„Was denn?“, rief Muning lachend aus.
„Ich habe allmählich das Gefühl von lauter notgeilen Idioten umgeben zu sein“, schüttelte Bahe leicht den Kopf und bereute es dank seiner Kopfschmerzen sofort.
„Hey, wer ist hier ein Idiot?“, beschwerte sich Muning.
„Ach, der Begriff trifft dich, aber notgeil ist dir egal?“
„Öhm…“, gab Muning grinsend von sich und zuckte dann mit den Schultern. „Diese Bitch hat es nicht anders verdient. Ich weiß nicht, ob du es mitbekommen hast. Aber ohne mich hätte sie wahrscheinlich sogar noch nachträglich auf dich eingetreten.“
„Krass…“
„Ja, man“, nickte Muning. „Das war echt heftig. Das ging sogar ein paar der anderen Zuschauer zu weit. Aber ihrem Ansehen hat es wohl leider nicht wirklich geschadet. Schließlich war sie im Recht, wie alle sagen… pah!“
„Scheiße…“, murmelte Bahe, dem klar war, was das für seinen Schulalltag bedeuten würde.
„Hmm…“, nickte Muning erneut. „Ich fürchte die Schule wird in nächster Zeit die Hölle sein, Bahe. Ich würde es gerne schön reden können, aber an deiner Stelle würde ich mich so lange wie möglich auf deiner Kopfwunde ausruhen.“
„Die Schulleitung hat wahrscheinlich nichts unternommen, oder?“, fragte Bahe zerknirscht.
„Na ja… du bist nicht von der Schule geflogen“, seufzte Muning. „Bei dem Druck, den Xukuns Eltern mit Sicherheit auf die Schule ausüben, ist allein das schon Erfolg genug für dich.“
„Das ist so unfair…“, stöhnte Bahe.
Diesmal zog Muning es vor zu schweigen, auch wenn er mitfühlend drein blickte.
„Danke, Muning“, sagte Bahe einen Moment später und sah seinen Freund an. „Meine Familie hätte sich diese Klinik niemals leisten können… Ich weiß nicht was-“
„Du musst dich nicht bedanken“, unterbrach ihn Muning ernst. „Wofür sind denn Freunde da?“
Bahe musste lächeln und fügte dann aber noch hinzu: „Trotzdem danke.“
„Weichei“, murrte Muning gespielt gekränkt und Bahe musste lachen.
„Ich sollte jetzt wohl gehen“, meinte Muning einen Moment später, als seine Eltern ihn von draußen zu sich winkten.
„Geh ruhig“, sagte Bahe, dem ein Bisschen Ruhe in Anbetracht seines immer noch dröhnenden Schädels mehr als willkommen war.
„Alles klar, erhole dich gut“, meinte Muning und winkte zum Abschied ehe er den Raum verließ.
„Hah…“, seufzte Bahe und sank etwas tiefer in die Kissen. Bevor er sich wirklich entspannen konnte, musste er unbedingt noch Feiying und Huilan kontaktieren. So wie es aussah würde er zumindest heute kein Raoie spielen können. Tja.. und sein Training würde wohl noch länger warten müssen…
*
*
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„Bist du dir sicher, dass es das wert war?“, fragte ihn sein Vater kritisch als Muning mit seinen Eltern im Auto saß.
„Ja“, meinte er nur kurz angebunden und schaute aus dem Fenster.
„Was siehst du bloß in dem Jungen, dass du deine gesamten Ersparnisse für seine Behandlung ausgibst?“, schüttelte sein Vater enttäuscht den Kopf.
Wütend über die Worte seines Vaters presste Muning die Lippen aufeinander, schwieg ansonsten aber.
„Es bleibt dabei“, redete sein Vater weiter. „Ich werde keinen einzigen Yuan für deinen Mitschüler opfern.“
„Das ist mir klar“, antwortete Muning provozierend. „Wenn es nach dir gegangen wäre, hätte er verrecken können, nicht wahr?“
„Ja, wieso nicht?“, zuckte sein Vater gefühlskalt mit den Schultern. „Wieso sollte ich auch Geld in den Jungen investieren, wenn er es mit großer Wahrscheinlichkeit niemals zurückzahlen kann? Verlustgeschäfte liegen mir nicht und ich dachte wirklich, ich hätte dich besser erzogen.“
„Wenn du das so siehst“, merkte Muning sarkastisch an. „Bin ich froh, dass du mich nicht gut erzogen hast.“
„Sohn, willst du mir allen Ernstes frech kommen?!“, donnerte sein Vater sofort los.
„Schatz…“, fuhr Munings Mutter dazwischen. „Beruhige dich… lass es gut sein.“
„Nein, ich lasse es nicht gut sein“, blaffte sein Vater und starrte Muning zornig an: „Was siehst du in diesem Ausländer, dass du sogar bereit bist, dich mit mir anlegen zu wollen?!“
„Dieser Ausländer hat einen Namen, er heißt Bahe“, erklärte Muning, der kurz vor einem Ausraster stand. „Und soweit es mich betrifft, ist seine Herkunft egal. Er hat einen besseren Charakter als all die anderen Idioten in meiner Schule. Ihm bedeutet Geld und Einfluss nichts. Mit ihm kann ich mich vernünftig unterhalten, ohne mich jeden Tag damit auseinandersetzen zu müssen, welches Mädchen die beste Partie für unser Familienunternehmen ist oder mit welchem Sohn eines stinkreichen Firmeninhabers ich mich besser gut stellen sollte!“
„Ist ja klar, dass dem Jungen Geld und Einfluss nichts bedeuten, schließlich hat er nichts davon“, konterte sein Vater verachtend. „Komme mir gefälligst mit einer besseren Ausrede!“
„Pah!“, spie Muning aus und wandte sich zitternd vor Wut ab.
„Ich spreche mit dir mein Sohn!“, herrschte ihn sein Vater von vorne erneut an.
„Má, halt an“, bat Muning, der nur noch so schnell er konnte aus dem Auto heraus wollte.
„Deine Mutter hält nicht an, bis du mir vernünftig Rede und Antwort gestanden hast!“, donnerte sein Vater erneut los.
„Was willst du denn noch von mir hören?“, explodierte Muning diesmal mit Tränen in den Augen. „Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich einen richtigen Freund, der nicht hinter meinem Rücken darüber redet wie fett ich bin oder das ich stinke und der größte Nerd der Schule bin und du redest ihn nur schlecht weil er arm ist? Weil er ein Ausländer ist? Hörst du dir eigentlich mal selbst zu? Wer hat mir früher immer dazu geraten hinter die Fassade zu schauen? Das all diese verwöhnten Bälger in den Privatschulen alles in den Arsch geschoben bekommen und ich mir sowas bloß nicht angewöhnen soll? Und jetzt kommst ausgerechnet du und redest genauso eine Scheiße, wie ich sie mir jeden Tag von all den anderen Idioten anhören darf?! Weißt du was? Fick dich doch! Má, halt an!“
„Muning!“, zog seine Mutter hörbar die Luft ein, bremste den Wagen aber bereits ab.
Muning ignorierte seine Eltern, schnallte sich ab und sprang aus den noch langsam fahrenden Wagen, während seine Eltern ihm panisch hinterher riefen.
Verdammt noch mal… Er war lange nicht mehr so wütend gewesen. Enttäuscht von seinen Eltern wischte Muning sich die Tränen aus den Augenwinkeln, als er schleunigst das Weite suchte und in eine nahegelegene Fußgängerzone verschwand.
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„War das wirklich nötig?“, fragte Langnuo ihren Mann, als Muning aus ihrem Sichtfeld verschwunden war.
Mit einem Blick zur Seite stellte sie fest, dass er lächelte. Nichts wies mehr auf die Wut hin, die er vor ein paar Sekunden noch mit jeder Faser seines Körpers versprüht hatte.
„Du hast doch gemerkt wie lange ich ihn in die Enge treiben musste, damit er endlich mal mit der Wahrheit rausrückt“, meinte Murong sanft. „Muning hat eine viel zu weiche Seele, Langnuo. Wenn er weiter alles in sich hinein frisst, wird er daran noch zu Grunde gehen. Er muss lernen sich zu öffnen und dieser Bahe scheint dahingehend einen positiven Einfluss auf ihn zu haben. Aber das muss Muning selbst erst noch merken.“
„Hmmm…“, nickte Langnuo und fuhr wieder an. „Aber dir ist klar, dass du bis heute Abend noch mit Muning über dieser Sache hier reden musst, oder?“
„Ja, Schatz“, nickte Murong. „Wird gemacht. Keine Sorge.“
„Und du wirst Muning trotzdem die Klinikrechnungen bezahlen lassen?“, fragte Langnuo Munings Vater.
„Aber natürlich“, grinste er. „Irgendwo sind Grenzen. So lernt Muning wenigstens seinen Reichtum besser zu schätzen.“
„Ja, ist klar…“, murmelte Langnuo leise vor sich hin und dachte mit einem Lächeln an den Moment, als ihr Mann in der Klinik seine eigenen Kontodaten hinterlegt hatte, falls Munings Geld zur Neige gehen würde.
Und es waren selbstverständlich nur die positiven Auswirkungen Bahes auf Muning der Grund, weshalb ihr Mann die Behandlung erlaubte. Es hatte keineswegs etwas damit zu tun, dass Bahe, laut Munings Aussage, der Spieler mit dem braunen Mantel in der Schlacht um das Belungagebirge in Raoie gewesen war.
Ja, ja… ihr kleiner Fanboy… schmunzelte sie, hielt sich jedoch lieber geschlossen.
Teil 2/7
RiBBoN