eindeutiges Kopfnicken unter Wasser begleitete diesen Gedanken.
Und was die Schönheit inmitten dieses Sees betraf…
Es zerriss ihm das Herz, aber er musste sie zurücklassen und das Weite suchen.
Da die Luft langsam knapp wurde, suchte er schnell nach einer Stelle, wo er aus dem See steigen konnte und tauchte schnell ein paar Meter nach links, ehe er hektisch durch die Wasseroberfläche brach und nach Atem rang.
Nur am Rande vernahm er die vergeblichen Versuche des Spielers seine Freundin zu beruhigen: „Geniella, beruhige dich doch. Meine Leute werden diesen Hurensohn schon kriegen. Ich werde ihn höchst persönlich…“
Den Rest hörte er schon nicht mehr, da er mit beiden Händen Wasser an sich vorbei zog, um schneller vorwärts zu kommen. An einer machbaren Stelle krabbelte er unter Anspannung das Ufer empor. Oben angekommen erklangen in einiger Entfernung plötzlich aufgeregte Schreie.
Wie vom Donner gerührt schaute sich Ying um und entdeckte zu beiden Seiten des Sees unzählige Spieler, die sich durch das Dickicht zu ihm heran kämpften.
Wo kamen die denn alle auf einmal her?!
Eilig nahm Ying die Beine in die Hand und hechtete patschnass in die Büsche. Nach ein paar Sekunden hatte er das ursprüngliche Versteck seines Bosses erreicht, fand ihn jedoch nicht, worauf er langsam in Panik verfiel: „Boss! Boss, wo steckst du? Wir sollten verschwinden!“
Sein Puls lief auf Hochtouren, während er schnell die nähere Umgebung absuchte und nur dank seines ausgeprägten Spürsinns für gute Beobachtungsverstecke seinen ungläubig dreinblickenden Boss unter einem dicht gewachsenen Gebüsch entdeckte.
„Da bist du ja!“, sagte Ying erleichtert und erklärte. „Wir sollten wirklich verschwinden. Wenn ich dich finden konnte, wird es ihnen mit Sicherheit auch gelingen. Sei froh, dass du von meiner Spielerfahrung profitieren kannst.“
„…“, schweigend machte Alucard keinerlei Anstalten sich zu bewegen.
„Ähm… kommst du?“
„…“
Erst jetzt bemerkte Ying Alucards finstere Miene. Sah er da wirklich eine Ader an seiner Stirn pochen? Hatte er in so jungen Jahren schon Blutdruckprobleme? Der Arme…
Ah, Ying, konzentriere dich, schalt er sich selbst. Sie mussten jetzt wirklich hier weg.
Nicht mehr länger auf die Reaktion seines Bosses warten wollend, griff er nach dessen Handgelenk. Alucard schlug jedoch wütend seine Hand weg und knurrte ihn an: „Fass mich nicht an!“
Dann kroch er schnell aus dem Gebüsch und sprintete ohne ein weiteres Wort los.
„Boss, warte auf mich!“, rief Ying ihm hinterher und setzte ihm sofort nach.
Doch Alucard machte keinerlei Anstalten in näherer Zeit stehen zu bleiben und beschleunigte seine Schritte sogar noch.
Verdammte Scheiße, wollte sein Boss ihn etwa zurücklassen?
„Boss!“, rief er lauthals. „Boss, so warte doch!“
*
*
*
Bahe hatte eine gefühlte Ewigkeit mit seinen Elementaren und Balu nach einem guten Lagerplatz gesucht, doch diesmal war ihre Suche erfolglos geblieben. Zumindest waren sie diesmal von Monsterangriffen verschont geblieben.
Dennoch zermürbte sie die ständige Lauferei.
Vor Frust und Hunger hatten sie schließlich beschlossen sich am Waldrand einer Lichtung niederzulassen und nur Trockenrationen zu verspeisen, die keinerlei Lagerfeuer benötigten. Es fehlte ihm noch, dass unerwünschte Spieler auf ihn aufmerksam wurden, jetzt, wo sie keine Stunde mehr von den Belungaminen entfernt waren.
Glücklicherweise hatte ihm Feiying im Real-Life letztens noch eine Felsformation beschrieben, die ihm den Weg weisen sollte.
Genau diese befand sich nun über den letzten Baumwipfeln in Sichtweite. Es konnten höchstens noch ein paar Kilometer sein, bis er sein Ziel erreichte und da er nicht wusste, was ihn dort erwartete, wollte er sich lieber zunächst stärken und sein Mana regenerieren.
Bahe schluckte gerade den dritten Bissen hinunter als lautes Geschrei hinter ihm im Wald seine Aufmerksamkeit auf sich zog.
„Welcher Vollidiot verrät in einer solchen Situation seinen Auftraggeber?!“, schrie eine junge, männliche Stimme aufgebracht. „Hast du noch alle Tassen im Schrank? Die hätten mich nie gefunden, wenn du nicht nach mir geschrien hättest!“
„Boss, es tut mir leid!“, antwortete eine andere, tiefere Stimme. „Das war nicht meine Absicht…“
„Und das alles nur, weil du irgendeine nackte Tussi anglotzen musstest!“
„Boss, wenn du ihre Titten gesehen hättest, würdest du verstehen, dass es das Risiko wert war…“
„Du Schwanz gelenkter, spannender Vollidiot!“, schrie die junge Stimme immer wütender und Bahe entdeckte etwa hundert Meter entfernt zwei Spieler, die durch den Wald auf seinen Lagerplatz zu rannten.
„Verdammt, wenn die weiter in unsere Richtung rennen, kommen sie genau auf uns zu“, sagte Bahe leise, packte schnell seine Sachen in seinen Speichergegenstand und zog sein Schwert hervor, um auf alles vorbereitet zu sein.
„Macht euch abmarschbereit und weckt Balu“, flüsterte er noch schnell seinen Elementaren zu und ging hinter einem Baumstamm in Deckung, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf die heran sprintenden Spieler richtete.
Morgen geht es weiter!
Teil 4/?
RiBBoN