„Balu…“, schluchzte Brocken. „Er stirbt…“
Limona schloss sich an: „Und wir können nichts für ihn tun…“
Erst jetzt musterte Bahe das Bärenjunge genauer und bemerkte die versenkte Rückseite, unter welcher Balu offensichtlich litt.
„Huschu… Huschu…“, murmelte die Medizinfrau sanft und strich dem zitternden Balu über die Stellen des Fells, die nicht verbrannt oder angesengt waren. Der uralte Erdelementar, zu Bahes Linken, schwieg derweil und starrte stur auf den jungen, sterbenden Bergbären.
„…“, für einen Moment wusste Bahe nicht was er sagen sollte…
„Von wem wurde ich gerettet?“, fragte Bahe schließlich, nachdem er das Schweigen seiner Elementare und das Gemurmel der Medizinfrau nicht mehr aushalten konnte.
„Ist das ausgerechnet jetzt wichtig?!“, empörte sich Limona. „Lass uns doch wenigstens die letzten Momente mit Balu!“
„Hey, hey… ich meine doch nur… Wer mich gerettet hat, könnte doch vielleicht auch Balu retten…“, versuchte Bahe Limona zu beschwichtigen.
„Als ob wir nicht schon längst selbst darauf gekommen wären!“, schimpfte Limona jedoch nur erneut.
„Wir mussten… uns entscheiden…“, erklärte Brocken weinend. „Felsur ist… gerade erst erwacht, seine Kräfte… waren geschwächt… Er konnte… nur einen… von euch beiden retten… Wenn es… das Ungleichgewicht der… Erdenergie doch bloß… nicht geben würde… Dann hätte… Felsur vielleicht… etwas tun können…“
„Felsur?“, fragte Bahe und richtete seinen Blick auf den uralten Erdelementar.
Wie zur Bestätigung drehte dieser leicht seinen Kopf, was von dem dumpfen Geräusch schleifender Gesteinsschichten begleitet wurde, ehe er seinen Blick wieder auf Balu richtete. Der alte Erdelementar sackte sichtlich betrübt zusammen, während er das kleine Wesen vor sich betrachtete.
„Er hat… fast alle seine Heilkraft bei dir aufgebraucht und das letzte kleine Bisschen auf Balu angewendet…“, hickste Limona weinend. „Doch es hat Balus Leiden nur verlängert…“
Stumm nahm Bahe die traurige Situation in sich auf. Er musste sich zunehmend zusammenreißen, um nicht ebenfalls einige Tränen zu verlieren. Dieser Moment würde niemanden kalt lassen…
„Überprüfen“, murmelte er leise und sah wie die einst enormen HP-Zahlen nur so dahin schmolzen. Von seinen früheren 1377 HP waren nur noch 120 HP verblieben und auch diese schwanden im Sekundentakt.
Vielleicht gab es eine Möglichkeit ihn zu retten, überlegte Bahe und strich mit der Hand über seinen Speichergegenstand. Ohne noch länger zu zögern, fasste Bahe schließlich hinein und zog seinen letzten übrig gebliebenen Heiltrank hervor.
„Hier, gibt Balu das hier zu trinken“, wandte er sich an seine Elementare und hielt ihnen das Fläschchen hin.
„Was… was ist das?“, fragte Limona skeptisch, während sie bemüht war, ihre Stimme unter Kontrolle zu bringen.
„Ein Heiltrank“, meinte Bahe ernst. „Ich weiß nur nicht, ob er auch Balu helfen kann oder nur bei Menschen wirkt.“
„Los! Schnell!“, überschlug sich Brockens Stimme beinahe vor lauter neugewonnener Hoffnung. Er musste sich offensichtlich zusammenreißen, um Limona das kleine Fläschchen nicht aus der Hand zu reißen.
Während Limona und Brocken im Folgenden damit beschäftigt waren, Balu den Heiltrank zu verabreichen, beobachtete Bahe hingegen die Medizinfrau, die mit großen Augen aufmerksam das Fläschchen des Heiltranks verfolgte und die Augen ab und an zusammenkniff. Sah sie etwa seine Elementare?
Falls nicht, würde sie vermutlich in diesem Moment ein schwebendes Fläschchen sehen, oder?
Auf jeden Fall ahnte sie etwas…
„Überprüfen“, murmelte Bahe erneut und stellte fest, dass der Heiltrank tatsächlich wirkte und den Schwund von Balus HP-Zahlen stoppte.
Der uralte Erdelementar gab plötzlich einige dunkle Laute von sich, während er mit seinen Händen so fest auf den Boden schlug, dass die Erde bebte.
„Danke, Anael!“, schluchzten Balu und Limona gleichzeitig. Tränen der Erleichterung liefen ihnen von den Wangen, als sie Bahe dankend ansahen und sich kurz darauf an Balu schmiegten, dessen Zustand sich zumindest schon einmal stabilisiert hatte.
Gerührt schaute Bahe auf die liebevolle Szene, die sich vor ihm abspielte, als er den neugierigen und doch auch respektvollen Blick der Medizinfrau auf sich verspürte.
„Huschu!“, rief sie plötzlich gebieterisch an die Horde von Felsgnomen, die Bahe tatsächlich für den vergangenen Moment komplett verdrängt hatte.
„Huschu, husch, huschuuuu…“, betonte sie das eine Wort ihre Sprache jedes Mal anders und aufgeregtes Huschu-Gemurmel breitete sich in der Masse der Felsgnome aus.
„Ähm… Limona, was ist hier los?“, fragte Bahe seine Elementarin, da er glaubte von ihr in dieser Situation schneller eine Antwort bekommen zu können.
„Die Seherin der Felsgnome hat soeben verkündet, dass du, obwohl du ein Mensch bist, das Bergbärenjungtier gerettet hast und die Felsgnome scheinen von deiner Güte sehr angetan. Sie kennen Menschen nur als verbrecherische Ausbeuter der Natur.“
„Das sagen sie alles mit ihrem Huschu?“
„Na ja… nicht mit dem Wort, sondern mit ihren unterschiedlichen Betonungen des Wortes“, meinte Limona, die sich noch immer die Tränen aus dem Gesicht wischte.
„Hmm…“, gab Bahe verstehend von sich.
Ein Wirrwarr von Grummeln und Grölen ließ Bahe einen Blick nach hinten werfen, wo er Brocken in einer Unterhaltung mit dem uralten Erdelementar wiederfand. Kurz darauf hob Felsur den armen Balu ganz sanft vom Boden auf und lief mit lauten, stampfenden Schritten, bei denen die Erde bebte, auf das Ende des Lagers der Felsgnome zu, von dem Bahe gekommen war.
„Wohin bringt er Balu?“, fragte Bahe, während die Felsgnome in helle Aufregung verfielen.
„Zu dem Lager, wo wir auch dich zum Heilen gebettet haben“, meinte Brocken und gesellte sich zu Limona und Bahe.
„Ah, ok“, nickte Bahe als Zeichen seines Verstehens.
„Bahe“, begann Brocken, stockte dann aber.
„Ja?“
„Vielen, vielen Dank, wollte er sagen“, fiel Limona dazwischen und wuschelte Brocken durch die Haare. Brocken nickte nur als Bestätigung.
Bahe grinste: „Kein Problem.“
Limona und Brocken sind dir sehr dankbar, dass du ihren Freund Balu gerettet hast.
Treue von Limona und Brocken +20
„Oh!“, gab Bahe erstaunt von sich.
„Was ist?“, fragte Limona.
„Ach, nichts…“, winkte Bahe ab und versuchte sich seine Freude nicht anmerken zu lassen.
„Du bist kein guter Schauspieler, weißt du das?“, stellte Limona fest.
„Hä?“
„Ich sehe doch, dass du vor Neugier nahezu platzt“, sagte Bahes Elementarin, deren Hochnäsigkeit allmählich wieder zum Vorschein kam. „Also, es war so…“
Im Anschluss konnte Bahe sich geschlagene drei Minuten lang die Geschichte seiner Rettung in allen Einzelheiten anhören, während die Felsgnomhorde bereits längst dem alten Erdelementar Felsur gefolgt und außer Sicht verschwunden war.
Wie sich herausstellte, hatte Felsur auf Brockens Bitten hin schließlich reagiert und Balu und Bahe vor den Verbrennungstoden bewahrt, indem er sie einfach mit seinen großen Felshänden von den Feuerstellen gehoben hatte. Im Anschluss gab Felsur nur jede von Brockens Anweisungen an die Felsgnome weiter, woraufhin diese die Fesseln lösten und den langen Stab entfernten, an den die geplanten Opfer gefesselt gewesen waren.
Mehr als einmal musterte Bahe währenddessen seine beiden Elementare, die so gar nicht wie einflussreiche Elementarwesen wirkten. Zumindest im direkten Vergleich mit diesem imposanten, felsigen Riesen.
„Er hört also auf dich, Brocken?“, fragte Bahe.
„Hmmm…“, nickte Brocken. „Felsur ist ein sehr netter Zeitgenosse.“
„Hören alle Elementare auf euch?“
„Nein“, schüttelte Limona den Kopf. „Nur Wasserelementare hören auf mich und auf Brocken nur Erdelementare. Aber auch da gibt es ein paar Ausnahmen, wenn sie besonders mächtig sind. Wesen anderer Elemente können uns sogar feindlich gesinnt sein.“
„Dann seid ihr beiden ja doch weitaus mächtiger, als ich wusste“, gab Bahe gespielt beeindruckt von sich.
„Hehe“, gab Limona stolz lachend von sich. „Wir sind eben die Besten!“
„Ganz recht“, nickte Bahe und stellte schmunzelnd fest, dass selbst Brocken stolz die Brust hervorstreckte, obwohl allen klar war, dass sie gerade nur herumalberten.
„Aber sagt mal“, begann Bahe mit seiner Frage, die ihm schon die ganze Zeit beschäftigte: „Brocken, du hast vorhin erzählt, dass Felsur Balu wegen diesem Ungleichgewicht nicht heilen konnte. Aber was ist das Ungleichgewicht denn eigentlich? Wisst ihr das inzwischen?“
„Hmmm…“, nickte Brocken.
„Und?“
Teil 2/2! ...der letzten Woche...
Bis Donnerstag
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