„Ich denke doch“, antwortete Bahe mit der Absicht nicht weiter darauf einzugehen und versuchte ein zweites Mal an ihnen vorbei zu kommen, nur um von dem anderen Kerl, zu seiner Rechten, heftig zurück gestoßen zu werden.
„Nein, willst du nicht“, erklärte nun auch dieser Typ.
Mit Mühe unterdrückte Bahe seine aufkeimende Wut und zwang sich sachlich an die Situation heran zu gehen. Beide Kerle wirkten relativ trainiert. So wie sie aussahen machten sie entweder Kampfsport oder waren zumindest in einer der anderen, vielen Sport-AGs der Schule erfolgreich. Es war klar, wer den Kürzeren ziehen würde, wenn Bahe sich wirklich mit beiden auf einmal anlegen würde. Daran würden vermutlich auch Huilans Tipps zur Selbstverteidigung nichts ändern.
Also blieb ihm nur übrig sich nach einer alternativen Route zum Haupteingang des Schulgeländes umzusehen. Da der Gang zu seiner Rechten nur zu Klassenzimmern führte und schließlich in einer Sackgasse mündete, konnte Bahe damit nur wieder nach oben laufen und im ersten Stockwerk die nördliche Treppe zu nehmen.
Doch in genau diesem Moment legte sich ein Arm um seine Schultern und zu seinem Entsetzen entdeckte Bahe Bowan an seiner Seite, der meinte: „Hey, was geht, Bahe? Ignoriere die Beiden einfach…“
Viel zu überrascht um sich zu wehren, zog Bowan ihn bedingungslos in die Sackgasse mit den Klassenräumen. Gerade als Bahe Widerstand leisten wollte, bekam er einen Tritt von hinten in die Kniekehle und krachte zu Boden.
„Ach, herrje…“, meinte Bowan gespielt theatralisch. „Bahe, du bist wirklich tollpatschig. Komm lass mich dir helfen.“
„Nein, geht schon“, presste Bahe hervor, der Bowan lieber nicht erneut zu nahe kommen wollte.
„Aber wir bestehen darauf“, sprach plötzlich einer Kerle, die ihm zuvor den Weg versperrt hatten.
„Ganz genau“, schloss sich auch der Andere grinsend an, während sie ihn unsanft auf die Beine zerrten.
Bowan ging derweil ein paar Meter voraus und öffnete die Tür zum nächsten Klassenraum, ehe er liebevoll säuselte: „Hier möchte dich noch jemand sprechen, bevor du deinen Heimweg antrittst.“
Wütend verkniff sich Bahe jedwede Erwiderung und wurde kurz darauf schon von den anderen beiden Typen mit solcher Wucht in den Raum hinein gestoßen, dass er erneut zu Boden stolperte.
Als er sich wieder aufrichtete, bemerkte er sofort den einen Schüler im Raum, dem er wenn möglich nicht hatte über den Weg laufen wollen.
„Dragon, Bahe…“, sagte Ni Munu nachdenklich mit dem Blick auf ihn gerichtet. „Ich hatte dich doch gewarnt Xukun nicht zu nahe zu kommen, oder?“
Bahe wollte am liebsten die Augen verdrehen, ließ es jedoch lieber sein. Er musste diese vier Idioten ja nicht noch mehr auf unnötige Weise gegen sich aufbringen. Dennoch, dieser Munu präsentierte sich so sehr in bester Bösewicht-Manier, dass Bahe vermutlich drüber lachen würde, wenn nicht gerade er das Ziel seiner Obsession wäre.
„Habe ich ihn nicht gewarnt, Männer?“, wandte er sich an seine Handlanger und Bowan pflichtete ihm sofort bei.
„Natürlich hast du das.“
„Siehst du?“, wandte sich Munu danach an Bahe. „Sogar Bowan weiß davon. Und dennoch wagst du es dich nicht nur an Xukun heran zu machen, du belästigst sie obendrein auch noch und befleckst ihren reinen Körper mit deinen widerlichen und schmutzigen Händen…“
„Können wir einfach zur Sache kommen?“, stöhnte Bahe schließlich doch laut auf. „Dein großspuriges Machogehabe kannst du dir für zuhause vor dem Spiegel sparen. Wir wissen beide, dass du mir einfach nur eine Abreibung verpassen willst, also bringen wir es hinter uns.“
Ok, das war dumm gewesen, sicher, aber verdammt, er konnte keine weitere Sekunde von diesem geschwollenen Gelaber des Vollidioten ertragen.
„…“
Für einen Moment herrschte verblüfftes Schweigen, dann verzerrte sich Munus Miene voller Wut. Mit einem Satz sprang er heran und verpasste Bahe so schnell einen Schlag in den Magen, dass Bahe erst keuchend am Boden begriff was soeben passiert war.
„Munu, lass uns das doch machen“, merkte Bowan an.
Doch Munu antwortete nur kalt, während er sich vor Bahe hinhockte: „Nein, dieser Kerl gehört mir.“
Im nächsten Moment merkte Bahe wie Munu nach seinen Haaren griff und seinen Kopf anhob, bis Bahe mit ihm auf Augenhöhe war.
„Weißt du…“, begann Munu. „Ich könnte dir problemlos ein paar Schläge an den Kopf verpassen. Das Gehirn ist so ein zerbrechliches Gefüge.“
Im nächsten Moment verpasste er ihm drei Ohrfeigen hintereinander, ehe er fortfuhr: „Bei deiner Gehirnerschütterung würde es wohl alsbald den Geist aufgeben. Ich frage mich wirklich, was wohl deine Familie dazu sagen würde, wenn du als geistig Behinderter zurück nach Hause kommst. Haha, was sage ich, du müsstest ja erst einmal den Weg dahin finden.“
Bahe lief es eisig den Rücken herunter, als er hörte mit welcher Belanglosigkeit Munu über diese Grausamkeit redete.
„Aber keine Sorge, obwohl niemand ein Problem mit einem verblödeten Ausländer hätte, halte ich diese Strafe als viel zu harmlos für deine Vergehen. Ich frage mich, ob ich nicht stattdessen mit deinen kleinen Geschwistern spielen sollte...“
„Du krankes Schwein!“, zischte Bahe wütend.
„Haha, hört ihr das, Männer?“, wandte sich Munu an seine Handlanger. „Ich glaube der Kerl braucht doch erst mal eure Aufmerksamkeit bis ich vernünftig mit ihm reden kann.“
„Hehe, wir haben nur darauf gewartet, Boss“, meinte einer unbekannten Typen und im nächsten Moment musste Bahe unzählige Tritte über sich ergehen lassen. Anfangs versuchte er sich noch der Angriffe zu erwehren, doch er kam nicht schnell genug hoch, um auszuweichen und wurde sofort gegen die nächste Wand des Klassenraums geschleudert, wo die Tritte nur so auf ihn nieder prasselten.
Verzweifelt bemühte sich Bahe seinen Kopf vor weiteren Verletzungen zu schützen und kassierte so einen Treffer nach dem anderen im Bauch- und Brustbereich, bis seine Peiniger mit ein paar letzten Tritten auf seine Oberschenkel von ihm abließen.
Stöhnend vor Schmerzen, versuchte Bahe sich am Boden liegend zusammenzurollen, doch Munus Handlanger zogen ihn an den Armen nach oben und hielten ihn schließlich auf Munus Augenhöhe fest. Bahe stand viel zu sehr neben sich, um sein eigenes Körpergewicht zu tragen.
Munu packte seinen Unterkiefer mit seiner linken Hand und quetschte seine Finger wie eine eiserne Kralle zusammen, als er nah an ihn heran rückte und bedrohlich sagte: „Das so ein europäischer Wicht wie du, der noch nicht mal seine Familie ernähren kann, an dieser Schule unterrichtet wird, ist sowieso schon eine Schande für sich. Aber das du obendrein auch noch Xukuns Ehre mit deiner widerlichen Aktion stiehlst…“
Für einen Moment hielt er inne, nur um daraufhin, boshaft zischend und mit Hass verzerrtem Gesicht fortzufahren: „Das du es wagst, dich an etwas zu vergehen was mir gehört!“
Wütend riss Munu danach Bahes Kiefer nach oben und verpasste ihm einen weiteren Schlag in den Magen.
Bahe stieg die Galle in der Kehle auf, noch ehe alle Luft aus seiner Lunge entwichen war, was einen Hustenanfall auslöste, während dem er verzweifelt nach Atem rang.
„Lasst ihn los, Männer“, wandte sich Munu anschließend an seine Handlanger.
Bahe fiel in sich zusammen und rutschte an der Wand in seinem Rücken zusammen, als die Typen der Aufforderung ihres Bosses nur zu gerne nachkamen.
An Bahe gewandt sagte Munu letztlich: „Du bist nichts anderes als ein Bisschen Dreck unter meiner Schuhsohle. Vielleicht kurzzeitig nervig, aber nichts, womit ich mich länger abgebe. Du Stück Scheiße, meldest dich bis zum Ende der Woche besser von dieser Schule ab. Jeder weitere Tag, an dem unsere Schulleitung auf deine Abmeldung wartet, wird ein weiterer Tag voller Qualen für dich werden. Ausländischer Abschaum wie du, hat hier nichts verloren.“
Danach drehte sich Munu um und ging. Es war klar, dass er keine Antwort von Bahe erwartete. Scheinbar gab es in seiner Welt kein Szenario in dem nicht seinen Wünschen nach gehandelt wurde. Seine Handlanger folgten ihm mit gehässigem Gelächter und Bowan grinste zum Abschluss noch einmal schäbig, ehe sie die Tür hinter sich zuzogen und Bahe hörte, wie die Tür von außen abgeschlossen wurde.
Hoffentlich konnte er die Fenster öffnen, sonst würde er wohl eine Weile hier festsitzen. Wobei... er konnte ja Muning anrufen... Aber vielleicht sollte er sich zunächst mal ein Bisschen erholen.
Die Mistkerle wussten wie sie unbemerkt Schaden zufügen konnten. Bahes Gesicht war bis auf Munus Ohrfeigen verschont geblieben. Aber sein Oberkörper, seine Oberarme und seine Oberschenkel würden Morgen vor lauter blauer und grüner Flecken nur so wimmeln.
Bei dem Gedanken musste er wieder an seinen Großvater denken. Wenn er es in seinem Alter noch schaffte, trotz blauer Flecken und Schmerzen für seine Familie weiter zu machen, durfte Bahe sich von diesem neuen Übel auch nicht unterkriegen lassen.
Resigniert beruhigte Bahe nach und nach seine Atmung und kämpfte sich schließlich mit Mühe hoch. Zunächst einmal musste er nach Hause kommen, danach… danach würde ihm schon etwas einfallen…
Wie immer… oder?
Teil 6/7!
RiBBoN