„Wir sind so gut wie da!“, rief Feiying zurück.
„Ja, aber diese Bitch da auch!“, beschwerte sich Stallion. „Sollen wir nicht lieber gegen sie kämpfen, als von hinten von ihr aufgerieben zu werden?“
„Keine gute Idee“, sagte Feiying nur knapp, bog in eine schmale Felsspalte ein und hielt dann plötzlich vor einem bestimmten Felsabschnitt. Mit ein, zwei Handgriffen drückte er den festen Fels überraschenderweise ein und klappte einen Türmechanismus nach innen. Danach sprang er sofort in die Öffnung hinein. Bahe zögerte keine Sekunde, schob Balu, mit seinen Elementaren auf dessen Rücken zuerst hinein und hüpfte hinterher.
Alucard kam kurz nach ihnen und selbst Stallion ließ sich diesmal nicht zweimal bitten und huschte schnell herein, woraufhin Feiying sofort die Felstür zuwarf und sie in vollkommener Finsternis zurück ließ.
„Fuck, ist es hier dunkel!“, fluchte Stallion. „Ich sehe überhaupt nichts!“
Ein dumpfer Knall erklang von dem Ort, an dem Bahe die Felswand vermutete, gefolgt von einem wütenden Aufschrei, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Verdammt war die Aktion knapp gewesen…
Im nächsten Moment erhellte ein sanfter Lichtschein die Dunkelheit und gab Bahe und den Anderen die Möglichkeit sich in dem schmalen Gang umzusehen, in dem sie sich befanden.
„Seid leise und folgt mir“, meinte Feiying als sich letztlich die Blicke aller auf seinem Leuchtstein wiederfanden.
„Beruhige dich mal, Alter, die Tür ist doch längst dicht“, fuhr sich Stallion durch die Haare. „Wie sollen die Wolfsunions-Heinis hier rein kommen?“
„Ich gehe lieber auf Nummer sicher“, zuckte Feiying die Schultern.
Wie aufs Stichwort erklang ein dumpfer Aufprall von der Felswand, die sie vor den Gildenmitgliedern der Wolfsunion schützte und Bahe traute seinen Augen kaum, als die ersten Gesteinsbrocken von der Innenseite der Wand fielen.
„Hält ihr diese Tür nicht stand?“, fragte Alucard.
„Äh… sieht nicht so aus…?“, meinte Stallion zögerlich.
„Worauf wartet ihr noch?“, drängte Feiying sie und ging voran.
Bahe nickte seinen Elementaren und folgte seinem Freund gefolgt von Balu.
„Hey, jetzt warte mal“, beschwerte sich Stallion von weiter hinten. „Wenn du so schnell voran gehst, sehe ich nicht mehr wo ich hintrete!“
„Was ist das für ein Kerl, Bahe?“, fragte Feiying genervt.
„Ich weiß, der Kerl hört nicht auf zu labern“, meinte Bahe amüsiert über Feiyings genervte Reaktion. „Aber als du mir erzählt hast, dass mindestens noch einen Spieler brauchen, waren die Zwei die einzige Option die ich hatte.“
„Autsch! Ach, fick dich doch du scheiß Felswand!“, fluchte es derweil von hinten und Bahe konnte sich nur mit Mühe ein lautes Loslachen über Stallions Wutanfall verkneifen.
„Geschieht dem Brandstifter nur recht“, hörte Bahe seine Wasserelementarin voller Genugtuung sagen.
„Wohin führt uns dein Freund?“, fragte hingegen Alucard und ignorierte das Gehabe seines Kumpels.
„Offensichtlich tiefer in den Fels“, rief Feiying zurück, ehe abrupt zum Stoppen kam.
„Was ist los?“, hakte Bahe nach.
„Ab hier müssen dürfen wir keinerlei Geräusche mehr von uns geben“, erklärte Feiying.
„Wieso?“, gesellte sich Stallion fragend zum Rest dazu.
„Diese riesige Spielerin von vorhin scheint eine der Vizegeneräle der Wolfsunion zu sein“, erläuterte Feiying. „Diese Bastarde haben die gesamten Belungaminen unter ihre Kontrolle gebracht und jetzt wimmelt es in den Minenschächten nur so von Wolfsunionsmitgliedern. In knapp zehn Metern erreichen wir das Ende des Ganges. Danach müssen wir uns durch insgesamt drei Schächte schleichen, die der Wolfsunion bekannt sind. Fliegen wir auf, können wir uns von dem Dungeon verabschieden.“
„Meinst du nicht, dass du uns ein Bisschen unterschätzt?“, erwiderte Stallion von sich selbst eingenommen.
„Du kannst dir ja gerne ein Gefecht mit der Wolfsunion liefern. Wir könnten die Aktion super als Ablenkung nutzen. Na, wie wär‘s?“, meinte Feiying.
„Ich verrecke, nur damit ihr die Reichtümer einheimsen könnt? Nie im Leben!“, stieß Stallion hervor und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Dann halte endlich die Klappe“, zischte Alucard und wandte sich an Feiying. „Können wir wirklich drei Gänge hinter uns bringen, ohne aufzufallen?“
„Glücklicherweise sind wir bereits relativ weit im Minennetzwerk. Hier ist die gegnerische Spielerdichte nicht so engmaschig wie vorne. Außerdem befinden wir uns relativ weit oben. Auf dieser Ebene befinden sich kaum noch brauchbare Mineralien, weshalb die meisten Spieler eher weiter unten die Gesteinsschichten abbauen“, erklärte Feiying. „Sofern wir uns beeilen und die einzelnen Spieler schnell ausschalten, die uns begegnen, sollten wir eine Chance haben es rechtzeitig zu schaffen.“
„Hört sich danach an, dass ganz schön viel schief gehen kann…“, meinte Stallion ausnahmsweise mal Ernst. „Und wenn es hier wirklich keine brauchbaren Mineralien mehr gibt, wie kommt es, dass nie jemand dieses Dungeon gefunden hat, zu dem du uns führen willst?“
„Es ist verdammt gut versteckt“, zuckte Feiying die Schultern. „Ohne meine geheime Berufsklasse hätte ich niemals den Eingang gefunden.“
„Oh?“, zog Stallion überrascht die Augenbrauen hoch. „Und welch geheime Berufsklasse ist es?“
„Schon in Ordnung“, wiegelte Alucard schnell ab. „Du musst nicht darauf antworten.“
„Ach, das ist kein Geheimnis“, winkte Feiying ab. „Früher war ich Bauer und habe mich zum Minenarbeiter spezialisiert. Doch dann bin ich über einen Schmied an eine versteckte Quest geraten und wurde letztendlich zum Schatzsucher.“
„Und was für Fähigkeiten hast-“, begann Stallion, bis er von Alucards Schlag auf den Hinterkopf unterbrochen wurde.
„Boss?!“, entrüstete sich Stallion und wollte gerade beginnen sich weiter zu beschweren, als ein lautes Krachen vom hinteren Ende des Ganges sie alle inne halten ließ.
„Wir sollten uns beeilen“, meinte Bahe und alle nickten zustimmend.
„Los, folgt mir“, sagte Feiying und warnte, ehe er schnell weiter huschte: „Und denkt dran, ab jetzt kein Wort mehr!“
Im Nu kamen sie zum Ende des Ganges, wo sich Feiying ein weiteres Mal zu schaffen machte, eine neue Geheimtür öffnete und sie anschließend hindurch scheuchte.
Auf der anderen Seite empfing sie diesmal ein beständiger Lichtschein, der von sanft leuchtenden Kristallen ausging, die in regelmäßigen Abschnitten an den Wänden des Minenschachtes hingen.
Bahe blickte sich in alle Richtungen um, entdeckte jedoch niemanden und atmete erleichtert auf. Den anderen erging es ähnlich und Feiying schloss anschließend schnell die Geheimtür so leise wie möglich. Danach nickte er in eine Richtung und meinte: „Hier entlang.“
Angespannt huschten sie daraufhin durch den Schacht, der leicht bogenförmig angelegt worden war und so die Sicht nach vorne versperrte. Doch zur Abwechslung sollte ihnen das Glück einmal holt sein und sie begegneten niemanden, während sie sich in quälenden Augenblicken der Stille durch einen Schacht nach dem nächsten bewegten.
„Wir sind so gut wie da“, flüsterte Feiying schließlich und kletterte plötzlich eine schräge Felswand zu ihrer Linken herauf.
„Ich spüre hier… etwas Ungewöhnliches…“, meinte Brocken nachdenklich und spornte Balu an, Feiying zu folgen.
„Ja, du hast recht“, stimmte Limona zu. „Irgendetwas… Bemerkenswertes scheint hinter dieser Felswand zu liegen.“
Die Kommentare seiner Elementare machten Bahe nur noch neugieriger auf diesen Ort, den Feiying gefunden hatte.
Feiying stemmte währenddessen einen schweren Felsbrocken zur Seite und schlüpfte dann durch eine relativ enge Felsöffnung. Bahe musste Balu am Hintern anschieben, damit dieser hindurch passte. Dabei stellten die hörnernen Auswüchse auf seinem Rücken ein mindestens genauso großes Problem, wie sein genereller Bauchumfang dar.
Als Balu endlich hindurch flutschte, fiel Bahe gleich hinterher. Feiying zog ihn schnell aus dem Eingangsbereich, damit Alucard und Stallion nachkommen konnten. Nachdem Feiying den Eingang halbwegs akzeptabel verschlossen hatte, ging er voran und leuchtete ihnen für circa zwanzig Meter den Weg, ehe sie alle ehrfürchtig zum Stehen kamen. Vor Bahe tat sich eine große Tropfsteinhöhle auf, an deren gegenüberliegenden Ende ein kristallenes Leuchten seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Bahe konnte es nicht erwarten, endlich den lange ersehnten Kristallen gegenüber zu stehen.
„Los, weiter“, meinte Feiying und ging voran.
Kaum eine Minute später standen sie schließlich direkt vor dem Eingang zum Dungeon und Alucard nahm Feiying mit in ihre Gruppe auf.
„Hehe…“, rieb sich Stallion die Hände. „Endlich ist mal wieder ein großer Loot-Einsatz geplant.“
„Keine Alleingänge, Stallion“, meinte Alucard eindringlich. „Alles wird durch uns Vier geteilt, klar?“
„Sicher, sicher“, antwortete Stallion. „Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass…“
In genau diesem Moment unterbrach ein Krachen vom anderen Ende der Tropfsteinhöhle Stallions Ausführungen, gefolgt von raschen Fußgetrampel, ehe ein hektischer Ruf erklang: „Da vorne sind sie! Blitzfeuer, schnapp sie dir, bevor sie irgendwelche Artefakte an sich nehmen!“
„Äh… Leute…?“, fragte Stallion.
„Worauf wartest du noch, rein ins Dungeon!“, schleifte Alucard den steif da stehenden Bogenschützin hinter sich her, während Bahe mit seinen Elementaren und Balu bereits durch die Barriere schritt und ihm ein sanfter Schauer über den Rücken lief. Eine Art elektrisierendes Gefühl ergriff kurzzeitig von ihm Besitz, ehe es sich so urplötzlich in Luft auflöste, wie es gekommen war.
Im nächsten Moment überschlugen sich die Ereignisse.
Vor Bahe klappte ein Benachrichtigungsfenster auf, während Alucard und Stallion durch den schwach leuchtenden Schild des Dungeons schritten. Fast im gleichen Moment tauchte ein fremder Spieler hinter ihnen auf und ließ seinen Speer auf sie niederfahren. Doch der Schild des Dungeon blockte seinen Stoß und katapultierte ihn mehrere Meter davon. Dann begann die Höhle um sie herum unheilvoll zu beben und Bahe zog sich mit den Anderen eilig etwas weiter in das Dungeon zurück. Dicke Felsbrocken lösten sich von der Decke der Tropfsteinhöhle und prasselten auf den Felsboden vor dem Eingang des Dungeons, ehe sie diesen schließlich vollständig verschütteten.
Hustend und den Staub davon wedelnd blickten Bahe und seine Begleiter sich um, ehe Stallion nüchtern zum Ausdruck brachte: „Ich würde mal sagen, dass wir vorläufig unsere Ruhe haben.“
Bahe und Feiying sahen sich an und mussten grinsen. Sie hatten es geschafft.
Begeistert blickte Bahe danach auf sein Benachrichtigungsfenster und las aufmerksam die Beschreibung:
Letzte Ruhestätte der Grenzbewahrer
Beschreibung:
Ihr seid auf eine Spur gestoßen,
dort wo Finsternis vom Licht gebrochen wurde.
Im festen Gestein, dem bloßem,
welches von Knochen und Gebein bewahrt werden durfte.
Tretet ein und bewältigt die Herausforderungen eurer Ahnen,
doch seid gewarnt, ihr bewegt euch in vorgezeichneten Bahnen.
Denn dem Schicksal ist noch niemand entronnen,
und schnell sind die unterschiedlichsten Fäden versponnen.
Neue Wege mögen sich ergeben,
doch ihr Betreten sollte man sich genau überlegen.
Bahe war gerade fertig mit lesen, als Stallion verwirrt fragte: „Ähm Leute, kann mir irgendjemand erklären, worum es bei diesem Dungeon geht?“
Teil 4/?
RiBBoN